Franz-Josef-Land
Das Franz-Joseph-Land (russisch Земля Франца Иосифа, spr. Semlja Franza Jossifa) ist eine Inselgruppe im Nordpolarmeer nördlich der großen Doppelinsel Nowaja Semlja und gehört zur Oblast Archangelsk in Russland.
Das Kap Fligeli (mys Fligeli) auf der Rudolf-Insel (ostrow Rudolfa) ist somit der nördlichste Landpunkt Europas (81° 51' n. Br.). (siehe Anmerkung unten)
Der weitgehend eisbedeckte und fast unbewohnte Archipel wurde im August 1873 von der österreich-ungarischen Nordpolexpedition von Payer/Weyprecht entdeckt, am Südrand erforscht und nach Kaiser Franz-Joseph I. benannt. 1886 und 1895 setzte der Norweger Fridtjof Nansen die Erkundung fort. 1926 kam das Land unter sowjetische Hoheit. Die Zufahrt ist nur wenige Sommerwochen (und nicht in jedem Jahr) eisfrei und erfordert eine spezielle Genehmigung.
MEZ + 4 Stunden / die 160 km westlich des Archipels gelegene Ostrow Wiktorija (Victoria-Insel): MEZ + 3 Stunden.
Geographie
Die Inselgruppe liegt ostnordöstlich von Spitzbergen und westlich der Inselgruppe Sewernaja Semlja (Nordland). Sie ist durch Fjorde, Buchten und meist zugefrorene Meerengen unterteilt. Der nördlichste Punkt des Franz-Joseph-Landes ist nur ca. 900 km vom Nordpol entfernt. Nur die Nordspitze Grönlands und die Ellesmere-Insel in Kanada liegen dichter am Pol. Die südlichste Insel des Franz-Joseph-Landes ist etwa 370 km von der Insel Nowaja Semlja (Nordinsel) entfernt. Die Barentssee wird vom Franz-Joseph-Land im Norden abgegrenzt.
Die Gesamtfläche der Inseln beträgt 16.090 km² (etwa die Größe der Steiermark oder Thüringens). Es wurden 191 Inseln gezählt (andere Quelle: 187 Inseln), die zu über 80 % ständig mit Eis bedeckt sind. Die Inselgruppe ist vulkanischen Ursprungs, die höchste Erhebung (620 m ü. NN) liegt auf der Wiener-Neustadt-Insel (ostrow Winer Nejstadt).
Die Inseln
- Semlja Alexandry (Alexander-Land), mit Wetterstation Nagurskoje, im Kalten Krieg wurde hier eine Radarstation betrieben.
- ostrow Georga (Georg-Insel) mit Halbinsel Armitidsch, größte Insel.
- ostrow Greem-Bell (Greem-Bell-Insel), mit der längsten Landebahn des ganzen Archipels (2.100 m). Hier starten und landen auch schwere Transportmaschinen.
- ostrow Nortbruk (Northbrook-Insel), eine der südlichsten Inseln und relativ gut zugänglich.
- ostrow Rudolfa (Rudolf Insel), nördlichste Insel und Ausgangspunkt für Pol-Expeditionen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts (Teplitz-Bucht). Am Fuß eines Gletschers befindet sich eine kurze Eis-Landepiste.
- ostrow Winer Nejstadt (Wiener-Neustadt-Insel) mit dem höchsten Berg der Inselgruppe.
- ostrow Ziglera (Ziegler-Insel), um die vorletzte Jahrhundertwende befand sich dort die österreichisch-ungarische Beobachtungsstation "Payer-Weypricht".
Klima
Raues, arktisches Klima herrscht im Gebiet der Inselgruppe vor, es kommt oft zu Stürmen und besonders am Ende des sehr kurzen Sommers zu dichtem Nebel. Die Temperaturen liegen im Durchschnitt bei +2 °C im Sommer und -22 °C im Winter. In den letzten Jahren lagen die Extremwerte bei +10 °C bzw. -48,9 °C. Diese Daten beziehen sich auf die Wetterstation Nagurskoje auf Alexander-Land (Semlja Alexandry) im Westen des Archipels.
Die Inselgruppe liegt am Rand der Packeisgrenze, das heißt, dass nördlich der Inselgruppe das Eis auch im Sommer nicht aufbricht, jedoch zirkumpolar driftet. Aber auch weiter südlich bedecken gewaltige Packeisfelder fast 70 % der nördlichen Barentssee. Die "Tegetthoff", das Expeditionsschiff der Entdecker, wurde 1872/73 viel früher als erwartet von den Eismassen eingeschlossen.
Vegetation und Fauna
Es gibt außer Moosen, Flechten und wenigen Blütenpflanzen, die im Frühsommer eine kurze Blüte erleben, keine Vegetation. Die vorherrschenden Tierarten sind Walrosse, Seehunde, Polarfüchse, Eisbären und Meeresvögel. Im Meerwasser finden sich die für die Arktis typischen Arten von Krill, von denen die Fischwelt großteils lebt.
Geschichte
- Als erste Insel des Archipels wurde am 30. August 1873 die Gallia-Insel (ostrow Gallja) von der österreichisch-ungarischen Expedition unter Karl Weyprecht und Julius von Payer entdeckt. Die Inselgruppe wurde nach Kaiser Franz-Joseph I. benannt und ihre südlichen Teile vor und nach der Überwinterung 1873/74 erforscht.
- 1886 durchquerten die Norweger Fridtjof Nansen und Hjalmar Johansen den Archipel erstmals.
- Die Polarforscher Fridtjof Nansen und Frederick George Jackson überwinterten 1895/1896 am Kap Norway auf der Jackson-Insel (ostrow Dscheksona) nach gescheiterten Versuchen, den Nordpol zu erreichen.
- An der Stelle der Erstentdeckung, am Kap Tegetthoff (Mys Tegetchof) wurde während der Walter Wellman-Expedition 1898-1899 ein Gedenkstein errichtet. (Position 80° 05' n.Br. / 58° 01' ö.L.)
- Am Kap Geller auf Wiltschek-Land (Semlja Wiltscheka) überwinterten 1899 einige Mitglieder der Welle-Expedition.
- 1901 musste die Expedition der Amerikanerin Evelyn Baldwin auf der Alger-Insel (ostrow Aldscher) überwintern.
- Auf der Northbrook-Insel (ostrow Nortbruk) wurde von einer Expeditionsmannschaft 1904 Kohle gefördert, deren Schiff in der Nähe der Rudolf-Insel gesunken war.
- 1926 kam Franz-Joseph-Land unter sowjetische Staatshoheit.
- Von 1929 bis 1963 war die Tichaja-Bucht auf der Hooker-Insel (ostrow Gukera) der wichtigste Ausgangsort für Pol-Expeditionen, dort wurde außerdem eine Wetterstation betrieben.
- 1931 überquerte LZ 127 „Graf Zeppelin“ die Inselgruppe, er gelangte über den nördlichsten Landpunkt hinaus (Kap Fligeli).
- In der Zeit des Kalten Krieges war die gesamte Inselgruppe wegen ihrer geostrategischen Lage militärisches Sperrgebiet und für Zivilisten nicht erreichbar. Auf der Greem-Bell-Insel (ostrow Greem Bell) war eine Bomberstaffel stationiert.
- Am 23. Dezember 1996 verunglückte ein russisches Flugzeug (An-72) bei der Landung auf der Piste in Nagurskoje.
- Im April/Mail 2005 startet die Payer-Weyprecht Gedächtnisexpedition in Richtung Franz Josef Land. Unter der Leitung des Österreichers Christoph Höbenreich gehören auch Victor Bojarski (Russland), Nikita Ovsianikov (Russland) und Robert Mühlthaler (Österreich) zum Team. Die moderne Kleinexpedition will Franz Josef Land aus eigener Kraft mit Ski und Schlitten auf den Spuren (im übertragenen Sinn) von Julius Payer erkunden, um die historische Leistung der Pioniere zu würdigen.
Literatur
- Payer, Julius, Die österreichisch-ungarische Nordpol-Expedition in den Jahren 1872-1874, nebst einer Skizze der zweiten deutschen Nordpol-Expedition 1869-1870 und der Polar-Expedition von 1871. Mit 146 Illustrationen (Holzstichen) und 3 (gefalteten) Karten. Wien: Hölder 1876. CIV, 696 S.
- Andreas Pöschek: Geheimnis Nordpol. Die Österreichisch-Ungarische Nordpolexpedition 1872-1874. - Wissenschaftliche Arbeit 1999 (als PDF hier downloadbar)
- H. Straub, Die Entdeckung des Franz-Joseph-Landes, Styria-Verlag 1990.
- Christoph Ransmayr: Die Schrecken des Eises und der Finsternis - Roman, Wien (1984), Auflage von 1998 als Fischer Taschenbuch: ISBN 3-596-25419-1
Siehe auch: Johann Nepomuk Graf Wilczek, Archangelsk, Nordeuropa, Packeis, Sibirien, Polarforschung, Wetterstation
Weblinks
- Infos zur Payer-Weyprecht Gedächtnisexpedition 2005 nach Franz Josef Land
- Vorlage:Aeiou
- Österr.-ungarische Expedition 1872-74, Unbekanntes Land taucht auf
- Schiffsreisen in das Franz-Joseph-Land
Anmerkung: In einigen geographischen Abhandlungen sowie (u.a. englischsprachigen) Beiträgen wird das Franz-Joseph-Land irrtümlich zu Asien gezählt.