Ernst Thälmann


Ernst Thälmann (genannt Teddy; * 16. April 1886 in Altona; † 18. August 1944 im KZ Buchenwald) war in der Weimarer Republik von 1925 bis 1933 Vorsitzender der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). 1933 wurde er von der Gestapo verhaftet und nach elf Jahren Isolationshaft, 1944, auf direkten Befehl Adolf Hitlers erschossen.[1] Unter dem Vorsitz Thälmanns wurde die Stalinisierung der KPD abgeschlossen.
Biografie
Eltern
Thälmanns Vater, Johannes Thälmann (Jan genannt; * 11. April 1857; † 31. Oktober 1933),[2] wurde in Weddern in Holstein geboren und arbeitete dort als Knecht. Die Mutter Thälmanns, Maria-Magdalene (geb. Kohpeiss; * 8. November 1857; † 9. März 1927),[2] kam im vierländischen Kirchwerder als Tochter eines Zimmermanns zur Welt. Die Hochzeit fand 1884 in Hamburg statt. Dort verdiente sich Johannes Thälmann sein Geld zunächst als Speditionskutscher.
Die Eltern waren parteilos; im Unterschied zum Vater war die Mutter tief religiös. Nach der Geburt ihres Sohnes Ernst übernahmen die Eltern eine Kellerwirtschaft in der Nähe des Hamburger Hafens. Im März 1892 wurden sie wegen Hehlerei zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt, weil sie entwendete Waren gekauft oder für Schulden in Zahlung genommen hatten.[3][4] Diese Strafe wurde 36 Jahre später im Wahlkampf gegen Ernst Thälmann verwendet. Den politischen Gegnern kam es gelegen, dass schon der Vater ein „Zuchthäusler“ gewesen war. Thälmann und seine jüngere Schwester Frieda wurden getrennt und in unterschiedliche Familien zur Pflege gegeben. Die Eltern wurden jedoch vorzeitig aus der Haft entlassen (die Mutter im Mai und der Vater im Oktober 1893).
Jugend, Berufstätigkeit und Kriegsdienst
Von 1893 bis 1900 besuchte Thälmann die Volksschule. Rückblickend beschrieb er später Geschichte, Naturgeschichte, Volkskunde, Rechnen, Turnen und Sport als seine Lieblingsfächer. Religion hingegen mochte er nicht.[3] Wenige Jahre später, in der Mitte der 1890er Jahre, eröffneten seine Eltern ein Gemüse-, Steinkohlen- und Fuhrwerksgeschäft in Eilbek.[2] In diesem Geschäft musste er nach der Schulzeit aushelfen. Seine Schularbeiten erledigte er am frühen Morgen vor dem Unterrichtsbeginn. Seine Erfahrungen im elterlichen Geschäft beschrieb er später so:[2]
„Beim Einkaufen der Kunden im Geschäft bemerkte ich schon die sozialen Unterschiede im Volksleben. Bei den Arbeiterfrauen Elend, Not und teilweise Hunger bei ihren Kindern und geringe Einkäufe, bei den bemittelten Kunden größere Einkäufe usw.“
Trotz dieser Belastung war Thälmann ein guter Schüler, dem das Lernen große Freude bereitete. Sein Wunsch, Lehrer zu werden oder ein Handwerk zu erlernen, erfüllte sich nicht, da seine Eltern ihm die Finanzierung verweigerten. Er musste daher weiter im Kleinbetrieb seines Vaters arbeiten, was ihm, nach eigenen Aussagen, großen Kummer bereitete.[5] Durch das frühzeitige „Schuften“ im elterlichen Betrieb kam es zu vielen Auseinandersetzungen mit seinen Eltern. Thälmann wollte für seine Arbeit einen richtigen Lohn und nicht nur ein Taschengeld. Darum suchte er sich eine Arbeit als „Ungelernter“ im Hafen. Hier kam Thälmann bereits als Zehnjähriger mit den Hafenarbeitern in Kontakt, als sie vom November 1896 bis Februar 1897, die Arbeit im Hamburger Hafenarbeiterstreik niederlegten.[6] Der Arbeitskampf wurde von allen Beteiligten erbittert geführt. Er selbst schrieb 1936 aus dem Gefängnis an seine Tochter, dass „der große Hafenarbeiterstreik in Hamburg vor dem Kriege, […] der erste sozialpolitische Kampf“ gewesen sei, „der sich für immer in […] (sein) Herz“ eingeprägt habe.[7] Der (sozial)politische Inhalt der Gespräche der Hafenarbeiter soll ihn sehr geprägt haben.[6]
Anfang 1902 verließ er im Streit das Elternhaus und kam zunächst in einem Obdachlosenasyl unter, später in einer Kellerwohnung. Ab 1904 fuhr er als Heizer auf einem Frachter zur See, unter anderem in die USA. In den Jahren bis zum Ersten Weltkrieg betätigte sich Thälmann als konsequenter Streiter für die Interessen der Hamburger Hafenarbeiter. Von 1913 bis 1914 arbeitete er als Kutscher für eine Wäscherei.
Anfang 1915 wurde er in die Armee eingezogen und an die Westfront versetzt, an der er bis zum Kriegsende kämpfte. Ausnahmen bildeten zwei kurze Aufenthalte in Lazaretten in Köln und Bayreuth. Er selbst gibt an, an folgenden Schlachten und Gefechten teilgenommen zu haben: an der Schlacht in der Champagne (1915–1916), der Schlacht an der Somme (1916), der Schlacht an der Aisne und bei Soissons, an dem Vormarsch auf Cambrai (1917) und an der Schlacht bei Arras.[8]
Familie
Einen Tag vor seiner Einberufung zum Kriegsdienst heiratete er am 13. Januar 1915 Rosa Koch. Aus dieser Ehe ging die Tochter Irma Thälmann (in erster Ehe Irma Vester, später Irma Gabel-Thälmann) (* 6. November 1919; † 10. Dezember 2000) hervor. In einem neueren Buch findet sich der Hinweis, Irma sei „nicht die einzige Nachkommin ihres Vaters“.[9] Weitere Angaben werden dort aber nicht gemacht.
Politische Laufbahn
Anfangsjahre


Thälmann wurde am 15. Mai 1903 Mitglied der SPD. Am 1. Februar 1904 trat er dem Zentralverband der Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter Deutschlands bei. Im Oktober 1918 kehrte Thälmann gemeinsam mit vier befreundeten Soldaten aus dem Heimaturlaub nicht mehr an die Front zurück und desertierte. Nach seiner Heimkehr von der Front trat er Ende 1918 der USPD bei.[10]
In Hamburg beteiligte er sich am Aufbau des Hamburger Arbeiter- und Soldatenrates. Seit März 1919 war er Vorsitzender der USPD in Hamburg und Mitglied der Hamburger Bürgerschaft. Gleichzeitig arbeitete er als Notstandsarbeiter im Hamburger Stadtpark. Ende November 1920 schloss sich der mitgliederstarke linke Flügel der USPD der Kommunistischen Internationale (Komintern) an, und vereinigte sich damit mit deren deutschen Sektion, der KPD. Diese firmierte daraufhin für die folgenden zwei Jahre auch unter dem Alternativnamen Vereinigte Kommunistische Partei Deutschlands (VKPD). Thälmann war der wesentliche Befürworter dieser Vereinigung in Hamburg. Auf sein Betreiben hin traten 98 Prozent der Mitglieder der Hamburger USPD der KPD bei.[11]
Im Dezember wurde er in den Zentralausschuss der KPD gewählt. Im März 1921 wurde er wegen seiner politischen Tätigkeit vom Dienst im Arbeitsamt entlassen. Im Sommer des Jahres fuhr Thälmann als KPD-Vertreter zum III. Kongress der Komintern nach Moskau und lernte dort Lenin kennen. Am 18. Juni 1922 wurde ein Attentat auf seine Wohnung verübt. Angehörige der nationalistischen Organisation Consul warfen eine Handgranate in seine Parterrewohnung. Seine Frau und seine Tochter blieben unverletzt. Thälmann selbst kam erst später heim.
Hamburger Aufstand
Thälmann war Teilnehmer und Organisator des Hamburger Aufstandes vom 23. bis 25. Oktober 1923. Der Aufstand scheiterte, und Thälmann musste für eine Weile untertauchen. Später urteilte er in der Berliner Ausgabe des Parteiorgans Die Rote Fahne:
„Unsere Partei als Ganzes war noch viel zu unreif, um diese Fehler der Führung zu verhindern. So scheiterte im Herbst 1923 die Revolution am Fehlen einer ihrer wichtigsten Voraussetzungen: dem Bestehen einer bolschewistischen Partei.“
Das Scheitern des Aufstandes wurde vor allem den ehemaligen KPD-Vorsitzenden und „Rechtsabweichlern“ Heinrich Brandler und August Thalheimer vorgeworfen. Die fehlende Bolschewisierung sei schuld an der Niederlage gewesen. Zu einem ähnlichen Schluss kam Georgi Dimitrow nach dem gescheiterten „Antifaschistischen Septemberaufstand“ 1923 in Bulgarien.[13]
Übernahme des Parteivorsitzes
Ab Februar 1924 war er stellvertretender Vorsitzender und ab Mai Reichstagsabgeordneter der KPD. Im Sommer wurde er auf dem V. Kongress der Komintern in ihr Exekutivkomitee und kurze Zeit später ins Präsidium gewählt. Am 1. Februar 1925 wurde er Vorsitzender des Roten Frontkämpferbundes und am 1. September des Jahres Vorsitzender der KPD[14], als Nachfolger von Ruth Fischer, die kurze Zeit später als „ultralinke Abweichlerin“ aus der KPD ausgeschlossen wurde. Thälmann kandidierte im selben Jahr auch für das Amt des Reichspräsidenten. Obwohl er im ersten Wahlgang nur sieben Prozent der Stimmen bekommen hatte, hielt er seine Kandidatur auch für den zweiten Wahlgang aufrecht. Im Oktober 1926 unterstützte Thälmann in Hamburg den dortigen Hafenarbeiterstreik. Er sah dies als Ausdruck der Solidarität mit einem englischen Bergarbeiterstreik, der seit dem 1. Mai anhielt und sich (positiv) auf die Konjunktur der Unternehmen im Hamburger Hafen auswirkte. Thälmanns Absicht war, dieses „Streikbrechergeschäft“ von Hamburg aus zu unterbinden. Am 22. März 1927 beteiligte sich Ernst Thälmann an einer Demonstration in Berlin, wo er durch einen streifenden Säbelhieb über dem rechten Auge verletzt wurde. 1928 fuhr Thälmann nach dem VI. Kongress der Komintern in Moskau nach Leningrad, wo er zum Ehrenmitglied der Besatzung des Kreuzers Awrora ernannt wurde.
Die Wittorf-Affäre
Hauptartikel: Wittorf-Affäre
Am 28. September 1928 entband das ZK der Partei Thälmann von allen seinen Funktionen. Im Rahmen der Wittorf-Affäre wurde ihm nachgesagt, größeren Veruntreuungen von Parteigeldern durch den führenden Hamburger Funktionär John Wittorf nicht angemessen nachgegangen zu sein, bewusst unterschlagen, sowie seinen Schützling Wittorf gedeckt zu haben. Thälmann tat dies anscheinend aus wahltaktischen Gründen, weil eine Veröffentlichung des Skandales der KPD ungelegen gekommen wäre.[15] Das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale (EKKI) setzte Thälmann am 6. Oktober nach einer Intervention Stalins wieder in seine Parteifunktionen ein.[16] Philipp Dengel, der als Sekretär des ZK den Vorsitz mit Thälmann innehatte und ebenfalls für dessen Absetzung stimmte, wurde auf dem nachfolgenden Parteitag der KPD nicht wieder bestätigt und war nur einfaches Mitglied im ZK. Thälmann besaß nun den alleinigen Vorsitz der Partei.[17]
1929–1933

Auf dem 12. Parteitag der KPD vom 9. bis 15. Juni 1929 in Berlin-Wedding ging Thälmann angesichts der Ereignisse des Blutmai, der sich dort zuvor zugetragen hatte, auf deutlichen Konfrontationskurs zur SPD. Neben innenpolitischem Engagement setzte er sich auch für außenpolitische und nationale Belange ein, insbesondere kritisierte er die Nationalsozialisten, die nicht für die Anträge der KPD stimmten, die einen Austritt aus dem Völkerbund und eine Beseitigung der Reparationslasten forderten. So schrieb er in einem Brief in der Neuen Deutschen Bauernzeitung Nr. 4 von 1931: „Die nationalsozialistischen und deutschnationalen Betrüger versprachen euch Kampf zur Zerreißung des Youngplanes, Beseitigung der Reparationslasten, Austritt aus dem Völkerbund, aber sie wagten nicht einmal, im Reichstag für den kommunistischen Antrag auf Einstellung der Reparationszahlungen, Austritt aus dem Völkerbund zu stimmen.“ In dem Brief betont er auch seine nationalen Absichten mit „Vorwärts zur nationalen und sozialen Befreiung!“ [18] Am 13. März 1932 kandidierte er als einziger Kandidat außer Adolf Hitler für das Amt des Reichspräsidenten gegen Hindenburg. Slogan der KPD war: „Wer Hindenburg wählt, wählt Hitler, wer Hitler wählt, wählt den Krieg.“ Kurze Zeit später schlug er der SPD die „Antifaschistische Aktion“ als Einheitsfront gegen die Nationalsozialisten vor. Mit diesem Vorgehen brach er mit der von Stalin propagierten Sozialfaschismusthese.
Als der NSDAP am 30. Januar 1933 die Macht übertragen wurde, schlug Thälmann der SPD einen Generalstreik vor, um Hitler zu stürzen, doch dazu kam es nicht mehr. Am 7. Februar des Jahres fand im Sporthaus Ziegenhals bei Königs Wusterhausen eine vom ZK einberufene Tagung der politischen Sekretäre, ZK-Instrukteure und Abteilungsleiter der KPD statt. Auf dem von Herbert Wehner vorbereiteten Treffen sprach Thälmann zum letzten Mal vor leitenden KPD-Funktionären zu den bevorstehenden Reichstagswahlen und bekräftigte die Notwendigkeit eines gewaltsamen Sturzes Hitlers durch das Zusammengehen aller linken und liberalen Parteien zu einer Volksfront.
Verhaftung, Gefangenschaft und Ermordung
Ernst Thälmann wurde am 3. März 1933, zwei Tage vor den Wahlen in Deutschland und wenige Tage nach dem Reichstagsbrand, in der Wohnung Lützower Straße 9 (heute: Alt Lietzow) in Berlin zusammen mit Werner Hirsch verhaftet und durch das Kriminalgericht Moabit in „Schutzhaft“ genommen. Seine Frau Rosa, die in Hamburg wohnte, erfuhr erst später von der Verhaftung ihres Mannes. Er wurde anfangs in Einzelhaft streng isoliert gehalten, um jeglichen Kontakt zur Außenwelt zu verhindern. Rosa konnte ihn jedoch besuchen, um ihn mit etwas Geld und Wäsche zu versorgen. Das Wäschewaschen wurde genutzt, um reichlich Kassiber in und aus dem Gefängnis zu schmuggeln. Hin und wieder durfte Rosa Thälmann ihren Mann auch küssen, bei dieser Gelegenheit schob sie ihm Stearinkapseln mit Nachrichten der Partei in den Mund.[19] Thälmann hatte sich mit der Zeit in Untersuchungshaft einige Privilegien erkämpft. So bekam er eine Zeitung und konnte Briefe schreiben, die, wie in der Untersuchungshaft üblich, streng kontrolliert wurden. Seine Aufgaben als Parteivorsitzender übertrug die Kommunistische Internationale John Schehr.[20]
Sein Prozess – den er sich nach eigenen Angaben herbeisehnte – wurde nie eröffnet. Thälmann deutete es so, dass seine beiden Verteidiger, beides NSDAP-Mitglieder, zu denen er dennoch gewisses Vertrauen hatte, irgendwann durchschaut hatten, dass er die Anklage vor der Weltöffentlichkeit umdrehen würde, und sie dies dem Gericht vorab mitteilten. Weiter ging Thälmann davon aus, dass sich das Nazi-Regime nach der Schlappe des Reichstagsbrandprozesses gegen Georgi Dimitrow keine weitere Blöße geben wollte. Zu seinem 50. Geburtstag am 16. April 1936 bekam er Glückwünsche aus der ganzen Welt, darunter von Maxim Gorki, Heinrich Mann, Martin Andersen Nexø und Romain Rolland. Im selben Jahr brach der Spanische Bürgerkrieg aus. Die XI. Internationale Brigade und ein ihr untergliedertes Bataillon benannten sich nach Ernst Thälmann.
1937 wurde Thälmann von Berlin in das Gerichtsgefängnis Hannover als „Schutzhäftling“ überführt. Thälmann bekam später eine größere Zelle, in der er jetzt Besuch empfangen konnte. Dies war ein Vorwand, um Thälmann in der Zelle abzuhören. Allerdings wurde ihm die Information über das heimliche Abhören zugespielt. Um sich dennoch frei „unterhalten“ zu können, nutzten er und seine Besucher kleine Schreibtafeln und Kreide.
Als Deutschland und die Sowjetunion 1939 ihre Beziehungen verbessert hatten (Hitler-Stalin-Pakt), setzte Stalin sich offenbar nicht für Thälmanns Freilassung ein. Nach der Befreiung seiner Familie durch die Rote Armee erfuhren diese sogar, dass Thälmanns Rivale Walter Ulbricht alle ihre Bitten ignorierte und nicht für die Befreiung von Thälmann Position bezog.[21]
Anfang 1944 schrieb Ernst Thälmann in Bautzen seine heute noch erhaltene Antwort auf die Briefe eines Kerkergenossen.[22] Thälmann wurde am 17. August 1944 durch zwei Gestapo-Beamte aus dem Zuchthaus Bautzen ins KZ Buchenwald gebracht, wo er ohne Gerichtsverfahren auf Befehl Adolf Hitlers erschossen wurde.[1] Dies soll am frühen Morgen des 18. August in einem Heizungskeller nahe dem Krematorium geschehen sein. Seine Leiche soll im Anschluss sofort verbrannt worden sein.[23]
Mitte September wurde von den Nazis verbreitet, er sei zusammen mit dem ehemaligen Vorsitzenden der SPD-Reichstagsfraktion Rudolf Breitscheid bei einem alliierten Bombenangriff am 28. August auf Buchenwald ums Leben gekommen.[24]
Der polnische Häftling Marian Zgoda soll die Tat – versteckt hinter einem Kohlenhaufen – beobachtet haben. Zgoda sagte vor dem Landgericht Krefeld aus, er habe gehört, einer der Schützen habe die Frage eines anderen bejaht, ob es sich bei dem Erschossenen um Thälmann handele. Bei einem der mutmaßlichen Täter sollte es sich dieser Aussage nach um den SS-Stabsscharführer Wolfgang Otto gehandelt haben. Nach einem mehrjährigen Verfahren[25] wurde Otto im Jahre 1988 jedoch freigesprochen. Auch der SS-Oberscharführer Werner Berger und der SS-Obersturmführer Erich Gust werden mit der Ermordung Thälmanns in Verbindung gebracht.[26]
Ob Thälmann tatsächlich an dem angegebenen Tag in Buchenwald erschossen wurde, bleibt unklar. Nach neueren Forschungen ist es ebenso möglich, dass er von dem Buchenwalder Berufsverbrecher und Kapo Müller getötet oder sogar noch in Bautzen ermordet wurde. Eine weitere Version besagt, dass der Mordbefehl absolute Geheimhaltung forderte, weshalb der Lagerkommandant in Buchenwald kein SS-Exekutionskommando bestellte, sondern dem Transportkommando, das Thälmann gebracht hatte, befahl, ihn an Ort und Stelle zu erschießen.
Würdigungen



Neben der Benennung von Einheiten der Internationalen Brigaden (siehe Thälmann-Bataillon) nach Ernst Thälmann noch zu seinen Lebzeiten wurde 1948 in der SBZ die „Pionierorganisation Ernst Thälmann“ gegründet, der dieser Name 1952 offiziell verliehen wurde. Pioniere der älteren Jahrgänge (etwa zehn bis 14 Jahre) wurden „Thälmann-Pioniere“ genannt.
Viele Arbeitskollektive, Schulen, Straßen, Plätze, Orte bzw. Siedlungen und Betriebe in der DDR, wie als eines der bekanntesten Beispiele der VEB SKET (Schwermaschinenbaukombinat Ernst Thälmann) oder die Offiziershochschule der Landstreitkräfte der NVA, trugen ebenfalls seinen Namen. Auch wurde die Ernst-Thälmann-Insel in der kubanischen Schweinebucht nach ihm benannt. 1949 wurde der Berliner Wilhelmplatz in Ernst-Thälmann-Platz umbenannt. Auch die angrenzende U-Bahn-Station bekam den Namen Thälmannplatz. In den 1980er Jahren wurde in Berlin im Prenzlauer Berg der Ernst-Thälmann-Park angelegt, dazu wurde ein großes Ernst-Thälmann-Denkmal des sowjetischen Bildhauers Lew Kerbel errichtet.
Auch in Hamburg wurde eine Straße nach ihm benannt. Nach der blutigen Niederschlagung des Aufstandes in Budapest 1956 wurde die Straße allerdings in Budapester Straße umbenannt, da man in dieser Zeit keine westdeutsche Straße nach Kommunisten benannt haben wollte. Jedoch gibt es die „Gedenkstätte Ernst Thälmann“ in seinem Wohnhaus am Ernst-Thälmann-Platz in Hamburg-Eppendorf.
Außerdem gab es noch die inzwischen abgerissene Ernst-Thälmann-Gedenkstätte Sporthaus Ziegenhals bei Berlin. Dort bot er 1933 in seiner Ziegenhals-Rede der SPD die „Antifaschistische Aktion“ als Einheitsfront gegen den deutschen Faschismus an. Eine weitere Thälmann-Gedenkstätte befindet sich im Kleistpark Frankfurt (Oder).
In der Gedenkstätte der Sozialisten im Berliner Zentralfriedhof Friedrichsfelde ist eine Inschrift für Thälmann im zentralen Rondell angebracht, mit der er symbolisch geehrt wird.[27] Seine Grabstätte wird durch diese nicht gekennzeichnet.
Seit dem 24. Juli 2009 erinnert vor seinem letzten Wohnhaus in der Tarpenbekstraße in Hamburg-Eppendorf ein Stolperstein an Ernst Thälmann.
Nach Thälmann benannte Ortschaften:
- Thälmann, russlanddeutsches Dorf in Tadschikistan
- Thälman, ehemals jüdische Kolchose in Birobidschan
- Telmanowe, ukrainische Siedlung städtischen Typs
Kontroversen
Schon zu Lebzeiten wurde Thälmann auch von der Linken zum Teil scharf kritisiert. Die damalige KPD-Führung stand dem unter seiner Führung durchgeführten Hamburger Aufstand kritisch gegenüber. In seiner Zeit als Chef der KPD unterwarf Thälmann die deutschen Kommunisten der Hegemonie der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Anhänger eines unabhängigen Kurses wurden aus der Partei gedrängt. Clara Zetkin, die im April 1925 mit ihrer Polemik gegen seine Amtsvorgängerin Ruth Fischer vor dem Exekutivkomitee der Komintern mithalf, Thälmann an die Spitze der Partei zu bringen, befand im September 1927, dass er „… kenntnislos und theoretisch ungeschult ist, in kritiklose Selbsttäuschung und Selbstverblendung hineingesteigert wurde, die an Größenwahnsinn grenzt und der Selbstbeherrschung mangelt …“[28] Die Strategie der KPD während der Weimarer Republik, in der SPD einen Hauptfeind zu sehen (These vom Sozialfaschismus), wird oft als Schwächung der antifaschistischen Kräfte gesehen. Auch ein maßgeblicher Kommunismus-Forscher wie Hermann Weber urteilt kritisch: „Thälmann muss bei allem Respekt für seine Standhaftigkeit in Hitlers Kerker nachgesagt werden, dass er nur ein Provinzpolitiker mit demagogischem Talent war.“
Literatur
DDR-Literatur
- Ernst Thälmann: Antwort auf Briefe eines Kerkergenossen, Dietz, Berlin 1961
- Irma Thälmann: Erinnerungen an meinen Vater. Der Kinderbuchverlag, Berlin 1973
- Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED: Ernst Thälmann. Briefe – Erinnerungen. Dietz, Berlin 1986
- Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED. Autorenkollektiv: Ernst Thälmann. Eine Biographie. Dietz, Berlin 1979, ISBN 3-88012-394-2
- Willi Bredel: Ernst Thälmann. Ein Beitrag zu einem politischen Lebensbild. Dietz, Berlin 1948; 8., überarbeitete Auflage ebd. 1961
- Willi Bredel und Michael Tschesno-Hell: Ernst Thälmann. Führer seiner Klasse. Literarisches Szenarium. Henschel, Berlin 1955
- Peter Przybylski: Mordsache Thälmann. Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin 1986
- Wera und Claus Küchenmeister, Volker Koepp: Als Thälmann noch ein Junge war. Kinderbuchverlag, Berlin 1976
- Max Zimmering: Buttje Pieter und sein Held. Dietz, Berlin 1951
Nachwendeliteratur
- René Börrnert: Ernst Thälmann als Leitfigur der kommunistischen Erziehung in der DDR. Dissertation an der Technischen Universität Braunschweig, 2003 (PDF; 3 MB)
- René Börrnert: Wie Ernst Thälmann treu und kühn! Das Thälmann-Bild der SED im Erziehungsalltag der DDR. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2004, ISBN 3-7815-1321-1
- Thilo Gabelmann: Thälmann ist niemals gefallen? Eine Legende stirbt. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1996, ISBN 3-359-00800-6
- Peter Monteath (Hrsg.): Ernst Thälmann. Mensch und Mythos. Rodopi, Amsterdam/Atlanta 2000, ISBN 90-420-1323-0
- Ernst Thälmann: An Stalin. Briefe aus dem Zuchthaus 1939 bis 1941. Karl Dietz Verlag, Berlin 1996, ISBN 3-320-01927-9
- Hermann Weber & Bernhard H. Bayerlein (Hrsg.): Der Thälmann-Skandal. Geheime Korrespondenzen mit Stalin. Aufbau-Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-351-02549-1
- Rezension von Manfred Behrend über Ernst Thälmann – Mensch und Mythos, GLASNOST Berlin
- Rezension von Volker Ullrich über Stalins treue Vasallen, Die Zeit, 15. Mai 2003
- Bert Hoppe: In Stalins Gefolgschaft. Moskau und die KPD 1928-1933. Oldenbourg-Verlag, München 2007, ISBN 3-486-58255-0
- Eberhard Czichon / Heinz Marohn: Thälmann. Ein Report. Verlag Wiljo Heinen, Berlin 2010, ISBN 978-3-939828-56-3
Filme
- Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse, DEFA-Spielfilm 1953/54, lit. Szenarium: Willi Bredel u. Michael Tschesno-Hell
- Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse, DEFA-Spielfilm 1954/55, lit. Szenarium: Willi Bredel u. Michael Tschesno-Hell
- Ernst Thälmann, Spielfilm, Fernsehen der DDR 1986
- Ernst Thälmann – Wie er wirklich war, Dokumentarfilm, Mitteldeutscher Rundfunk 2009
Weblinks
- Ernst Thälmann in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
- Ernst Thälmann in den Akten der Reichskanzlei, bundesarchiv.de.
- Kurzbiografie auf etg-ziegenhals.de.
- Reden und Schriften von Ernst Thälmann im Marxists Internet Archive, marxists.org.
- Ernst Thälmann: Reden und Aufsätze zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung in 4 Bänden auf deutsche-kommunisten.de.
- Gedenkstätte Ernst Thälmann in Hamburg, thaelmann-gedenkstaette.de.
- Weitere Thälmann-Gedenkstätten auf sozialistische-gedenkstaetten.de.
Einzelnachweise
- ↑ a b Notizzettel von Heinrich Himmler, Reichsführer SS, von einer Besprechung mit Adolf Hitler in der Wolfsschanze, 14. August 1944 im Ausstellungskasten 4/31 in der ehemaligen Effektenkammer des KZ Buchenwald: „12. Thälmann ist zu exekutieren“.
- ↑ a b c d Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: Ernst Thälmann. Briefe – Erinnerungen. Dietz, Berlin 1986, S. 11
- ↑ a b Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Autorenkollektiv): Ernst Thälmann. Eine Biographie. Dietz, Berlin 1980, S. 15
- ↑ Hamburgischer Correspodent und Hamburgische Börsen-Halle, Morgenausgabe, 5. März 1892
- ↑ Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: Ernst Thälmann. Briefe – Erinnerungen. Dietz, Berlin 1986, S. 25
- ↑ a b Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Autorenkollektiv): Ernst Thälmann. Eine Biographie. Dietz, Berlin 1980, S. 17
- ↑ Bibliothek deutscher Kämpfer für den Sozialismus: Ernst Thälmann – Briefe aus dem Gefängnis an seine Angehörigen
- ↑ Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: Ernst Thälmann. Briefe – Erinnerungen. Dietz, Berlin 1986, S. 62
- ↑ Thilo Gabelmann: Thälmann ist niemals gefallen, Berlin, 1996, S. 218
- ↑ Gedenkstätte Ernst Thälmann, Hamburg: - Rundgang - 05: Vorsitzender der USPD Hamburg
- ↑ Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED: Ernst Thälmann. Briefe – Erinnerungen. Dietz, Berlin 1986, S. 66
- ↑ Ernst Thälmann: Ausgewählte Reden und Schriften in zwei Bänden, Band 1, Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt/Main, 1976, S. 69 ff.
- ↑ Georgi Dimitroff: Reichtagsbrandprozeß, Dietz Verlag, Berlin, 1953: „Ich und meine Partei waren damals noch keine echten Bolschewiken. Deshalb verstanden wir es auch nicht, diesen historischen Volksaufstand unter der Führung des Proletariats erfolgreich zu organisieren und durchzuführen.“
- ↑ Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Autorenkollektiv): Ernst Thälmann. Eine Biographie, Dietz, Berlin 1980, S. 250
- ↑ Michael Krejsa: Wo ist John Heartfield? In: Günter Feist, Eckhart Gillen, Beatrice Vierneisel (Hrsg.): Kunstdokumentation SBZ/DDR 1945–1990. DuMont, Köln 1996, S. 112
- ↑ Volker Ullrich: Stalins treue Vasallen – Die Thälmann-Affäre 1928: Eine Schlüsselepisode in der Geschichte des Kommunismus, in Die Zeit, 15. Mai 2003, Nr. 21
- ↑ Hermann Weber: Die Wandlung des deutschen Kommunismus – Die Stalinisierung der KPD in der Weimarer Republik. Band 2. Frankfurt am Main, 1969, S. 94f.
- ↑ Ernst Thälmann zeigt den werktätigen Bauern den Ausweg, Neue Deutsche Bauernzeitung Nr. 4 von 1931
- ↑ Sigrid Jacobeit: Kreuzweg Ravensbrück, Verlag für die Frau, Leipzig 1987, S. 195
- ↑ Zentralfriedhof Friedrichsfelde (Sozialistenfriedhof): Tafel 08.
- ↑ Regina Scheer: Im Schatten des Denkmals, in der Berliner Zeitung, 14. August 2004
- ↑ Nach Recherchen des Historikers Egon Grübel war Thälmanns Briefpartner mitnichten ein junger Genosse, sondern ein jugendlicher Raubmörder namens Hans-Joachim Lehmann, dem möglicherweise sogar die Gestapo die Feder führte. Lehmann verschwand spurlos, nachdem er sich der SED-Führung und Thälmanns Familie offenbart hatte. Seine Briefe wurden 'bis zur Unkenntlichkeit' redigiert. Siehe Peter Monteath (Hrsg.): Ernst Thälmann – Mensch und Mythos. Rodopi, Amsterdam/Atlanta 2000
- ↑ Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED (Autorenkollektiv): Ernst Thälmann. Eine Biographie. Dietz, Berlin 1980, S. 776
- ↑ Völkischer Beobachter, norddeutsche Ausgabe (Berlin), 16. September 1944
- ↑ „Gefällige Musik“ beim Genickschuss, Der Spiegel, 12. Mai 1986
- ↑ Falco Werkentin: Politische Strafjustiz in der Ära Ulbricht. Berlin 1995, S. 203ff
- ↑ Berliner Morgenpost: 200 Freunde nahmen Abschied von Thälmanns Tochter, 9. Januar 2001
- ↑ Plener, Ulla (Hrsg.): Clara Zetkin in ihrer Zeit – Neue Fakten, Erkenntnisse, Wertungen, S. 135 (PDF)
Personendaten | |
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NAME | Thälmann, Ernst |
ALTERNATIVNAMEN | Teddy |
KURZBESCHREIBUNG | Hamburger Politiker der Kommunistischen Partei Deutschlands |
GEBURTSDATUM | 16. April 1886 |
GEBURTSORT | Hamburg |
STERBEDATUM | unsicher: 18. August 1944 |
STERBEORT | unsicher: KZ Buchenwald bei Weimar |
- Reichstagsabgeordneter (Weimarer Republik)
- Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft
- Vorsitzender der KPD
- EKKI-Mitglied
- SPD-Mitglied
- USPD-Mitglied
- Widerstand gegen den Nationalsozialismus
- NS-Opfer
- Person im Ersten Weltkrieg (Deutsches Reich)
- Person der Novemberrevolution
- Person (Hamburg)
- Deutscher
- Geboren 1886
- Gestorben 1944
- Mann