Zahnspange
Eine Zahnspange ist eine zahnmedizinische Apparatur, mit der Kiefer- und Zahnfehlstellungen und oftmals damit verbundene muskuläre Dysbalanzen im Mundbereich korrigiert werden. Die Behandlung kann prinzipiell durch jeden Zahnarzt durchgeführt werden. Fachzahnärzte für Kieferorthopädie haben sich jedoch durch eine zusätzliche drei- bis vierjährige Weiterbildungszeit hierfür spezialisiert. Man bedient sich in der kieferorthopädischen Therapie unterschiedlicher Behandlungsmittel und Behandlungsformen, die umgangssprachlich als Behandlung mit einer „Zahnspange“ oder „Zahnklammer“ tituliert werden.

Geschichte
Edward H. Angle hat zwischen 1890 und 1920 die kieferorthopädische Behandlung systematisiert und die Grundlagen für die heute noch gebräuchliche festsitzende Spange (Brackets, engl. Halterung) gelegt. Später wurden die herausnehmbaren Dehnapparaturen von A.M. Schwarz und sogenannte "funktionelle" Behandlungen mit Aktivatoren von Vigo Andresen und Häupl entwickelt.
Die moderne Zahnspange, auch als "elastisch offener Aktivator" oder "EOA" bezeichnet, wurde vom Görlitzer Zahnarzt Dr. Georg Klammt entwickelt. Die DDR verlieh ihm 1961 den Titel "Sanitätsrat", der Papst verlieh ihm den "Orden des Heiligen Silvester" und die Stadt Görlitz die Ehrenbürgerschaft.
Bezeichnungen
Umgangssprachlich existieren mehrere abwertende Bezeichnungen, wie zum Beispiel "Fressgitter" oder "Schneeketten". Oftmals werden die Zahnspangen im Volksmund auch "Hasenklammer" genannt. Diese Bezeichnung erklärt sich aus den Wörtern "Klammer" (oft von Kieferorthopäden benutztes Wort für Zahnspange) und dem Wort Hase bzw. Hasenzahn (Volksmund "Hasenzahn" = Kieferfehlstellung, bei der der Oberkiefer über den Unterkiefer hinausragt). Allerdings werden nur die Geräte zur Behandlung von Angle-Klassen II,1 so genannt.
Behandlung und Therapiearten
Grundsätzliches

Die Behandlung wird gerne unter Ausnutzung der natürlichen Wachstumsschübe (Alter der meisten Patienten zwischen 9 und 14 Jahren; Mädchen haben ihr pubertäres Wachstumsmaximum durchschnittlich 2 Jahre früher als Jungen) durchgeführt. Eine regelrechte Behandlung dauert durchschnittlich 2–4 Jahre; die Dauer und die Vorhersage vor Behandlungsbeginn ist abhängig von der Zahn- und Kieferfehlstellung, der Art der Zahnspange und der Mitarbeit des Patienten. Daher ist das exakte Behandlungsende nur in den wenigsten Fällen genau zu datieren. Zur Mitarbeit gehören das regelmäßige Einhalten der Kontrolltermine, das Befolgen der Anweisungen des Kieferorthopäden (u.a. die Einhaltung der Tragezeit, etwaiges Nachstellen einer losen Zahnspange) und natürlich eine exzellente Mundhygiene.
In einigen Fälle ist eine sogenannte „Frühmaßnahme“ sinnvoll: Wird z.B. durch einen Kreuzbiss (einer oder mehrere Zähne des Oberkiefers verzahnen innerhalb des unteren Zahnbogens; dies kann sowohl seitlich als auch vorne der Fall sein) das Wachstum gehemmt oder fehlgeleitet, soll durch die kieferorthopädische Therapie wieder ein regelrechtes, harmonisches Wachstum ermöglicht werden. Auch bei extremer Unterkieferrücklage ist zur Verbesserung der Kaufunktion und Unfallprophylaxe (zu weit vorstehende Schneidezähne sind häufig von Verlust oder Bruch betroffen) eine frühzeitige Behandlung sinnvoll. Eine Frühmaßnahme wird in der Regel zwischen dem 4. und 7. Lebensjahr begonnen und dauert in der Regel ein- bis eineinhalb Jahre.
Aber auch die kieferorthopädische Behandlung von erwachsenen Patienten jeglichen Alters bildet heute einen festen integrativen Bestandteil bei lebenslanger Gesunderhaltung von Zähnen und Kiefer unter zahnärztlicher Betreuung. Eine Behandlung ist also entgegen früheren Meinungen ohne Probleme in jedem Alter möglich. [1] Auch die Gesellschaft akzeptiert Zahnspangen bei Erwachsenen immer mehr, in den USA ist dieses teilweise sogar eine Art Mode geworden.
Myofunktionelle Therapie
Neben der „myofunktionellen Therapie“ mit einfachen Hilfsmitteln zur Zahnbegradigung (Zahnspatel, Mundvorhofplatten, usw.) kommt die Behandlung mit herausnehmbaren Geräten oder festsitzenden Apparaturen bei Kiefer- und Zahnfehlstellungen in Betracht.
Herausnehmbare Zahnspangen
Bei den herausnehmbaren Apparaturen unterscheidet man aktive Platten (einschließlich Sonderformen) für geringere Zahnbewegungen im Ober- und Unterkiefer und „funktionskieferorthopädische Geräte“ für die Wachstumsförderung der Kiefer sowie die Normalisierung einer funktionsbeeinträchtigten Mundmuskulatur. Sie werden in Kindgerechten Farben angeboten, um den Kindern das Tragen der Spange zu erleichtern. Dabei wird den Kindern / Eltern eine Mindesttragezeit vorgegeben, die auch unbedingt einzuhalten ist, wenn sich ein Behandlungserfolg einstellen soll. Im Laufe einer Behandlung sind manchmal auch mehrere Geräte nötig: es wird z.B. ein herausnehmbares Gerät nach einer festen Spange angeordnet, um etwaige Rückbewegungen der Zähne zu vermeiden (Retainer). Ein weiteres Gerät ist der Bionator, der Sog-Kraft-Förderung in den Vordergrund stellt.
Ein relativ neues Produkt sind die Aligner aus transparentem Kunststoff. Im Gegensatz zu klassischen Zahnspangen besitzen Aligner keine verstellbaren Elemente, sondern es werden nach Erstellung eines Abdrucks und Festlegung des Behandlungsziels computergestützt mehrere Zwischenschritte mit einem 3D-Computergrafikverfahren berechnet und eine entsprechende Anzahl transparenter Plastikschienen gefertigt. Diese Aligner werden nacheinander für jeweils 2 Wochen getragen, bei Behandlungszeiträumen von 9 bis 18 Monaten fallen bis zu 36 Schienen an. Die Aligner sind beim Essen und zur Zahnreinigung leicht entfernbar, kaum sichtbar und beeinflussen die Aussprache nicht.
Festsitzende Zahnspange
Arten festsitzender Zahnspangen
- Multiband- bzw. Multibracketapparatur
- Herbstscharnier
- Delaire-Maske
Bei den festsitzenden Zahnspangen unterscheidet man die intraorale, auf die Zähne aufgebrachte Multiband- oder Multibracketapparatur und die von extraoralen Hilfsmitteln (Gesichtsmasken, Headgear usw.).
Die verwendeten Materialien der Multibracketapparaturen (Zahnklammer) reichen von Edelstahl über Titan, Kunststoff bis hin zum durchsichtigen Keramikbracket. Die Brackets werden nach dem Anätzen des Zahnschmelzes auf die Zähne geklebt. Die Brackets dienen zur Befestigung eines Drahtes, der die Zähne in die gewünschte Position drückt. Metallbrackets und der Draht sind deutlich sichtbar. Durch Verwendung von Keramikbrackets in Zahnfarbe und teflonbeschichtete Drähte kann die Optik jedoch wesentlich unauffälliger gestaltet werden. Eine Beeinflussung der Aussprache erfolgt aber in jedem Fall.
Mit Hilfe der festsitzenden Multibandapparatur können Zähne in jedem Lebensalter bei ausreichendem Kieferknochen begradigt werden. Nach dem Einsetzen kann die Apparatur etwa 3 Tage lang schmerzen und der Betroffene kann eventuell nicht schmerzfrei kauen. Auch kommt es häufig zu Reizungen der Mundschleimhaut und bei einigen Patienten auch zu vermehrtem Auftreten von Aphthen.
Ein wesentliches Problem der festsitzenden Zahnspange ist die Tatsache, dass die Spange über Jahre ununterbrochen getragen werden "muss" und nicht in Ausnahmefällen abgelegt werden kann (Sport, Fotos, Auftritte). Dieses Problem wird zu Behandlungsbeginn vielfach als zu gering eingeschätzt bzw. kann aufgrund des langen Zeitraums oftmals nicht objektiv abgeschätzt werden, insbesondere weil bei den verantwortlichen Personen (Eltern), die über die Art der Spange entscheiden, die eigene Erfahrung mit festen Spangen oftmals fehlt.Schmerzen durch Wärmeveränderungen (heißes Essen,kaltes Essen)oder auch allgemine Schmerzen treten auf, da sich der Kiefer an verschiedenen Bögen erst einmal anpasst. Wenn man sich aufgrund der Kieferfehlstellung zwischen einer losen und einer festen Apparatur entscheiden kann, sehen sie bei einer festzementierten Spange vornehmlich nur den Vorteil, dass das Kind im Vergleich zu einer losen Apparatur bezüglich der Tragezeit nicht mogeln kann. Ästhetische und psychische Gründe werden in vielen Fällen übergangen, sind aber aus Sicht des Patienten nicht zu unterschätzen. Auch bei geschlossenem Mund ist die festsitzende Zahnspange oft zu erkennen, da die Lippen etwas nach vorne gedrückt werden und der gesamte Mundbereich größer wirkt.
Unterschiedliche Behandlungsverfahren
In der Kieferorthopädie existieren ganz unterschiedliche Multibandapperaturen [2]. Die Apparaturen unterscheiden sich maßgeblich durch das Design des Brackets. Der Aufbau des Brackets entscheidet darüber wie die Kräfte des Drahtes auf den Zahnübertragen werden. Die moderne Kieferorthopädie versucht mit möglichst leichten und genau dosierten Kräften die Zähne zu bewegen, da dies einen erheblichen Einfluss auf den Komfort der Behandlung besitzt. Ein Gradmesser für die Qualität der Behandlung sind die sogenannten Friktionswerte der Brackets. Folgende Behandlungsverfahren und Brackets können unterschieden werden.
- Edge-Wise Technik: Dieses Verfahren wurde von Edward H. Angle entwickelt. Das Bracket setzt sich aus einem geraden Slot zusammen an dessen Seite sich zwei oder vier Bindeflügel befinden. Der Drahtbogen verläuft durch den Slot zwischen den Bindeflügeln. Eine sogenannte Ligatur wird über die Bindeflügel gezogen und fixiert die Drahtbogen in dem Slot. Das Design des Edge-Wise Brackets ermöglicht es den gesamten Zahn inklusive Zahnwurzel im Kiefer zu bewegen (bodily movement). Die Merhheit der kieferorthopädischen Behandlungen wird heute mit der Edge-Wise bzw. der daraus weiterentwickelten Straight-Wire Technik durchgeführt. Seit einigen Jahren kommen immer mehr selbstligierende Brackets in den Einsatz. Im Gegensatz zu den klassischen Straight-Wire Brackets, wird der Drahtbogen nicht durch eine angebrachte Gummi- oder Metalligatur fixiert, sondern eine in das Bracket eingebaute Verschlusstechnik hält den Bogen im Bracket. Diese selbstligierenden Brackets besitzen weißen oft weniger Reibung zwischen Bogen und Bracket auf. Außerdem kann der Kieferorthopäde den Bogenwechsel schneller und einfacher durchführen.
- Begg-Technik: In den 1950er Jahren entwickelte Percy Raymond Begg die sogenannte Light-Wire-Technik. Begg hatte selbst die Edge-Wise Technik von Angle erlernt, aber dann seine eigenen Technik entwickelt. Das besondere der Begg Technik ist die Art und Weise die Zähne zu bewegen. Zuerst werden nur die Zahnkronen in die gewünschte Position bewegt. Dies erfordert nur geringe Kräfte, da sich die Zahnkronen relativ einfach bewegen lassen. Erst am Ende der Behandlung werden die Wurzeln des Zahnes in die richtige Position befördert. Für den Patienten ist die Begg Behandlung sehr angenehm, da keine starken Kräfte auf die Zähen wirken. Außerdem werden in vielen Fällen schnellere Ergebnisse erzielt als mit der Straight-Wire Technik. Die Begg Technik ist aber relativ aufwendig. Der Kieferorthopäde muss jeden einzelnen Drahtbogen individuell für den Patienten anpassen, was zeitintensiv ist und viel Erfahrung erfordert. Nicht zuletzt deshalb scheint sich die Begg-Technik nicht gegen die Straight-Wire Methode durchgesetzt zu haben. Seit den 1980er Jahren ist eine Weiterentwicklung der Begg Technik verfügbar. Das sogenannte Tip-Edge Bracket baut auf der Begg Technik auf und vereinfacht die Behandlung deutlich. Das aufwendige Biegen der Drähte entfällt weitestgehend [3].
- Lingualtechnik: Bei der Lingualtechnik werden die Brackets nicht auf der Außenseite der Zähne platziert, sondern auf der Innenseite, also der Seite der Zunge. Im Gegensatz zur Zahnaußenseite ist die Zahninnenseite bei jedem Menschen anders geformt. Deshalb müssen bei der Lingualtechnik die Brackets für jeden Zahn maßangefertigt werden. Dies macht eine linguale Zahnspangen deutlich teurer als alle anderen Spangen. Mittlerweile sind aber auch standardisierte Lingualbrackets auf dem Markt, bei denen keine Maßanfertigung notwendig ist. Linguale Zahnspangen besitzen den großen Vorteil, dass sie nahezu unsichtbar sind. Auf der anderen Seite kann die Lingualspange die Aussprache behindern. Außerdem müssen die Drahtbögen für jeden Patienten individuell angefertigt werden und sind für den Kieferorthopäden schwierig einzusetzen[4].
Wirkmechanismus der Multibracket-Apparatur
Das Grundprinzip der Multibracket-Apparatur besteht darin, dass an jedem zu bewegenden Zahn ein Bracket angebracht wird. Das Bracket wird am Zahn ausgerichtet. Steht also der Zahn gekippt oder gedreht, trifft dies auch auf das Bracket zu. Ein dünner Metalldraht, der sogenannte Bogendraht oder kurz "Bogen" wird an jedem Bracket befestigt und dabei notwendigerweise deformiert. Die elastische Rückstellungstendenz des Bogens übt nun eine Kraft auf die Zähne aus, die dazu führt, dass das Gewebe im Parodontalspalt stellenweise gestaucht (Druckzone) und an den jeweils gegenüberliegenden Stellen gestreckt (Zugzone) wird. Dies regt Umbauvorgänge an, bei denen Osteoklasten in der Druckzone Knochen ab- und Osteoblasten in der Zugzone Knochen anbauen. Hat der erste, in der Regel sehr dünne, Bogen seine Rückstellung weitgehend vollzogen, wird mit einem dickeren Bogen fortgefahren. So kommt es im Verlauf einer Behandlung zu mehreren "Bogenwechseln".
Installation von festsitzenden Apparaturen
1. Separieren: Für den Fall, dass für eine Therapie Metallbänder notwendig sind (etwa um spezielle Geräte wie Headgear oder Quad-Helix an den Zähnen zu verankern), werden einige Tage vor der eigentlichen Installation zwischen die betreffenden Zähne Gummiringe / Separierringe gedrückt. So werden die Zähne etwas auseinandergedrückt und ermöglichen die schmerzfreie Bebänderung der Zähne.
2. professionelle Zahnreinigung: gründliche Reinigung der Zähne mit speziellen Bürsten und Polierpaste
3. Bebänderung: An den zu installierenden Bändern ist das eigentliche Bracket aufgeschweißt. Zunächst wird durch Probieren das passende Band für den passenden Zahn ausgesucht, so dass keine unnötigen Zwischenräume entstehen können. Das passende Metallband wird mit Zement befüllt und leicht auf den Zahn gedrückt. Durch die Verwendung von speziellen Instrumenten wird das Band an seine endgültige Position gebracht, an welcher es sich fortan während der gesamten Behandlungsdauer unverrückbar befindet.
4. Anätzen bzw. Aufrauen der Zahnoberfläche: Damit der Bracketkleber Halt findet, wird die Zahnoberfläche durch ein spezielles Gel aufgeraut. Die Wirkungsdauer des Gels beträgt etwa eine Minute, bis der Zahn weiter gereinigt werden kann.
5. Abspülen und Bekleben der Brackets: Das ätzende Gel wird durch Wasserspray gründlich entfernt, so dass nur die etwas aufgeraute Zahnoberfläche ohne weitere Zusatzmittel übrig bleibt. Die Brackets werden auf der ebenfalls aufgerauten Rückseite mit schnellwirkendem Klebstoff versehen.
6. Setzen der Brackets: Mit speziellen kieferorthopädischen Positionsinstrumenten wird das Bracket auf den Zahn gesetzt. Die Positionierung muss sehr exakt vorgenommen werden, damit die Wirkung des Bogens später optimal ausgenutzt werden kann und keine durch den Kieferorthopäden verursachten Fehler entstehen. Solange der Kleber noch nicht ausgehärtet ist (dies wird in den meisten Fällen durch eine spezielle Lampe beschleunigt), kann die Position der Brackets noch geringfügig verändert werden.
7. Einsetzen des Drahtbogens: Nach dem Einsetzen der Brackets und notwendigen Anzahl an Bändern wird der erste sehr elastische Drahtbogen (die eigentliche Spange bzw. das eigentliche Instrument, das die Kräfte zur Zahnregulierung ausübt) in die Röhrchen an den Bändern und in die Brackets gesteckt. Damit der Drahtbogen nicht verrutscht, werden um jedes Bracket kleine Gummiringe (Alastics) gelegt. Bei späteren Kontrollterminen werden stärkere Drahtbögen eingesetzt, die z.T. dicker sind und z.T. einen anderen Querschnitt aufweisen. Sie üben stärkere Kräfte auf die Zähne aus, rufen aber nicht unbedingt stärkere Schmerzen beim Patienten hervor, da der gesamte Kieferapparat bereits an den Druck gewöhnt ist und die Zähne bereits bewegt worden sind.
8. Die ersten Tage nach der Installation: Nachdem der Drahtbogen eingebaut worden ist, ist die Apparatur einsatzbereit. Während die langwierige Prozedur des Einsetzens (ca. 60 bis 180 min) in der Regel nicht schmerzhaft ist, können in den ersten Tagen danach v.a. beim Kauen je nach körperlicher Empfindsamkeit Schmerzen auftreten. Es können durch die ungewohnten Fremdkörper im Mund auch wunde Stellen an Lippen und Wangen auftreten, die durch ein weiches Wachs aber recht problemlos abzudecken sind. Falls nach wenigen Tagen die Schmerzen nicht verschwunden sind, sollte der Kieferorthopäde eventuell erneut aufgesucht werden, damit die Spange etwas lockerer gestellt wird. Nicht zu unterschätzen ist in einigen Fällen auch die psychische Labilität von Patienten, die sich zunächst mit einem über Jahre im Mund eingebauten Fremdkörper nicht abfinden können und daher unter Umständen besondere psychische Führung benötigen.
Komplikationen und Risiken
Mögliche Komplikationen und Risiken sind:
- allergische Reaktionen gegenüber bestimmten Materialien
- Wurzelverkürzungen - in Ausnahmefällen können diese so stark sein, dass die Zähne ausfallen[5][6]
- Behandlungsfehler können zu schweren Komplikationen führen [7]
- Die Brackets können falsch aufgeklebt werden, so dass die Zahnbewegungen nicht korrekt durchgeführt werden können. Nachbesserungen bzw. eine Anpassung der Regulierung wären die Folge, wenn das Problem bzw. der Fehler nicht rechtzeitig erkannt wird.
- Der falsche Bogen wird eingesetzt, so dass sich die gewünschte Wirkung nicht einstellt und die Zahnbewegungen zu stark (→ mögliche Wurzelschädigungen) oder zu schwach (→ Verlängerung der angesetzten Therapiedauer) sind.
Behandlungsfehler bei der Nachsorge
Ein klassischer Behandlungsfehler der Nachsorge ist z.B. nach dem Entfernen einer Zahnklammer das Stehenlassen von Fixierungsresten an den Zähnen. Wenn die Fixierungen nicht alle weggeschliffen werden, werden diese zu Bakterienherden und provozieren Irritationen des Zahnfleischs wie Zahnfleischbluten bzw. Zahnfleischentzündungen. Viele Zahnärzte nehmen diese Fixierungsreste nicht ernst genug und schauen über irritiertes Zahnfleisch oder Zahnfleischbluten hinweg, weil in der Ausbildung dieses Thema nicht behandelt wurde.
Medien
Die britische Tageszeitung The Daily Telegraph berichtete am 18. März 2004, Zahnspangen gelten bei Teenagern als cool und sexy. Sie würden eher als Mode-Accessoire angesehen. Dabei gehe es um farbige Gummibänder, die die Brackets zusammenhalten, sagte ein Sprecher der Britischen Kieferorthopädischen Gesellschaft.
"Die Jungen wollen Klammern in der Farbe ihrer Fußballmannschaft, die Mädchen wollen etwas, das zu ihrem Wochenend-Outfit passt", sagte der Kieferorthopäde Jonathan Sandler. Er habe schon Patienten gehabt, die extra zu einer kieferorthopädischen Beratung gekommen sind, aber enttäuscht waren, weil sie zu hören bekamen, dass sie keine Spange brauchten. Generell ist festzuhalten, dass das Spektrum des "Wollens" einer Zahnspange von einem Extrem zum anderen Extrem reicht - ähnlich wie bei vielen anderen Therapien bzw. Gerätschaften, die aus medizinischer Sicht nicht zu vermeiden sind.
Prominente wie Tom Cruise, Whoopi Goldberg, Britney Spears oder die Prinzen William und Harry haben dazu beigetragen, dass die "Hasenklammern" weitgehend akzeptiert werden.
Image und Präsentation
Grundsätzlich hat die Zahnspange aufgrund ihres dauerhaften Eingriffs in den Alltag und der Vorschriften und Hinweise, die eingehalten werden müssen, ein negatives Image. Dabei kommt es prinzipiell nicht auf die Art der Spange an, sondern auf die Tatsache, dass sie in erster Linie Schmerzen verursacht und aus Sicht eines (meist minderjährigen) Patienten der Langzeiteffekt einer dauerhaften Zahnregulierung nicht oder nur in geringem Maße erkannt wird.
Des Weiteren kann unterschieden werden zwischen der subjektiven Wahrnehmung einer losen und einer fest installierten Apparatur. Die lose Apparatur ist im eigentlichen Sinne nur mit einem geringen negativen Image behaftet, da sie in der Öffentlichkeit kaum getragen wird und so kein Schamgefühl unter den Patienten hervorruft.
Bei der fest eingebauten Zahnspange kann die Präsentation derselben in der Öffentlichkeit nicht vermieden werden (Ausnahme: linguale Spange), weswegen bei einigen Patienten auch Schamgefühl und eine gewisse grundsätzliche Ablehnung erzeugt werden. Deshalb werden herausnehmbare Geräte von Kindern vorgezogen.
Stand der Wissenschaft
Das Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) hat in ihren Health Technology Assessment (HTA) - Bericht "Mundgesundheit nach kieferorthopädischer Behandlung mit festsitzenden Apparaten"[8] unter anderen festgestellt, dass die "Kieferorthopädie als wissenschaftlich bislang unzureichend abgesichert" anzusehen ist und "... stößt bei der Suche nach wissenschaftlichen Belegen für die Wirksamkeit kieferorthopädischer Maßnahmen auf zahlreiche offene Fragen. Er beanstandet vor allem die dürftige Studienlage zu Auswirkungen auf Zahn- oder Mundgesundheit. Zwischen praktischer Anwendung der Kieferorthopädie und der Erforschung ihrer Wirksamkeit sehen die Autoren eine Kluft. Sie fordern daher dringend Forschungsanstrengungen, um kieferorthopädische Behandlungen zukünftig wissenschaftlich besser begründet einsetzen zu können." [9]
Siehe auch
- Ärztliche Aufklärung
- Heilbehandlung
- Informierte Einwilligung
- Behandlungsfehler
- Aufbissschiene
- Brackets
- Invisalign
Einzelnachweise
- ↑ http://www.uniklinikum-giessen.de/zmkkfo/Erwachsenen.html
- ↑ Kahl-Nieke, B 2010: Einführung in die Kieferorthopädie, Deutscher Zahnärzte Verlag, Seite 236
- ↑ Meyer, Rudolf 2008: Das Tip Edge Plus Bracket, in: Schweizer Monatsschrift für Zahnmedizin, Vol. 118, Ausg. 8, Seiten 713 – 722
- ↑ Kahl-Nieke, B 2010: Einführung in die Kieferorthopädie, Deutscher Zahnärzte Verlag, Seite 244
- ↑ Mavragani M, Vergari A, Selliseth NJ, Bøe OE, Wisth PL: A radiographic comparison of apical root resorption after orthodontic treatment with a standard edgewise and a straight-wire edgewise technique., Universität Bergen, 22. Dezember 2000
- ↑ Artun J, Smale I, Behbehani F, Doppel D, Van't Hof M, Kuijpers-Jagtman AM: Apical root resorption six and 12 months after initiation of fixed orthodontic appliance therapy., Universität Kuwait, 11.2005
- ↑ BBC News: Brace caused girl's 'zombie state', 18. März 2002
- ↑ DIMDI HTA-Studie 2008, Berichtsnr. DAHTA066 :"Mundgesundheit nach kieferorthopädischer Behandlung mit festsitzenden Apparaten", Wilhelm Frank, Karin Pfaller, Brigitte Konta
- ↑ DIMDI: Neuer HTA-Bericht sieht Kieferorthopädie als wissenschaftlich bislang unzureichend abgesichert, 22. April 2008