Polizistenmord von Holzminden
Der Polizistenmord von Holzminden war ein Doppelmord, welcher am 12. Oktober 1991 begangen wurde. Das Schwerverbrechen an zwei Polizisten der Polizei Niedersachsen erregte – nicht zuletzt wegen der umfangreichen Fahndung nach den verschwundenen Polizisten und des darauf folgenden Gerichtsprozesses – bundesweites Aufsehen.
Tathergang
Am 12. Oktober 1991 um 2.29 Uhr ging folgender Anruf bei der Polizei Höxter ein:
„Äh gut’n Tach, Meier mein Name. Ich hab’n, äh, Wildunfall. Könnten Sie wohl jemanden vorbeischicken? Keiner verletzt, is’ nur ein bisschen an der Stoßstange.“ Für den Polizisten, welcher den Anruf, der von einer Notrufsäule im Solling geführt wurde, entgegennahm, sah der Einsatz nach einer Kleinigkeit aus. Der Beamte verständigte deshalb seinen Kollegen im niedersächsischen Holzminden, da die Position des Wildunfalls - der Waldparkplatz Rottmündetal an der Landesstraße 549 zwischen Neuhaus im Solling und Boffzen - in deren Zuständigkeitsbereich fiel.
Die beiden Polizeiobermeister Andreas Wilkending aus Holzminden und Jörg Lorkowski aus Lüchtringen[1], die gerade einen Autofahrer zur Blutalkoholkontrolle ins Krankenhaus gefahren hatten, erreichte die Meldung nur wenige Minuten später und so fuhren sie zu dem abgelegenen Parkplatz. Hier endete der Kontakt zu den Beamten.
Rund eineinhalb Stunden nach dem letzten Kontakt mit den beiden Beamten, beorderte der besorgte Einsatzleiter einen weiteren Streifenwagen zu dem Parkplatz. Die Streife entdeckte bei ihrer Ankunft zunächst keine Spur der Kollegen. Erst nachdem die Polizisten begannen das Gelände auszuleuchten, fanden sie Blutspuren, Zahn- und Knochensplitter und Gewebespuren. Auch Patronenhülsen im Kaliber 7,62 x 51 mm wurden aufgefunden.
Gegen 10 Uhr wurde der ausgebrannte zivile Streifenwagen der Beamten von einem Jäger auf dem Truppenübungsplatz Senne gefunden. Der Wagen wies zahlreiche Einschußlöcher auf. Die beiden Polizeibeamten blieben aber verschwunden, was zu einer der größten Suchaktionen der deutschen Nachkriegsgeschichte führte. In den darauffolgenden Tagen suchten rund 6000 Beamte aus drei Bundesländern nach den Vermissten. Die Suche wurde durch Taucher, die die naheliegende Weser absuchten, unterstützt.
Ermittlung und Festnahme
Neben der normalen Fahndung der Polizei wurde eine Telefonnummer eingerichtet, unter welcher der Anruf von „Herrn Meier“ abgehört worden konnte. Diese Telefonansage, die den vom Kriminaltechnischen Institut des Bundeskriminalamts aufbereiteten Anruf enthielt,[2] brachte hunderte Hinweise aus der Bevölkerung, die zahlreiche Übereinstimmungen aufwiesen. Die meisten übereinstimmenden Hinweise kamen dabei von Häftlingen und Vollzugsbeamten der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede, die den Anrufer als den damals 29-jährigen Dietmar J. identifizierten, der erst wenige Wochen vorher wegen guter Führung vorzeitig aus einer zehnmonatigen Haftstrafe entlassen wurde.
Vier Tage nach dem Verbrechen stürmte ein Spezialeinsatzkommando der Polizei Bielefeld ein Haus in Bredenborn, in dem sich Dietmar J. mit seinen beiden Brüdern aufhielt. Während Dietmar und der jüngste der drei Brüder, Ludwig, ohne Probleme überwältigt wurden, versuchte Manfred sich das Leben zu nehmen, indem er sich ein Jagdmesser in die Brust stach.
Eine Woche nach der Tat legte Dietmar, nachdem sein Bruder Ludwig sich selbst und seine zwei Brüder in seinem Geständnis belastet hatte, ebenfalls ein Geständnis ab und führte die Polizei zu dem Versteck, wo die Leichen der beiden Polizisten, die jeweils ihre Frau und zwei Kinder hinterließen, vergraben waren. Die Polizisten wurden mit 13 Schuss, die aus kurzer Entfernung von unter sieben Metern abgegeben wurden, unmittelbar nach ihrer Ankunft auf dem Parkplatz erschossen.
Ende Oktober 1991 fand die Polizei bei einer erneuten Hausdurchsuchung zahlreiche Waffen, welche die Brüder bei Überfällen auf Bundeswehrstreifen unter anderem in Stadtoldendorf erbeutet hatten. Auch die Tatwaffe, ein G 3-Sturmgewehr, befand sich in dem Versteck. In einem Erddepot in der Nähe des Wohnortes wurden dann schließlich die Dienstwaffen der Polizisten und größere Mengen Munition gefunden.
Gerichtsverfahren
Der Fall kam vor dem Landgericht Hildesheim zur Verhandlung.[3] Manfred belastet seinen älteren Bruder stark als Haupttäter, während sich Ludwig in Widersprüche verstrickte und eine Tatbeteiligung später nicht mehr nachgewiesen werden konnte.
Nach hunderten Verhandlungstagen und rund zweieinhalb Jahre nach der Eröffnung des Prozesses wurde am 21. Februar 1995 der Hauptangeklagte zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt; darüber hinaus wurde vom Richter eine besondere Schwere der Schuld festgestellt und daher eine anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet. Das Motiv des Täters war „allgemeiner Hass auf die Polizei“.
Manfred J. wurde wegen Beihilfe zum Mord und Beihilfe zum schweren Raub zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.
Ludwig wurde in dieser Strafsache freigesprochen, wurde jedoch zu einer Bewährungsstrafe wegen Beihilfe zum schweren Raub verurteilt, die er für seine Beteiligung an den Überfällen auf die Bundeswehrsoldaten zum Raub der Waffen erhielt.
Trivia
Im Juni 2003 verklagte der im Gefängnis sitzende Dietmar seinen jüngsten Bruder auf den Pflichtteil des Erbes seines Vaters. Er war von seinem Vater nach der Tat enterbt worden. Da Manfred freiwillig auf seinen Erbteil verzichtete, war Ludwig der einzige Erbe. Das Landgericht Paderborn gab der Klage zunächst statt.[4]
Literatur
- Kathrin Pagendarm: Dem Verbrechen auf der Spur: Die spektakulärsten Kriminalfälle Niedersachsens, Schlütersche Verlagsgesellschaft, ISBN 3-899-93717-1
Einzelnachweise
- ↑ Corsip mit Daten zu den Polizisten (aufgerufen am 20. September 2009)
- ↑ Focus mit Informationen zum Kriminalfall (aufgerufen am 20. September 2009)
- ↑ Daten zum Prozess in Der Zeit (aufgerufen am 20. September 2009)
- ↑ Nachricht zur Klage von Dietmar J. gegen seine Bruder aus dem Archiv des Täglicher Anzeiger (aufgerufen am 20. September 2009)