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Kloster Wiblingen

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Wiblingen bei Ulm

Kloster Wiblingen bei Ulm ist eine 1093 gegründete Benediktinerabtei, die 1806 als eines der letzten Klöster im Zuge der Säkularisation aufgehoben worden ist. Im Mittelalter erlangte es Bedeutung als Stätte besonderer benediktinischer Gelehrsamkeit. Der heutige Klosterbau entstand ab 1714 und ist weitgehend vom Barock geprägt, mit Ausnahme der Kirche, die ein Hauptbeispiel des Frühklassizismus in Süddeutschland darstellt. Der mittelalterliche Klosterbau hatte eine unregelmäßige Struktur und war immer wieder erweitert und verändert worden, die Kirche stammte aus der Romanik. Bis in den Barock hatte man die Klosteranlage fortgeführt, umgebaut und erweitert, als das Kloster 1700 in den vorderösterreichischen Mediatstand erhoben worden ist. Dies dürfte Auslöser für eine umfassende Neuplanung gewesen sein, nach dem Vorbild des Escorial in Spanien, also die Kirche umgeben von einem symmetrisch angelegten Geviert und Vorhöfen. Den Plan dazu lieferte, so der Klosterchronist Braig, der bedeutende Barockbaumeister Christian Wiedemann. Nach diesem von dem Mosbrugger-Projekt in Einsiedeln beeinflussten Plan hat man die Vorhöfe zu bauen begonnen. Um 1730 erfolgte eine erste Planänderung (Erweiterung), was dazu führte, dass Torhaus und Kirche sich nun nicht mehr auf einer Achse befanden (vergl. Bölz, Baugeschichte, 1922). Weitere Planänderungen folgten: Der ursprünglich vorgesehene Zentralbau wurde durch einen Längsbau ersetzt (überliefert in einem Stich von G. B. Göz), wohl nach dem Vorbild von Weingarten und unter Einbeziehung von Einflüssen Caspar Mosbruggers (vergl. Purrmann, Aufsatz: Wiblingen und Schüssenried, 2003). Nach dem Plan Wiedemanns wurde im Nordtrakt des Klosters der berühmte Bibliothekssaal errichtet, doch die Bauleitung hatte zum Zeitpunkt seiner Vollendung (1744) wohl schon der Neffe Wiedemanns, Johann, der am Klosterbau vorher schon als Palier mitgearbeitet hatte (vergl. Ohngemach/Aubele, Aufsatz Familie Wiedemann, 2001). 1750 erfolgte die Berufung Joh. Michael Fischers als Bauleiter. Dieser überarbeitete Wiedemanns Pläne (die sich am besten am Holzmodell für Kloster Schussenried ablesen lassen, das als weitgehende Kopie der Wiblinger Planungen gelten kann). Fischers Leistung für Wiblingen besteht vor allem in dem neugestalteten Osttrakt, dem er einen markanten Risalit gegeben hat und damit den Kapitelsaal als Zentrum der klösterlichen Organisation und des Selbstverständnisses einer Territorialherrschaft ausübenden Abtei auszeichnete. Vorbild dieser Fassade war das Gebäude der kaiserlichen Hofbibliothek in Wien, ein bewußtes Zitat der vorderösterreichen Abtei, um ihre Verbundenheit mit dem Kaiserhaus darzustellen. Umstritten ist Fischers Planungstätigkeit für den Kirchenbau. Die so genannten "Regensburger Risse" werden heute nicht mehr Fischer eigenhändig zugeschrieben (vergl. Dischinger, Fischer II, 1997 und Möhring, Diss. Fischer), doch hat Purrmann glaubhaft gemacht, dass es sich um Kopien nach Fischer-Entwürfen handelt, die noch vieles von den Ideen des überragenden Baumeisters aufweisen, darunter vor allem eine Prospektwirkung, die ihresgleichen sucht und mit Ottobeuren und Zwiefalten leicht konkurrieren kann. Die Risse enthalten jedoch so viele Fehler und Ungenauigkeiten, dass es sich nicht um Originalzeichnungen Fischers handeln kann, sondern die Zusammmenstellung des Plansatzes muss einem anderen Baumeister nach Fischers Abzug aus Wiblingen (1757) übertragen worden sein. Da die Risse später nach Neresheim (und von dort in das Thurn- und Taxissche Zentralarchiv nach Regensburg) gelangt sind, kommen als Zeichner Johann Wiedemann oder dessen Sohn Dominikus in Frage (Dominikus Wiedemann arbeitete unter Neumann in Neresheim). Da das Kloster unter Geldmangel litt, konnte das Kirchenbauprojekt bis zum Tod des Abtes Meinrad Hamberger (Amtszeit 1730-62) nicht ausgeführt werden. Auch sein Nachfolger Modest II. (1762-68) zeigte kein Interesse daran oder hatte noch keine finanziellen Mittel. Die Trauerreden auf beide Äbte erwähnen jedenfalls nicht, dass sie den Kirchenbau begonnen hätten, sonst aber alle noch so geringen Bautätigkeiten. Erst Abt Roman Fehr hat den Grundstein zu der ausgeführten Kirche gelegt, der Baumeister war Johann Georg Specht, der aus der späten Vorarlberger Bauschule hervorgegangen ist und den Kirchenbau von St. Gallen und der Birnau genau kannte. Nach deren Vorbild hat er seinen Bau entworfen, und dieser wäre trotz mancher Vereinfachungen wohl noch recht "spätbarock" ausgefallen, wäre es nicht dem Freskanten Januarius Zick, der von Jakob Emele in Schussenried eine Architekturausbildung erhalten hatte, gelungen, Specht zu verdrängen und den Bau im "griechischen Stil", d.h. im französischen Zopfstil, zu vollenden. Zumindest im Inneren gelang das, und es ergab sich ein stimmiges Raumbild des frühen Klassizismus mit barocken Reminiszenzen. Die Fassade mit über Eck gestellten Türmen (vergl. Planungen für St. Gallen) blieb unvollendet, und der letzte Abt, Ulrich IV., versuchte noch während der Franzoseneinfälle vergeblich, die Fassade zu vollenden. Auch der Südtrakt des Klostergevierts mußte unausgeführt bleiben, bis die württembergische Heeresverwaltung, angeblich nach alten Plänen, das Geviert im Jahre 1917 schloß.

Grundlegende Literatur:

- Braig (ehem. Wiblinger Konventuale), Klosterchronik, Isny 1834, Neuausgabe, Weißenhorn 2003 - Bölz, Baugeschichte, 1922 (nur ein Ex. in Stuttgart, Staatsbibliothek) - Feulner, Kloster Wiblingen,(1925) - Schwenger, Kloster Wiblingen, 1930