Feuerland
Feuerland (span.: tierra del fuego): Inselgruppe an der Südspitze Südamerikas mit gleichnamiger Hauptinsel. Vom Festland ist sie durch die Magellanstraße getrennt. Die Inselgruppe wurde 1881 zwischen Argentinien und Chile aufgeteilt. Insgesamt ist sie 71.500 km2 groß und hat ca. 140.500 Einwohner (wobei im östlichen, argentinischen Teil etwa 7.500 und im westlichen, chilenischen Teil etwa 133.000 Menschen leben). Andere wichtige Orte auf Feuerland: Porvenir, Rio Grande (Argentinien), Ushuaia (Argentinien) und Puerto Williams (Chile). Als südlichste Stadt der Welt gilt Ushuaia, wobei Puerto Williams (knapp 2.000 Einwohner) noch weiter südlich liegt.
Alle Inseln Feuerlands sind sehr gebirgig; der höchste Berg ist der Cerro Yogan mit 2.469 m Höhe. Die Durchschnittstemperatur auf der Inselgruppe beträgt 6 °C. Obwohl es auf den Inseln Gold- und Braunkohle-Vorkommen gibt, werden diese wegen der unzugänglichen Lage kaum ausgebeutet. Die Bewohner Feuerlands leben hauptsächlich von Viehzucht (vor allem von der Schafzucht).
Geschichte Feuerlands
siehe auch: Geschichte_Argentiniens, Geschichte_Chiles
Verwendete Literatur:
(1) Martinic, Mateo: Brief History of the Land of Magellan. Punta Arenas, 2002.
(2) Hosne, Roberto: Patagonia. History, Myths and Legends. Buenos Aires, 2003.
Vorbemerkung
Die Geschichte Feuerlands ist eng mit der Entdeckung und Kolonisierung der Regionen rund um die Magellanstraße verbunden. Eine isolierte Geschichte Feuerlands ist daher nicht zu rechtfertigen, sondern bezieht immer die Regionen nördlich und südlich dieser Wasserstraße in ihre Beschreibung mit ein. Erst 1881 teilte die Grenzziehung zwischen Argentinien und Chile auch diese Region und damit auch Feuerland in zwei getrennte und sich unterschiedlich entwickelnde Regionen.
Feuerland vor der Ankunft der Europäer (9.800 v.Chr. - 1520 n.Chr.)
Paläo-Indianer
Zwischen 9800 v.Chr. und 8280 v.Chr. wurde Feuerland erstmals von Jägergruppen vom amerikanischen Kontinent aus besiedelt. Man nimmt an, dass die Ankunft dieser "Paläo-Indianer" im Zuge des Rückgangs der Vergletscherung im Pleistozän über noch bestehende Landbrücken erfolgte, bevor die Magellanstraße endgültig von Wasser geflutet war. Archäologische Spuren dieser Indianergruppen finden sich beiderseits der Magellanstraße: auf dem amerikanischen Festland in der Cueva Mylodón bei Puerto Natales oder nördlich von Punta Delgada in Pali Aike und auf Feuerland in Tres Arroyos und Alero Marazzi etwa 20 km südwestlich von San Sebastian. Maritime Fundstätten finden sich am Beagle Kanal (Tunel und Lancha Packeweia) und im Süden der Isla Navarino (Seno Grandi).
In dieser ersten Phase der Besiedelung herrschten besondere klimatische Bedingungen, die eine Faune hervorbrachte, die schon 3000 Jahre nach dem ersten Erscheinen der Paläo-Indianer verschwand: amerikanischen Wildpferde, Riesenfaultiere (Mylodón) und andere Grasfresser bildeten die Ernährungsgrundlage.
Ureinwohner im 17. Jahrhundert
Zur Zeit der Ankunft der ersten Europäer in Feuerland können 4 Gruppen von Ureinwohnern unterschieden werden: die Landnomaden der Selk´nam (Onas) und der Haush (oder: Manek´enk), die im Landesinneren bzw. im Südwesten der Hauptinsel siedelten und die Seenomaden der Alakaluf und der Yámana (Yaghan), die am westlichen und südlichen Küstenstreifen lebten. Die genaue Zahl der einzelnen Bevölkerungsgruppen kann aufgrund ihrer Lebensweise als Jäger und Sammler für das 17. Jahrhundert auf insgesamt 12.000 geschätzt werden.
Feuerland am Rande der europäischen Entdeckungen (16. - 19. Jh.)
Die Entdeckung der Magellanstraße
Erste Berichte über Feuerland stammen von der Expedition Magellans, der im Oktober 1520 als erster Europäer die nach ihm benannte Magellanstraße entdeckte und mit drei Schiffen auf dem Weg zu den Gewürzinseln (Molukken) durchfuhr. Der von ihm während der über 20 Tage dauernden Passage beobachteten Schein der Lagerfeuer der Ureinwohner gab der Inselgruppe den Namen. Magellan selbst nannte den Seeweg estrecho de todos santos. Es gibt jedoch keine gesicherten Nachweise, dass Magellan Feuerland tatsächlich betreten hat.
Spanischer Herrschaftsanspruch
In weiterer Folge gewann die Magellanstrasse vor allem als Verkehrsweg nach Asien und zu den Gold- und Silbervorkommen in Peru an Bedeutung. Als im Zuge der Zweiten Weltumseglung (1577 - 1580) Francis Drake in nur 16 Tagen die Magellanstrasse durchfuhr, wurde der spanischen Krone sehr rasch die Bedeutung der Sicherung dieses Seeweges für die spanische Krone gegen holländische, britische und französische Freibeuter klar. Mit der Verleihung von Patagonien und Feuerland als Nueva Extremadura an Jeronimo der Alderete 1555 wurde erstmals der Herrschaftsanspruch Spaniens dokumentiert. Dessen Nachfolger Hurtado de Mendoza beauftragte Juan Ladrillero 1560 mit der Erforschung und Landnahme der Gebiete beiderseits der Seestrasse. Ladrillero begann somit als erster Europäer mit der systematischen Erforschung von Gebieten auf Feuerland. Versuche des Vizekönigs von Peru zur Errichtung von Befestigungen entlang der Magellanstraße (etwa ab 1581 durch Sarmiento Gamboa) scheiterten jedoch zunächst.
Erste Forschungsvorhaben
War die Magellanstraße bislang die einzige Passage um den amerikanischen Kontinent gewesen, so entdeckten holländischen Freibeuter unter dem Kommando von Guillermo Schouten 1615 bei der Umsegelung von Feuerland die Islas de los Estados und die die Passage um das Kap Hoorn. Diese Entdeckung wurde schon wenig später von einer spanischen Expedition unter Bartolomé und Gonzalo de Nodal bestätigt, denen die erste Umsegelung von Feuerland (1618 - 1619) gelang und die von ihrer Reise wertvolles Kartenmaterial mitbrachten. Immer detailliertere Kenntnisse der Region erwarben die nachfogenden Expeditionen: etwa jene des Engländers John Narborough in den Jahren 1669 - 1670 und gegen Ende des Jahrhunderts der Franzosen De Gennes und De Beachesne.
Von großer Tragweite für die wissenschaftliche Erkundung Feuerlands sind in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Expeditionen von John Byron, der von 1774 - 1766 nicht nur die Falkland-Inseln und die Magellanstrasse erforschte sondern auch Feuerland umsegelte. Von ihm stammt der ursprüngliche Name von Punta Arenas: Sandy Point. Auch James Cook steuerte auf seiner Weltumsegelung zu Neujahr 1769 Kap Hoorn an und entdeckte als erster den Südpolarkreis. In seinen insgesamt drei Reisen sollte er endgültig den Nachweis erbringen, dass ein sgn. Südland (terra australis), das mit dem amerikanischen Festland verbunden war, nicht existierte.
Die Expeditionen von Parker King und Fitz Roy
Die beiden englische Expeditionen unter Philip Parker King (1826-1830) und Robert Fitz Roy (1832 - 1836) sind für Feuerland (aber auch für Patagonien) von großer Bedeutsamkeit, handelte es sich dabei doch um die erste intensive Auseinandersetzung von Europäern mit Feuerland. Beide Expeditionen beschäftigten sich insbesondere mit der genauen kartographischen Erfassung der hydrographischen Gegebenheiten der Küstenlinie Südpatagoniens und Feuerlands. So wurde während der fast dreijährigen Anwesenheit der Expedition Parker Kings etwa der Beagle Kanal entdeckt. Fitz Roy begleitete der damals noch junge Wissenschafter Charles Darwin, der sich zwar intensiv mit der Naturgeschichte der Region auseinandersetzte, aber für die Ureinwohner dieser Region kaum freundliche Worte fand (vgl. dazu seinen 1839 erschienenen Reisebericht Diary of a Naturalist Around the World). Kulturhistorisch interessant sind in diesem Zusammenhang die Ereignisse rund um die Entführung von vier Personen aus dem Stamm der Yámana nach England, die als Geschichte von Jemmy Button in die Literatur einging.
Kolonisierung
Die spanischen Bemühungen um die Integration Feuerlands in sein Herrschaftsgebiet waren allein auf die (wenig erfolgreiche) Sicherung der strategisch wichtigen Magellanstraße nicht jedoch auf eine konkrete Landnahme ausgerichtet gewesen. Erste systematische Versuche zur Besiedelung Feuerlands lassen sich erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert feststellen. Bis 1840 hatte man Feuerland, auch aufgrund der fehlenden natürlichen Häfen nur aus der Distanz betrachtet. Auch am Nordufer der Magellanstraße hatten nur zwei Orte Bedeutung für die Seeleute: San Gregorio für den Handel mit den Indianern Patagoniens und Puerto Hambre für die Aufnahme von Wasser und Holz. Auf Feuerland selbst gab es keine derartigen Stützpunkte.
=====Die Bemühungen Chiles um Feuerland===== Der junge Staat Chile, der 1818 seine Unabhängigkeit von Spanien proklamiert hatte, zielte jedoch schon bald auf eine nachhaltige Absicherung seiner Herrschaftsansprüche in diesem Raum. Als bekannt wurde, dass Frankreich unter König Louis Philipp eine Expedition ins südliche Patagonien plante, um territoriale Ansprüche zu stellen, würde Chile 1843 aktiv. Die Initiative ging auf die Bemühungen des Begründers der chilenischen Republik, Bernardo O´Higgins, zurück, der in den Dreissigerjahren des 19. Jahrhunderts ein Konzept zur nachhaltigen Integration Patagoniens und Feuerlands unter dem Schlagwort von Neu-Chile verfolgt hatte. Dieses Konzept zielte auf die (1) die militärische Absicherung der Magellanstraße und der angrenzenden Gebiete; (2) die Kolonisierung von Feuerland und Patagonien mit militärischen, wirtschaftlichen und bevölkerungspolitischen Mitteln und (3) die Inkorporation des Territoriums der Antarktis. Auf Basis dieser konzeptiven Vorarbeiten entwickelte die Regierung Bulnes dann jene konkreten Massnahmen, die zu einer nachhaltigen Kolonisation von Neu-Chile führen sollte.
Die chilenische Expedition von 1843
Mit der organisatorischen Verantwortung für die Unternehmung wurde der höchste Verwaltungsbeamte von Chiloe, Domingo Espineira, beauftragt. Nach vier Monaten landete am 21. September 1843 landete der chilenische Schoner Ancud vor der Halbinsel Brunswick in Südpatagonien. Der Kapitän der 23 köpfigen Mannschaft, Juan Williams, nahm an diesem Tag offiziell die Region rund um die Magellanstraße in den Besitz der chilenischen Republik. Einen Monat später, nach einer erfolglosen Suche nach einer geeigneten Stelle für eine Befestigung, kehrte die Expedition an den ursprünglichen Landepunkt, den Punta Santa Ana zurück und gründeten am 30. Oktober 1843 Fuerte Bulnes.
Gründung von Punta Arenas 1848
Aufgrund der exponierten Lage des Forts hatte dieses Fort jedoch nur kurzen Bestand. Schon 1848 wurde 50 Kilometer weiter nördlich Punta Arenas gegründet, das eine zentrale Rolle für die weitere Entwicklung der Region spielen sollte. Formal wurde die Stadt am 18. Dezember 1848 gegründet und zum Sitz des Gouverneurs von Magallanes bestimmt. (Der Begriff magallanes (Land Magellans) bezeichnet die Gebiete beiderseits der Magellanstraße, also im wesentlichen die heutige 11. Region Chiles, sowie den Süden der heutigen argentischen Provinzen Santa Cruz und Tierra del Fuego).
Jedoch sollte die Entwicklung der Stadt schon drei Jahre später durch eine Meuterei eines Teils der Armeee gefährdet werden, sodass Punta Arenas 1852 neu angelegt werden musste. In den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens bestand die Ansiedlung aus kaum mehr als 200 Personen, die sich wirtschaftlich kaum entwickeln konnte. Der Status von Punta Arenas als Strafkolonie erschwerte ihre Entwicklung zusätzlich.
Erst mit der Bestellung von Oscar Viel zum Gouverneur von Magallanes 1867 und mit der Verleihung von zahlreichen Privilegien an die Stadt (Status eines Zollfreihafens, Anreize für die Ansiedlung von Immigranten) begann sich Punta Arenas schnell zu entwickeln. Von besonderer Bedeutung in diesem Zusammenhang war auch die Pacific Steam Navigation Company, die ab 1868 auf der Strecke Liverpool - Valparaiso auch in Punta Arenas anlegte. Für die weitere Entwicklung der Stadt, die sich ab nun zum Zentrum für die Kolonisierung der Region beiderseits der Magellanstraße entwickeln sollte, waren jedoch noch weitere Faktoren verantwortlich: (1) die Entdeckung von Steinkohlevorkommen und goldhaltigen Sanden in den Flüssen, (2) die Gründung einer Sägemühle zur Holzverarbeitung in der Region und (3) die Aufteilung von Land zur landwirtschaftlichen Nutzung durch die kontinuierlich nach Südpatagonien strömenden Immigranten. 1871 war die Einwohnerzahl von Punta Arenas auf 800 Personen angewachsen.
Anfänge regionaler Entwicklung 1870 - 1881
Nur langsam ging die Kolonisierung der Region über den engeren Raum von Punta Arenas hinaus. Die Besiedelung der Halbinsel Brunswick erfolgte entlang der Küste und es entstanden erste Estancias, die sich in ihrer Anfangsphase hauptsächlich der Rinderzucht widmeten. Fell- und Federnhändler expandierten Richtung Norden und entlang der Atlantikküste bis Sanza Cruz und darüber hinaus. Robbenjäger wiederum erbeuteten die Felle schon bald in den Kanälen Feuerlands und Patagoniens. Ebenso waren um 1870 erste Gruppen von europäischen Emigranten in Punta Arenas gelandet. Der Gouverneur von Magallanes unterstützte die Immigration auch angesichts der zunehmenden Konflikte mit Argentinien nachhaltig. Um 1874 gelangten die ersten Briten, Franzosen, Deutsche und Schweizer in dieser Region, darunter auch Personen wie der Spanier Jose Menendez, der gebürtige Russe Elias Braun oder der Portugiese Jose Nogueira, die die Wirtschaft der Region nachhaltig beeinflussen sollten.
Anfänge der Schafzucht: Gleichzeitig mit der Ankunft dieser Immigranten wurden die ersten Erkundungen der Gebiete nördlich von Punta Arenas durchgeführt, etwa jene des chilenischen Miliärs Juan Tomas Rogers 1877/1879. Ebenso kam es zu einer Forschungsexpedition nach Feuerland durch Ramon Serrano. Die Nachricht von den Grasländern, die für die Schafzucht sehr geeignet erschienen, führte unter Gouverneur Diego Duble Almeyda zum Ankauf von 300 Schafen, die eigens von den Falkland Inseln nach Punta Arenas gebracht wurden. Der englische Händler Henry Reynard kaufte die Tiere und führte 1877 auf Isabel Island erste Zuchtversuche durch. Andere Kolonisten führten ähnliche Projekte (wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg)durch: Cruz Daniel Ramirez auf der Isla Magdalena und Marius Andrieu in der Nähe von San Gregorio. Schließlich wurde zwischen 1878 und 1883 Schafzucht im Norden der Halbinsel Brunswick, an den Küsten von Skyring und an der Nordküste der Magellanstraße Schafzucht betrieben.
Allerdings kam es 1877 erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, als sich Teile des Militärs, das zur Bewachung der Strafgefangenen abgestellt war. erhob. Nur mit Mühe konnte Gouverneur Almeyda diesen Aufstand niederschlagen.
Von unschätzbarer Bedeutung für die Kolonisierung der Region und hier insbesondere für die sprunghafte Entwicklung der Schafzucht war das Grenzabkommen zwischen Argentinien und Chile 1881, das im wesentlichen die heutigen Grenzen in ihren Grundzügen festschrieb. Allerdings sollten Grenzkonflikte (auch um Feuerland) erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelöst werden.
Schafzucht, Handel und Bergbau als Motoren der regionalen Entwicklung (1881 - 1906)
wird fortgesetzt
Der Genozid an der indianischen Bevolkerung Feuerlands
Im Zuge der dauerhaften Besiedelung der Region um Punta Arenas und des einsetzenden Handels mit Tierhäuten, erkundeten immer mehr weisse Jäger die Kanäle und Buchten Feuerlands auf der Suche nach den begehrten Fellen. Blutige Konflikte mit den Seenomaden der Alakaluf und Yámanawaren an der Tagesordnung und führten zu einer zunehmenden Verdrängung der der indianischen Bevölkerung binnen weniger Jahrzehnte. Der Genozid an den Ureinwohnern Feuerlands sollte jedoch auch die Landnomaden der Selk´nam und Haush betreffen, insbesondere in Zusammenhang mit Goldfunden und der einsetzenden Schafzucht. Von europäischen Immigranten eingeschleppte Krankheiten und eine rigorose Verdrängungspolitik führten schliesslich dazu, dass 1910 die indianische Urbevölkerung fast völlig ausgerottet war. wird fortgesetzt