Metallcarbonyle
Metallcarbonyle sind Komplexverbindungen von Übergangsmetallen mit Kohlenstoffmonoxid-Liganden. Die Komplexe haben die allgemeine Struktur Mn(CO)m und sind stabil, wenn die 18-Elektronen-Regel erfüllt ist. Die Verbindungen finden Verwendung als Katalysatoren oder Katalysatorvorstufen in der Homogenen Katalyse, etwa bei der Hydroformylierung.
Geschichte
Die Synthese des ersten gemischten Platin-Carbonyl-Komplexes Pt(CO)2Cl2 gelang schon 1868 Paul Schützenberger durch Überleiten von Chlor und Kohlenstoffmonoxid über Platinmohr.[1] Ludwig Mond, einer der Mitbegründer der Imperial Chemical Industries, entdeckte im Jahr 1890 mit Nickeltetracarbonyl (Ti(CO)4) den ersten reinen, homoleptischen Metallcarbonylkomplex. Bei dem nach ihm benannten Mond-Verfahren, das zur Reinigung von Nickel eingesetzt wird, wird Nickel mit Kohlenstoffmonoxid in Nickeltetracarbonyl überführt und bei höherer Temperatur wieder in Nickel und Kohlenmonoxid zersetzt.[2]
Die Arbeiten von Walter Hieber leisteten ab dem Jahr 1928 einen entscheidenden Beitrag zur Metallcarbonylchemie und ihrer Verwendung in der homogenen Katalyse. Hieber entdeckte die Metallcarbonylhydride wie H2Fe(CO)4 und HMn(CO)5, er entdeckte die Hiebersche Basenreaktion und Synthesewege zu Metallcarbonylen wie Re2(CO)10.[3]
Im Jahr 1938 entdeckte Otto Roelen am Kaiser-Wilhlem Institut für Kohlenforschung die Hydroformylierung von Olefinen mit Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff unter Verwendung von Cobaltcarbonylen zur großtechnischen Synthese von Waschmittelalkoholen. Mittels Hydroformylierung werden in der heutigen Zeit mehrere Millionen Tonnen Produkt pro Jahr nach diesen Prozess hergestellt.[4]
Ebenfalls in den dreißiger Jahren entdeckte Walter Reppe eine Reihe homogenkatalytischer Verfahren wie etwa die Hydrocarboxylierung zur Umsetzung von Olefinen oder Alkinen mit Kohlenmonoxid und Wasser zu Produkten wie Carbonsäuren und deren Derivaten. Bei diesen Reaktionen finden zum Beispiel Nickeltetracarbonyl oder Cobaltcarbonyle als Katalysatoren Verwendung.[5]
Bindungskonzept und Strukturen
Metallcarbonyle werden durch die synergistischen σ-Donor/π-Akzeptor-Wechselwirkungen des CO mit dem Metall besonders stabilisiert. Durch diese Wechselwirkungen wird Elektronendichte vom gefüllten σ*-Orbital der C-O-Bindung in die leeren d-Orbitale (präziser: in symmetrieäquivalente Orbitale) des Metalls und von gefüllten Metallorbitalen in die leeren π*-Orbitale der C-O-Mehrfachbindung verschoben.


Hierdurch erfährt der gesamte Komplex eine Elektronendelokalisierung und damit eine energetische Stabilisierung (nephelauxetischer Effekt).
Es existiert ferner eine schwache π-Donor-Wechselwirkung, die jedoch schwach ist und daher oft vernachlässigt wird.
Die Strukturen der Metallcarbonyle werden in erster Linie durch das VSEPR-Modell und die 18-Elektronen-Regel, bei komplizierteren Strukturen mithilfe des Isolobalkonzepts vorhergesagt. Komplexe mit Metallen höherer Perioden bilden im Vergleich zu denen niedrigerer Perioden bevorzugt weniger CO-Brücken aus, was u. a. auf die nach der Ligandenfeldtheorie größeren Aufspaltung der Metall-Valenzorbitale und die damit verbundene low-spin-Konfiguration zurückzuführen ist. Besonders große Metallcarbonylcluster haben bereits dominant metallischen Charakter, sodass sie eher als metallische Mikrokristallite mit chemisorbiertem CO zu beschreiben sind.
Synthese
Metallcarbonyle können im einfachsten Fall durch Umsetzung von fein verteiltem Metall mit Kohlenstoffmonoxid hergestellt werden.
Eine weitere Möglichkeit besteht in der Reduktion von Metallhalogeniden mit einem Reduktionsmittel unter Zugabe von Kohlenmonoxid.
Setzt man Kohlenstoffmonoxid bei geeigneten Konditionen im Überschuß ein, kann dieses als Reduktionsmittel fungieren.
Die mit Metall-Metall-Bindungen ausgestatteten Carbonyle wie beispielsweise Fe2(CO)9 kann man durch Photolyse aus den einkernigen Carbonylen erhalten:
Analytische Methoden
Die Untersuchung von Metallcarbonlyen erfolgt oft mittels Infrarotspektroskopie. Die C-O Streckschwingung νCO des freien Kohlenstoffmonoxids liegt bei 2143 cm-1, die Anzahl und Art der C-O-Valenzschwingung der Metallcarbonyle lässt einen Rückschluss auf die Struktur des Komplexes zu. Außer den CO-Valenzschwingungen sind im beobachten Wellenzahlbereich von circa 1800 bis 2000 cm-1 auch keine weiteren Schwingungen zu erwarten. Mittels Infrarotspektroskopie lassen sich auch terminale und verbrückende Liganden im Komplex unterscheiden.
Komponente | νCO (cm-1) |
---|---|
CO | 2143 |
Ti(CO)6-2 | 1748 |
V(CO)6-1 | 1859 |
Cr(CO)6 | 2000 |
Mn(CO)6+ | 2100 |
Fe(CO)62+ | 2204 |
Fe(CO)5 | 2022, 2000 |
Außer der Frequenz lässt auch die Anzahl der Schwingungbanden einen Rückschluss auf die räumliche Struktur des Komplexes zu. Oktahedrische Komplexe wie Cr(CO)6 weisen aufgrund der chemischen Übereinstimmung aller Liganden nur eine einzelne νCO-Bande im Infrarotspekrum auf. Spektren von Komplexen mit niedrigerer Symmetrie sind dagegen komplexer. Das Infrarotspektrum der Dieisennonacarbonlys Fe2(CO)9 weist beispielsweise C-O-Banden bei 2082, 2019 und 1829 cm-1 auf.
Bei mehrkernigen Komplexen lässt die Lage der νCO-Schwingung einen Rückschluss auf die Koordinationsgeometrie des Kohlenstoffmonoxids zu. Für verbrückende, μ2-koordinierende Lganden ist die Lage der νCO-Schwingung um etwa 100 bis 200 cm-1 zu niedrigeren Wellenzahlen gegenüber Kohlenstoffmonoxid in terminaler Position verschoben. Dieser Effekt ist für μ3-verbrückendes Kohlenstoffmonoxid noch ausgeprägter.
Typische Werte für Rhodiumcluster sind wie folgt:[7]
Metallcarbonyl | νCO, µ1 (cm-1) | νCO, µ2 (cm-1) | νCO, µ3 (cm-1) |
---|---|---|---|
Rh2(CO)8 | 2060, 2084 | 1846, 1862 | |
Rh4(CO)12 | 2044, 2070, 2074 | 1886 | |
Rh6(CO)16 | 2045, 2075 | 1819 |
Eine weitere nützliche Methode ist die Kernspinresonanzspektroskopie von Kernen wie 13C oder auch Metallkernen wie 195Pt.
Die Massenspektroskopie von Metallcarbonylen lässt oft einen Rückschluss auf die Struktur der Komplexe zu.
Beispiele
- Ti(CO)6 (*)
- V(CO)6
- Cr(CO)6 Chromhexacarbonyl
- Mo(CO)6 Molybdänhexacarbonyl
- W(CO)6
- Mn2(CO)10 Dimangandecacarbonyl
- Tc2(CO)10
- Tc3(CO)12
- Re2(CO)10 Dirheniumdecacarbonyl
- Fe(CO)5 Eisenpentacarbonyl
- Fe2(CO)9 Dieisennonacarbonyl
- Fe3(CO)12 Trieisendodecacarbonyl
- Ru(CO)5 Rutheniumpentacarbonyl
- Ru2(CO)9
- Ru3(CO)12
- Ru6(CO)16
- Os(CO)5
- Os3(CO)12
- Os5(CO)16
- Os6(CO)18
- Os7(CO)21
- Os8(CO)23
- Co2(CO)8
- Co4(CO)12
- Co6(CO)16
- Rh2(CO)8
- Rh4(CO)12
- Rh6(CO)16
- Ir2(CO)8
- Ir4(CO)12
- Ir6(CO)16
- Ni(CO)4 Nickeltetracarbonyl
- Pd(CO)4 (*)
- Pt(CO)4 (*)
- Cu2(CO)6 (*)
- Ag2(CO)6 (*)
(*) nur in Matrix isoliert worden
Einzelnachweise
- ↑ P. Schützenberger, Ann. Chim. Phys.(Paris) 1868, 15, 100 – 106
- ↑ Landmarks in Organo-Transition Metal Chemistry: A Personal View, von Helmut Werner
- ↑ From Coello to inorganic chemistry: a lifetime of reactions, von Fred Basolo
- ↑ Grundlagen der metallorganischen Komplexkatalyse, von Dirk Steinborn
- ↑ Chemicals from synthesis gas: catalytic reactions of CO and H2, Band 2 von Roger A. Sheldon
- ↑ a b c Abschnitt "Metallcarbonyle" in: Huheey, E.Keiter, R.Keiter: Anorganische Chemie, 2. Auflage deGruyter, Berlin - New York 1995
- ↑ A.D. Allian, Y. Wang, M. Saeys, G.M. Kuramshina, M. Garland: The combination of deconvolution and density functional theory for the mid-infrared vibrational spectra of stable and unstable rhodium carbonyl clusters. In: Vibrational Spectroscopy. 41. Jahrgang, 2006, S. 101–111, doi:10.1016/j.vibspec.2006.01.013.
Literatur
- A.F. Holleman, E. Wiberg, N. Wiberg, Lehrbuch der Anorganischen Chemie, 102. Aufl., de Gruyter, Berlin, 2007, S. 1780ff.
- Norbert Krause, Metallorganische Chemie - Selektive Synthesen mit metallorganischen Verbindungen, Spektrum - Akademischer Verlag, ISBN 3-86025-146-5
- Chr. Elschenbroich, A. Salzer: Organometallchemie Teubner Taschenbücher Chemie 1990 [ISBN 3-519-23501-3]
- Chr. Elschenbroich: Organometallchemie, 6. Auflage, Teubner Wiesbaden 2008