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Fuchsbandwurm

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Fuchsbandwurm
Larven des Fuchsbandwurmes
Larven des Fuchsbandwurmes

Larven des Fuchsbandwurms (Echinococcus multilocularis)

Systematik
Klasse: Bandwürmer (Cestoda)
Unterklasse: Echte Bandwürmer (Eucestoda)
Ordnung: Cyclophyllidea
Familie: Taeniidae
Gattung: Echinococcus
Art: Fuchsbandwurm (E. multilocularis)

Der Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis) ist eine Art der Bandwürmer (Cestoda) und parasitiert vor allem im Rotfuchs, Polarfuchs und Marderhund, seltener im Haushund oder in der Hauskatze. Als Zwischenwirt dienen kleine Säugetiere, wie Rötelmaus oder Feldmaus. Der Fuchsbandwurm ist der Auslöser der alveolären (lungenbläschenartige) Echinokokkose, einer lebensgefährlichen Wurmerkrankung. Das Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) bezeichnet den Fuchsbandwurm als den gefährlichsten vom Tier auf den Menschen übertragbaren Parasiten Mitteleuropas.

Merkmale

Als kleinster Vertreter der Bandwürmer erreicht der Fuchsbandwurm eine Länge von nur rund drei Millimetern bei einem Durchmesser von rund einem Millimeter (zum Vergleich: Der größte Bandwurm erreicht eine Länge von rund 20 Metern). Der Kopf (Scolex) besitzt wie bei vielen Bandwürmern Haken, um sich an der Darmwand des Wirtes festzusetzen. Diese sind in zwei Reihen zu je 13 bis 18 Häkchen angeordnet, wobei die vorderen größer als die dahinterliegenden sind.

Sein Körper ist in drei bis vier Pseudosegmente (Proglottiden) unterteilt, wobei das letzte stark vergrößert ist und fast die Hälfte der gesamten Länge des Wurmes ausmacht. In diesem Segment liegen auch die reifen männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane, in denen Eier und Spermien produziert werden. Etwa in der Mitte dieses Proglottiden liegt der deutlich erkennbare Genitalporus.

Verbreitung

Die Verbreitungsgebiete erstrecken sich vor allem auf die gemäßigten bis kalt-gemäßigten Klimazonen Mitteleuropas und Nordamerikas. Er kommt in den meisten Gebieten endemisch vor, breitet sich jedoch zusehends auf ganz Mitteleuropa aus, da immer mehr Rotfüchse in die Städte abwandern und sich der Fuchsbandwurm dort vor allem unter der Nagetierpopulation ausbreiten kann. Die Befallsdichte schwankt rapide, in manchen Regionen sind bis zu 70 % der Füchse befallen (Südwestdeutschland), in anderen nur bis zu 5 %.

Vor allem in Sibirien und Alaska mit den Inseln des Beringmeers sowie in der Schweiz (Schwerpunkt Kanton Thurgau) und in Deutschland im Bereich der Schwäbischen Alb häufen sich die Vorkommen. Zumindest in Europa kommt es aufgrund dieser inselhaften Verbreitung so gut wie gar nicht zu einer Überlappung mit dem Verbreitungsgebiet für den Hundebandwurm (Echinococcus granulosus). Ein Grund für diese Verteilung ist noch nicht bekannt.

Lebenszyklus

Die Entwicklung beginnt mit dem erwachsenen Wurm, der sich im Darm des Endwirtes niedergelassen hat; dort scheidet er bis zu 200 Eier (Oncosphären) pro Tag aus. Die Eier sind sehr kältebeständig und können Monate lang infektiös bleiben. Das Ei wird zunächst von einem Zwischenwirt (Nager) aufgenommen; im Magen löst sich die Eikapsel auf und die so genannte Hexacanthenlarve durchdringt die Darmwand und gelangt so in die Blutbahn oder in die Lymphe.

Die Larve setzt sich vor allem im Lebergewebe fest, kann aber auch Lunge, Herz und Milz befallen und bildet eine Hydatide (griech. Wasserreich) genannte, knospende Larvenstruktur. Sie bildet Ausläufer und beginnt damit, das umliegende Gewebe zu zersetzen. Es bildet sich ein großes schwammiges Gewebe (Metacestode), in dessen Wand sich die knospenden Protoscolices bilden, Bandwurmfinnen mit eingestülptem Kopf. Sie wird aus diesem Grunde als Hydatide des alveolären Typs gegenüber der Hydatide des cystischen Typs des Hundebandwurms abgegrenzt, bei dem durch eine Knospung in den Innenraum große Hydatidenblasen gebildet werden.

Durch die Erkrankung wird der Zwischenwirt immer schwächer und damit eine leichte Beute für den Endwirt (Hund, Fuchs, Katze). Selbst nach dem Tod des Zwischenwirtes bleibt die Hydatidenlarve noch lange infektiös, so dass auch Tiere, die sich von Aas ernähren, zum Endwirt werden können. Nimmt nun der Endwirt Teile der Hydatiden auf, so wird das umliegende Gewebe verdaut und die freigewordenen Bandwürmer setzen sich mit ihren Haken im Dünndarm fest. Dort ernähren sie sich kommensal. Die Nahrung wird über ihre Außenhaut, die syncytiale Neodermis, aufgenommen. Dabei handelt es sich um den "Nahrungsbrei", der im Dünndarm vorhanden ist und aus dem nun der Wurm die Nährstoffe resorbiert. Der Stoffwechsel verläuft anaerob über die Glykolyse. Es können tausende Würmer im Endwirt vorkommen, ohne diesen ernsthaft zu beeinträchtigen. Bei starkem Befall verteilen sich die Tiere gleichmäßig über den gesamten Dünndarm, bei wenigen Tieren bleibt in der Regel das erste Dünndarmdrittel frei.

Infektionsfolgen beim Mensch

Fuchsbandwürmer sind selbst bei hohem Aufkommen im Endwirt kaum schädlich, für den Menschen hat aber eine Infektion meist verheerende Folgen. Zwar stellt im Entwicklungszyklus des Fuchsbandwurmes der Mensch einen Fehlzwischenwirt dar, da die Infektion nicht an den Endwirt weitergegeben wird, jedoch findet in den Organen eines infizierten Menschen, vornehmlich in Leber, Lunge und Gehirn eine Finnenentwicklung statt, die das Krankheitsbild der alveolären Echinokokkose bedingt. Dabei entsteht ein Netzwerk von Röhren in den befallenen Organen. Die Finnen von Echinococcus multilocularis in Form von Anhäufungen mikroskopisch kleiner, von Bindegewebe umschlossen Bläschen (formähnlich der Alveolen, also Lungenbläschen, daher: alveoläre Echinokokkose im Gegensatz zur zystischen Echinokokkose bei Infektion durch durch E. granulosus), breiten sich wie Metastasen aus, wodurch diese Organe schleichend, aber weitgehend zerstört werden. Die Erkrankung wird meist erst zehn bis zwanzig Jahre nach der Infektion bemerkt, unter anderem, da die Symptome im Falle eines Befalls der Leber Ähnlichkeit mit einem Leberkarzinom oder einer Leberzirrhose besitzt. Durch die starken Zersetzungen in den betroffenen Organen sind Operationen kaum durchführbar. Ohne eine Operation oder die jahrelange Einnahme von Anti-Wurm-Medikamenten, sterben die meisten Patienten an Leberversagen. Eine echte Heilung ist also nahezu unmöglich - die alveoläre Echinokokkose ist daher die am häufigsten zum Tode führende Wurmerkrankung des Menschen.

Vorbeugung

Die Vermeidung bzw. Reduzierung von Infektionsrisiken ist daher besonders wichtig. Früchten und Beeren aus Bodennähe (weniger als 60 bis 80 cm über dem Boden) oder Pilzen können möglicherweise Bandwurmeier anhaften. Es wird vermutet, dass sie eine gefährliche Ansteckungsquelle für den Menschen sein könnten, der konkrete Nachweis steht allerdings noch aus und ist wegen der langen Inkubationszeit auch schwierig. Es wird empfohlen, sie niemals ungewaschen zu essen. Tiefgefrieren der Früchte reicht nicht aus, die Früchte sollten, wenn die Möglichkeit besteht, gekocht werden.

Beim Umgang mit mäusefangenden Haustieren, wie Hunden oder Katzen, ist Hygiene der beste Infektionsschutz für den Menschen. Nach der Berührung des Fells mit den Händen zum Beispiel durch Streicheln sollten diese nicht ungewaschen zum Mund geführt werden, insbesondere wenn das Fell in der Afterregion berührt wurde. Hunde und Katzen, die in der Nähe von Fuchs-Populationen gehalten werden, sollten regelmäßig entwurmt werden. Auch vom Kot eines vom Fuchsbandwurm befallenen Tieres geht eine Gefahr aus. Der trockene Tierkot könnte unbemerkt eingeatmet werden und damit auch die in ihm befindlichen Bandwurmeier.

Rechtliches

In Deutschland besteht seit 2001 eine Meldepflicht für Echinokokkose. Dies gilt auch für die Schweiz, nicht aber für Österreich.

Literatur

  • Eckert J. (1996): "Der gefährliche Fuchsbandwurm, (Echinococcus multilocularis) und die alveoläre Echinokkose des Menschen in Mitteleuropa"; Berliner & Münchner Tierärztliche Wochenschrift 109, 202-210
  • Eckert, J., Ewald, D., Siegenthaler, M., Brossard, M., Zanoni, R.G. & Kappeler, A., 1995: "Der "Kleine Fuchsbandwurm, (Echinococcus multilocularis) in der Schweiz - Epidemiologische Situation bei Füchsen und Bedeutung für den Menschen." Bulletin des Bundesamtes für Gesundheitswesen 25: 468-476.