Anaximander
Anaximander (griech. Anaximandros) (* um 611 v. Chr. in Milet; † 546 v. Chr. in Milet) war ein vorsokratischer griechischer Philosoph.
Allgemein
Dem zuverlässigsten antiken Chronologen Apollodor von Athen zufolge lebte Anaximander um 610-547 v. Chr. in Milet. Es ist wahrscheinlich, dass er Thales gekannt hatte und mit ihm in enger Gedankengemeinschaft gelebt hatte. Er wird auch als Nachfolger und Schüler des Thales bezeichnet. Für Anaximander steht dasselbe Grundproblem im Vordergrund wie für Thales, nämlich die Frage nach dem Wesen des Ursprungs bzw. der Arché. Anaximander wird weiter als erster Systematiker bezeichnet und gilt als erster Philosoph, der seine Philosophie niederschrieb. Gleichzeitig schrieb er als erster Grieche in Prosaform. Es ist jedoch nur ein Fragment seiner eigenen Formulierung überliefert. Er war ein bedeutender Astronom und Astrophysiker. Anaximander entwirft als erster unter allen Menschen eine rein physikalische Kosmogonie, das heißt eine ausschließlich auf Beobachtung und rein rationales Denken gegründete Entstehungsgeschichte unseres Kosmos, wie er denn auch als erster erkennt, dass unsere Welt ein Kosmos, das heißt ein planvoll geordnetes Ganzes ist. Anaximander entwirft als erster eine Erdkarte (von der damals bekannten Verteilung von Land und Meer), wie er auch als erster eine Sphäre, das heißt einen Himmelsglobus, konstruierte.
Kosmologie und Kosmogonie
Anaximander sagte, bei der Entstehung des heutigen, geordneten Universums hätte sich aus dem Ewigen ein Wärme und Kälte Zeugendes abgesondert, und daraus sei eine Feuerkugel um die die Erde umgebende Luft gewachsen, wie um einen Baum die Rinde.
Die Gestirne entstehen laut Anaximander durch die geplatzte Feuerkugel indem das abgespaltene Feuer von Luft eingeschlossen werde. An ihnen seien gewisse röhrenartige Durchgänge vorhanden als Ausblasestellen; an diesen Stellen seien die Gestirne sichtbar. In dieser Weise entstünden auch die Finsternisse, nämlich durch Verriegelung der Ausblasestellen.
Das Meer sei ein Überrest des ursprünglichen Feuchten. Der Ort um die Erde herum sei nämlich feucht. Weil das Meer jeweils durch die Sonne ausgetrocknet werde, werde es sogar ganz trocken sein. Aus einem Teil dieses Feuchten, das durch die Sonne verdampfe entstünden die Winde, indem die feinsten Ausdünstungen der Luft sich ausscheiden und, wenn sie sich sammelten, in Bewegung gerieten. Auch die Sonnen- und Mondwenden entstünden, weil diese eben dieser Dämpfe und Ausdünstungen wegen ihre Wenden vollführten, indem sie sich solchen Orten zuwendeten, wo ihnen die Zufuhr dieser Ausdünstung gewährleistet sei.
Die Erde sei das, was von dem ursprünglichen Feuchten an den hohlen Stellen der Erde übrig geblieben sei. Anaximander sagte die Erde sei schwebend, von nichts überwältigt, beharrend infolge ihres gleichen Abstandes von allen Himmelskreisen. Ihre Gestalt sei rund, gewölbt, einem steinernen Säulensegment ähnlich einem Zylinder. Wir stünden auf der einen ihrer Grundflächen; die andere sei dieser entgegengesetzt. Regengüsse entstünden aus der Ausdünstung, welche von der Sonne aus der Erde hervorgerufen werde. Blitze, entstünden, indem der Wind sich in die Wolken hineinstürze und sie auseinander schlage.
Seiner Auffassung nach sind laut der Überlieferung die Lebewesen aus dem Feuchten durch die Wärme der Sonne entstanden, indem nämlich sie von der Sonne ihrer Feuchtigkeit beraubt wurden. Die Menschen seien ursprünglich aus Fischen bzw. fischartigen Lebewesen entstanden; im Innern dieser Lebewesen seien sie ernährt worden, und erst nachdem sie die Fähigkeit erworben hätten, sich selbst zu helfen, seien sie aus ihnen herausgeschlüpft und an Land gegangen.
Ursprung bzw. Arché
Ursprung [oder: Anfang] und Element sei das Unbeschränkte, das Unbegrenzte; er bestimmte es nicht als Luft oder Wasser oder etwas Ähnliches. Es sei eine gewisse Natur, und diese sei immerwährend und bereite alle Dinge zu und lenke sie. Und die Teile verwandelten sich, das All jedoch sei unverwandelbar. Das Apeiron sei das Allumfassende und schließe alles in sich ein. Er bezeichnet es als das Prinzip der seienden Dinge, und aus diesem seien die Welten und die darin befindliche Ordnung entstanden. Denn aus diesem entstehe alles und zu diesem vergehe alles. Weshalb auch unbeschränkt viele Welten produziert werden und wieder vergehen zu jenem, aus dem sie entstehen. Er spricht von Zeit, weil das Entstehen und das Dasein und das Vergehen genau abgegrenzt worden sind. Er hat also das Unbeschränkte sowohl als Ursprung wie auch als Element der seienden Dinge angewiesen. Er fügt dem hinzu, dass die Bewegung ewig sei und dass eben deshalb bei dieser Bewegung die Welten entstünden. Entstehen und Vergehen würden nur dann nicht nachlassen, wenn dasjenige, von dem das Entstehende abgetrennt wird, unbeschränkt sei. Der einzig erhaltene Satz des Anaximanders lautet (nach Diels, Kranz): Anfang und Ursprung der seienden Dinge ist das Apeiron (das grenzenlos-Unbestimmbare). Woraus aber das Werden ist den seienden Dingen, in das hinein geschieht auch ihr Vergehen nach der Schuldigkeit; denn sie zahlen einander gerechte Strafe und Buße für ihre Ungerechtigkeit nach der Zeit Anordnung. Der gesamte Satz scheint sich auf die Notwendigkeit des Entstehens (des Werdens) und des Vergehens (des Verfalls) zu beziehen. Er muss sich auf die ununterbrochene Veränderung von einander entgegengestellten Formen oder Kräften beziehen, der Grundgedanke muss also hier der Gedanke vom beständigen Austausch zwischen entgegengesetzten Substanzen sein. In der ganzen Naturwelt sind Bewegung und Veränderung eine Tatsache. Diese hat er als Notwendigkeit aufgefasst, der alles Seiende unterliegt. Was im Kosmos existiert, ist dem Wechsel und der Veränderung unterworfen; das eine nimmt den Platz des anderen ein, dem Leben folgt der Tod und umgekehrt.
Seelenkonzeption
Anaximander hielt die Seele für luftartig. Der Vorstellung von der Seele als Aer liegt offenbar die Verbindung des Lebens mit Aer bzw. dem Ein- und Ausatmen zugrunde. Ob er zwischen dem Lebensprinzip bzw. der Atemseele des Menschen und anderer Lebewesen und in der Natur zerstreuten Anima unterschieden hat, ist unklar. Wie sich Anaximanders Auffassung von Apeiron und Kosmos zu seiner Vorstellung von der Seele verhält, ob es zwischen ihnen überhaupt eine Beziehung gibt ist ungewiss. Da Anaximander die Seele für luftartig hielt, lässt sich vermuten, dass er der Seele Unsterblichkeit zugesprochen hat. Ob er an eine Beseelung des Kosmos, ferner an eine Allbeseelung, ähnlich wie sie sich Thales vermutlich vorgestellt hatte, und darüber hinaus an die Unsterblichkeit individueller Seelen gedacht hat, bleibt dahingestellt. Unsterblich ist ihm zufolge das Apeiron, wobei er auch für die Elementarkräfte nur Wechsel und keinen eigentlichen Tod angenommen zu haben scheint. In seiner dynamischen Weltanschauung, derzufolge alle Seienden und ihre Ordnung in ständigem Wandel begriffen sind, scheint das Vergehen einen Moment des Wandels darzustellen, worauf unmittelbar das Entstehen folgt. Anaximander gründet die Kontinuität alles Seienden auf die Notwendigkeit von Entstehen und Vergehen und macht die Zeit zu der Kraft, die die Ausgewogenheit zwischen Entstehen und Vergehen garantiert. Im Wandel des Seienden sind Leben und Tod äquivalent.
Literatur
- Christof Rapp, Die Vorsokratiker, München (Beck) 1997 ISBN 3-406-38938-4
Siehe auch
Weblinks
- Verschiedene Textauszüge
- http://www.tillmann-group.de/mythen/anaximander.htm
- http://www.gottwein.de/Grie/VSAnaximand01.htm
- http://www.anderegg-web.ch/phil/anaximandros.htm
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Personendaten | |
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NAME | Anaximander |
KURZBESCHREIBUNG | vorsokratischer griechischer Philosoph |
GEBURTSDATUM | um 611 v. Chr. |
GEBURTSORT | Milet |
STERBEDATUM | 546 v. Chr. |
STERBEORT | Milet |