Zum Inhalt springen

Marburger Burschenschaft Rheinfranken

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 21. Oktober 2010 um 14:50 Uhr durch Kiwiv (Diskussion | Beiträge) (Burschenschaftliche Abende). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die Marburger Burschenschaft Rheinfranken ist eine akademische Studentenverbindung in der hessischen Universitätsstadt Marburg. Sie wurde am 13. Mai 1880 unter dem Namen „Akademischer Verein für Studierende der neueren Philologie zu Marburg“ gegründet und gab sich mit der Aufnahme in den Akademikerverband Deutsche Burschenschaft am 31. Mai 1925 den Namen „Marburger Burschenschaft Rheinfranken“. Von Kritikern wurde sie mit Rechtsextremismus in Zusammenhang gebracht.[1][2][3][4]

Allgemeines

Die Marburger Burschenschaft Rheinfranken (MBR) ist eine pflichtschlagende Studentenverbindung. Ihre Mitglieder müssen mindestens zwei gültige bzw. ziehende Schlägerpartien gefochten haben. Der Wahlspruch der MBR lautet „Vaterland - Freundschaft - Ehre“. Im Jahre 2009 besteht die MBR aus 195 Mitgliedern sowie dem Freundeskreis, wobei sich die Mitglieder zum einen in die Aktivitas (Studierende vor Ort) und zum anderen in den Altherrenverband aufteilen. Im Freundeskreis sind Mäzene, Förderer und Wegbegleiter integriert. In die Burschenschaft aufgenommen werden nur männliche deutsche Studenten, die den Wehrdienst nicht verweigert haben. Dabei wird die Begrifflichkeit deutsch nicht über die deutsche Staatsbürgerschaft definiert sondern über den des Volkstums.[5]

Geschichte

Gründungsphase (ab 1878)

Zeit-, Namens- und Geschichtstafel der heutigen Marburger Burschenschaft Rheinfranken

Die Marburger Rheinfranken führen ihre Geschichte auf das Jahr 1878 und der Gründung des „Philologisch-Historische Verein“ zurück. Aus ihnen ging am 13. Mai 1880 der „Akademische Verein für Studierende der neueren Philologie zu Marburg“, hervor, aus dem die heutige Marburger Burschenschaft Rheinfranken entstanden. Zu den Gründungsmitgliedern zählen Otto Klein, Ernst Posse, Ludwig Römer, Philipp Rothermel, Gustav Siebert, Wilhelm Wichard und Wilhelm Wolters, die allesamt Schüler von Edmund Max Stengel, Professor für romanische Philologie an der Universität Marburg, waren. Zweck des neuen Vereins war die Hebung des wissenschaftlichen Interesses und Pflege der Geselligkeit unter den Studierenden der neueren Philologie. Zu den Aktivitäten gehörten die Organisation von Vortragsabenden und das Abhalten einer Studentenkneipe.

Zirkel der „Societas Philologorum Recentium“

1881 nahm der Verein die heutigen Farben mit Wappen und Zirkel an. Die Farben schwarz-silber-blau lehnen sich dabei an die Amtstracht der damaligen Professoren im Fachbereich an, welche schwarze Talare mit blauen Aufschlägen und silbernen Knöpfen trugen. Der Zirkel zeigt die in sich verschlungenen Buchstaben S-P-R, welche als Abkürzung für die lateinische Bezeichnung „Societas Philologorum Recentium“ stehen. Der Verein war zunächst nichtschlagend. Im Jahre 1890 wurde der Verein umbenannt in „Akademisch-Neuphilologischer Verein“. Nach und nach zeigte der Verein korporative Tendenzen. So entwickelte sich bis zur Jahrhundertwende die Einteilung in Füxe, aktive und inaktive Burschen und Alte Herren. Seit dem Jahr 1890 war das Tragen von Bier- und Weinzipfeln in den Vereinsfarben gestattet. Ab dem Jahr 1896 wurde es zur Pflicht, die Themen wurden politisch. Seit 1893 bestand die Pflicht Schlägerkurse zu besuchen. Ab 1910 wurden Säbelkurse verpflichtend. Der Verein folgte dem damals üblichen Prinzip unbedingten Satisfaktion. Als studentische Ehrenwaffe wurde der Säbel anerkannt.

Zusehends wurden Germanisten, Historiker und Altphilologen in den Verein aufgenommen, weshalb im Jahre 1908 der Name „Akademisch-Philologischer Verein“ angenommen wurde. Bis 1908 gastierte der Verein im Turnergarten, später dienten die Marburger Stadtsäle als neues Verkehrslokal. Im Jahre 1913 wurde ein eigenes Grundstück im heutigen Kaffweg erworben. Eine Baugenehmigung durch die Stadt Marburg wurde vorerst nicht erteilt.

Weimarer Republik

1920 gab sich der Verein den Namen „Wissenschaftliche Verbindung Rheinfranken“. Nach der Aufnahme des glücklosen „Philologisch-Historischer Verein", der sich 1910 in „Wissenschaftliche Verbindung Hercynia“ umbenannte, am 1. Januar 1922 wurde der Name in „Verbindung Rheinfranken“ umgetauft. "Vaterländische Erziehung" wurde propagiert und eine Annäherung an Turnerschaften und Burschenschaften forciert, später wurde die Mensur verpflichtend. Die Vereinsmitglieder, die sich untereinander Bundesbrüder nannten und bis heute nennen, reichten 1924 ein Aufnahmegesuch bei der Deutschen Burschenschaft ein. Dieses wurde auf dem Burschentag in Danzig vorerst abgelehnt.

Mit dem Erwerb eines Baugrundstücks in der Lutherstraße im Jahre 1925 durch den Altherrenverband begann der Bau des Verbindungshauses. Auf dem Burschentag in Eisenach am 31. Mai 1925 wurden die Rheinfranken als vorerst probendes Mitglied in die Deutsche Burschenschaft aufgenommen. Der Verein änderte erneut seinen Namen in „Marburger Burschenschaft Rheinfranken“. Im Jahre 1927 erfolgte die endgültige Aufnahme als ordentliches Mitglied in der Deutschen Burschenschaft sowie die Fertigstellung und der Bezug des Rheinfrankenhauses in der Lutherstraße. Nach 1927 stiegen die Zahlen der aufgenommenen Abiturienten an den Universitäten in Folge der Weltwirtschaftskrise an. In dieser Zeit wurden durchschnittlich 40 bis 50 Mitglieder pro Semester bzw. pro Trimester auf dem Rheinfrankenhaus aufgenommen.

Zeit des Nationalsozialismus

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten und ihre Bündnispartner veränderten sich die Bedingungen für Studentenverbindungen im Allgemeinen. So sah zum Beispiel der „Feickert-Plan“, die Kasernierung aller Studienanfänger in sogenannten Kameradschaften vor. Dies führte dazu, dass einige Verbindungen um ihren Nachwuch fürchteten. Weitere Maßnahmen, wie der Beschluss Baldur von Schirachs allen Mitgliedern der Hitlerjugend die Mitgliedschaft in Korporationen zu verbieten, folgten. Letztendlich wurde durch Rudolf Heß allen Studierenden die Mitgliedschaft in einer Korporation verboten.

Die Deutsche Burschenschaft löste sich am 18. Oktober 1935 auf der Wartburg auf. Die „Marburger Burschenschaft Rheinfranken“ wurde im Oktober 1935 in eine NSDStB-Kameradschaft überführt und löste im Wintersemester 1935/1936 den aktiven Bund auf. Der Altherrenverband bestand unter dem Namen „Kameradschaft Ritter von Schönerer“ weiter, das Rheinfrankenhaus musste überschrieben werden. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1939 kam das vorläufige Ende des Bundes. Zahlreiche Mitglieder, die noch das sogenannte „Notexamen“ in Marburg absolvieren konnten, mussten an die Front. Im Jahre 1942 wurde der Studienbetrieb eingestellt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Fakultäten der Universität Marburg nach und nach wieder eröffnet. Wie die meisten Korporationshäuser wurde auch das Rheinfrankenhaus von der US-amerikanischen Militärregierung beschlagnahmt. Aus dem Verbindungshaus wurde eine Apotheke mit Arzneimittellager. Trotz bestehenden Verbotes von Studierendenverbindungen durch die alliierten Militärregierungen konnten kleinere Räume in der Kelleretage bald wieder durch die Verbindung genutzt werden.

Mit Zustimmung der Besatzungsbehörden hatte man im Wintersemester 1947/1948 den „Studentischen Wanderclub Marburg“ gegründet, dem die ehemaligen Alten Herren der „Marburger Burschenschaft Rheinfranken“ wieder beitraten. Im Jahre 1948 fand das erste Nachkriegsstiftungsfest statt. Bald konnte der Altherrenverband zunächst unter dem Namen „Verband ehemaliger Rheinfranken“, später unter dem Namen „Studentenverein Rheinfranken“ neu gegründet werden. Die Rechtsnachfolge wurde festgestellt und es begann ein jahrelanger Rechtsstreit um die Rückgabe des Rheinfrankenhauses, welches mittlerweile vom Land Hessen verwaltet wurde. Die vollständige Rückgabe erfolgt im Jahre 1953.

Die „Marburger Burschenschaft Rheinfranken“ gründete sich zeitgleich mit dem Dachverband Deutsche Burschenschaft wieder. Am 16. und 17. Juni 1950 fand in Marburg der erste Burschentag nach dem Kriege statt. Zugleich fusionierte die „Burschenschaft Hercynia Marburg“ im Jahre 1950 mit der „Marburger Burschenschaft Rheinfranken“. Die „Burschenschaft Hercynia Marburg“ entstand im Jahre 1929 und ist aus der „Clausthaler Burschenschaft Allemania“ (Gründung am 20. April 1922) sowie aus der „Burschenschaft Sigambria“ (Gründung am 6. November 1889) hervorgegangen. Seit 1952 durften die Mitglieder der „Marburger Burschenschaft Rheinfranken“ wieder in Couleur in der Öffentlichkeit auftreten. Im selben Jahr wurde die Bestimmungsmensur wieder eingeführt und dem Marburger Waffenring beigetreten. In der Folge kam es zu einem Anstieg der Mitgliederzahlen.

Ab 1968

Eine Zäsur für die Entwicklung stellt die 68er-Bewegung dar. Die linksorientierte politische Strömung widersprach burschenschaftlichen Idealen. Sie war - repräsentiert durch die studentischen Vereinigungen Sozialistischer Hochschulbund (SHB) und MSB Spartakus - in Marburg ausgesprochen stark und bestimmte in hohem Maße die Atmosphäre in der Studentenschaft. Die „Marburger Burschenschaft Rheinfranken“ trat in der Folgezeit dem während des Burschentages in Landau 1969 gegründeten „Neuen Landauer Kreis“ bei, aus dem sich später der „Marburger Ring“ herauskristallisierte. Damit war zugleich eine Abkehr vom akademischen Fechten und von alter burschenschaftlicher Tradition verbunden.

In den 1980er Jahren wurde das Fechten und die Pflichtmensur wieder eingeführt. Die Mitgliederzahlen stiegen wieder an und das Rheinfrankenhaus wurde von Grund auf renoviert. Ebenso engagierten sich die aktiven Mitglieder im Studentenparlament der Universität Marburg so im Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), im Republikanischen Hochschulbund (RHV) sowie im Bundesverband Liberaler Hochschulgruppen (LHG).

Im Verbandsjahr 2000/2001 übernahm die „Marburger Burschenschaft Rheinfranken“ den Vorsitz der Deutschen Burschenschaft.

Burschenschaftliche Abende

Als wissenschaftliche Vorträgen und politische Diskussionsrunden werden in einer langen Tradition im Rheinfrankenhaus jedes Semester sogenannte „Burschenschaftliche Abende“ veranstaltet.

Dazu wurden zahlreiche bekannte Repräsentanten des Rechtsextremismus eingeladen, so die Geschichtsrevisionisten Dietrich Gerwin (1994) oder Dirk Bavendamm (2007), die Politiker Rigolf Hennig (2000), Manfred Rouhs, Andreas Mölzer (2005), Franz Schönhuber oder Horst Mahler (1999). Auch Martin Hohmann, MdB der CDU und wegen antisemitischer Äußerungen aufgefallen und zurückgetreten, gehörte zu den Gästen (2000).

Einen Höhepunkt stellte der Auftritt des Dietrich Gerwin dar. Er behauptete eine Kriegserklärung des Weltjudentums an Deutschland und empfahl nachdrücklich eine Schrift des Auschwitz-Leugners Wilhelm Stäglich.

Den Eindruck einseitig rechtslastiger Präferenzen bis hin zur Verfassungsfeindlichkeit mildern Auftritte wie die des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland Ignatz Bubis (1998) und des CDU/CSU-Politikers Wolfgang Bosbach (2007) ab.

Kritik

In der Kritik steht die Verbindung vor allem wegen ihrer lang anhaltenden politischen Betätigung. 1993 verteilte die Burschenschaft ein Flugblatt anlässlich des 70. Todestages des Nationalsozialisten Albert Leo Schlageter, in dem sie ihn zum "Vorbild der deutschen Jugend" erhoben, "der im Zeichen der Aufopferung für sein Vaterland, die Volksgemeinschaft, für Werte die längst vergessen scheinen" stünde.[6] Öffentliche Kritik erregte zum Beispiel die Mitgliedschaft des langjährigen stellvertretenden Vorsitzenden der Republikaner Björn Clemens, sowie die Beteiligung von Rheinfranken-Mitgliedern bei der Gründung des Marburger Republikanischen Hochschulbundes.[1][2] Im Jahr 2007 kritisierte die Politologin Alexandra Kurth, dass die Burschenschaft Rheinfranken auch auf Annoncen in der NPD-Zeitung Deutsche Stimme reagierte, um Mitglieder zu gewinnen.[4]

Bekannte Mitglieder

Literatur

  • AHV Marburger Burschenschaft Rheinfranken e.V. (Hg.): Von der Societas Philologorum Recentium zur Marburger Burschenschaft Rheinfranken - 125 Jahre: 1880 - 2005, 2005
  • AHV Marburger Burschenschaft Rheinfranken e.V. (Hg.): Zur Geschichte der Marburger Burschenschaft Rheinfranken 1880 - 1930, 1932
  • AHV Marburger Burschenschaft Rheinfranken e.V. (Hg.): Mitglieder-Verzeichnis der Marburger Burschenschaft Rheinfranken, 1926/1934
  • AHV Marburger Burschenschaft Rheinfranken e.V. (Hg.): Kneipordnung der Marburger Burschenschaft Rheinfranken, 1925
  • AHV Marburger Burschenschaft Rheinfranken e.V. (Hg.): Rheinfranken-Zeitung, 1922-1958/ab 1958 ff.
  • Leopold Bahlsen: Beitrag zur Geschichte der Marburger Burschenschaft Rheinfranken, in: AHV Marburger Burschenschaft Rheinfranken e.V. (Hg.): ??
  • Hermann Bredtmann: Beitrag zur Geschichte der Marburger Burschenschaft Rheinfranken, in: AHV Marburger Burschenschaft Rheinfranken e.V. (Hg.): ??
  • Egmont Poppe: Geschichte Zur, der Marburger Burschenschaft Rheinfranken", in: AHV Marburger Burschenschaft Rheinfranken e.V. (Hg.)

Einzelnachweise

  1. a b Ehre, Freiheit, Vaterland! - Bundeszentrale für Politische Bildung
  2. a b Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Gruppe der PDS;(Neu-)Gründung des "Republikanischen Hochschulverbands", die Burschenschaft "Normannia-Leipzig zu Marburg" und die Zeitschrift "Junge Freiheit"…
  3. Gessenharter, Wolfgang / Pfeiffer, Thomas; Die Neue Rechte - eine Gefahr für die Demokratie? VS Verlag ISBN: 978-3-8100-4162-3 S.123ff
  4. a b Stenografischer Bericht der 75. Sitzung des Innenausschusses des Hessischen Landtages 23. Mai 2007, 14.04 bis 16.15 Uhr, Redebeitrag Alexandra Kurth, S.4 ff
  5. Leben auf der Säbelklinge (Interview auf unicum.de)
  6. Nach Dietrich Heither (2000): Verbündete Männer. Köln. S. 365.