Papiertheater
Papiertheater sind Miniaturtheater, die als Ausschneidebogen in Deutschland und England ungefähr gleichzeitig ab 1810, später auch in anderen europäischen Ländern produziert und verlegt wurden.
Diese Ausschneidebogen waren Bestandteil der Bilderbogenkultur des 19. Jahrhunderts. Vorläufer waren die Papierkrippen und Guckkästen mit spektakulären Ereignissen und die Mandelbogen (Personalbogen zu Berufsgruppen oder Militär).
Diese Bilderbogen wurden vorwiegend von den bürgerlichewn Schichten zur Erbauung, Unterhaltung und Erziehung gekauft und genutzt. Die Papiertheater waren Symbol und Identifikationsmedium der Theaterbegeisterung der Bürger, die die Oper und das Schauspiel gerade in der ersten Häfte des 19. Jhs. für sich entdeckten.
Das Repertoire der Papiertheater umfasste daher die Spielpäne der zeitgenössischen Theater. Opern, wie die Zauberflöte, Fidelio, Der Freischütz, Zar und Zimmermann, Die Hugenotten und Oberon waren gewünscht, was sich in den verschiedenen Figuren- und Kulissenbögen der zahlreichen Verlage niederschlug.
Im Schauspiel waren im deutschsprachigen Raum Faust (frei nach Goethe oder der Sage), Egmont (Goethe), Wallensteins Lager, Wilhelm Tell (beide von Schiller), Der Alpenkönig und der Menschenfeind (Raimund), das Käthchen von Heilbronn (Kleist), Hamlet und Romeo und Julia, aber auch Othello (letztere von Shakespeare) und vieles andere mehr verfügbar.
Für ein Papiertheater benötigt(e) man ein Prozenium mit Vorhang. Dieses ist ein vor (pro) der Szene (Bühnenbild) befindliches Portal mit Vorhang. Außerdem sind ein oder mehrere Bühnenbilder und ein Figurenbogen mit allen für das Stück benötigten Figuren erforderlich. Diese Bögen waren schwarz-weiß Lithografien, die entweder unkoloriert oder hand- oder auch schablonenkoloriert angeboten wurden. Die Kolorierung erfolgte oft in Heim- oder Kinderarbeit und wurde von den Schichten des Proletariats für Minimallöhne erledigt, die sich diese Bogen nicht leisten konnten, geschweige denn einen Theaterbesuch.
Die Farblithografie wurde erst später erfunden und auch erst dann eingeführt, als sich die anderen Arbeitsformen nicht mehr lohnten. Die Bogen wurden ausgeschnitten und zusammengeklebt und erst einmal bestaunt. Irgendwann kam man auf die Idee, diese Theater zu bespielen. So kamen mit den Mitteln der Hausmusik, geräuschspendenden Utensilien, wie einer mit Erbsen gefüllten Papprolle als Regenmaschine, Topfdeckeln, Pfeifen und Donnerblechen Aufführungen zustande, die dem im großen Theater Erlebten bestimmt nur um weniges nachstanden.
Was die Inszenierung nicht hergab, ergänzte die Fantasie des Zuschauers. Das waren Freunde, Nachbarn und Verwandte der Spieler. Damit war ein winterlicher Sonntagnachmittag sehr schön zu gestalten. In der zweiten Hälfte des 19 Jhs. wandelte sich das Papiertheater zum Kindertheater, in dem zunehmend Märchen gespielt wurden. Nach dem 1.Weltkrieg geriet es zunehmend in Vergessenheit. Ab den siebziger Jahren des 20.Jh. wurde es von Sammlern wiederentdeckt und erlebt seit dem eine Renaissance als eigenständige Figurentheaterform.
Die bekanntesten deutschen Verlage im 19.Jahrhundert:
- Renner in Nürnberg
- Trentsensky in Wien
- Winckelmann in Berlin
- Gustav Kühn und Oehmigke & Riemschneider in Neuruppin
- Scholz in Mainz
- Schreiber in Esslingen.
Heute sind Papiertheater wieder als Ausschneidebögen erhältlich. Es gibt ein Museum in Hanau (Schloss Philippsruhe),einen Verein, der sich um die Belange des Papiertheater kümmert und eine Zeitschrift unter dem Titel PAPIERTHEATER herausgibt, ein permanentes Papiertheater in Schloss Burg und ein Festival in Preetz, Schleswig-Holstein