Gravitation
Die Gravitation (v. lat. gravitas „Schwere“) ist eine von vier bekannten grundlegenden Grundkräfte der Physik. Sie bewirkt nicht nur die gegenseitige Anziehung von Massen. Aufgrund der Äquivalenz von Masse und Energie sind auch alle weiteren Energieformen von der Gravitation betroffen. Ihre Universalität kommt dadurch zum Ausdruck, dass sie auf alles wirkt, was materiell ist. Die Reichweite der Gravitation ist unbegrenzt und sie lässt sich nicht abschirmen. Daher bestimmt sie die großräumige Verteilung der Masse im Universum. Die Gravitation bestimmt die Bahn der Erde um die Sonne bzw. des Mondes um die Erde. Sie spielt in der Astronomie und Kosmologie eine entscheidende Rolle.
Auf der Erde bewirkt die Gravitation, dass auf alle Körper eine zu ihrer Masse proportionale Kraft in Richtung des Erdmittelpunktes („nach unten“) wirkt. Diese Gravitationskraft wird auch als Gewichtskraft oder einfach als Gewicht bezeichnet.
Die im Labor erzielbaren Gravitationseffekte sind schwach, auch deshalb ist die Gravitationskonstante diejenige Fundamentalkonstante der Physik, deren Wert bisher am ungenauesten bestimmt ist (nur auf vier Dezimalstellen[1]).
In der klassischen Physik wird die Gravitation durch eine Feldtheorie beschrieben. Die Gravitationsfeldstärke besitzt dieselbe physikalische Einheit wie die Beschleunigung. Oberhalb der Erdoberfläche nimmt die Gravitationsfeldstärke näherungsweise mit dem Quadrat der Entfernung vom Erdmittelpunkt ab.
Seit der allgemeinen Relativitätstheorie wird die Gravitation durch die Krümmung der vierdimensionalen Raumzeit beschrieben. Die räumlichen und zeitlichen Koordinaten werden als gleichberechtigt betrachtet, alle Änderungen werden nurmehr als geometrisches Problem behandelt.
Einführung
Die Gravitation ist mit großem Abstand die schwächste der vier bekannten Wechselwirkungen. Es ist sehr schwierig, im Labor die sehr geringe Gravitationskraft zwischen zwei genau bekannten Massen zu messen, um dadurch die Gravitationskonstante zu bestimmen[2]. Die Gravitationskonstante ist diejenige Fundamentalkonstante der Physik, deren Wert bisher am ungenauesten bestimmt ist (nur auf vier Dezimalstellen[3]). Aufgrund der unbegrenzten Reichweite der Gravitation und des Umstandes, dass sie sich mit keinem bekannten Verfahren abschirmen lässt, ist sie dennoch die Wechselwirkung, welche die großräumigen Strukturen des Kosmos prägt. Sie spielt daher in der Kosmologie eine entscheidende Rolle.
Masse und Gewicht, Dichte und Wichte
Während die Masse eine Grundeigenschaft eines Körpers ist, also unabhängig von irgendwelchen Umgebungsbedingungen, verändert sich dessen Gewicht mit der Stärke der Gravitation. Verlagert man also einen Körper von der Erde auf den Mond, so ändert sich seine Masse nicht, sein lokales Gewicht hingegen sehr wohl. Hierbei können aber auch andere Einflüsse eine Rolle spielen: So ist ein Astronaut in einer Umlaufbahn um die Erde nicht masselos, sondern gewichtslos, weil sich die Stärke der Gravitation und die Zentrifugalbeschleunigung, die durch seinen Umlauf um die Erde entsteht, gegenseitig aufheben. Der Astronaut bewegt sich kräftefrei um die Erde - so wie der Mond.
Aus dem gleichen Grund unterscheidet man Dichte von Materie und deren Wichte. Letztere ergibt sich aus dem Gewicht und nicht der Masse (und natürlich dem Volumen des Körpers).
Gravitation auf der Erde
Die von der Masse der Erde ausgehende Gravitation ist Ursache der Beschleunigung, die ein frei fallender Körper über der Erdoberfläche erfährt, wenn außer der Gravitation keine weiteren Kräfte auf ihn wirken. Nach Newtons Kraftgesetz
ist die Kraft , mit der das Fallen des Körpers verhindert werden kann, seiner Masse und der Gravitationsfeldstärke am Ort der Messung direkt proportional. Da die Masse ein Skalar ist, wird die Richtung der Kraft allein durch die Richtung des Beschleunigungsvektors bestimmt.
Als Spezialfall des allgemeinen newtonschen Gravitationsgesetzes
gilt obige Gleichung allerdings nur, wenn eine der beiden Massen die Erdmasse ist und als Abstand der beiden Massen der Erdradius angenommen wird. Sind beide Bedingungen erfüllt, ergibt sich als Wert von ein durchschnittlicher Zahlenwert von 9,81 m/s2.
Der tatsächlich beobachtete Wert von jedoch weicht in der Regel von diesem ab. An erster Stelle stehen dabei Abweichungen aufgrund der Tatsache, dass die Erde keine homogene und perfekte Kugel ist: Lokale Unterschiede der Dichte des Untergrundes (z.B. Kontinentalplatten oder Meere) und die Abplattung der Erde zu einem Geoid ziehen lokale Variationen der Gravitationsbeschleunigung von bis zu ±0,5 Prozent nach sich.
Ein weiterer, die resultierende Beschleunigung (Schwerebeschleunigung) beeinflussender Faktor ist die Erdrotation und die damit je nach geografischer Breite des Beobachters variierende Zentrifugalbeschleunigung. Da diese am Nord- und Südpol gleich Null wird, ist die Schwerebeschleunigung dort mit der Gravitationsbeschleunigung identisch und damit größer als z.B. am Äquator.
Als dritter Faktor schließlich kommt - da Gravitationsfelder keine homogenen Felder sind - die Höhe des Beobachters in Bezug auf die Erdoberfläche ins Spiel. So reduziert sich z.B. die lokale Fallbeschleunigung in einem in 10 km Höhe fliegenden Flugzeug bereits auf rund 99,7 Prozent des Ausgangswerts (an der Erdoberfläche), in einem in 200 km Höhe die Erde umrundenden Satelliten auf nur noch 94,0 Prozent usw.
Die Existenz solcher lokalen Unterschiede macht folglich sinnvoll, stets von Stärke der Schwerebeschleunigung am jeweiligen Ort der Messung zu sprechen, statt von „der“ Schwerebeschleunigung als solcher.
Gravitationsfeld
Gemäß der newtonschen Gravitationstheorie ist jede (schwere) Masse von einem Gravitationsfeld umgeben, in der allgemeinen Relativitätstheorie aber auch jede andere Energieform, also neben schweren Massen auch Licht- und Gravitationsenergie.
Die Stärke der Gravitationsbeschleunigung in einem Gravitationsfeld ist dabei zum einen der Größe der Masse M proportional, zum anderen dem Quadrat des Abstandes zum Mittelpunkt von M umgekehrt proportional. Für gilt damit die Definitionsgleichung
- ,
in der G die newtonsche Gravitationskonstante ist, eine Naturkonstante, deren Wert man, sofern die Werte der übrigen Größen durch Messung bekannt sind, durch Umstellen obiger Gleichung nach G bestimmen kann:
In diesem Zusammenhang besitzt vor allem das 1798 von Henry Cavendish in einem Labor durchgeführte Experiment historische Bedeutung für die Entwicklung der experimentellen und theoretischen Grundlagen der Gravitation.
Die Gravitationskraft eines unregelmäßig geformten Körpers ist nicht an allen Raumpunkten auf seinen Schwerpunkt ausgerichtet. Das liegt daran, dass „nahe Massen“ für die Gravitationskraft in Betrag und Richtung einflussreicher sind als „ferne Massen“. Somit ist auch bei einem System von zwei oder mehr Himmelskörpern das Gravitationsfeld im Nahbereich jedes Himmelskörpers, die sogenannte Gravisphäre, auf diesen hin ausgerichtet und nicht etwa auf den gemeinsamen Schwerpunkt, das Baryzentrum.
Neben der inneren Massenverteilung beeinflusst auch die Rotation eines Himmelskörpers dessen Form und führt zu einer Abplattung. Sie bewirkt unter anderem, dass die Lotrichtungen auch bei perfekter Ellipsoidform nicht zum Massemittelpunkt des Körpers weisen. Mathematisch kann dies durch ellipsoidische Koordinaten berücksichtigt werden.
Newtonsches Gravitationsgesetz
Das newtonsche Gravitationsgesetz besagt, dass sich die Gravitationskraft , mit der sich zwei Massenpunkte (oder isotrope Kugeln) der Massen und anziehen, proportional zu den beiden Massen und umgekehrt proportional zum Quadrat ihres Abstandes verhält:
- ,
wobei die Gravitationskonstante ist. ist eine Naturkonstante, deren Wert zum Beispiel mit einer Gravitationswaage ermittelt werden kann. bezeichnet den Einheitsvektor in radialer Richtung, für den Fall, dass eine der beiden Massen im Zentrum des gewählten Koordinatensystems liegt.
Durch Lösen der Poisson-Gleichung
erhält man das Gravitationspotential einer beliebig gewählten Massenverteilung Über die Beziehung
kann anschließend das Gravitationsfeld bestimmt werden. Ähnlich wie in der Elektrodynamik das elektrische Feld über das gaußsche Gesetz bestimmt werden kann, lässt sich auch das gravitative Beschleunigungsfeld einer Massenverteilung bestimmen mit
- ,
oder in differentieller Form und für allgemeine Massenverteilungen
- .
Die Gravitation ist eine Wechselwirkung die auch, wie im Falle der Anziehung zwischen Erde und Sonne, durch das Vakuum wirkt. Im Rahmen der klassischen Gravitationstheorie wird dabei angenommen, dass sich Veränderungen des Feldes durch Bewegungen der Massen instantan (ohne Zeitdifferenz) im Raum ausbreiten.
Newtonsches Schalentheorem
Newton leitete die folgenden drei Theoreme aus seinem Gravitationsgesetz ab:
- Das externe Gravitationsfeld einer sphärisch-symmetrischen Massenverteilung ist gleich dem einer Punktmasse in der Sphärenmitte. Dies ist das wichtigste dieser drei Theoreme. Es gilt auch analog in der allgemeinen Relativitätstheorie, wo es als Birkhoff-Theorem bekannt ist.
- Eine Probemasse im Inneren einer sphärisch-symmetrischen Massenverteilung (Hohlkugel) erfährt keine Gravitationskraft von dieser. Daraus folgt: Die Gravitation an einem Punkt einer sphärisch-symmetrischen (kugelförmigen) Massenverteilung im Abstand von ihrem Schwerpunkt ist gleich der Gravitation, die von der innerhalb dieses Radius liegenden Masse ausgeübt wird.
- Eine Testmasse innerhalb einer elliptischen Massenschale erfährt keine Gravitationskraft von dieser.
Das dritte Theorem Newtons stellt eine Verallgemeinerung des zweiten dar.
Allgemeine Relativitätstheorie
In der allgemeinen Relativitätstheorie werden Raum und Zeit als Einheit durch eine vierdimensionale pseudo-riemannsche Mannigfaltigkeit beschrieben, die als Raumzeit bezeichnet wird. Die Raumzeit wird lokal durch die Anwesenheit von Energie (= Masse) gekrümmt. Ein Gegenstand, der nur dem Einfluss der Gravitation folgt, bewegt sich zwischen zwei Raumzeitpunkten (Ereignissen) stets entlang der kürzesten Verbindung, gemessen mit der vierdimensionalen Minkowski-Metrik. Dort wo die Raumzeit flach ist, ist dies eine Gerade. Auf einer gekrümmten Mannigfaltigkeit spricht man allgemein von einer Geodäte. Die Gravitation lässt sich auf diese Weise auf ein geometrisches Phänomen zurückführen, für dessen Erklärung keine besondere Kraft mehr herangezogen werden muss.
In diesem Sinne reduziert die allgemeine Relativitätstheorie die Gravitationskraft auf den Status einer Scheinkraft: Auf einem Stuhl sitzend werden wir nur scheinbar durch eine „Gravitationskraft“ zur Erde gezogen, weil wir nicht sehen, dass uns die Stuhlfläche von unserer kürzesten Bahn durch die von der Erdmasse gekrümmten Raumzeit abdrängt. Senkrecht frei fallende Körper hingegen, aber auch Satelliten oder Parabelflüge folgen einer Geodäte durch die Raumzeit. Ihre Bewegungen werden in der Allgemeinen Relativitätstheorie als (netto) kräftefrei angesehen. Denn die Erdmasse beeinflusst durch die Raumzeitkrümmung lediglich die Definition davon, was z. B. im Sinne der Trägheit von Körpern oder für Strahlung „geradeaus“ bedeutet. Die tatsächliche Bahn durch die Raumzeit hängt außerdem ab von Randbedingungen wie Startort, -zeit und -geschwindigkeit und gegebenenfalls von zusätzlichen Wechselwirkungen wie Elektromagnetismus.
Die vierdimensionale Raumzeit wird oft durch die zweidimensionale Oberfläche eines dehnbaren Tuches veranschaulicht. Entgegen einer häufigen Darstellung denke man sich dieses Tuch besser in der Schwerelosigkeit und frei von anderen Kräften. Eine Massen- bzw. Energieansammlung entspricht dann einer Ausbeulung des Tuches. Alles, was sich auf der Tuchoberfläche so „geradlinig wie möglich“ nach Art einer Geodäte bewegt, würde sich innerhalb einer Delle notwendig auf einer gekrümmten Bahn bewegen. Diese Krümmung besteht nicht nur in den drei Dimensionen, in denen wir das Tuch von außen sehen, sondern lässt sich auch in den zweidimensionalen Messungen wiederfinden, die ein winziger Beobachter auf dem Tuch selbst durchführen würde: So ist z. B. der Umfang von Kreisen um den Mittelpunkt einer symmetrischen Delle geringer als , wenn der Radius auf dem Tuch zurückgelegt wird. Versucht der winzige Beobachter nun, sich innerhalb der Delle senkrecht zu einem solchen Radius auf einer möglichst geraden Bahn zu bewegen, so wird er sich langsamer vom Zentrum der Delle entfernen als von einem weiter außen liegenden Punkt. Diese Abweichung könnte er auf eine besondere Kraft zurückführen, die das Zentrum der Materie-/Energieansammlungen auf ihn ausübt. Ein anderer Tuchbewohner, der beispielsweise von Beschleunigungsversuchen mit elektrostatischen Kräften weiß, dass er eine größere Trägheit besitzt, würde nach demselben geometrischen Prinzip von „Geradeaus auf dem Tuch“ genau die gleiche Bahn durchlaufen. Also scheint die unterstellte Zentrumskraft mit der trägen Masse zuzunehmen, denn die größere Trägheit des zweiten Tuchbewohners wird offenbar kompensiert. Weiter führt diese Analogie allerdings nicht - insbesondere nicht im Hinblick auf Geschwindigkeiten - denn dazu müsste man die Zeit mit einer Richtung im Tuch identifizieren können und Abstände mit der Minkowski-Metrik messen, welche nicht die anschaulichen Abstände der euklidischen Geometrie liefert. Andererseits ist nach der allgemeinen Relativitätstheorie der Umfang eines Kreises in einem Kilometer Abstand um die Sonne tatsächlich um etwa einen Zentimeter kleiner als aufgrund des Abstands zum Sonnenmittelpunkt nach berechnet.[4]
Ist die Form der Raumzeit festgelegt, dann folgen die kräftefreien Bewegungen der Geodätengleichung der gekrümmten Raumzeit:
wobei ein Christoffelsymbol zweiter Art ist, welches die Abhängigkeit des metrischen Tensors zum Raumzeitpunkt (Ereignis), d. h. der Krümmung der Raumzeit, charakterisiert.
Die Form der Raumzeit ergibt sich aus der Verteilung von Masse/Energie und umgekehrt. Dieses wechselseitige Verhältnis wird durch die einsteinschen Feldgleichungen beschrieben:
- ,
wobei der Ricci-Tensor und der Energie-Impuls-Tensor ist.
Jede vierdimensionale Lösung dieser Feldgleichungen beschreibt ein mögliches Modell für den ganzen (Welt-)Raum zu allen Zeiten, mit z. B. einem Schwarzen Loch oder einem Urknall darin als besonderem Merkmal der jeweiligen Theorie. In einem solchen Modelluniversum pflanzen sich Veränderungen der Raumzeitkrümmung mit Lichtgeschwindigkeit fort. So würde eine (theoretische) spontane Zunahme der Ruhemasse der Sonne erst nach ca. 8 Minuten eine verstärkte Anziehungskraft auf die Erde bewirken. Die Gravitation hat dadurch den Status einer Nahwirkungskraft. Das newtonsche Gravitationsgesetz enthält hingegen implizit, dass sich die Gravitation unendlich schnell ausbreitet (Fernwirkung). Die Wirkung der Gravitation von Objekten muss nach Newton schon allein deshalb zeitgleich und unmittelbar (d. h. ohne Ausbreitungsgeschwindigkeit) erfolgen, da sonst die Berechnung von Planetenbahnen um die Sonne keine exakte Ellipse ergeben würde, sondern eine Spirale (Aberration der Gravitation), bei der sich die Planeten immer weiter von der Sonne entfernen. In der allgemeinen Relativitätstheorie ergibt sich hingegen eine Rosettenbahn, die insbesondere beim sonnennächsten Planeten Merkur sehr genau beobachtet werden kann. Dies spricht für die Gültigkeit der allgemeinen Relativitätstheorie. Eine andere, zumindest indirekt durch Beobachtungen bestätigte Lösung der Feldgleichungen weist eine periodische Variation in Raumzeitkrümmung auf: die sich lichtschnell ausbreitende Gravitationswelle.
Geschichte
Altindische Autoren führten den freien Fall auf eine Kraft zurück, die proportional zur Masse eines Objektes ist und in Richtung des Erdmittelpunkts wirkt. Aristoteles beschrieb die Erde als den Körper, der die Anziehung aller anderen Körper hervorruft. Der persische Astronom Muhammad ibn Musa erklärte im 9. Jahrhundert die Bewegungen der Himmelskörper durch eine Anziehungskraft. Al-Biruni übersetzte im 11. Jahrhundert die Werke der indischen Autoren ins Arabische und ins Persische. Sein Zeitgenosse Alhazen formulierte eine Theorie der Massenanziehung. Der Perser Al-Khazini stellte im 12. Jahrhundert die Vermutung auf, dass die Stärke der Erdanziehung abhängig vom Abstand zum Erdmittelpunkt ist und unterschied zwischen Masse, Gewicht und Kraft. Im 16. Jahrhundert beschrieb Galileo Galilei den freien Fall eines Körpers als gleichförmig beschleunigte Bewegung, die unabhängig von seiner Masse oder sonstigen Beschaffenheit ist. Der englische Gelehrte Robert Hooke erklärte um 1670 die Wirkung der Gravitation mit Hilfe von „Gravitationstrichtern“ und erklärte, dass die Gravitation eine Eigenschaft aller massebehafteten Körper sei und umso größer, je näher sich zwei Körper zueinander befänden.
Mathematisch wurde die Gravitation erstmals von Hookes Landsmann und Zeitgenossen Isaac Newton in seinen Principia beschrieben. Das von ihm formulierte newtonsche Gravitationsgesetz war die erste physikalische Theorie, die sich in der Astronomie anwenden ließ. Es bestätigt die bereits zuvor entdeckten keplerschen Gesetze der Planetenbewegung und damit ein grundlegendes Verständnis der Dynamik des Sonnensystems mit der Möglichkeit präziser Vorhersagen bezüglich der Bewegung von Planeten, Monden und Kometen. Allerdings war die Theorie erst nach Einführung der Hypothese von Dunkler Materie sowie dunkler Energie in der Lage, auch Umlaufbewegungen in Galaxien und Galaxienhaufen zu erklären.
Zur Erklärung der Gravitation im Sinne eines Prozessgeschehens wurden seit der Zeit Newtons bis zur Entwicklung der allgemeinen Relativitätstheorie im frühen 20. Jahrhundert eine Reihe von mechanischen bzw. kinetischen Theorien vorgeschlagen (siehe Mechanische Erklärungen der Gravitation). Eine der bekanntesten ist die von Fatio und Le Sage entwickelte Theorie der Le-Sage-Gravitation. Diese argumentiert, dass die Gravitationsanziehung zweier Körper auf der Abschirmung des aus Richtung des jeweils anderen wirkenden Drucks beruht. Im Zusammenhang hiermit stehen die Theorien eines Äthers als Vermittler von Wechselwirkungen (anstelle einer Fernwirkung), zu denen auch Magnetismus gehört. Eine der letzten dieser Theorien war die um 1900 entstandene Lorentzsche Äthertheorie, die schließlich von dem neuartigen Ansatz der einsteinschen Relativitätstheorie verdrängt wurde.
In der 1916 unter anderem von Albert Einstein aufgestellten allgemeinen Relativitätstheorie (ART) wird die Gravitation auf eine geometrische Eigenschaft der Raumzeit zurückgeführt[5], die von jeder Form von Energie auf unterschiedliche Weise gekrümmt wird. Diese Theorie sagt Gravitationswellen voraus, nach denen seit einigen Jahren aufwendig gesucht wird. Das newtonsche Gravitationsgesetz ergibt sich dabei als Grenzfall für die Situation hinreichend schwacher Raumzeitkrümmung, wie etwa bei einem Planeten. Die Beschreibung des Universums, von starken Gravitationsfeldern wie sie beispielsweise bei Schwarzen Löchern auftreten können oder die Erklärung der Periheldrehung des Merkur und die Lichtablenkung im Gravitationsfeld sind jedoch allein der ART vorbehalten.
Gravitation und Quantentheorie
Im Rahmen einer Quantenfeldtheorie wird die Gravitation in linearer Näherung durch den Austausch eines als Graviton bezeichneten masselosen Teilchens beschrieben, das den Spin 2 hat. Darüber hinaus führt schon die Formulierung einer Quantentheorie der Gravitation zu prinzipiellen Problemen, die bisher ungelöst sind. Auch die supersymmetrische Erweiterung führte bisher nicht zu einer konsistenten Theorie. Als derzeit aussichtsreichste Kandidaten gelten die Stringtheorie und die Loop-Quantengravitation. Ein wesentliches Ziel ist dabei, die Gravitation mit den übrigen Wechselwirkungen zu einer Großen Vereinheitlichten Theorie (GUT) zu vereinen, um somit eine Theorie zu formulieren, die alle Naturkräfte auf einmal beschreiben kann. Das bedeutet, dass die Gravitation, welche die Effekte der Quantenfeldtheorie nicht berücksichtigt, um diese erweitert würde und damit neue sowie auch andere Ergebnisse liefern könnte, als die ART (Allgemeine Relativitätstheorie) es kann. Im Rahmen der vereinigten Superstringtheorien, der M-Theorie, wird das Universum hingegen als 11-dimensionale Mannigfaltigkeit beschrieben. Dabei stellt der Teil des Universums, in welchem wir existieren, eine höherdimensionale Membran (D-Brane) dar, welche selbst in eine noch höherdimensionalere Mannigfaltigkeit eingebettet ist, in der noch weitere Branes schwingen könnten und somit parallele Raumzeiten innerhalb desselben Universums darstellen. In der M-Theorie wird die Gravitation von Gravitonen vermittelt. Diese stellen geschlossene Energiefäden (Strings) dar, welche nicht an die Grenzen einer Brane gebunden sind. Daher sind sie in der Lage, sich durch alle zusätzlichen Raumdimensionen auszubreiten und auch in andere Branes zu gelangen. Auf diese Weise wird die Stärke der Gravitation hinreichend abgeschwächt, so dass sie im Rahmen unserer 4-dimensionalen Erfahrungswelt als die schwächste der vier Wechselwirkungen erscheint.
Künstliche Schwerkraft
Im Unterschied zur oben beschriebenen natürlichen Schwerkraft gibt es seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts auch ernsthafte Überlegungen, künstliche Schwerkraft – z. B. für die Errichtung langfristig bewohnbarer Raumstationen – zu erzeugen. Dabei bedient man sich bei der sogenannten Bernal-Sphäre beispielsweise der Zentrifugalkraft und definiert die Innenfläche eines Zylinders als die Oberfläche des Habitats. Für derzeitige Anwendungen im Weltraum und anderswo wurden indes andere Methoden zur Erzeugung einer Anpresskraft erprobt, meistens um damit den Menschen das Gehen zu ermöglichen. Da Astronauten bei längeren Aufenthalten im Weltraum unter einem Abbau von Knochen- und Muskelsubstanz leiden, ist die Erzeugung einer künstlichen Schwerkraft ein wichtiges Thema für die Raumfahrt.
Für längere Reisen mit einem Raumfahrzeug durch das Weltall wäre eine künstliche Schwerkraft auch durch eine entsprechend langandauernde konstante Beschleunigung beziehungsweise eines langandauernden konstanten Bremsvorgangs erzeugbar.
Siehe auch
Video
- David Randolph Scott, Commander der Mondmission Apollo 15 (1971), demonstriert anhand einer Feder und eines Hammers, die er im luftleeren Raum auf dem Mond fallen lässt, dass alle Körper unabhängig von ihrem Gewicht gleich schnell fallen.
Literatur
- Charles W. Misner, Kip S. Thorne, John Archibald Wheeler: Gravitation. Freeman, 2000, ISBN 0-7167-0344-0.
- Gravitation. In: Sterne und Weltraum. Special 6, 2001, ISSN 1434-2057
- Claus Kiefer: Gravitation. Fischer, 2002, ISBN 3-596-15357-3.
- Alexander Unzicker: Why do we Still Believe in Newton's Law? Facts, Myths and Methods in Gravitational Physics. Preprint
- Erwin Kohaut, Walter Weiss: Das Rätsel Gravitation: … und seine naturphilosophische Lösung. Va Bene, Klosterneuburg 2007, ISBN 978-3-85167-195-7.
- Walter Ritz: Theorien über Aether, Gravitation, Relativität und Elektrodynamik. Schritt, Bern 1963.
- Ephraim Fischbach, Carrick L. Talmadge: The search for non-Newtonian gravity. Springer, New York 1999, ISBN 0-387-98490-9.
- Gilles Clément, Angie Bukley (Hrsg.): Artificial gravity. Springer, New York 2007, ISBN 978-0-387-70712-9.
- David Darling: Gravity's arc-the story of gravity from Aristotle to Einstein and beyond. Wiley, Hoboken N. J. 2006, ISBN 978-0-471-71989-2.
- Richard L. Amoroso: Gravitation and cosmology – from the Hubble radius to the Planck scale. Kluwer Academic, Dordrecht 2002, ISBN 1-4020-0885-6.
Weblinks
- Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik
- Physikalisch-Technische Bundesanstalt PTB Gravity Information System
- Die Gravitation – fundamentale Eigenschaften
- Gravitation in Beschleunigung umrechnen
Einzelnachweise
- ↑ CODATA Seite
- ↑ Die Gravitation im Test
- ↑ CODATA Seite
- ↑ Edwin F. Taylor, Exploring Black Holes, 2. Kapitel, S.11
- ↑ Albert Einstein: Die Grundlagen der Allgemeinen Relativitätstheorie. In: Annalen der Physik. 4, 49. PDF