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Stift Herford

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Territorium im Heiligen Römischen Reich
Stift Herford
Wappen
Wappen der Reichsabtei Herford
Karte
Alternativnamen Oldenhervorde, St. Marien und Pusinna, Fürstabtei Herford
Entstanden aus im 8. Jahrhundert als Eigenkloster gegründet
Herrscher/
Regierung
Fürstäbtissin
Heutige Region/en DE-NW
Reichskreis Niederrheinisch-Westfälisch
Konfession/
Religionen
römisch-katholisch, Reformation 1533
Aufgegangen in untergegangen 1802 (de facto)/1803 (amtlich) an Grafschaft Ravensberg, 1810 aufgelöst)
Herforder Münster - Reichsabtei Herford

Das Stift Herford (unter anderem auch als Frauenstift, Damenstift, Reichsabtei, Fürstabtei oder Reichsprälatur Herford bezeichnet) war ein Frauenkonvent in Westfalen.

Die Abtei wurde Ende des 8. Jahrhunderts gegründet und 823 zur Reichsabtei erhoben. Im 12. Jahrhundert erlangte das Stift die Reichsunmittelbarkeit. Die Fürstäbtissinen von Herford waren fortan auf den Kreistagen des Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreises des Heiligen Römischen Reiches vertreten. 1802/03 fiel die Abtei und ihr kleines Territorium um den Herforder Münster im heutigen Zentrum der Stadt Herford an das preußische Ravensberg. Das Frauenkonvent wurde 1804 in ein Kollegiat für Männer umgewandelt und 1810 aufgehoben.

Geschichte

Anfänge

Das Stift Herford war das älteste Frauenkonvent im Herzogtum Sachsen. Es wurde 789 zunächst in Müdehorst (heute bei Bielefeld) von einem Adligen namens Waltger als Eigenkloster gegründet, dann um 800 auf den Grund seines Hofes „Herivurth“ an der Kreuzung wichtiger Straßen und Furten über Aa und Werre verlegt. Später wurde es „Oldenhervorde“ genannt. Siene Gründung ist im Zuge der Sachsenmission zu sehen. In der Nähe entstanden beispielsweise in Paderbon, Dom oder Osnabrück weitere wichtige christliche Zentren in Sachsen.

Erhebung zur Reichsabtei

Unter Kaiser Ludwig dem Frommen († 840) wurde das Stift Herford etwa parallel zur Gründung Corveys 823 zur Reichsabtei erhoben und mit einem Drittel der eigentlich für Corvey vorgesehenen Güter ausgestattet. In enger Verbindung mit der Reichsabtei Corvey reorganisierten die karolingischen Brüder Adalhard und Wala nach 823 die Gründung Waltgers. Die Vita Waltgeri und eine Urkunde Ludwig des Deutschen von 853 berichten, Herford sei nach dem Muster der karolingischen Reichsabtei Notre Dame zu Soissons eingerichtet worden. Soissons wurde also zum Mutterkloster Herfords so wie die Abtei Corbie für Corvey. Beide Klosterneugründungen besaßen somit einen Rückhalt im zentralen Frankenreich. Die in der Urkunde Ludwigs genannte Herforder Äbtissin Tetta stammte aus Soissons. [1]

860 wurden, auf Betreiben der Äbtissin Haduwy (Hedwig), die Gebeine der Heiligen Pusinna, der Herforder Schutzpatronin, aus deren Einsiedelei Binson („vicus bausionensis“ in der Nähe von Châlons-en-Champagne bei Corbie) in das Stift Herford überführt, das dadurch erheblich an Bedeutung gewann und später den Namen „St. Marien und Pusinna“ trug.

In der Zeit der Äbtissin Mathilde I. wurde hier deren Enkelin Mathilde erzogen, die 909 durch Vermittlung ihrer Großmutter den Sachsenherzog und späteren König Heinrich I. heiratete. In den Jahren 919 bis 924 wurde Herford durch die Ungarn zerstört, aber bereits 927 wieder aufgebaut. Zur Erinnerung an ihren 936 verstorbenen Gatten gründete die in Herford erzogene Königin Mathilde im gleichen Jahr ein Frauenstift in Quedlinburg.

Reichsunmittelbarkeit

1147 erhielt das Stift mit zu dieser Zeit 39 Oberhöfen und rund 800 zinspflichtigen Unterhöfen die Reichsunmittelbarkeit. Als Vögte amtierten anfangs wohl die Billunger, nach deren Aussterben Heinrich der Löwe, der die Grafen von Schwalenberg als Untervögte einsetzte, die wiederum diese Aufgabe ab 1180, nach dem Sturz Heinrichs des Löwen, für das Erzbistum Köln bzw. die Herzöge von Westfalen wahrnahmen. Bereits 1261 scheint das Amt auf die Grafen von Sternberg und 1382 auf die Grafen von Jülich-Berg übergegangen zu sein.

Herforder Münster - Frontansicht

Mit der Reichsunmittelbarkeit wurde das Stift ein eigenständiges, allerdings nur kleines, Territorium des Heiligen Römischen Reiches. Es umfasste einen Teil des heutigen Stadtgebietes von Herford und bestand bis zur Säkularisierung 1803. Seine Äbtissinnen waren Reichsfürstinnen und saßen im Reichstag im Rheinischen Reichsprälatenkollegium. Das Gebiet gehörte zum Niederrheinisch-Westfälischen Reichskreis. In der Nachbarschaft des Stiftes entwickelte sich die Siedlung Herford, die seit 1170/1180 Stadtrecht besaß und später ebenfalls reichsunmittelbar wurde.

Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts erstanden in „Sancta Herfordia“ (dem Heiligen Herford) ca. 37 Kirchen, Kapellen, Stifte, Klöster, Hospitäler und kirchliche Häuser (als selbständige Gebäude). Damit war das geistliche Leben dort eher mit Köln als mit anderen Städten dieser Zeit zu vergleichen.

Reformation

1533, im Zuge der Reformation, wurde das Stift Herford evangelisch (siehe auch Einführung der Reformation in Herford). Die Kurfürsten von Brandenburg suchten, das reformierte Bekenntnis durchzusetzen, was ihnen aber nur zeitweilig gelang.

Aufhebung

1802 wurde das Stift im Zuge der Säkularisierung und im Vorgriff auf den Reichsdeputationshauptschluss aufgehoben und am 25. Februar 1803 der zu Preußen gehörenden Grafschaft Ravensberg zugeschlagen. 1804 wurde das Stift in ein Kollegiat für Männer umgewandelt und 1810 endgültig aufgelöst.

Äbtissinnen

Äbtissin Johanna Charlotte von Anhalt-Dessau
Die letzte Fürstäbtissin Friederike Charlotte von Brandenburg-Schwedt
Liste der Äbtissinnen

Wappen

Das Wappen der Fürstabtei zeigte einen roten waagerechten Balken auf silbernem Schild. Bis heute sind die Farben der Stadt Herford und die Flagge der Stadt rot-weiß. Bis 1899 war das Stadtwappen das der Abtei Herford, also der rote Balken in silbernem Schilde, wobei der Balken die Werrefurt und die silberne Fläche das Wasser darstellen sollte.

Literatur

  • R. Pape: Über die Anfänge Herfords. Dissertation, 1955
  • A. Cohausz: Ein Jahrtausend geistliches Damenstift Herford. In: Herforder Jahrbuch I. 1960
  • Herforder Geschichtsquellen. 1968
  • R. Pape: Waltger und die Gründung Herfords. 1988
  • R. Pape: Herford zur Kaiserzeit. 1989
  • R. Pape: Sancta Herfordia. Geschichte Herfords von den Anfängen bis zur Gegenwart. 1989
  • T. Helmert-Corvey (Hg.): 1200 Jahre Herford. 1989
  • C. M. Raddatz: Vita Sancta Waltgeri. Leben des heiligen Waltger. Die Klostergründungsgeschichte der Reichsabtei Herford, Münster 1994.
  • H. Bei der Wieden: Die Äbtissinnen der Reichsabtei Herford in der Neuzeit. In: Historisches Jahrbuch für den Kreis Herford 2000. 1999
  • M. Kroker: Kaiser, Könige und fromme Frauen. Das Reichsstift Herford in ottonischer, salischer und staufischer Zeit, in: Olaf Schirmeister (Hg.), Fromme Frauen und Ordensmänner. Klöster und Stifte im heiligen Herford, Bielefeld 2000, S. 77-126.
  • H. Bei der Wieden: Die Herkunft der Äbtissinnen der Reichsabtei Herford vom Ende des 13. bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. In: Historisches Jahrbuch für den Kreis Herford 2002/2003. 2002
  • R. Dorn: "Die Kirche des ehemaligen Damenstifts St. Marien und Pusinna in Herford. Architektur unter den Edelherren zur Lippe." Petersberg 2006.

Einzelnachweise

  1. Kroker 2000, S. 80ff.

Vorlage:Niederrheinisch-Westfälischer Reichskreis

Koordinaten: 52° 6′ 47″ N, 8° 40′ 13″ O