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Staatsbürgerschaft

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Der Reisepass - alltäglicher Ausweis der Staatsbürgerschaft, weltweit

Staatsbürgerschaft (auch Staatsangehörigkeit oder Nationalität genannt) ist die Mitgliedschaft in einem Staat. Sie ist dauerhafte Rechtbeziehung zwischen dem Staat und einer natürlichen Person. Auf juristische Personen werden Regeln, die an Staatsbürgerschaft anknüpfen, sowohl innerstaatlich als auch im Internationalen Recht en entsprechend angewandt.

Die durch die Staatsbürgerschaft begründete Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Bürger wirken über das Hoheitsgebiet hinaus und wird auch von anderen Staaten anerkannt.

Die Staatsbürgerschaft begründet spezifische Rechte als Schutz- und Abwehrrechte gegen den Staat (Reisefreiheit, Auslieferungsverbot) sowie Einstandsansprüche im Verhältnis zu Dritten (konsularischen Schutz, internationale Prozessführung) und in Demokratien auch Teilhaberechte am Staatsleben im Sinne eines status activus (politische Mitgestaltung, Souveränitätsteilhabe). An staatsbürgerlichen Pflichten ist im modernen Staatsverständnis nur die Wehrpflicht und in manchen Staaten die Wahlpflicht übrig geblieben. Für die Belastung mit Steuern und Abgaben ist die Staatsbürgerschaft entgegen verbreiteter Meinung meist kein Anknüpfungsmerkmal mehr.

Gleichzeitig ist die Staatsbürgerschaft individuelle Ausprägung des staatskonstitutiven Elements Staatsvolk, wonach ein Staat nur dann und nur solange als solcher anerkannt wird, als er neben Staatsgebiet und Staatsgewalt auch ein Staatsvolk hat (vgl. Drei-Elemente-Lehre). Alle Staatsbürger bilden das Staatsvolk, das in der Regel nicht identisch mit der Gesamtbevölkerung eines Landes ist.

Geschichte der Staatsbürgerschaft

Eine Bürgerschaft als dauerhafte Verknüpfung zwischen Staat und Person bestand bereits zur Zeit der Polis im antiken Griechenland. Ausdifferenziert wurde dies im Alten Rom, wo ein Römischer Bürger zu sein geradezu Voraussetzung für die Geschäftsfähigkeit oder Postulationsfähigkeit war und ein in sich geschlossenes Rechtssystem abgrenzte, das sich bis zum Corpus Iuris Civilis (das Bürgerliche Recht) entwickelte, während das Ius Gentium (Recht der Völker) die Beziehungen Roms zu anderen Ländern, Staaten, Völkern regelte und Vorläufer des heutigen Internationalen Rechts war. Römische Bürger (Romanus) waren zur Zeit der Republik die freien Einwohner Roms, später auch die Einwohner Latiums und nach dem Bundesgenossenkrieg die Bewohner eines großen Teils Italiens. Mit Erlass der Constitutio Antoniniana 212 n.Chr. werden alle Einwohner des Römischen Reiches zu Römischen Bürgern.

Ließ sich ein Römischer Bürger in einer Stadt außerhalb Italiens nieder, so blieben er wie auch seine Nachkommen Bürger Roms. Die Dauerhaftigkeit ist auch heute wieder das tragende Prinzip der Staatsbürgerschaft.

Staatsbürgerschaft im modernen Sinne ist erst seit der Französischen Revolution durch das Aufkommen republikanischen Denkens entstanden. Seit dem wurde der Staat nicht nur als Territorialstaat oder personelle Zuordnung zur absolutistischen Monarchie, sondern auch als Personenverband von Bürgern verstanden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde daraufhin in den meisten Staaten die Staatsbürgerschaft eingeführt und es wurden Staatsbürgerschaftsgesetze erlassen.

Erwerb der Staatsbürgerschaft

Rechtstechnisch unterscheidet man Erwerb durch Gesetz (etwa Erwerb durch Geburt) und durch Verwaltungsakt (Einbürgerung). Davon unabhängig richtet sich der Erwerb materiell nach traditionell geübter Staatspraxis. Die Staatsbürgerschaft ist zwar in Nationalstaaten in der Regel an die ethnische Volkszugehörigkeit geknüpft, dies ist jedoch selten alleiniger Maßstab.

Das Abstammungsprinzip (ius sanguinis)

Die Staatsbürgerschaft der Eltern wird durch das Kind schon mit Geburt erworben (Realakt). Kinder von Staatsbürgern eines bestimmten Staates werden, unabhängig von dem Land, in dem sie geboren sind, Staatsbürger des Staates ihrer Vorfahren. Dabei vermittelt grundsätzlich jeder Elternteil gleich stark diesen Bezug. In vielen Rechtsordnungen werden Abstammungszweifel dadurch gelöst, dass ein Kind die Staatsbürgerschaft der Mutter erwirbt. In moslemischen Staaten hingegen vermittelt oft der Vater als Familienoberhaupt die Staatsbürgerschaft.

Territorialprinzip (ius soli)

Jeder im Staatsgebiet Geborene bekommt die Staatsbürgerschaft.

Dieses Prinzip wird neben dem Abstammungsprinzip nicht nur von sog. Einwanderungsländern angewandt. Solche Länder sehen darin zwar ein integrales Instrument ihrer Politik, die Anzahl ihrer Staatsbürger zu erhöhen. Jedoch lässt sich umgekehrt aus der Anwendung des ius soli nicht der sichere Befund herleiten, es handele sich um ein Einwanderungsland, zumal es neben anderen Erwerbstatbeständen mehrheitlich praktiziert wird.

Die rechtliche Ausgestaltung kennt zahlreiche Abstufungen und Kombinationen mit weiteren Merkmalen wie legalem Aufenthalt der Eltern, Daueraufenthalt oder Generationenprinzip, ethnischer Zugehörigkeit, ex-kolonialem Bezug u.ä.

Anwendung: In Frankreich etwa wird das ius soli nach dem sog. "doppeltem ius soli" (double droit du sol) praktiziert, wonach ein Elternteil bereits im Land geboren sein muss. Der Erwerbstatbestand greift also bei der 2. Generation.

Einbürgerung (Naturalisation)

Die Einbürgerung ist Erwerb durch Exekutivakt. Dieses Verfahren verbindet seitens des Bürgers den Faktor Freiwilligkeit, also der Wunsch Staatsbürger zu sein (Confirmationselement) und seitens des Staates die Möglichkeit nach selbst definierten Merkmalen weitere Staatsbürger auszuwählen (Kontrollelement). Wie intensiv dieses Instrument von einem Land genutzt wird, und gegebenenfalls im Kontext einer gezielten Bevölkerungspolitik, viele neue Einwohner und Staatsbürger anzuwerben, kann eventuell Teil seiner Selbstdefinition als Einwanderungsland sein.

Ein Nachweis für die kausale Lenkungswirkung einer bestimmten Naturalisations- oder Staatsbürgerschaftsgesetzgebung ist jedoch nicht beigebracht worden.

Viele Rechtsordnungen setzen darüber hinaus die Naturalisation als Instrument großzügig ein, um auf komplexe und detaillierte gesetzliche Automatismen auf der Basis der ius soli- und ius sanguinis-Grundsätzen zu verzichten und eine gewisse Flexibilität zu wahren. Dies ist häufige Praxis bei Ländern mit ethnischer Zersprenkelung, um geografisch und oder historisch weit reichenden Verbindungen gerecht zu werden. Gleiches gilt bei Sezessionen und Zusammenschlüssen von Ländern oder Landesteilen.

Im Selbstverständnis vieler Staatsordnungen sind Demokratieprinzip und Steuerlast natürlich verbunden, so dass der Staat nur diejenigen an der Finanzierung des Gemeinwesens redlicherweise beteiligen darf, den auch der Zugang zur Staatsbürgerschaft offen steht: No taxation without representation.

Anwendungsspezifika: In der Schweiz wird die Einbürgerung nicht vom Gesamtstaat (Bund), sondern von einer Gemeinde durch Verleihung des Gemeindebürgerrechts durchgeführt; die Schweizer Staatsangehörigkeit ist eine untergeordnete Komponente der Gemeindeangehörigkeit.

Erklärung

Eine Person kann durch Erklärung gegenüber den Behörden eines Landes die Staatsbürgerschaft erwerben, sofern das nationale Recht dies vorsieht. Dies ist meist an einigen wenigen Voraussetzungen und Merkmale geknüpft und ist eine minimalistische Form der Einbürgerung.

Multiple Staatsbürgerschaft

Allgemeines

Multiple Staatsbürgerschaft (auch Mehrstaatigkeit genannt) bezeichnet den Fall, dass eine Person mehr als eine Staatsbürgerschaft gleichzeitig hat. Dies entsteht durch das Zusammenwirken von Erwerbstatbeständen verschiedener Staatsangehörigkeitsgesetze. Häufiger Unterfall ist die doppelte Staatsbürgerschaft bei binationalen Elternpaaren oder bei Einbürgerungen.

Rechtslage in Deutschland und der EU, internationaler Vergleich

Deutschland ist bis 1998 als Verfechter gegen die Mehrstaatigkeit aufgetreten, was zum Teil mit der deutsch-deutschen Staatentrennung nach dem 2. Weltkrieg begründet war. In der Staatengemeinschaft gibt es keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz zur Vermeidung von Mehrstaatigkeit. Vielmehr zeigt die nationale Gesetzgebung mehrheitlich, dass Staaten vor allem das eigene Verhältnis zu ihren Staatsbürgern regeln, während Mehrstaatigkeit recht liberal hingenommen wird. Rechtlich ist Mehrstaatigkeit nur in gewissen Randbereichen problematisch und belastet den Staat nicht, so etwa bei mehrfacher Wehrpflicht (deren Durchsetzbarkeit vor allem vom ständigen Aufenthalt abhängt). Auch entfällt nach völkerrechtlicher Gepflogenheit die Pflicht zum diplomatischen und konsularischen Schutz, wenn sich diese gegen den Staat der anderen Staatsbürgerschaft richten würden. Wegen der zahlreichen Doppelbesteuerungsabkommen sind bei Abgaben rechtliche Kollisionen meist stark reduziert.

Seit der Auflösung des Übereinkommens vom 6.5.1963 des Europarats über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatern hat die Mehrstaatigkeit als Rechtsproblem an Bedeutung verloren. Dies ging mit der Entwicklung der Unionsbürgerschaft parallel einher.

Das deutsche Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22.7.1913 bestimmte ursprünglich, dass die deutsche Staatsangehörigkeit eine Folge der Staatsangehörigkeit eines der deutschen Länder gewesen ist, die für die Verleihung zuständig waren. 1934 wurde die eigenständige Staatsangehörigkeit der deutschen Gliedstaaten zugunsten einer einheitlichen deutschen Staatsangehörigkeit abgeschafft; der Name des Gesetzes wurde jedoch auch nach dem Ende des deutschen Reiches und der Gründung der Bundesrepublik beibehalten. Erst am 1. Januar 2000 wurde der Name auf "Staatsangehörigkeitsgesetz" verkürzt, im Rahmen einer Modernisierung, die das Ziel der rechtlichen Integration langjähriger Einwanderer und deren Nachkommen hatte. Dabei sollte dieser Bevölkerungsgruppe zur Beseitigung eines demokratischen Defizits eine erleichterte Einbürgerung ermöglicht werden, wobei auch in Deutschland Mehrstaatigkeit hingenommen werden sollte. Hiergegen wandten sich Teile der Bevölkerung in einer von CDU/CSU initiierten Unterschriftenaktion. Im Vermittlungsausschuss wurde zwischen der rot-grünen Bundestagsmehrheit und der rheinland-pfälzischen Landesregierung (deren Stimme zur Bundesratsmehrheit fehlte, nachdem in Hessen Roland Koch Ministerpräsident geworden ist, und an der neben der SPD auch die FDP beteiligt war) ein Kompromiss erreicht, der die Einbürgerung für solche Einbürgerungsbewerber erschwert, die nicht bereit waren, ihre bisherige Staatsangehörigkeit beim Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft aufzugeben. Für die Kinder deutscher Staatsangehörigen wird die Mehrstaatigkeit nach wie vor hingenommen. In der öffentlichen Debatte wurde der Union und der FDP von politischen Gegnern vorgeworfen, dass es ihnen hier weniger um sachliche Kritik gehe, als um der Versuch, ihre politische Akzeptanz bei Wählern mit xenophober Einstellung zu vergrössern.

Verlust der Staatsbürgerschaft

Der Verlust der Staatsbürgerschaft kann wie der Erwerb durch gesetzlichen Automatismus (de lege) oder per Verwaltungsakt erfolgen. In liberalen Staatsordnungen auch durch einseitiges Handeln des Staatsbürgers.

De lege erfolgt der Verlust üblicherweise durch freiwilligen Erwerb einer anderen Staatsbürgerschaft, durch Eintritt in fremde Streitkräfte, durch Auswanderung oder permanente Abwesenheit vom Staatsgebiet u.ä.

Durch Erklärung, Verzicht u.ä. des Staatsbürgers kann ein Verlust ebenfalls erfolgen, wobei dies nur für bestimmte Situationen oder unter weiteren Voraussetzungen vorgesehen ist.

Durch Verwaltungsakt erfolgt die Entlassung, Befreiung oder Genehmigung des Verzichts, wobei diese Administrativkontrolle das Vorliegen weiterer Voraussetzungen sichert: Vermeidung von Staatenlosigkeit, Ableisten von Wehrdienst, Rückerstattung von Ausbildungskosten, Begleichen von Steuerschulden.

Staatenlosigkeit

Staatenlos sind Personen, die die Staatsbürgerschaft keines Staates besitzen. Staatenlosigkeit soll nach Völkerrecht vermieden werden, da Staatenlose bezug- und schutzlos sind. Daher ist jeder Staat völkerrechtlich verpflichtet, in seinem Hoheitsgebiet befindliche Staatenlose nicht in einen anderen Staat auszuweisen, vielmehr muss er ihnen Schutz gewähren.

Internationale Regelungen der Staatenlosigkeit sind:

  • Internationales Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.9.1954 (BGBl. II 1976, S. 473)
  • Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.8.1961 (BGBl. II 1977, S. 597); In diesem Abkommen verpflichten sich die Vertragsstaaten dazu, ihr nationales Staatsbürgerschaftsrecht so auszugestalten, dass ein Entzug der Staatsbürgerschaft nicht stattfindet, Staatenlosigkeit aus anderen Gründen so weit als möglich vermieden wird und dass Staatenlose unter erleichterten Bedingungen eingebürgert werden können. Der freiwillige Verlust der Staatsbürgerschaft soll also nicht mehr möglich sein, wenn der betroffene Bürger dadurch staatenlos würde.

Deutschland ist beiden Abkommen beigetreten.

Unionsbürgerschaft (EU)

Hauptartikel: Unionsbürgerschaft

Ähnlich einer Staatsbürgerschaft entwickelt die EU für die Bürger der Mitgliedsstaaten die Unionsbürgerschaft als Komponente des Einigungs- und Integrationsprozesses. Diese ist gegenwärtig keine echte Staatsbürgerschaft, wie auch die EU kein Völkerrechtssubjekt im Sinne eines Staates ist. Dies liegt vor allem daran, dass die EU ein Staatenverbund ist, der nach außen nicht wie ein souveränes Völkerrechtssubjekt auftritt, als solches nicht anerkannt ist und keine Anerkennung beansprucht, sondern auf politische, rechtliche und wirtschaftliche Harmonisierung nach innen gerichtet ist.

Die Unionsbürgerschaft ist in Art. 17 EGV geregelt und ergänzt die nationale Staatsbürgerschaft um eine europarechtliche Dimension, sie betrifft v. a.

  • unionsintern die Freizügigkeit, die Niederlassungsfreiheit, das europarechtliche Wahlrecht
  • international den integrierten diplomatischen und konsularischen Schutz durch alle EU-Mitgliedsstaaten.

Internationales Privatrecht

Insbesondere im internationalen Privatrecht (IPR) ist für viele Rechtsfragen die Staatsbürgerschaft der am Rechtsverkehr beteiligten Personen ausschlaggebender Anknüpfungspunkt für das anzuwendende Recht. Bei Personen, die mehr als eine Staatsbürgerschaft haben, gilt das Prinzip der effektiven Staatsbürgerschaft.

In Deutschland ist nach dem Art. 5 Abs. 1 EGBGB das Recht des Staates anzuwenden, dessen Staatsbürgerschaft er mit der engsten Verbundenheit (Indizien: Wohnsitz, Geburt o.ä.) besitzt.

Siehe auch

Einführung in das französchische Staatsangehörigkeitsrecht (fr.)