Bantu
Die Bantu sind eine Vielzahl verschiedener Ethnien Afrikas, die gemeinsamen Ursprungs sind und zur selben Sprachfamilie der Bantusprache gehören.
Die einzelnen Bantu-Gruppen waren zur Zeit der Kolonisierung Afrikas über ein weites Territorium verstreut, das unter anderem das heutige Südafrika umfasste. Einige gemeinsame physiognomische Merkmale sowie gewisse Bräuche verbinden die Gruppen.
Geschichte
Als Jan van Riebeeck um 1652 an der Küste Südafrikas von Bord ging, lebten dort nur sehr wenige Bantu. Doch in der Folge wanderten immer mehr Bantu in den Süden des Kontinents und verdrängten nach und nach die dort lebenden San und Khoi Khoi. Die van Riebeeck folgenden europäischen Siedler, zumeist Holländer, französische Hugenotten und deutsche Siedler, die heute als Buren zusammengefasste Volksschicht Südafrikas, teilten sich etwa hundert Jahre lang, also bis ungefähr zur Mitte des 18. Jahrhundert, das südliche Afrika beinahe ausschliesslich mit den Khoi Khoi, wobei diese zunehmend in ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Buren gerieten. Erst um etwa 1770 stiessen die Buren erstmals auf die Bantu, obwohl diese im 18. Jahrhundert die hauptsächlichsten Bewohner Südafrikas waren. Danach kam es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zu teilweise heftigen Territorialkämpfen zwischen diesen beiden Volksgruppen.
Soziale Organisation
Die Bantu unterteilten sich in verschiedene Stämme oder Häuptlingstümer. Dabei handelte es sich nicht um nationale Verbände, sondern um unabhängige Gruppen von einigen hundert bis einigen tausend Menschen. Gemeinsam war diesen Ethnien ein gemeinsamer Vorfahre, meist ein ehemaliger bedeutender Häuptling. Geführt wurden die Stämme von einem Häuptling, der je nach Gruppe über unterschiedlich grosse Machtbefugnisse verfügte. Die Zugehörigkeit zu einem Häuptling war nicht fix. Das heisst, ein populärer Anführer konnte durch die Aufnahme von Flüchtlingen anderer Stämme seinen Stamm vergrössern und so an Macht und Ansehen gewinnen. Unpopuläre Häuptlinge verloren dementsprechend an Einfluss.
Die kleinste Einheit der Bantu-Organisationsstruktur bildete der Haushalt (Household), auch Kraal genannt, bestehend aus Mann, Frau oder Frauen, den Kindern sowie anderen im selben Haushalt wohnenden Verwandten. Der Mann war das Oberhaupt des Haushaltes und konnte in polygamem Verhältnis leben. Er hatte die komplette Autorität über die Familie. So war eine klare Hierarchie gegeben. Diese Hierarchie zog sich weiter bis zu den Kindern. Beispielsweise wurde der erstgeborene Sohn der Nachfolger seines Vaters als Oberhaupt der Familie. Der Haushalt und die verwandtschaftlich sehr engen Beziehungen im Allgemeinen spielten eine wichtige Rolle im Leben der Bantu. Diejenigen Haushalte, die im selben Tal oder auf dem selben Hügel beheimatet waren, wurden in Sub-Distrikten (Wards) zusammengefasst. Die Sub-Distrikte oder Wards bildeten ein eigenes administratives und rechtsprechendes System, dem ein so genannter Headman vorstand.
Die Sub-Distrikte wiederum fanden in Distrikten Zusammenschluss, an dessen Spitze nun der Häuptling stand. Die zentrale Wohnstädte des Häuptlings war oft ein grosser, vielfach einige tausend Bewohner umfassender Ort.
Der Häuptling wurde im Allgemeinen nicht gewählt, sondern erhielt sein Amt durch Vererbung. Bei den meisten Stämmen erbte der älteste Sohn das Amt seines Vaters. Bei einigen Stämmen wurde das Amt an den ältesten Bruder des verstorbenen Häuptling, und nach dessen Tod wiederum an dessen ältesten Bruder vererbt. Dies wiederholte sich so lange, bis der letzte Bruder verstorben war. Nun wurde der älteste Sohn des ursprünglichen Häuptling, also des Ältesten der Brüder, zum Anführer erkoren. Der Häuptling war mit einer Anzahl vertrauter Berater umgeben. Dabei handelte es sich meist um Verwandte wie Onkel und Brüder, um einflussreiche Headmen oder um persönliche Freunde. Der Grad der Demokratie hing von der Stärke des Häuptlings ab. Je mächtiger und einflussreicher ein Häuptling war, desto weniger Einfluss hatte das Volk. Obwohl der Anführer über grosse Macht verfügte, stand er nicht über dem Gesetz. Er konnte sowohl vom Rat wie auch von seinem Volk kritisiert werden. Bei Vergehen durfte von ihm eine Wiedergutmachung gefordert werden. Als Folge seiner Vergehen wurde er oft auch von Angehörigen seines Volkes verlassen. Im Extremfall löste er einen Bürgerkrieg aus.
Ethnigsche Unterteilung
Die Bantu unterteilen sich in vier hauptsächliche Gruppen: Nguni, Sotho, Venda und Shangana-Tsonga, wobei die Nguni die grösste Gruppe darstellte. Diese unterteilen sich wie folgt:
- Nguni
- Shangana-Tsonga
- Sotho
- Venda
- Lemba (ursprünglich keine Bantu)
Interessant sind die Gemeinsamkeiten der beiden mächtigen Blöcke der Nguni und der Sotho. Bei beiden handelt es sich um patrilineare Gesellschaften, bei denen die Häuptlingstümer die sozio-politischen Einheiten bildeten. Ähnlich war auch der Nahrungserwerb durch Anbau, Hirtentum und Jagd. Die wichtigsten Differenzen waren die stark abweichenden Sprachen, obwohl beide Dialekte der Bantu-Sprachfamilie angehören, und die unterschiedlichen Siedlungs- und Verwandtschaftsmuster. Bei den Nguni war das Siedlungsmuster geprägt durch weit verstreute Dörfer, wohingegen bei den Sotho konzentriertere Städte vorherrschten. Des Weiteren waren die Nguni exogam organisiert. Im Gegensatz dazu bevorzugten die Sotho Ehen unter Cousinen und Cousins.
Gemäss kephalometrischen Untersuchungen, also Schädelmessungen, sind die Xhosa und die Mpondo am engsten mit den Khoi-Khoi verwandt, wohingegen die Pedi und Swazi am stärksten von den Khoi-Khoi abweichen.
Kultur
Die Bantu waren nicht territorialbezogen wie die Europäer, sondern vielmehr gruppenbezogen. Gemäss ihrer Ansicht, konnte man Land nicht besitzen sondern nur nutzen. Solange genügend Land für alle vorhanden war, hatten sie tatsächlich nur sehr vage Vorstellungen von Grenzen. Grenzen gestalteten sich vielmehr natürlich in Form von Flüssen oder Bergen, die jedoch keineswegs fix waren.
Nahrungserwerb
Der Nahrungserwerb der Bantu beschränkte sich in der Hauptsache auf Hirtentum, Ackerbau und Jagd, wobei meist die Frauen für den Ackerbau und die Männer für das Hirtentum und die Jagd verantwortlich zeichneten. Das Fischen war erstaunlicherweise außer bei den Tsonga und zum Teil bei den Mpondo von keinerlei Bedeutung. Die Hauptnahrungsmittel waren somit Mais, Fleisch, Gemüse, Kuh- und Geissenmilch, Wasser und Kornbier, das allerdings verglichen mit dem europäischen Bier nur sehr wenig Alkohol enthielt. Beim Verzehr von Fleisch beachteten die Bantu eine ganze Reihe von Tabus. So durfte beispielsweise kein Fleisch von Hunden, Affen, Krokodilen und Schlangen gegessen werden. Ebenfalls tabu war das Fleisch einiger Vögel, wie der Eulen, Krähen und Geier. Je nach Ethnie mussten weitere Tabus beachtet werden.
Allen Bantu-Ethnien gemein war auch eine klare Trennung zwischen den Aufgaben der Frauen und derjenigen der Männer. Unterschiedlich war jedoch die Art der Trennung.
Haustypen
Die Bantu wohnten in zwei verschiedenen Typen von Hütten. Zum einen kannten die Nguni die so genannte Beehive Hut, wobei es sich um ein kreisartig aufgebautes Grundgerüst aus langen Schösslingen, das mit Gras bedeckt wurde, handelt. Die Hütten der Sotho, Venda und Shangana-Tsonga sind unter dem englischen Begriff Cone-and-Cylinder-Hut bekannt. Dabei wurde aus vertikalen Pfosten eine zylindrische Wand geformt, die mit Schlamm und Kuhdung abgedichtet wurde. Das Dach wurde aus zusammengebundenen Schösslingen gebaut. Der Boden bestand bei beiden Typen aus festgestampfter Erde.
Glaube
In den Glaubensvorstellungen der Bantu nimmt der Magie-Begriff eine zentrale Rolle ein, also der Glaube an übernatürliche Wesen, die man positiv zu beeinflussen versuchte. Diese übernatürlichen Wesen konnten - gemäss ihrer Überzeugung - das Leben zum Guten wie auch zum Schlechten hin beeinflussen. Sie sahen in den übernatürlichen Wesen oft eine Manifestation der Seelen verstorbener Vorfahren. Mit einer Vielzahl von Zeremonien, Riten und Tabus versuchten die Bantu den guten Willen der Geister zu erhalten. Nebst dem Glauben an übernatürliche Wesen herrschte aber auch der Glaube an ein höchstes Wesen vor. Des Weiteren kannten die Bantu die Trennung von Körper und Geist. Die unsterbliche Seele trennte sich beim Tod vom sterblichen Körper - so der Glaube der Bantu.
Siehe auch
Literatur
- Schapera I (Ed.): The Bantu-Speaking Tribes of South Africa. 1959: Routlege & Kegan Paul, London.