Wehrpflicht in Deutschland
Die Wehrpflicht in Deutschland bezeichnet die Pflicht eines männlichen Staatsbürgers, für einen gewissen Zeitraum in der Bundeswehr zu dienen.
Geschichte
Der Parlamentarische Rat schrieb schon 1949 die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung in das Grundgesetz. Die Bundeswehr wurde ab dem 12. November 1955 aufgestellt und die Wehrpflicht mit dem Inkrafttreten des Wehrpflichtgesetzes (WPflG) vom 21. Juli 1956 eingeführt. Wehrpflichtig waren alle deutschen Männer, die nach dem 30. Juni 1937 geboren waren (siehe weißer Jahrgang). 1968 wurde im Grundgesetz verankert:
Art. 12a [Wehr- und Dienstpflicht]
(1) Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden.
(2) Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden. Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen.
Wichtig ist, dass es sich dabei um eine Kann-Vorschrift handelt. Die Wehrpflicht kann daher jederzeit vom Bundestag mit einfacher Mehrheit ausgesetzt Zwerden, ohne dass dafür das Grundgesetz geändert werden müsste.
Wehrpflichtigkeit
Wehrpflichtig sind alle Männer vom vollendeten 18. Lebensjahr an, die Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind und
- ihren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben oder
- ihren ständigen Aufenthalt außerhalb der Bundesrepublik Deutschland haben und entweder
- ihren früheren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten oder
- einen Pass oder eine Staatsangehörigkeitsurkunde der Bundesrepublik Deutschland besitzen oder sich auf andere Weise ihrem Schutz unterstellt haben.
(§ 1 WPflG)
Polizeivollzugsbeamte leisten keinen Wehrdienst. Ihre Wehrpflicht gilt mit dem Eintritt in die Polizei (Polizei der Länder (§ 42 WPflG) und Polizei des Bundes (§ 42a WPflG)) als abgegolten. Eine Ausnahme besteht, wenn das Dienstverhältnis in der Polizei vor dem Ende der Wehrpflichtigkeit beendet wird.
Eine Freistellung vom Grundwehrdienst ist auch bei einer mindestens vierjährigen Verpflichtung zum Ersatzdienst im Katastrophenschutz möglich, der zum Beispiel beim Technischen Hilfswerk (THW), bei der Freiwilligen Feuerwehr oder bei Hilfsorganisationen wie dem Arbeiter-Samariter-Bund, der Johanniter Unfallhilfe, dem Deutschen Roten Kreuz oder dem Malteser Hilfsdienst geleistet werden kann. (§ 13a WPflG)
Weiterhin werden von der Wehrpflicht ausgenommen:
- der dritte und jeder weitere Sohn einer Familie, sofern die beiden älteren Brüder ihren Wehrdienst bzw. einen Ersatzdienst abgeleistet haben (gilt allerdings nicht, wenn eine der vorhergegangenen P
Erfassung
Der Begriff Erfassung bezeichnet den Vorgang, mit dem die Bundeswehr von den Personendaten der Wehrpflichtigen Kenntnis erlangt. Dies geschieht mit der quartalsweisen Übermittlung der Daten männlicher Jugendlicher, die das 17. Lebensjahr vollendet haben, durch das Einwohnermeldeamt – was zur Folge hat, dass beim Einwohnermeldeamt vor diesem Zeitpunkt und bis zum Erreichen der Einberufbarkeitsgrenze von in diesem Fall 23 Jahren nicht gemeldete Personen zwar weiterhin wehrpflichtig und einberufbar sein können, aber der Bundeswehr unbekannt bleiben. Das Abmelden vom tatsächlichen Wohnsitz stellt allerdings eine Ordnungswidrigkeit dar.
Die erfassten Personen werden benachrichtigt und aufgefordert, eventuelle Korrekturen zu ihren Daten dem zuständigen Kreiswehrersatzamt mitzuteilen. Dieses lädt die Wehrpflichtigen zur Musterung, bei der u. a. der Tauglichkeitsgrad festgestellt wird, der maßgeblich darüber entscheidet, ob der Wehrpflichtige zum Wehrdienst herangezogen wird.
Dauer von Wehr- und Zivildienst in der BR Deutschland von 1956 bis heute (in Monaten)
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Erfüllung der Wehrpflicht
Die Wehrpflicht wird durch den Wehrdienst oder im Falle des § 1 des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes vom 28. Februar 1983 durch den Zivildienst erfüllt. Die Dauer des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes betrug neun Monate, ab dem 1. Juli 2010 aber nur noch sechs Monate.[1]
Ende von Wehrpflicht und Einberufbarkeit
Die Wehrpflicht endet mit Ablauf des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das 45. Lebensjahr (bei Offizieren und Unteroffizieren das 60. Lebensjahr) vollendet. Im Spannungs- und Verteidigungsfall endet die Wehrpflicht mit Ablauf des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das 60. Lebensjahr vollendet.
Davon zu unterscheiden ist allerdings die in § 5 WPflG geregelte Einberufbarkeit Ungedienter, die in Friedenszeiten (unvollständiger Auszug):
- in der Regel bis zum 23. Geburtstag andauert;
- bis zum 25. Geburtstag andauert unter anderem bei
- genehmigungspflichtigen, aber ungenehmigten Auslandsaufenthalten und bei
- Zurückstellungen, die eine Einberufung bis zum 23. Geburtstag verhindern;
- bis zum 30. Lebensjahr andauert, wenn wegen einer Verpflichtung im Katastrophenschutz eine Einberufung vor Vollendung des 23. Lebensjahres nicht möglich war;
- bis zum 32. Geburtstag andauert bei Personen, die aufgrund ihrer Berufsausbildung während des Grundwehrdienstes vorwiegend militärfachlich verwendet werden (zum Beispiel Ärzte).
Wehrdienst Ungedienter im Verteidigungsfall
Ungediente Wehrpflichtige gehören der Allgemeinen Reserve an und können bei Tauglichkeit und innerhalb der Altersgrenzen im Spannungsfall oder Verteidigungsfall zum Wehrdienst unbefristet einberufen werden.
Einberufungspraxis
Mit dem Zweiten Zivildienstgesetzänderungsgesetz wurden 2004 die Regelungen zur Einberufung geändert:[2]
- Absenkung der Heranziehungsgrenze für den Grundwehrdienst vom 25. auf das 23. Lebensjahr, d. h. wenn jemand beispielsweise am 30. Juni eines Jahres 23 wird, so kann er erstmalig zur „Juli-Ziehung“ nicht mehr dienstverpflichtet werden.
- Keine Heranziehung von verheirateten oder in eingetragenen Lebenspartnerschaften lebenden Männern oder Wehrpflichtigen mit dem Sorgerecht für mindestens ein Kind.
- Der Verwendungsgrad T3 ist entfallen. Mit T3 gemusterte Wehrpflichtige gelten nun als ausgemustert.
- Wehr- und Zivildienstpflichtige, die nach dem Erreichen der allgemeinen Hochschul- oder Fachhochschulreife eine betriebliche oder eine Beamtenausbildung aufgenommen haben, werden auf Antrag zurückgestellt.
- Wehr- und Zivildienstpflichtige können sich von der Dienstpflicht befreien lassen, wenn mindestens zwei Geschwister ein ziviles oder militärisches Dienstjahr geleistet haben.
Im Vorgriff auf die neue Regelung wurde dies bereits seit dem 1. Juli 2003 so praktiziert. Die Pflicht zur Dienstleistung im Verteidigungsfall bleibt von diesen Regelungen unberührt.
In der Praxis haben von den 440.000 erfassten Männern des Jahrganges 1980 (die ab 2004 nicht mehr eingezogen werden können) 137.500 (31,25 %) den Grundwehrdienst geleistet, 152.000 (34,54 %) Zivildienst oder einen anderen Ersatzdienst geleistet, und 150.500 (34,2 %) wurden ausgemustert oder aus anderen Gründen nicht zum Dienst herangezogen. Bei den später Geborenen stieg die Quote der Ausgemusterten noc
Freiwillige Wehrpflicht
Diese Art der Wehrpflicht ist ein Vorstoß der SPD für eine Freiwilligenarmee. An der im Grundgesetz verankerten Wehrpflicht soll zwar festgehalten werden, sie würde aber künftig nur noch im Bedarfsfall greifen. Die SPD spricht über eine „Freiwilligkeit beim Wehrdienst“, die über Anreize umgesetzt werden soll. Dabei soll es ein Bonus-System geben, etwa Vorteile bei der Studienplatzvergabe, der Weiterbildung oder Anrechnung von Dienst- und Ausbildungszeiten. Ähnliches soll für den zivilen Ersatzdienst gelten. Ein Leitantrag über die Aufnahme des Ziels der freiwilligen Wehrpflicht ins Programm wurde Ende Oktober 2007 auf dem SPD-Bundesparteitag angenommen; somit ist die freiwillige Wehrpflicht Bestandteil ihres "Hamburger Programms".[3]
Diskussion um die Zukunft der Allgemeinen Wehrpflicht
Verschiedene Interessengruppen und Parteien, wie die FDP, die Linke und Bündnis 90/Die Grünen fordern, die Wehrpflicht in Deutschland auszusetzen bzw. abzuschaffen (Linkspartei und Die Grünen), während die Mehrheit der Politiker in der CDU/CSU für eine Beibehaltung eintreten. Innerhalb der SPD zeichnet sich nach jahrelangen internen Debatten an der Spitze der Partei eine Mehrheit für eine Umwandlung der Wehrpflicht zur freiwilligen Wehrdienstleistung ab.[4] 2010 entbrennt innerhalb der CDU/CSU eine Debatte um die Aussetzung der Wehrpflicht. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) erwägt, die Wehrpflicht auszusetzen und eine freiwillige Wehrpflicht einzuführen, die 12 bis 23 Monate dauern soll. Er kündigt mit Unterstützung der Bundeskanzlerin Angela Merkel und des Außenministers Guido Westerwelle im August 2010 die Aussetzung der Wehrpflicht und eine Verkleinerung der Bundeswehr in Deutschland an.[5] Mitte September 2010 befürwortet das CDU-Präsidium diesen Vorschlag.[6]
Derzeit sind mehrere Gerichtsentscheidungen offen, ob die aktuelle Einberufungspraxis verfassungskonform ist. Entsprechende Klagen wurden an das Bundesverfassungsgericht verwiesen.Referenzfehler: Es fehlt ein schließendes </ref>
. Auch volkswirtschaftlich wäre die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht unsinnig.[7]
[8]
Gesellschaftsdienst
Auf Basis der oben dargestellten Überlegungen wird ab 2008 diskutiert, einen „Gesellschaftsdienst“ einzuführen, bei dem alle männlichen Jugendlichen einen Dienst für die Gesellschaft leisten sollen.[9] Es steht ihnen jedoch offen, bei welcher staatlichen Stelle sie diesen Dienst verrichten. Eine stark vereinfachte Verweigerung des Kriegsdienstes nach Art. 4 Abs. 2 GG, sowie eingesparte Musterungskosten, sollen das System verfassungsfest machen. Die Informationen über den Militärdienst, wie auch die alternativen Dienste sollen demzufolge bereits in der Schule beginnen.
5 plus 1
Vor dem Hintergrund der Vorrangigkeit des Dienstes bei der Bundeswehr, stellen die Autoren der Idee „5 plus 1“[10] eine Diskussionsgrundlage zur Fortentwicklung der Allgemeinen Wehrpflicht in den Raum. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages hat sich hinter das Modell gestellt. Dieses sieht vor, dass die Rekruten nach einer dreimonatigen Grundausbildung eine zweimonatige Spezialausbildung in den Bereichen Katastrophenschutz, sowie im weiterführenden Sanitätsdienst erfahren. Dieser ist ausdrücklich nicht auf den Einsatz der Bundeswehr im Inneren gerichtet, sondern für Fälle der Amtshilfe i.S.d. Art. 35 GG. Diesen insgesamt fünf Monaten (5) schließt sich die Berufsförderung (+ 1) des jeweiligen Jugendlichen an, die stark individualisiert auf seine Bedürfnisse eingeht. Die Idee rührt daher, dass eine staatliche Pflicht zum Wehrdienst auch durchaus seine Vorteile für den Betroffenen mit sich bringen soll.
Generalinspekteur Hartmut Bagger
Am 16. Juli 1996 begründete der damalige Generalinspekteur Hartmut Bagger im Generalinspekteurbrief 1/96 seine Haltung zur Beibehaltung der Allgemeinen Wehrpflicht.
- „Für viele scheint das stärkste Argument für eine Berufsarmee die damit verbundene Professionalisierung zu sein. Wehrpflicht und Professionalität schließen sich nicht gegenseitig aus. Die Wehrpflicht schafft darüber hinaus die Möglichkeit, das gesamte Potential an Intelligenz, Fähigkeiten und beruflicher Ausbildung unserer jungen Bürger zu nutzen. Wir profitieren von diesem Potential nicht nur bei den Wehrpflichtigen, wir gewinnen aus ihm auch die Hälfte unseres Führernachwuchses an Offizieren und Unteroffizieren. Qualität und Kultur der Führung in der Bundeswehr, aber auch Professionalität werden wesentlich von der Wehrpflicht abhängen. Der mit einer Freiwilligenarmee häufig verbundene Verzicht auf Pluralität kann zu einem Verlust an geistiger Vitalität führen.“
Bagger sieht daher in der Wehrpflichtarmee die „intelligentere Armee“, da ihr Personal qualifizierter sei. Zudem mache sie die Verteidigung von Recht und Freiheit zur Sache aller Bürger und beuge der Tendenz vor, Streitkräfte als „Dienstleistungsagentur für Verteidigung“ misszuverstehen; das sei ein wichtiger gesellschaftspolitischer Aspekt.
Bundespräsident Roman Herzog
Der damalige Bundespräsident Roman Herzog mahnte 1995 beim vierzigjährigen Bestehen der Bundeswehr 1995 vor den Kommandeuren der Streitkräfte.
- „Die Wehrpflicht ist ein so tiefer Eingriff in die individuelle Freiheit des jungen Bürgers, dass ihn der demokratische Rechtsstaat nur fordern darf, wenn es die äußere Sicherheit des Staates wirklich gebietet. Sie ist also kein allgemeingültiges ewiges Prinzip, sondern sie ist auch abhängig von der konkreten Sicherheitslage. Ihre Beibehaltung, Aussetzung oder Abschaffung und ebenso die Dauer des Grundwehrdienstes müssen sicherheitspolitisch begründet werden können. Gesellschaftspolitische, historische, finanzielle und streitkräfteinterne Argumente können dann ruhig noch als Zusätze verwendet werden. Aber sie werden im Gespräch mit dem Bürger nie die alleinige Basis für Konsens sein können. Wehrpflicht glaubwürdig zu erhalten, heißt also zu erklären, weshalb wir sie trotz des Wegfalls der unmittelbaren äußeren Bedrohung immer noch benötigen.“
Er ging in seiner Rede davon aus, dass diese Notwendigkeit gegeben wäre.
Wehrgerechtigkeit
Ein wichtiger Punkt in der Diskussion um die Wehrpflicht ist die Wehrgerechtigkeit. Diese ist dann gegeben, wenn möglichst jeder taugliche junge Mann, der nicht verweigert hat, zum Wehrdienst herangezogen wird. Da inzwischen aber immer weniger junge Männer eines Jahrgangs tatsächlich zum Wehrdienst eingezogen werden, wird eine mangelnde Gerechtigkeit beklagt. Dabei gibt es einen Unterschied zwischen der Schaffung von Wehrgerechtigkeit im juristischen Sinne und dem Gerechtigkeitsempfinden in der Gesellschaft. Da der Bedarf an Wehrpflichtigen in der Bundeswehr gesunken ist, wurden die Tauglichkeitskriterien erhöht und weitere Ausnahmeregelungen geschaffen. Dies führt dazu, dass deutlich weniger Wehrdienstfähige zur Verfügung stehen und es fällt leichter den Ausschöpfungsrest – also die Zahl derer, die aus dieser Gruppe keinen Dienst leisten müssen – klein zu halten. Somit wird zwar formaljuristisch Wehrgerechtigkeit hergestellt, die aber von dem Einzelnen (und der Gesellschaft) oftmals nicht als wirklich gerecht empfunden wird, da diese eher interessiert, wie viel Prozent eines Jahrganges überhaupt noch dienen müssen. So haben beispielsweise von dem zuletzt aus der Grundwehr- und Zivildienstpflicht entwachsende Geburtsjahrgang 1982, nur 24 % der Männer (entsprechend 12% des gesamten Jahrgangs einschließlich der Frauen) die Wehrpflicht bei der Bundeswehr abgeleistet (107.047 von 445.564 erfassten Wehrpflichtigen)[11] .
Um den Ausschöpfungsrest möglichst klein zu halt
„Allgemeine“ Wehrpflicht – nur für Männer
Obwohl in Deutschland eine „allgemeine Wehrpflicht“ existiert, bezieht sich diese nur auf Männer. Zwar verstößt dies grundsätzlich gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes, jedoch wurde vom Bundesverfassungsgericht entschieden, dass dies nicht zur Ungültigkeit der Wehrpflicht führe: der Gesetzgeber habe die „Männer-Wehrpflicht“ nachträglich in das Grundgesetz aufgenommen. Somit sei eine „lex specialis“ bezüglich der Wehrpflicht gegenüber der „lex generalis“ des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 GG) geschaffen worden.[12]
Die vom Gesetzgeber in Kauf genommene Diskriminierung von Männern durch die Wehrpflicht wirft allerdings nicht nur juristische, sondern auch gesellschaftliche Fragen auf. Je nach Stand der erreichten Gleichberechtigung ergeben sich entsprechende Akzeptanzprobleme und erhöhen damit zusätzlich die Anforderung an die Politik, die Wehrpflicht ausreichend zu begründen. Verschärft wurde die Debatte dadurch, dass Frauen inzwischen einen freien und freiwilligen Zugang zur Bundeswehr – auch zum Dienst an der Waffe – haben, wodurch die ursprüngliche Diskriminierung von Frauen zwar beseitigt, der benachteiligende Charakter der nur Männer treffenden Wehrpflicht aber noch verstärkt wurde. Das Argument, Frauen sollten aufgrund ihrer schwächeren Konstitution vor dem Kriegsdienst geschützt werden, geht so nicht mehr auf.
Oft wird als Argument angeführt, Frauen „opferten“ einen ähnlichen Teil ihrer Lebenszeit beim Gebären und Aufziehen von Kindern und würden auch ansonsten den Hauptteil der sozialen Arbeiten, wie etwa bei der Pflege von Familienangehörigen leisten. Dieser Vergleich ist allerdings um
Kosten
Kostenargumente werden sowohl von Befürwortern als auch von Gegnern der allgemeinen Wehrpflicht genannt. So wird argumentiert, dass die Wehrpflicht die billigere und effizientere Variante gegenüber einer Berufsarmee sei. Die Wehrpflicht erleichtere es, Zeit- und Berufssoldaten zu rekrutieren. So kam der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, in seiner damaligen Funktion als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses in einer Modellrechnung 2004 zu dem Ergebnis, dass eine Berufsarmee 3,5 bis 7 Milliarden Euro teurer sei als die derzeitige Armee, vor allem deswegen, weil enorme Finanzmittel für Rekrutierungsmaßnahmen aufgewendet werden müssten. „Frankreich, Spanien, Italien, alle Länder, die die Wehrpflicht abgeschafft haben, haben diese Riesenprobleme, müssen heute ein immenses Geld für Rekrutierungsmaßnahmen ausgeben“, sagte dazu Robbe in einem Interview mit dem Deutschlandradio.
Diese Sichtweise wird auch von den Wehrpflichtgegnern nicht bestritten. Allerdings wird von ihnen herausgestellt, dass dies eine rein betriebswirtschaftliche Sichtweise ist, während die meisten wissenschaftlichen Studien zum Kostenvergleich der verschiedenen Armeeformen volkswirtschaftlich argumentieren. Einer Studie zur ökonomischen Effizienz der Wehrpflicht zufolge, die am Institut für Streitkräftemanagement der Bundeswehruniversität München entstand, wäre eine Freiwilligenarmee bei gleicher Leistungsfähigkeit um etwa fünfzig Prozent effizienter als die heutige Wehrpflichtarmee. „Die Teilstudie ergab deutliche Kosten- und Effizienzvorteile für eine Bundeswehr, die aus Freiwilligen besteht. Diese Freiwilligenarmee würde auf der Kostenseite zu geringeren Kosten und auf der Leistungsseite zu höheren Leistungen führen“, schreiben die Autoren in ihrem Fazit. Auch das [[Deutsches Institut für Wirtscha
Rente
Einen erheblichen Nachteil hat der Wehrpflichtige bei seiner Rente: nur pauschale Beträge werden berücksichtigt, die ab 1982 unterhalb vom Durchschnittsverdienst liegen.
- vor 1982: 1 Entgeltpunkt pro Jahr (entspricht 100 % des Durchschnittsverdienstes)
- 1982–1991: 0,75 Entgeltpunkt pro Jahr (entspricht 75 % des Durchschnittsverdienstes)
- ab 1992: 0,80 Entgeltpunkt (entspricht 80 % des Durchschnittsverdienstes)
Ein individuell höherer Durchschnittsverdienst über alle Arbeitsjahre wird zudem auch nicht ausgeglichen. Eine verfassungsrechtliche Überprüfung unter dem Gesichtspunkt der Wehr- und Rentengerechtigkeit steht aus.
Ethische, gesellschaftliche und bundeswehrinterne Argumente
Teilweise werden zur ethischen Rechtfertigung der Wehrpflicht Immanuel Kants Ausführungen in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden" (1795) in Anspruch genommen. Hier argumentierte der Philosoph, stehende Heere würden nur zu Wettrüsten und in weiterer Folge zu Kriegen führen. Den von Kant verwendeten Begriff der stehenden Heere mit Berufsarmeen gleichzusetzen, verbietet sich aber, weil stehende Heere sowohl als Berufs- als auch als Wehrpflichtarmeen organisiert werden können. Kant spricht deshalb auch keineswegs von der Wehrpflichtarmee als vorzuziehendem Gegenmodell, sondern hebt ausdrücklich die Freiwilligkeit der von ihm gebilligten periodischen Wehrübungen der Staatsbürger hervor (vgl. „Zum ewigen Frieden“, BA 8f.). Nur diese Freiwilligkeit vermag wohl auch den von Kant in diesem Zusammenhang genannten „Gebrauch von Menschen als bloßen Maschinen und Werkzeugen in der Hand eines Andern (des Staates)…, der sich nicht wohl mit dem Rechte der Menschheit in unserer eigenen Person vereinigen läßt“, auszuschließen.
Auch die Erfahrungen mit den beiden Weltkriegen und den Kriegen danach zeigen, dass Wehrpflichtarmeen diese weder verhindern noch in irgendeiner Form das Wettrüsten behindert haben. In Abwandlung der Vorstellungen von Kant wird daher argumentiert, dass Wehrpflichtarmeen in demokratischen Gesellschaften zu einer höheren Verantwortung der Regierungen den Soldaten gegenüber führt und das Für und Wider eines Auslandseinsätze verantwortungsbewusster entschieden wird.
Befürworter der Wehrpflicht warnen immer wieder vor den Erfahrungen in der Weimarer Republik, in der die Reichswehr als Berufsarmee zum „Staat im Staate“ wurde. Diese Lehre hat die Entscheidung der Bundesrepublik für eine auf der Wehrpflicht beruhende Wehrverfassung ma
Emotionale und weltanschauliche Gründe
Die Beibehaltung der Wehrpflicht in Deutschland hat zu einem nicht zu unterschätzenden Teil auch emotionale und weltanschauliche Gründe. So gilt das Militär für viele als „Sinnbild des wehrhaften Geschlechts“ und „Schule der Nation“ (siehe Vortrag von Prof. Uta Klein[13]). Die Ursprünge dieser Einschätzung liegen darin, dass historisch mit der allgemeinen Wehrpflicht der Bürgerstatus verknüpft wurde. Staatsbürgerschaft und Landesverteidigung galten als zwei Seiten einer Medaille. Entsprechend wurde der Ausschluss von Frauen aus politischen Rechten auch mit ihrer vermeintlichen Nichtwaffenfähigkeit begründet. Die Verknüpfung der Wehrhaftigkeit mit Männlichkeit hat eine symbolische und ideologische Funktion und entsprach durchaus der damaligen Vorstellung über die Geschlechterrollen. Interessant ist dabei auch, dass umgekehrt die prinzipielle Eignung von Männern für Kampf und Waffendienst nie in Frage gestellt wurde. Lediglich eine Nichteignung aus pazifistischen Motiven wurde mit der Zeit anerkannt.
Männlichkeit stellt nach Uta Klein ein Funktionselement dar, wobei eines der Merkmale die Sozialisation ist: Diese findet nicht hin zum geschlechtslosen Soldaten statt, sondern zum männlichen. Im Militär werde Männlichkeit sozialisiert. Der Wehrdienst bewirke, dass junge Männer von Frauen getrennt werden und binde sie an andere Männer. Für die jungen Männer bedeute das Militär den Rückzug in einen Männerbund, in dem sie sich als Mann erweisen müssten. „Erst durch den Militärdienst wird ein Junge zu einem richtigen Mann“.
Diese Vorstellung ist durchaus noch sehr real und umso stärker verankert, je konservativer und patriarchalischer eine Gesellschaft
Spiegel oder Zerrspiegel der Gesellschaft
Die Bundeswehr soll ein Spiegel der Gesellschaft sein, zumindest des männlichen Teils. Mit diesem festen Ziel wurde sie gegründet und als Garantie dafür soll die allgemeine Wehrpflicht dienen. Allerdings entsprach die Bundeswehr diesem Idealbild auch in den Anfangsjahren nie zur Gänze, da Wehrunfähige, Verweigerer und Ausländer in ihren Reihen fehlten. Inzwischen ist allerdings eine Entwicklung eingetreten, die die Bundeswehr nicht als Spiegel, sondern als Zerrspiegel der (männlichen) Gesellschaft erscheinen lässt. Bereits die weitgehende Wahlfreiheit zwischen Ersatzdiensten und Wehrdienst hat dazu geführt, dass höher gebildete (Abitur), eher sensibel und eher links eingestellte junge Männer neben den klassischen Pazifisten die Wehrpflicht verweigern. Bedingt durch die niedrigen Bedarfszahlen der Bundeswehr und den damit einhergehenden verschärften Musterungskriterien und vermehrten Ausnahmeregelungen fehlen inzwischen außerdem neben verheirateten und älteren jungen Männern in den Reihen der Wehrpflichtigen auch die bedingt Tauglichen und diejenigen, die diese Regeln für sich zu nutzen wissen, um jeden Dienst zu vermeiden.
Wie verzerrt das Spiegelbild ist, zeigt auch die geografische Herkunft der Soldaten. So werden 40 % der Wehrpflichtigen und auch 30 % der Zeit- und Berufssoldaten aus Ostdeutschland gewonnen. Bei den Nachwuchsoffizieren sind es sogar inzwischen 60 % und bei dem Unteroffiziernachwuchs 80 %[14]. Der Grund für das starke Übergewicht Ostdeutschlands liegt an der Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber für Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit.
Die Attraktivität steigt aber auch mit abnehmender Bildung. So sind es vor allem g
Deutsche Demokratische Republik
Durch die Verfassungsergänzung von 1955 und die Verteidigungsgesetzgebung aus dem Jahre 1961 vorbereitet, erfolgte mit dem Gesetz vom 24. Januar 1962 die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in der DDR. Sie betraf alle männlichen Bürger der Republik zwischen dem 18. und dem vollendeten 50. Lebensjahr und wurde durch einen 18-monatigen Grundwehrdienst bei der NVA, dem Wachregiment Feliks Dzierzynski oder der Bereitschaftspolizei erfüllt, mit Zustimmung des Wehrpflichtigen (zumindest in den 1980er Jahren) auch in den Grenztruppen. Zusätzlich musste jeder Wehrpflichtige damit rechnen, nach Ableistung des Grundwehrdienstes einmal oder mehrmals zu dreimonatigen Reservistenübungen einberufen zu werden.
Auf Anordnung des nationalen Verteidigungsrates der DDR wurde ab dem 7. September 1964 religiös gebundenen Bürgern die Möglichkeit eines waffenlosen Wehrdienstes in der NVA gegeben. Diese als Bausoldaten oder auch Spatensoldaten bezeichneten Angehörigen der NVA hatten meist die Aufgabe, Arbeitsleistungen im militärischen und öffentlichen Bauwesen zu erbringen. Sie wurden nicht an Waffen ausgebildet und hatten statt eines Fahneneides nur ein Gelöbnis abzulegen. Bausoldaten mussten während ihrer Dienstzeit, aber auch hinterher mit Schikanen rechnen. Ein Dienst als Bausoldat hatte negative Auswirkungen auf die Ausbildungschancen, ein Studienplatz blieb oft verwehrt. Ein ziviler Ersatzdienst war nicht möglich.
Quellen
- Zweites Zivildienstgesetzänderungsgesetz (2.ZDGÄndG) (PDF-Datei; 2,78 MB)
- Bericht bei stern.de
Einzelnachweise
- ↑ Pressemitteilung der Familienminsterin Chistina Schröder
- ↑ Bundesgesetzblatt Nr. 51/2004 vom 29. September 204
- ↑ SPD-Parteitag: Die wichtigsten Beschlüsse | ZEIT online
- ↑ taz:SPD erfindet freiwillige Wehrpflicht
- ↑ Tagesschau:Guttenberg will die Wehrpflicht aussetzen (Zugriff am 23. August 2010)
- ↑ Tagesschau: CDU-Präsidium für Aussetzung der Wehrpflicht
- ↑ http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=4074
- ↑ http://www.zentralstelle-kdv.de/z.php?ID=208
- ↑ Bsp.: WDR: Neuanfang oder Zapfenstreich und Pflegekollaps, 1. November 2009
- ↑ „5plus1“: Das gesamte Modell findet sich unter der Homepage http://www.fuenfpluseins.de online zum download.
- ↑ Die Zahlenangaben bei Bundeswehr.de
- ↑ BVerfGE 12, 45 <52 f.>; 48, 127 <161, 165>
- ↑ Die Schule der männlichen Nation
- ↑ taz.de - Archiv
Siehe auch
- Hauptartikel Wehrpflicht
- Geschichte der Bundeswehr
- Wehrdienst
- Weißer Jahrgang
- Totalverweigerung
- Frauen im Militär
- Einteilungswerk
Literatur
- Andreas Ahammer, Stephan Nachtigall: 5 plus 1 - Wehrpflicht der Zukunft im Gesellschaftsdienst. Nomos, Baden Baden 2009, ISBN 978-3-8329-4710-1.
- Detlef Bald: Wehrpflicht – Der Mythos vom legitimen Kind der Demokratie. In: E. Opitz, F. S. Rödiger (Hrsg.): Allgemeine Wehrpflicht. Bremen 1994.
- Menschenrecht, Bürgerfreiheit, Staatsverfassung. Kamp, Bochum 1964, ISBN 3-592-87010-6.
- Detlef Bald: Die Wehrpflicht, das legitime Kind der Demokratie? In: SOWI-Arbeitspapier Nr. 56. München 1991.
- Jürgen Kuhlmann, Ekkehard Lippert: Wehrpflicht ade? In SOWI-Arbeitspapier. Nr. 48. München 1991.
- Paul Klein (Hrsg.): Wehrpflicht und Wehrpflichtige heute. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1991.
- Roland G. Foerster (Hrsg.): Die Wehrpflicht: Entstehung, Erscheinungsformen und politisch-militärische Wirkung. München 1994, ISBN 3-486-56042-5.
- Wehrpflicht – Pro und Contra. In: Sicherheit und Frieden. Heft 2. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1995.
- Jürgen Groß: Armee der Illusionen, Die Bundeswehr und die allgemeine Wehrpflicht. In: Hamburger Beiträge zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik. Heft 105, Hamburg 1997, ISSN 0936-0018.
- Jürgen Groß, Dieter S. Lutz: Wehrpflicht ausgedient?. In: Hamburger Beiträge zur Friedensforschung und Sicherheitspolitik. Heft 103. Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Hamburg 1996.
- Matthias Sehmsdorf: Wehrpflicht versus Freiwilligenarmee. Kovac 1996, ISBN 3-86064-698-2.
- Heinz Magenheimer: Zur Frage der allgemeinen Wehrpflicht. Schriften der Landesverteidigungsakademie. Wien 1999, ISBN 3-901328-38-6.
- Armin A. Steinmann, Dietmar Schössler (Hrsg.): Wehrhafte Demokratie 2000 – zu Wehrpflicht und Wehrstruktur. In: Wehrdienst und Gesellschaft. Band 5. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1999, ISBN 3-7890-6298-7.
- Ute Frevert: Die kasernierte Nation. Beck, München 2001, ISBN 3-406-47979-0.
- Andres Prüfert (Hrsg.): Hat die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland eine Zukunft? Zur Debatte um die künftige Wehrstruktur. Nomos, Baden-Baden 2003, ISBN 3-8329-0311-9.
- Christian Herz: Kein Frieden mit der Wehrpflicht – Entstehungsgeschichte, Auswirkungen und Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht. Agenda, Münster 2003, ISBN 3-89688-165-5.
- Florian Birkenfeld: Die Wehrpflicht in Deutschland. Kosten, Vergleich, Perspektiven. Müller, Saarbrücken 2006, ISBN 3-86550-181-8.
- Niema Movassat: Abschied von der Wehrpflicht?. München 2007, ISBN 3-638-66331-0.
- Jens Fleischhauer: Wehrpflichtarmee und Wehrgerechtigkeit. Die Verfassungsmäßigkeit der allgemeinen Wehrpflicht im Blickwinkel sicherheitspolitischer, gesellschaftlicher und demographischer Veränderungen. Kovac, Hamburg 2007, ISBN 978-3-8300-3233-5.
Weblinks
- Wehrpflichtgesetz (Deutschland)
- Wehrpflichtgesetz sowie Text und Synopsen seiner aktuellen Änderungen