Ninja
Shinobi (jap. 忍び) oder Ninja (忍者, wörtlich: Jemand im Geheimen) ist die Bezeichnung für einen Söldner im vorindustriellen Japan, der als Spion oder Meuchelmörder eingesetzt wurde. Er ist neben dem Samurai eine der gefürchtetsten und gleichzeitig bewundertsten Gestalten des alten Japan. Man muss dabei fairerweise unterscheiden zwischen einer „tatsächlichen“ Historie und einer romantischen Verarbeitung vergangener Zeiten. Tatsächlich war Spionage in Japan immer ein anerkannter Teil der Kriegführung gewesen. Bushido war zwar der Kriegerkodex, aber vor dem 19. Jahrhundert nie schriftlich fixiert gewesen, so dass es in der Vorgehensweise des „ehrvollsten“ Verhaltens oft widersprüchliche Ansichten gab (vgl. Hagakure).
Nach moderner Geschichtsauffassung waren Spione und Spionage integraler Bestandteil der japanischen feudalen Kriegerkultur. Erst mit der Romantisierung der Vergangenheit im 19. und vor allem 20. Jahrhundert entwickelte sich der Gegensatz zwischen den „ehrvollen“ Samurai und den „ehrlosen“ Ninja, hauptsächlich als dramaturgischer Trick für spannende Theater- und später Filmgeschichten. Im 20. Jahrhundert gab es zwei mal einen regelrechten „Ninja-Boom“, einmal in den 20er Jahren in Roman-Form, dann noch einmal in den 50er und 60er Jahren, der dann über die modernen Massenmedien auch in den Westen drang. Dort wurde dann das Bild der Ninja populär, allerdings ohne historisch hinterfragt zu werden.
Man muss also genau unterscheiden, ob von dem historischen Einsatz von Spionen gesprochen wird, oder ob das moderne Bild des schwarzgewandeten Attentäters gemeint ist. Die Kunst der Ninjas wird auch heutzutage noch weltweit unter dem Namen Ninjutsu in Schulen auf der ganzen Welt gelehrt, wobei man hier wohl anmerken muss, dass diese Schulen schwer mit der Ausbildung der damaligen, „echten“ Ninjas zu vergleichen sind.
Verläßliche historische Quellen gibt es zu den Ninja leider nur spärlich bis gar nicht. Japanologen vermeiden das Thema leider, teilweise aus Angst, sich vor den Kollegen lächerlich zu machen. In den meisten seriösen Werken zur japanischen Geschichte wird das Thema einfach ausgeklammert. Das steht im völligen Gegensatz zu den Samurai, deren historische Bedeutung unumstritten ist, und zu denen es Dutzende exzellente Forschungsarbeiten gibt.
Ursprünge des japanischen Spionagewesens
Die Anfänge der Ninja sind nicht klar zu bestimmen. Auch die Erforschung der historischen „Kunst der Spionage“, ihre Entstehung und ihre Funktion im Lauf der Geschichte fällt recht schwierig - was wohl der Besonderheit des Metiers anzulasten ist; strikte Geheimhaltung war zu allen Zeiten immer das wichtigste Merkmal spionagedienstlicher Tätigkeiten. Der Militärtaktiker Sun Tzu aus dem Kaiserreich China widmete der Spionage in seinem Buch Die Kunst des Krieges ein eigenes Kapitel. Dieses Schriftstück kann ab dem 6. Jahrhundert von chinesischen Einwanderern nach Japan gebracht und dort in die bereits bestehenden Grundstrukturen der Ninjas integriert worden sein.
Prinz Shōtoku Taishi (593 bis 628) war der erste Herrscher, der, angeregt durch die chinesischen Militärklassiker, die Spionage zu seinem Vorteil zu nutzen begann; unter seiner Herrschaft entstand möglicherweise auch der Name Ninjutsu (忍術) oder auch Shinobi-no-jutsu. Man muss davon ausgehen, dass es sich bei dieser ursprünglichen Form des Ninjutsu lediglich um reines Kundschafterwesen gehandelt hat. Erst in der Heian-Periode (794 bis 1192) begann sich das Ninjutsu als Teil der Kriegsstrategien der Bushi immer stärker zu spezialisieren.
Während des Aufstieges des Militäradels im 12. Jahrhundert beschäftigten viele erfolgreiche Heerführer Ninja, die zu diesem Zeitpunkt allerdings anders genannt wurden, z. B. Rappa, Kusa, Suppa, o. ä., je nachdem ob sie für Sabotage, Attentate oder Aufklärung eingesetzt wurden. Zwar gab es auch zu dieser Zeit schon Samurai, die Krieger wurden aber allgemein Bushi, Kämpfer genannt. Diese Kämpfer bestanden aus der zahlenmäßig kleinen Schicht der adligen Samurai, darunter dann das Fussvolk (Ashigaru) und darunter dann Bauern, die im Kriegsfall zu den Waffen gerufen werden konnten. Das änderte sich erst Ende des 16. Jahrhunderts als die Vier Stände der Krieger, Bauern, Handwerker und Kaufleute streng getrennt wurden.
Ninjutsu
Ninjutsu kann und konnte, wie aus der Geschichte ersichtlich, in Japan im Prinzip nie trainiert werden, auch wenn windige Kampfkunstexperten genau das behaupten. Allerdings gibt es noch viele traditionelle Dojos und Schulen, in denen authentisches Bujutsu trainiert werden kann. So lernt man z. B. im Shoden Katori Shinto Ryu noch heute den Umgang mit Shuriken (im japanischen Mittelalter eine gebräuchliche Wurfwaffe), andere traditionelle Schulen lehren noch den Umgang mit der Kettensichel (Kusarigama), etc. Eine der einflussreichsten dieser traditionellen Schulen ist das Bujinkan Dojo, dessen Soke (Oberhaupt) Hatsumi Masaaki nachweislich neun traditionellen Schulen vorsteht, und der sich Zeit seines Lebens dagegen gewehrt hat, in die Ninja-Schublade gesteckt zu werden. Wer heute also Ninjutsu trainiert, trainiert eher klassisches japanisches Bujutsu, das in der Wahl der Waffen und der Anwendungsmöglichkeiten ohne den sportlichen Aspekt oder die tänzerische Ästhetik der modernen Kampfsportarten auskommt, und somit sehr viel pragmatischer und eventuell auch „alltagstauglicher“ ist. Daneben pflegen einige Ninjutsu-Schulen das Bild des Ninja als "edlen Rebellen" gegen die finstere feudalistische Unterdrückung der Samurai, das kann aber getrost in den Bereich der Legenden geschoben werden.
Waffen
Genauso "legendär" ist die Bewaffnung der Ninja. Nun ist die Edo-Zeit reich an Erfindungen und technischen Spielereien, die man in kleinen japanischen Museen entdecken kann, und die jeden Vergleich mit den mechanischen Spielereien der europäischen Renaissance standhalten. Inwieweit da jetzt aber "Ninja" diese Spielereien einsetzten, ist zumindest mit einem Fragezeichen versehen. Der Legende nach hatten die Ninja keine Scheu vor neuen Waffen, und so fanden Armbrüste, Sprengstoffe, neuartige Gifte und auch Feuerwaffen ihren Weg in deren beachtliches Waffen- und Werkzeugarsenal.
Schon das (wiederum möglicherweise erst im Nachhinein erfundene) Ninja-to, das Schwert der Ninja, vermittelt ein Gefühl für den Einfallsreichtum der japanischen Handwerker. Die bekannten Modelle sind kürzer als das Katana und konnten über dem Rücken getragen werden, um dem Ninja mehr Bewegungsfreiheit zu ermöglichen. Eine ungefähr 12 Fuß lange Schnur, die auch zum Klettern geeignet war, wurde an der Scheide befestigt, die wiederum auch als Schnorchel verwendet werden konnte. Die Parierscheibe (Tsuba) war im Gegensatz zum Katana quadratisch anstatt rund und konnte bei Bedarf auch abgenommen und als Wurfstern benutzt werden. Am Handgriff waren, wie beim Katana auch, noch kleine Wurfmesser versteckt.
Den Ninja wird eine sehr große Auswahl an Wurfgeschossen zugeschrieben. Neben den Shuriken und normalen Wurfmessern besaßen sie auch Wurfdolche und kleine Wurflanzen, die alle noch mit giftigen Substanzen (z.B. Pferdemist) eingerieben werden konnten. Es wurden auch chemische Kampfstoffe verwendet, wie Blendpulver, Rauchgranaten etc., chinesische Erfindungen, die wahrscheinlich mit den Mongolenüberfällen 1274 und 1281 oder über chinesische Händler nach Japan gekommen waren.
Weitere favorisierte Waffen waren das Kama, eine Sichel mit Holgriff. Das für die den Kampf gegen Reiter und zur Entwaffnung eingesetzte Kusarigama war eine Sichel, an der eine mit einer Kugel beschwerte Kette befestigt war, also eine zu einer der gefährlichsten "Ninjawaffen" umgebaute Sichel. Natürlich benutzten die Ninja aber auch bekanntere, konventionellere Waffen, wie Pfeil und Bogen, Nunchakus, Lanzen und Tonfas.
Ninjas in der Populärkultur
Im Gegensatz zu den historischen Ninjas läßt sich der Ninja in der Populärkultur auf Grund der hervorragenden Quellenlage gut nachweisen und studieren. Als „Vater aller Ninja-Filme“ kann der James-Bond-Film Man lebt nur zweimal aus dem Jahre 1967 gelten, der nicht nur eine Vorführung von Kenjutsu und die wunderschöne Kulisse der Burg Himeji bietet, sondern eben auch Unmengen von Ninja in den bekannten dunklen Roben. Die Japaner selbst sind ebenfalls große Ninja-Fans, so spielt ein Mitglied der bekanntesten Boyband Japans (SMAP) einen Ninja in der Kinderserie Ninja Hattori-kun, der Ninja ist auch ein beliebtes Motiv für Werbeanzeigen. Einen weiteren Beitrag zum populären Bild des Ninja leistet das Ninja Museum Ueno in der japanischen Präfektur Mie.
Ein Kuriosum ist die sogenannte Ninja-Theorie (engl. en:Cinematic ninja theory), wie viele andere eher scherzhafte Theorien um die Milleniumswende im Internet entstanden, die besagt, dass ein Film erst dann ein guter Film ist, wenn man Ninjas hinzufügt. Hollywood scheint an diese Theorie zu glauben, denn nur so ist zu erklären, dass Bruce Wayne im Film Batman Begins in Tibet (!) von Ninjas ausgebildet wird. Nach der Ninja-Theorie hat sich auch mittlerweile eine Entwicklerfirma für Computerspiele benannt.
Weblinks
www.kogakure.de von Stefan Imhoff