Ktesias von Knidos
Ktesias von Knidos (Vorlage:ELSalt; * in Knidos, Karien) war ein antiker griechischer Arzt und Geschichtsschreiber, der im späten 5. und frühen 4. Jahrhundert v. Chr. lebte. Berühmt wurde er durch die von ihm verfassten Persiká, wegen deren romanhaften Charakters er aber auch bis in die neueste Zeit stark kritisiert wurde.
Leben
Ktesias wurde im karischen Knidos geboren (vielleicht um 441 v. Chr.),[1] einer nicht unwichtigen griechischen Stadt an der Westküste Kleinasiens. Ktesias stammte aus einer alten Ärztefamilie, sein Vater hieß Ktesiarchos oder Ktesiochos.[2] Als Mitglied einer solchen Asklepiaden-Familie war sein beruflicher Werdegang im Grunde vorgezeichnet. Er gelangte zu einem unbekannten Zeitpunkt an den Hof des persischen Großkönigs Artaxerxes II. Mnémon, was auf seine medizinischen Fähigkeiten schließen lässt, allerdings sind die diesbezüglichen Umstände unklar. Diodor, der im 1. Jahrhundert v. Chr. eine Universalgeschichte schrieb und Ktesias als Quelle benutzt hat, gibt an, dass Ktesias als Kriegsgefangener dorthin kam und 17 Jahre in Persien blieb.[3] Diodor erwähnt auch dessen medizinische Fähigkeiten, manche Forscher nehmen deshalb an, dass Ktesias regulär an den persischen Hof berufen wurde.[4] Die angegebenen 17 Jahre seines Aufenthalts am persischen Hof sind womöglich ebenfalls ungenau[5] und es waren eventuell nur 7 Jahre.[6] Jan Stronk, von dem die aktuelle Ktesias-Edition einschließlich Übersetzung stammt, nahm weiterhin 17 Jahre für den Aufenthalt an und glaubt, dass Ktesias um 413 v. Chr. in persische Gefangenschaft geriet und 397 v. Chr. den Hof wieder verließ. Neuerdings hält Stronk aber auch einen Aufenthalt von sieben Jahren am persischen Hof für denkbar und dass Ktesias insgesamt 17 Jahre in persischen Diensten stand.[7] Jedenfalls stand Ktesias zum Zeitpunkt der Schlacht bei Kunaxa im Jahre 401 v. Chr. als Leibarzt des Großkönigs in dessen Diensten und heilte Xenophon zufolge den verwundeten Artaxerxes II.[8]
In seiner Zeit am Hof kümmerte sich Ktesias auch um Mitglieder der königlichen Familie. Er scheint die Gunst von Parysatis besessen zu haben. Die Details sind allerdings unklar, zumal Ktesias seine eigene Rolle am Hof vermutlich übertrieben dargestellt hat, wenngleich er offenbar auch in diplomatischer Mission für den Großkönig unterwegs war. 398/97 v. Chr. ist Ktesias wieder nach Hause zurückgekehrt. Er bereiste auch Griechenland selbst, nach 393/92 v. Chr. ist er verstorben.[9]
Werke
Ktesias verfasste nach seiner Rückkehr nach Knidos mehrere (vor allem geschichtliche) Abhandlungen, von denen jedoch nur Fragmente erhalten sind (Die Fragmente der griechischen Historiker, Nr. 688).
Persiká
Sein Hauptwerk sind die Persiká („Geschichte Persiens“) in 23 Büchern, die Ktesias angeblich unter Benutzung persischer Aufzeichnungen in den „königlichen Archiven“[10] – was in der modernen Forschung meistens angezweifelt wird, obwohl solche Archive wahrscheinlich existiert haben[11] – sowie auf Grundlage persischer Erzählungen in ionischem Griechisch verfasste. Bereits vor Ktesias hatten Griechen spezielle Werke über Persien verfasst, die als Persiká bezeichnet werden und die offenbar einen Reaktion auf die Neugier der Griechen auf diese für sie fremde Welt darstellen.[12] Allerdings sollten die Persiká des Ktesias das wohl berühmteste (und berüchtigste) Werk dieses Genre werden.
Es handelt sich bei den Persiká des Ktesias um eine Schilderung der altorientalisch-persischen Geschichte, die von der mythischen Zeit des Königs Ninos bis in die von Ktesias erlebte Gegenwart reichte, aber besonders die persische Geschichte behandelte. In den ersten sechs Büchern der Persiká schilderte Ktesias die Geschichte der assyrisch-medischen Reiche (dieser Teil des Werks war daher auch bekannt als Assyriaká bzw. Mediaká), wobei historische Personen mit mythischen vermischt wurden und auch die sagenhafte Königin Semiramis behandelt wurde, bis zur Gründung des persischen Großreichs. Die eigentliche Geschichte Persiens wurde ab dem 7. Buch geschildert und reichte von Kyros II. bis ins Jahr 398/97 v. Chr.
- Buch 1 bis 3: Geschichte Assyriens von Ninos bis zum Fall Ninives. Ninos errichtet das assyrische Großreich (das nach Ktesias schließlich umfangreicher gewesen wäre als das Perserreich), gründet die Stadt Ninos und heiratet Semiramis. Semiramis gründet Babylon und führt Feldzüge bis nach Indien. Herrschaft von Sardanapalos (wohl angelehnt an Assurbanipal) und Revolte der Meder, Ende des assyrischen Reiches.
- Buch 4 bis 6: Medische Geschichte von der Herrschaft des Arbakes bis Astyages.
- Buch 7 bis 11: Kyros II. Erhebung des Kyros gegen Astyages, Sieg gegen diesen und Heirat mit Amytis. Krieg gegen Kroisos von Lydien. Letzte Jahre und Tod des Kyros.
- Buch 12 und 13: Kambyses II. bis Xerxes I. Eroberung Ägyptens, Verschwörungen am Hof und Thronbesteigung von Dareios I. Beginn der Perserkriege, Niederlage der Perser und Ermordung des Xerxes.
- Buch 14 bis 17: Artaxerxes I. Rebellion in Ägypten, Eskapaden am Hof und Tod des Artaxerxes.
- Buch 18: Xerxes II. bis Dareios II. Hofintrigen führen zur Ermordung Xerxes' II. Revolte des Ochos, der als Dareios II. regiert. Erfolglose Rebellionen gegen diesen und erfolglose Verschwörungen am Hof sowie Berichte über weitere Ausschweifungen.
- Buch 19 bis 23: die ersten acht Regierungsjahre von Artaxerxes II. Tod Dareios' II. in Babylon, Revolte des jüngeren Kyros gegen Artaxerxes, der aber siegreich bleibt. Bericht über Tissaphernes und der Hilfe, die Ktesias dem gefangenen spartanischen Feldherrn Klearchos gewährt, der aber schließlich stirbt. Ktesias wirkt in diplomatischer Mission und kehrt nach Knidos zurück. Als Anhang eine Übersicht über die Entfernung von Ephesos nach Baktrien sowie eine Liste der Könige von Ninos bis Artaxerxes II.
Ktesias wurde durch seine Persiká bald schon als Autorität für die Geschichte des Orients betrachtet und von zahlreichen Autoren herangezogen. Die Persiká sind zwar als Ganzes verloren gegangen, von dem Werk ist aber ein knapper Auszug (Epitome) in der Bibliothek des mittelbyzantinischen Gelehrten Photios erhalten, der in mehreren Handschriften überliefert ist. Friedrich Wilhelm König nahm an, dass Photios nur die Bücher 7 bis 23 im Original vorlagen; in jedem Fall ist unklar, wie getreu Photios in seinem Exzerpt wiedergab, was er bei Ktesias las.[13] Ansonsten finden sich Auszüge aus dem Werk bei mehreren anderen Autoren. Eine gewisse Pamphile verfasste bereits im 1. Jahrhundert einen Auszug aus den Persiká in drei Büchern, wovon aber nichts erhalten ist. Einige ausführlichere Fragmente finden sich unter anderem bei Diodor, Athenaios, Plutarch (Vita Artaxerxes’ II.), Nikolaos von Damaskus und Aelian, wobei die Zuordnung der Passagen als Ktesias-Fragmente nicht immer gesichert ist. Das zweite Buch Diodors, der darin die assyrisch-babylonische Zeit schilderte (mit einem sehr geringen Wahrheitsgehalt), ist anscheinend fast ganz aus Ktesias geschöpft. Somit ist es möglich, sich ein recht gutes Bild vom Aufbau und Inhalt ktesianischen Werks zu machen. Dinon von Kolophon lehnte sich an Ktesias an und schrieb ebenfalls eine persische Geschichte. Offenbar wurde Ktesias noch in der Spätantike und in mittelbyzantinischer Zeit gelesen, bevor seine Werke verloren gingen.[14]
So beliebt die Lektüre der Persiká des Ktesias offenbar war, wenngleich schon in der Antike seine Glaubwürdigkeit nicht unumstritten war, so kritisch wird sein Werk in der modernen Forschung betrachtet (siehe Rezeption unten). Ktesias selbst behauptete, in seiner Zeit am Hof eine umfassende Kenntnis der Verhältnisse des Perserreichs und seiner Geschichte erworben zu haben. Schon aufgrund seines längeren Aufenthalts am persischen Königshof und den daraus gewonnenen intimen Kenntnissen müsste man annehmen, dass die Geschichte des Ktesias besonders zuverlässig und akkurat sei, doch trifft weitgehend eher das Gegenteil zu – allerdings, und das ist das Hauptproblem bei jeder Beschäftigung mit dem ktesianischen Werk, muss in aller Regel ungewiss bleiben, wie genau die Fragmente das Originalwerk widerspiegeln und welche Fehler letztendlich Ktesias selbst anzulasten sind.[15]
Ktesias machte den Fragmenten zufolge jedenfalls oft eher ungenaue oder völlig übertriebene Angaben, auch auf chronologische Genauigkeit legte er eher wenig Wert. So verlegt er die Schlacht von Plataiai vor die Schlacht von Salamis.[16] Dennoch polemisiert Ktesias gegen andere Autoren, so Herodot. Schwerpunkt der Handlung bei Ktesias war offenbar der persische Hof, wobei er ausführlich diverse Hofintrigen und Skandalgeschichten schilderte. Die Darstellung hatte bisweilen recht romanhafte Züge, wenngleich Ktesias selbst sich nicht als Romancier verstand, sondern als Geschichtsschreiber. Immer wieder betonte er seine besonderen Kenntnisse, schmückte die Handlung aber literarisch reich aus.[17] Die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Griechen und Persern, ein Hauptmotiv in der Darstellung Herodots, spielen hingegen bei Ktesias nur eine untergeordnete Rolle; vermutlich übernahm er für die Perserkriege – davon ausgehend, dass die entsprechenden Auszüge die ktesianische Erzählung einigermaßen genau wiedergeben – die Darstellung Herodots und schrieb sie einfach, teilweise recht willkürlich, um.[18] Arnaldo Momigliano hingegen glaubte, dass Ktesias von Herodot unabhängige Berichte verwertet habe, doch wird dies in der modernen Forschung eher abgelehnt.[19]
Unklar ist, auf welche Quellen sich Ktesias im Einzelfall gestützt hat, doch wird er möglicherweise Persisch gelernt haben und orale Erzählungen (die an sich schon nicht besonders zuverlässig sind, wenngleich Ktesias möglicherweise Berichte von hochstehenden Personen am Hof erhielt) in seinem Werk verarbeitet haben.[20] Ob Ktesias tatsächlich persisches Archivmaterial benutzt hat ist wie gesagt sehr fraglich, wahrscheinlich hat er aber auch schriftliche Quellen herangezogen (in Frage kommen etwa Inschriften).
Indiká
Ktesias schrieb außerdem über Indien eine kleinere Schrift in einem Buch, die Indiká. Von dem Werk ist ebenfalls ein Auszug bei Photios überliefert; ansonsten sind noch einige andere Fragmente erhalten, denn auch dieses Werk fand offenbar einige Leser.[21] Ktesias beschreibt in den Indiká den Norden des indischen Subkontinents, die Sitten der Bewohner, die Fauna und Flora. Laut Photios besaß das Werk keinerlei innere Strukturierung, vielmehr reihte es verschiedene Themen aneinander. Ktesias scheint eine unkritische Sammlung aller Geschichten und Mythen, die über Indien kursierten, vorgenommen zu haben. Unter anderem berichtet er von Greifen, die Gold bewachen, von Kynokephaloi (wörtlich „Hundsköpfige“), vielleicht eine Fehlinterpretation eines Kommentars über niedere Kasten, die in Berichten von Zeitgenossen „mit den Hunden essen mussten“, und Mantikoren, auch später immer wieder in Berichten über Indien erwähnte Fabelwesen mit Löwenkörper, Menschenkopf und Skorpionsschwanz.
Die Darstellung enthält durchaus zutreffende Informationen, offenbart daneben aber ebenfalls romanhafte Züge, doch erschien den Griechen Indien ohnehin als ein legendäres Wunderland, über das vor dem Alexanderzug nur wenige konkrete Informationen vorlagen. Auch Herodot ging in seinen Historien knapp auf Indien ein und berichtete ebenfalls von Wundergeschichten, so von nach Gold schürfenden, riesigen Ameisen.[22] Ktesias behauptet denn auch nie, Indien selbst bereist zu haben, sondern nur von Erzählungen zu berichten bzw. von Dingen, die er in Persien gesehen hat. Hinzu kommt, dass Photios kaum einen systematischen Auszug aus den Indiká anfertigte, sondern hauptsächlich für ihn interessante Episoden herausstellte; dennoch ist der Auszug insgesamt wohl recht zuverlässig.[23] Felix Jacoby, der Ktesias sonst kritisch betrachtete, meinte, dass die Indiká die teilweise scharfe Kritik seit Aristoteles weniger verdienen und es sich bei dem Werk um ein „wertvolles Dokument“ hinsichtlich des Wissensstands der Griechen über Indien zur damaligen Zeit handle.[24]
Andere Werke
Außerdem werden noch einige andere Schriften Ktesias zugeschrieben, von denen aber nur sehr wenige Fragmente erhalten sind oder sogar nur der Titel überliefert ist:
- Über die Berge (Περὶ ὀρῶν / Perì orôn) und Über die Flüsse (Περὶ ποταμῶν / Peri potamôn), zitiert bei Plutarch;
- Asiatischer Periplus (Περίπλους Ἀσίας / Períplous Asías) oder Periodos (der genaue Titel ist unklar) in drei Büchern, zitiert bei Stephanos von Byzanz;
- Über die Tribute in Asien (Περὶ τῶν κατὰ τὴν Ἀσίαν φόρων / Perì tôn katà tên Asían phórôn), vielleicht ein Anhang zu den Persiká, doch ist dies unklar.
Möglicherweise verfasste Ktesias auch medizinische Traktate, von denen aber (abgesehen von zwei kurzen Zitaten bei Galenos und Oreibasios) nichts erhalten ist.
Rezeption und Bewertung
Die Glaubwürdigkeit des Ktesias wurde bereits in der Antike mehrfach angegriffen. Aristoteles, Arrian sowie Lukian (der allerdings auch Herodot ähnlich kritisierte) und andere betrachteten dessen Werke als Sammlung von Gerüchten und Wundergeschichten; auch Plutarch äußerte sich eher abfällig über Ktesias, zog ihn aber dennoch heran. Ohnehin wurden die Persiká offenbar häufig benutzt und beeinflussten das griechische Perserbild erheblich. Photios beurteilte Ktesias als „klar verständlich und mit Freuden zu lesen“. Auch neige Ktesias nicht, wie Herodot, zu „unzeitgemäßen Abschweifungen“, verzichte allerdings nicht auf Fabeln. Manchmal verfalle er aber in die „Sprechweise des gemeinen Mannes“, was dem mittelbyzantinischen Klassizisten ein Gräuel war. Die Indiká wurden wohl weniger häufig herangezogen, aber auch sie werden von Aristoteles, Arrian und Aelian zitiert, wenngleich die Autoren meistens ihre Skepsis über die dortigen Nachrichten zum Ausdruck brachten.
Die Einschätzung von Ktesias’ Persiká ist bis heute in der Forschung umstritten. Einerseits gab und gibt es starke Kritik (z. B. wegen zahlreicher nachweisbarer sachlicher Fehler, zumal der erste Teil des Werks offenbar fast nur sagenhafte Erzählungen beinhaltet), und einige Gelehrte halten sein Werk eher für einen „historischen Roman“ (besser gesagt als Mischung aus Roman und Geschichtswerk, denn Ktesias maß sein Werk eindeutig zu dem Genre der Historien) oder eine reine Skandalgeschichte (Felix Jacoby). Andererseits gilt Ktesias anderen Forschern nach wie vor als Augenzeuge und intimer Kenner des persischen Hofes. Selbst ein scharfer Kritiker wie Jacoby gestand ein, dass der Schlussteil des Werks (anders als der Anfang mit sagenhaften Herrschern und offenbar weitgehend erfundenen Ereignissen) eine nicht ganz unwichtige, aber freilich dennoch problematische Quelle sei. Dominique Lenfant warnte vor einer allzu raschen Verurteilung des Autors, der ihrer Meinung nach autochthone Berichte in den Persiká verarbeitet hat und für diese lokalen Berichte eine gute Quelle ist.[25] Marco Dorati hat hingegen 1995 die These vertreten, Ktesias sei niemals in Persien gewesen, seine autobiographischen Angaben seien gefälscht,[26] doch hat sich dieser Ansatz nicht durchgesetzt. Reinhold Bichler schlug 2004 vor, Ktesias als einen „Spaßvogel“ zu verstehen, der bewusst einen regelrechten „Herodot-Verriss“ schrieb.[27] Ähnlich wie Bichler betrachtet Bruno Bleckmann den Bericht des Ktesias zum Perserkrieg, wobei Bleckmann aber nicht an ein literarisches Spiel des Verfassers glaubt, sondern meint, Ktesias wollte sich bewusst von Herodot absetzen.[28] 2006 veranstaltete Josef Wiesehöfer eine internationale Tagung zu Ktesias; die Publikation der Beiträge wird zahlreiche Aspekte des Werkes neu beleuchten.
In der wissenschaftlichen Kontroverse um Ktesias gibt es inzwischen noch einen weiteren Ansatz, der die Frage nach dem Quellenwert der Persiká anders stellt: Dieser besteht darin, dass man Ktesias’ Werk zwar nicht als sachlich richtige Beschreibung des persischen Hofes nutzen könne, da zumindest sehr fraglich sei, wie verlässlich seine Angaben im Einzelnen seien; wohl aber könne man Ktesias als eine ausgezeichnete Primärquelle für das „Perserbild“ in der antiken griechischen Geschichtsschreibung nutzen. Denn daran, dass Ktesias als Grieche für Griechen schrieb und ein Bild des Orients malte, dass dem Geschmack seiner Zeitgenossen entsprach und die Vorstellungen späterer Generationen mitprägte, besteht kein Zweifel. Der persische Hof wird von Ktesias als „dekadent“ charakterisiert. Mit seinem Luxus, den angeblich zahlreichen Verschwörungen sowie den Haremsintrigen wird er der griechischen Welt antithetisch gegenüber gestellt. Diese Sichtweise sollte das abendländische Bild vom Orient mit den schon bei Ktesias beschriebenen Stereotypen noch über viele Jahrhunderte bestimmen.
Ausgaben und Übersetzungen
- Friedrich Wilhelm König (Hrsg.): Die Persika des Ktesias von Knidos (= Archiv für Orientforschung, Beiheft 18). Graz 1972 (Edition und Übersetzung der Ktesias-Fragmente bei Photios).
- Dominique Lenfant (Hrsg.): Ctésias de Cnide. La Perse, l’Inde, autres fragments. Les Belles Lettres, Paris 2004, ISBN 2-251-00518-8 (maßgebliche Edition der Ktesias-Fragmente; enthält auch Abschnitte, deren Zuweisung an Ktesias von anderen Forschern bestritten wird; Rezension).
- Lloyd Llewellyn-Jones, James Robson (Hrsg.): Ctesias' „History of Persia“. Tales of the Orient. Routledge, London u.a. 2009 (englische Übersetzung der Persiká [basierend auf der Edition von Lenfant] mit ausführlicher Einleitung).
- Andrew Nichols: The complete Fragments of Ctesias of Cnidus. Diss. Gainesville 2008 (englische Übersetzung der Persiká und Indiká und andere Fragmente mit Einleitung und einem knappen Kommentar; online).
- Jan P. Stronk (Hrsg.): Ctesias' Persian History. Part I: Introduction, Text, and Translation, Wellem Verlag, Düsseldorf 2010, ISBN 978-3-941820-01-2 (Sammlung aller griechischen, lateinischen und weiteren Fragmente mit englischer Übersetzung und ausführlicher Einleitung).
Literatur
- Reinhold Bichler: Ktesias „korrigiert“ Herodot. Zur literarischen Einschätzung der Persika. In: Herbert Heftner, Kurt Tomaschitz (Hrsg.): Ad fontes! Festschrift für Gerhard Dobesch zum fünfundsechzigsten Geburtstag am 15. September 2004 dargebracht von Kollegen, Schülern und Freunden. Wien 2004, S. 105–116 (online).
- Joan M. Bigwood: Ctesias' „Indica“ and Photius. In: Phoenix 43, 1989, S. 302–316.
- Bruno Bleckmann: Ktesias von Knidos und die Perserkriege: Historische Varianten zu Herodot. In: Bruno Bleckmann (Hrsg.): Realitäten und Fiktionen. Kolloquium zum 80. Geburtstag von Dietmar Kienast. Köln 2007, ISBN 3-412-08406-9, S. 137–150.
- Jan Boncquet: Ctesias' Assyrian King-List and his Chronology of Mesopotamian History. In: Ancient Society 21, 1990, S. 5–16.
- Felix Jacoby: Ktesias 1. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band XI,2, Stuttgart 1922, Sp. 2032–2073.
- Rüdiger Schmitt: Ctesias. In: Encyclopaedia Iranica 6 (1993), S. 441ff.
- Christopher Tuplin: Doctoring the Persians. Ctesias of Cnidus, Physician and Historian. In: Klio 86, 2004, S. 305–347.
Weblinks
- Originaltexte
- Literatur von und über Ktesias von Knidos im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Epitome von Persika und Indika bei Photios (englisch)
- Literatur
- Vorlage:Livius
- Christopher Tuplin: Ctesias as Military Historian
- Bibliographie
- Margareta M. Berktold, Birgit Gufler, Irene Huber, Inge Klingler: Ktesias-Bibliographie
Anmerkungen
- ↑ So Llewellyn-Jones / Robson (2009), S. 11.
- ↑ Zu seinem Leben und Werk ist Felix Jacobys RE-Artikel immer noch grundlegend: Jacoby (1922).
- ↑ Diodor, Bibliotheke, 2,32,4.
- ↑ Llewellyn-Jones / Robson (2009), S. 12.
- ↑ Jacoby (1922), Sp. 2033
- ↑ Llewellyn-Jones / Robson (2009), S. 12f.
- ↑ Stronk (2010), S. 8f.
- ↑ Xenophon, Anabasis, 1,8.
- ↑ Zum möglichen Todeszeitpunkt siehe Stronk (2010), S. 11 mit Anmerkung 27.
- ↑ Diodor, Bibliothek, 2,32.
- ↑ Zu der Möglichkeit, dass solche Archive existierten, siehe Stronk (2010), S. 16ff.; skeptischer Pierre Briant: From Cyrus to Alexander. Winona Lake 2002, S. 6 und S. 422ff.
- ↑ Dominique Lenfant: Greek Historians of Persia. In: John Marincola (Hrsg.): A Companion to Greek and Roman Historiography. Oxford u.a. 2007, S. 200ff.
- ↑ Vgl. auch Stronk (2010), S. 107ff.
- ↑ Eine Auflistung der Autoren, in deren Werken Auszüge aus Ktesias nachweisbar sind, bietet Llewellyn-Jones / Robson (2009), S. 220–226.
- ↑ Vgl. Stronk (2010), S. 34f.
- ↑ Fragment 13, Auszug bei Photios.
- ↑ Vgl. etwa Jacoby (1922), Sp. 2063f.
- ↑ Vgl. Bleckmann (2007).
- ↑ Bleckmann (2007), S. 139f.
- ↑ Allgemein siehe Llewellyn-Jones / Robson (2009), S. 55ff.; Stronk (2010), S. 15ff.
- ↑ Stavros Solomou: The Indica of Ctesias of Cnidus. Dissertation. London 2007 (Textedition, Übersetzung und Kommentar der Indiká).
- ↑ Herodot, Historien, 3,102.
- ↑ Bigwood (1989).
- ↑ Jacoby (1922), Sp. 2037–2039.
- ↑ Einleitung in Lenfant (2004).
- ↑ Marco Dorati: Ctesia falsario?. In: Quaderni di storia 21, 1995, S. 33–52
- ↑ Bichler (2004)
- ↑ Bleckmann (2007).
Personendaten | |
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NAME | Ktesias von Knidos |
ALTERNATIVNAMEN | Κτησίας (griechisch) |
KURZBESCHREIBUNG | antiker griechischer Geschichtsschreiber |
GEBURTSDATUM | 5. Jahrhundert v. Chr. |
GEBURTSORT | Knidos, Karien |
STERBEDATUM | 4. Jahrhundert v. Chr. |