Netzwerk-Marketing
Das Netzwerk-Marketing (auch MLM - Multi Level Marketing - genannt) ist eine Sonderform des Direktverkaufs und müsste korrekterweise "MLS" (Multi Level Sales) heißen. Es bezeichnet die organisatorische Form von als Handelsvertreter selbstständig tätigen Verkäufern über mehrere Provisionsebenen hinweg. Als Synonyme gelten die Begriffe Strukturvertrieb oder Downline. Vorgesetzte werden als Struki oder euphemistisch als Sponsor bezeichnet.
Funktionsprinzip
Bei dieser Verkaufsstruktur stehen mehrere Verkäuferstrukturen übereinander, wobei vor allem die unteren Strukturen intensive Kundenkontakte pflegen. Der häufig hierfür gebrauchte Begriff des "Schneeballsystems" wird für die illegale Variante des MLM verwendt, bei dem die exponentiellen Mitarbeiterwerbung im Mittelpunkt steht und nicht der Produktverkauf.
Die Organisationsstruktur des MLM ähnelt grafisch einer Pyramide mit einer Vielzahl von Beteiligten auf der Basisebene und wenigen an der Spitze. Dem unmittelbaren Verkäufer wird ein erheblicher Teil der Gesamtprovision nicht vergütet, sondern verbleibt bei dem Beteiligten, der ihn angeworben hat bzw. dessen Sponsoren über ihm. Jeder Ebene werden hierbei eindeutige Provisionsanteile zugewiesen, wobei der Aufstieg in die nächsthöhere Ebene jeweils an bestimmte Umsatzvorgaben in Form von Monats- oder Quartalsergebnissen gebunden ist.
Der absolute Provisionsanteil pro Umsatzanteil nimmt in der Regel nach oben hin innerhalb der Struktur ab. Die kumulierte Gesamtprovision steigt allerdings mit der Zahl direkt oder indirekt angeworbener Kunden/Verkäufer über die einzelnen Stufen hinweg erheblich an. Die Beteiligten erhalten prinzipiell keine Gehälter oder vergleichbare feste, erfolgsunabhängige Zahlungen.
Im Unterschied zum Investitionsgütermarkt verläuft die Beratung häufig nach standardisierten Verkaufsleitfäden ab, wobei im Gegensatz zum Ladenverkauf die Schaffung einer persönlichen Beziehungsebene stärker ausgeprägt ist.
Folgen des Funktionsprinzips
Abwälzung der Akquisitionskosten auf die Öffentlichkeit
MLM verursacht einen nicht zu vernachlässigenden Anteil von UCE und Usenet-Spam. MLM-Inserate in den Stellenanzeigen-Newsgroups de.markt.arbeit.* sowie wütende Diskussionen und Kommentare zwischen den Anzeigen waren der Grund, warum diese Anzeigen-Newsgroups 1998 in moderierte Newsgroups umgewandelt werden mussten und warum dort explizit Anzeigen verboten wurden, die an Zahlungen des Arbeit- oder Auftragnehmers an den Arbeit- oder Auftraggeber gekoppelt sind.
Rekrutierung von Freunden und sachunkundigen Bewerbern
Ein wichtiges Funktionsprinzip des MLM ist, dass der Erfolg von der Anzahl an Personen abhängt, die man kennt und deren Vertrauen man genießt. Naturgemäß sind dies zuallererst sehr nahe Verwandte und gute Freunde. MLM hat zur Folge, dass diese als potenzielle Kunden und potenzielle zukünftige Mitbeteiligte gesehen werden und Besuche bei ihnen in erster Linie dem Zweck dienen, ihnen die Produkte zu verkaufen und sie anzuwerben. Bei der Anwerbung weiterer Beteiligter wird mit Aufstiegschancen geworben, die nur in Ausnahmefällen auch tatsächlich realisierbar sind.
In Kleinanzeigen-Printmedien wird regelmäßig nicht darüber aufgeklärt, dass es sich um MLM handelt, sondern gezielt in Kauf genommen, dass Interessenten Zeit für einen persönlichen Termin aufwenden und erst vor Ort erfahren, dass es weder Bestandskunden für sie oder noch ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gibt. Entgegen der tatsächlichen Ansprache für eine selbständige Handelsvertretung nach den Bestimmungen des Vorlage:Zitat §ff. wird regelmäßig in der Marktkommunikation von "einer Stelle als Teamleiter" oder "Führungskraft" gesprochen. Über die Rechte und Pflichten eines eingetragenen Kaufmannes (e.K.) nach den Bestimmungen des Handelsrechtes wissen die zumeinst sachunkundigen MLM-Kräfte oft selbst nichts. Dafür werden um so häufiger Informationen über Incentives und Prämen (zumeist Sachwerte, praktisch nie zertifizierte Weiterbildungen oder Studienabschlüsse) vermittelt. Die Kosten des Gesprächstermins werden dem Bewerber entgegen den gesetzlichen Bestimmungen nicht erstattet. Aus Gründen der Beweisvermeidung werden daher keine schriftlichen Einladungen zu Vorstellungsgesprächen versandt und Einkommensversprechen grundsätzlich grundsätzlich nicht schriftlich prognostiziert.
Abwälzung des unternehmerischen Risikos nach unten
Es ist für jeden Beteiligten von Vorteil, so viele weitere Beteiligte wie möglich anzuwerben. Anders als bei einem Unternehmen mit fest angestellten Mitarbeitern, das Gehälter zahlt und insofern durch Anstellung ungeeigneter, erfolgloser Mitarbeiter Verluste erleiden würde, ergibt sich für einen MLM-Beteiligten ein solches unternehmerisches Risiko nicht. Es ist für ihn mit keinerlei Risiko oder Nachteil verbunden, wenn er zusätzlich zu erfolgreichen Beteiligten auch solche anwirbt, die scheitern.
Deshalb besteht kein Bedarf, die Eignung der Angeworbenen zu prüfen; statt dessen besteht ein erheblicher Ansporn, auch Privatpersonen ohne kaufmännische Ausbildung und ohne Verkaufstalent anzuwerben, die im Idealfall weder die Produkteigenschaften tiefgehend beurteilen können, noch Kenntnisse über das Handelsrecht bzw. kundenorientierte Verkaufsgesprächsführung besitzen. Bei Organisationen, in denen der Verkäufer selbst als Zwischenhändler fungiert und Ware ankaufen muss um sie zu vertreiben, wird zudem in Kauf genommen, dass Mitarbeiter auf den Produkten sitzen bleiben und es nicht schaffen einen Gewinn zu erwirtschaften. Unbedarften Kunden, beispielsweise Erwerbslosen, die in einer verzweifelten finanziellen Lage als Abnehmer nicht in Frage kommen, werden i.d.R. erfolgsversprechene Positionen in der Unternehmenshirarchie angeboten, welche bei näherer Betrachtung nur nach entsprechendem Umsatzerfolg zu erreichen sind. Je nachdem wieviel Zeit, Kraft und Ausdauer der Mitarbeiter in das Geschäft investiert, sind diese Ziele jedoch prinzipiell erreichbar, soweit es hinreichend Nachfrage nach dem Produkt gibt.
Sobald eine eigene, sog. Downline mit wiederum selbständigen Handelsvertretern erarbeitet wurde, stellt sich das Risiko des plötzlichen Verlustes von einzelnen Sub-Unternehmern. Da es im MLM keine Tätigkeitsverpflichtung (vergl. Dienstvertragsrecht Vorlage:Zitat §ff.) und somit auch keine Treuepflicht gibt, hat der MLM-Unternehmer ein gesteigertes Interesse daran seine "Mitarbeiter" permanent zu kontrollieren und zu motivieren. Aufgrund der regelmäßig nicht vorhandenen Kenntnisse in Unternehmensführung, Verkaufstraining und Mitarbeitermotivation, aber auch aus Gründen die in der Abschöpfungstrategie dieser Distributionspolitik liegen, ist die Fluktuation in MLM-Strukturen generell hoch. Die damit verbundenen Lebensrisiken verbleiben beim selbständigen Mitarbeiter. Die ausgezahlte Gesamtprovision kumuliert hingegen im Erfolgsfall einer Mehrzahl von aktiven Downlines zu beachtlichen Einkommensmöglichkeiten.
Network-Marketing-Unternehmer können der Interessenvertretung Bundesverband Netzwerk-Marketing e.V. beitreten, dessen für Mitglieder verbindlichen Verhaltenskodex die Imagepflege des Netzwerk-Marketing, Schutz von an Network-Marketing Interessierten und Unternehmern, sowie Förderung des lauteren Wettbewerbs bewirken soll.
Verdienstmöglichkeiten
Erfolgreiche Networker sollen in der mittleren Ebene mitunter sechsstellige Brutto-Jahreseinkommen mit 20 bis 500 selbstständigen Mitarbeitern erzielen. In der Spitzenstufe sollen derartige Leistungen mitunter pro Monat mit bis zu 10.000 selbstständigen Mitarbeitern bundes- bzw. europaweit erzielt werden. Die Anzahl dieser sog. "Generäle" (6´er bzw. 7´er-Stufe) bei führenden Finanzdienstleistern in Deutschland ist allerdings auch auf wenige Hundert Personen beschränkt. Die lebenspraktische Wirklichkeit für die große Masse der durchschnittlich aggressiven Handelsvertreter im MLM steht dem allerdings mit Nettoeinkommen von oft unter 1.000,- Euro im Monat entgegen.
Strafbarkeit von MLM
MLM ist in Deutschland eine Straftat, wenn es so betrieben wird, wie es § 16 Abs. 2 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) definiert. Dieser lautet:
- Wer es im geschäftlichen Verkehr unternimmt, Verbraucher zur Abnahme von Waren, Dienstleistungen oder Rechten durch das Versprechen zu veranlassen, sie würden entweder vom Veranstalter selbst oder von einem Dritten besondere Vorteile erlangen, wenn sie andere zum Abschluss gleichartiger Geschäfte veranlassen, die ihrerseits nach der Art dieser Werbung derartige Vorteile für eine entsprechende Werbung weiterer Abnehmer erlangen sollen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Im Klartext heißt das: MLM ist dann strafbar, wenn bei der Werbung nicht das Produkt im Vordergrund steht, sondern ein Gewinnversprechen für den Fall, dass man selbst auch wieder Verbraucher wirbt und dabei ebenfalls wieder in erster Linie das Gewinnversprechen bewirbt. Diese Vorgehensweise wird auch als "Progressive Kundenwerbung" bezeichnet. Das heißt, es liegt im Interesse der MLM-Betreiber, zumindest den Anschein zu erwecken, dass das Produkt im Vordergrund stehe. Aus diesem Grund ist die Frage nach der Legalität eines bestimmten MLM-Systems sehr schwierig pauschal zu beantworten.
Produkte
Mit MLM werden vor allem vertrieben:
- Finanzdienstleistungen
- Nahrungsergänzung
- Schmuck
- Haushaltsartikel
- Kosmetika.
Die in MLM-Vertrieben angebotenen Produkte und Dienstleistungen entsprechen häufig nicht den kommunizierten Wirkungsweisen oder wirtschaftlichen Erfolgen. Beispiele hierzu aus dem Finanzmarkt sind im hier verlinkten MLM-Beobachter vermerkt. Ebenso haben die Nahrungsergänzungsstoffe und kosmetischen Präparate wie Noni oder Aloe Vera, trotz häufig hoher Reinheit, insgesamt selten die versprochene Wirkung. Wortreich angedeutete, juristisch jedoch nie als Wirkungsversprechen angesprochene Heilwirkungen lassen sich fast nie nachweisen. Der Neurologe Professor Stöhr warnt beispielsweise vor Anti-Aging-Produkten und bezeichnet Produkte wie Naturerde, Himalayasalz oder Apfelessig als weitgehend wirkungslos und reine Geschäftemacherei. Den Einsatz von Hormonen wie Testosteron oder Melatonin gegen das Altern beschreibt er sogar als gefährlich.
Eine zumindest für den Finanzdienstleistungsbereich wirksame Vereinigung seriöser und tatsächlich freier Vermittler mit umfangreicher Zugangskontrolle im deutschsprachigem Raum stellt der Berufsverband Anlegerorientierter Vermittler e.V. mit Sitz in Seesen bei Hannover dar.
Prof. Dr. M. Zacharias an der Fachhochschule Worms stellt eine Studie zu Netzwerk-Marketing 2002 in der BRD auf Grund von Unternehmensbefragungen zur Verfügung.
Bekannte Netzwerk-Marketing-Organisationen
- ACN Communications GmbH (Telefonservice, Mobilfunk, Internet, Gas & Strom)
- AFA (Allgemeine Finanz- und Assekuranzvermittlung)
- Allgemeiner Wirtschaftsdienst (AWD)
- AMC (Kochtöpfe aus Edelstahl)
- Amway, Quixtar, Alticor
- ANiFiT (Tiernahrung)
- Avon (Kosmetik)
- Bestlife 3000 (Nahrungsergänzung)
- Body Wise International (Beauty und Wellnes)
- ConceptKauf (zuvor Cars-4-Free)
- Cashback Systems (Prepaid-Rabattkarten)
- Cell Tech Products Inc. (Nahrungsergänzung)
- Deutsche Vermögensberatung AG (Versicherungen)
- Dreamlife (Grußkarten- und Geschenkevertrieb)
- Equinox
- eunet24
- Evora Cosmetic Handels GmbH (Beauty)
- Excel Communications, Excel Telecommunications, EurExcel (Provider)
- Forever Living Products (FLP) Beauty und Wellness)
- Frederic M (Beauty und Wellness)
- Geldnetzwerk (Internetshopsystem)
- HMI (Hamburg Mannheimer International Versicherungen)
- Herbalife International (Nahrungsergänzung)
- Jemako International GmbH (Reinigungs- u. Pflegeprodukte)
- JobMobil
- K+P Marketing
- LifePlus International (Nahrungsergänzung)
- LR International (Beauty)
- Mary Kay
- Matol Botanical International
- MegaMemory
- Melaleuca Inc.
- MyService
- Nature's Sunshine Products
- Nu Skin International Inc.
- Nutrition for Life
- Online Media World / gollub.com
- Quick-Tipp (Lotto)
- SLC Agentur KG
- Sunrider Corporation
- Tahitan NONI (Nahrungsergänzung)
- Tipp zum Glück
- Tiscali (Provider)
- Tecis (Finanzdienstleistungen)
- Tupperware (Haushaltswaren)
Siehe auch
- Schneeballsystem (bezeichnet rudimentär mit MLM verwandte, aber illegale Geldspiele)
- Nebenstrafrecht (nicht jede Straftat steht im StGB)
Webseiten
- Bundesweites Informationsportal zum Thema Selbständigkeit und Existenzgründung mit Datenbank der wichtigsten Netzwerk-Marketing Unternehmen Deutschlands
- §16 UWG
- MLM-Portal (unkritisch)
- Bundesverband Network Marketing e.V. (neutral)
- MLM-Beobachter Kritische Informationen zum Thema Multi Level Marketing
- Forum von ehemaligen Mitarbeitern des Strukturvertriebs AWD
- Newsgroup alt.business.multi-level, mit Google sichtbar gemacht
- Landeskriminalamt LKA 327 AG Columbiadamm 4 10965 Berlin Schneeballsysteme, Kettenbriefe, Pyramidensysteme