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Arthur Kronfeld

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Arthur Kronfeld (* 9. Januar 1886 in Berlin; † 16. Oktober 1941 in Moskau) war ein deutscher Psychiater.

Als Psychotherapeut und Psychologe sowie als Sexualwissenschaftler und Wissenschaftstheoretiker war Arthur Kronfeld ein ungewöhnlich breit gebildeter jüdischer Arzt mit zudem künstlerischen Neigungen, Dr.med. et phil., Professor an der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin und am Neuropsychiatrischen Forschungsinstitut Gannuschkin in Moskau, wo er unter ungeklärten Umständen durch gemeinsamen Suizid mit seiner Frau ums Leben kam.

Leben

1886-1904 Kindheit und Jugend

Geboren wurde Arthur Kronfeld als erstes von vier Kindern des Rechtsanwalts Dr. jur. Samuel "Sally" Kronfeld aus Thorn, Sohn eines jüdischen Cantors sowie Königlicher Justizrat in Berlin seit 1894, und seiner Frau Laura, Tochter des Kölner Kommerzienrats und Stadtverordneten Benjamin Liebmann. Zu Elternhaus, Kindheit und Jugend ist wenig bekannt. - Seine 1904 geborene Schwester Minnie erlangte unter ihrem späteren Namen Minnie Maria Dronke in ihrem Exil in Neuseeland einige Bekanntheit.

1904-1909 Studienzeit

1904 Primus des Sophiengymnasiums in Berlin-Mitte; erste bekannte Publikation Goethe und Haeckel zum 70. Geburtstag des zweiten und Beginn einer langjährigen Freundschaft mit dem Jurastudenten und späteren Schriftsteller Kurt Hiller, dem Pionier des Literarischen Expressionismus.

Medizinstudium in Jena, München, Berlin (über sein erstes, 1906 publiziertes und Ernst Haeckel gewidmetes Buch mit einer evolutionstheoretischen Abhandlung über Sexualität und ästhetisches Empfinden früher Kontakt mit Magnus Hirschfeld; ab 1907 lebenslange Freundschaft mit dem aus Berlin stammenden Philosophen Leonard Nelson mit intensivem Engagement in dessen Kreis, der auch von Göttinger Mathematikern wie Carl Runge, Ernst Zermelo, Felix Klein und Hermann Minkowski, vor allem aber von David Hilbert geschätzten Neuen Fries'schen Schule und daraus erwachsenen Jakob Friedrich Fries Gesellschaft - in dieser vor dem 1. Weltkrieg stellvertretender Vorsitzender und Schriftführer - mit Alexander Rüstow, Arnold und Bertha Gysin, Carl Brinkmann, Ernst Blumenthal, Franz Oppenheimer, Gerhard Hessenberg, Hans Mühlenstein und Rademacher, Heinrich Goesch, Iris Runge, Karl Kaiser, Kurt Grelling, Ludwig Ruben, Marcel T. Djuvara, Max Born, Michael Kowalewsky, Otto Apelt, Paul Bernays, Richard Courant, Rudolf Otto, Walter Ackermann, Alleweldt, Baade und Dubislav sowie vieler anderer, in der K. vor allem seinen zwei Jahre älteren Kommilitonen und späteren Nobelpreisträger Otto Meyerhof kennen- und schätzen lernte; später auch Mitglied in der von Nelson 1918 neben dem IJB gegründeten Gesellschaft der Freunde der Philosophisch-Politische Akademie, die ihrerseits Trägerin des 1924 eröffneten Landerziehungsheim Walkemühle war, mit Kontakten bis in den 1926 gegründeten ISK und den weiteren Umkreis Nelsons mit Erna Blencke, Georges Schaltenbrand, Grete Henry-Herrmann, Gustav Heckmann, Heinrich Düker, Julius Kraft, Mary Saran, Max Hodann, Minna Specht, Otto Lowenstein, Willi Eichler u.a.), Abschluss des Studiums 1908 in Heidelberg, wo er u.a. Viktor von Weizsäcker kennen lernte, den er mit Meyerhof und wahrscheinlich auch mit den Schriften von Sigmund Freud bekannt machte, und medizinisches Staatsexamen dort 1909.

1909-1919 Erste Bewährungen

Feuerwerk in Heidelberg

Fachausbildung als Medizinalpraktikant am Berliner Städtischen Krankenhauses Moabit unter Georg Klemperer und an der Großherzoglichen Psychiatrischen Universitätsklinik in Heidelberg unter Franz Nissl; von diesem fast auf den Tag genau ein Jahr nach Karl Jaspers am 7. Dezember 1909, eine Woche nach seinem Freund Meyerhof, der den dritten Teil Zur Psychologie des Wahns seines Buches Beiträge zur psychologischen Theorie der Geistesstörungen als Dissertation vorgelegt hatte, mit einer bei Emil Freiherr von Dungern am Krebsforschungsinstitut Heidelberg unter Vinzenz Czerny durchgeführten Studie zur soeben entwickelten Wassermann'schen Reaktion auch promoviert und zum 1. Juni 1910 als zunächst etatmäßiger Assistent angestellt, nach Ableistung seines Militärdiensts 1911/12 u.a. bei den Gardekürassieren in Berlin als Volontärsassistent tätig - zusammen mit Karl Wilmanns, Hans Walter Gruhle, August Homburger, Otto Ranke, Albrecht Wetzel sowie Martin Pappenheim und Karl Jaspers, wobei er sich zusammen mit Jaspers, Gruhle sowie Meyerhof und dessen Freund Otto Warburg, unter Teilnahme des damaligen Medizinstudenten Wladimir Eliasberg zunächst der Analyse der psychologischen Theorien Freud's und verwandter Anschauungen widmete, deren sogar in den USA dann registrierte Ergebnisse er bereits Ende 1911 publizieren und 1913 auch in einer russischen Übersetzung in Moskau herausbringen konnte. 1912 weitere Promotion zum Dr.phil. mit einer als Student in Berlin bei Theodor Ziehen schon begonnenen experimentalpsychologischen Assoziationsstudie zum Mechanismus der Auffassung bei dem Philosophen August Messer in Gießen.

Während der Heidelberger Jahre auch kurzzeitig intensiveres Engagement im Rahmen des literarischen Frühexpressionismus mit Gedichten, Essays und Buchbesprechungen in Die Aktion von Franz Pfemfert, Der Sturm von Herwarth Walden, Saturn von Hermann Meister und Herbert Grossberger, Der Kondor von Kurt Hiller und Die Argonauten von Ernst Blass; über Hiller und seinen Berliner Neuen Club auch bekannt oder befreundet mit Georg Heym, Jakob van Hoddis (Begutachtung 1912), Erwin Loewenson (Golo Gangi), David Baumgardt, Friedrich Schulze-Maizier, sowie mit Alexandra Ramm-Pfemfert und Else Lasker-Schüler, in Heidelberg mit Gustav Radbruch, Jacob Picard und Friedrich Burschell, wohl auch mit Kurt Wildhagen, dem Bruder von Fritz Wildhagen sowie mit Max Scheler und Otto Buek; 1911 auch Mitarbeit an der Beilage zur Heidelberger Zeitung Literatur und Wissenschaft; in dieser Zeit Freundschaft mit Prinz Rangsit von Siam und Verlobung mit Sophie Rittenberg aus Warschau.

1913 Wechsel nach Berlin an die Städtische Irrenanstalt Wittenau (Humboldt-Klinikum, ehem. Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik) zu Hugo Liepmann mit Ausweitung und Intensivierung seiner wissenschaftstheoretischen Studien über die psychologischen Grundlagen der psychischen Heilkunde und internationale Publikationstätigkeit.

Kriegsfeuer

Im Ersten Weltkrieg Frontarzt u.a. vor Verdun und Douaumont, mehrfach ausgezeichnet; nach einer Kopfverletzung 1917 Versetzung nach Freiburg im Breisgau in das Kriegslazarett der Armeeabteilung B zum Aufbau einer Nervenstation sowie 1918 auch einer Fliegeruntersuchungskommission zur Durchführung flugpsychologischer Untersuchungen. In dieser Zeit Verheiratung mit der aus Berlin stammenden Stenotypistin Lydia Quien. Im November 1918 prominente Rolle im Freiburger Arbeiter- und Soldatenrat, Gründung einer Akademikergewerkschaft und am 11. November geistig führender Abgeordneter im Badischen Landesausschuss in Karlruhe bei der Proklamation der neuen Volksregierung.

1919-1933 Die Erfolge in Berlin

Am Institut für Sexualwissenschsft

Nach kurzer erneuter Tätigkeit bei dem jetzt an der Städtischen Irrenanstalt Herzberge in Berlin-Lichtenberg (Ev. Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge) tätigen Liepmann Mitbegründer und Organisator des am 6. Juli eröffneten Instituts für Sexualwissenschaft von Magnus Hirschfeld mit Friedrich Wertheim sowie später auch August Bessunger und Hans Friedenthal, an dem auch Carl Müller-Braunschweig, Arthur Weil, Bernhard Schapiro, Franz Prange, Ludwig Levy-Lenz, Max Hodann, Ferdinand Freiherr von Reitzenstein, K. Hiller u.a. tätig waren. Während siebenjähriger Tätigkeit dort engagierter Einsatz für die in der Nervenheilkunde Neue Richtung genannte psychologisch-psychotherapeutisch orientierte Bewegung in der gesamten damaligen Medizin mit intensiver Publikations-, Lehr- und Herausgebertätigkeit (1920 das wissenschaftstheoretisches Grundlagenwerk Das Wesen der psychiatrischen Erkenntnis, 1924 das Lehrbuch Psychotherapie, ab 1922 die Reihe Kleine Schriften zur Seelenforschung, die 1928 kurzzeitig von Carl Schneider weitergeführt wurde, mit Autoren wie Theodor Friedrichs, Wilhelm Haas, Walter Lurje, Carl Bruck, Emerich Décsi, Kurt Singer, Gaston Roffenstein, ehem. Rosenstein, Sydney Alrutz, Kurt Hillebrandt, Werner Achelis, Alexander Herzberg und Georg Graf von Arco) sowie organisatorischer Mitarbeit in zahlreichen ärztlichen Vereinigungen, ab 1923 besonders in der Berliner Ärztlichen Gesellschaft für Parapsychische Forschung, in deren engeren Kreis K. 1930 in Anwesenheit von u.a. W. Achelis, Otto Fanta und "Albert Einstein mit Frau und einer weiteren Verwandten" zur Testung des Metagraphologen Otto Reimann beitrug, während er 1931 neben C. Bruck als "wissenschaftlicher Beirat" bei der Testung des 'Hellsehers' Hermann Steinschneider, genannt "Hanussen" teilnahm. Daneben auch persönliche Zusammenarbeit mit zahlreichen Kollegen wie Alfred Storch, Edith Jacobson (Jacobssohn), Ernst Kretschmer, Karl Birnbaum, Ludwig Binswanger, Siegfried Bernfeld, Victor Emil Freiherr von Gebsattel, Walter Schindler, und Schülern wie Erich Sternberg, Franz Baumeyer und Karl Balthasar.

Wissenschaftliche Anerkennung

1926 Niederlassung in eigener Praxis im Bereich des südlichen Tiergartens und Habilitation für Psychiatrie und Nervenheilkunde bei Karl Bonhoeffer mit einer Arbeit über die fundamentale Rolle der Psychologie in der Psychiatrie, so dass K. 1927 als "Vermittler einer Anschauungsweise, die nicht mehr ignoriert werden darf," (Gustav von Bergmann in seinem Habilitationsgutachten) der erste, wegen seiner psychotherapeutischen Qualifikation bestallte Dozent der Charité und damit in Deutschland wurde, als der er 1929 zum evangelischem Glauben konvertierte, 1930 sein ihm selbst wichtigstes Lehrbuch zu den Perspektiven der Seelenheilkunde veröffentlichte, 1931 zum n.b. a.o. Professor ernannt wurde und 1932 noch sein Lehrbuch der Charakterkunde herausbringen konnte.

Parallel dazu unter Federführung von W. Eliasberg beteiligt an der Vorbereitung und Durchführung der ab 1926 jährlich durchgeführten Allgemeinen Ärztlichen Kongresse für Psychotherapie[1] sowie Gründung der Allgemeinen Ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie am 1. Dezember 1927 und ihrer Berliner Ortsgruppe mit Alfred Döblin, Erwin Straus, Fritz Künkel, Johannes Heinrich Schultz, Karen Horney, Max Levy-Suhl und Grünthal, W. Schindler, u.a., ab 1928 auch im Vorstand der AÄGP und im Beirat ihrer Verbandszeitschrift sowie dann ab 1930 nach deren Umbenennung zum Zentralblatt für Psychotherapie in deren Schriftleitung mit J.H.Schultz und Rudolf Allers; daneben und zusätzlich zur Zusammenarbeit mit der Geschäftsführerin des Archivs für Wohlfahrtspflege Siddy Wronsky auch Vorsitzender des Spitzenverbandes der beiden, von F. Künkel resp. Manès Sperber geführten Sektionen der Berliner Ortsgruppe der Internationalen Vereinigung für Individualpsychologie von Alfred Adler und Organisation des V. Internationalen Kongress für Individualpsychologie im Berliner Rathaus sowie zusätzlich Mitarbeit bei der Vorbereitung der Internationalen Hygiene Ausstellung in Dresden 1930/31.

Politik

1931 Kandidatur zur Berliner Ärztekammer als (seit 1926) Mitglied des Vereins sozialistischer Ärzte mit Alfred Döblin, Ernst Simmel, Max Hodann, Ernst Haase, Bruno Cohn, Minna Flake, Karl Löwenthal, Günther Wolf, Annemarie Bieber, I. Klauber und I. Wendriner (nach Unterlagen aus dem Dritten Reich auch SPD-Mitglied). Im Oktober Übernahme der psychotherapeutischen Behandlung von Sina L. Wolkowa, der ältesten Tochter von Leo Trotzki - dargestellt in dem 1985 von Ken McMullen gedrehten Film ZINA - während der Behandlung ihrer Lungentuberkulose in Berlin durch den Pulmologen Wilhelm May (Ernst Mai?).

1932 gutachterlicher Zeuge im Verleumdungsprozess Adolf Hitler gegen Werner Abel in München, Unterzeichnung des von vielen Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Anton Erkelenz, Arnold Zweig, Emil Julius Gumbel, Erich Kästner und Erich Zeigner, Ernst Toller, Franz Oppenheimer, Hanns-Erich Kaminski, Heinrich Mann, Helene Stöcker, Karl und Käthe Kollwitz, Kurt Großmann, Maria Hodann, Minna Specht, Otto Lehrmann-Rußbült, Kurt Großmann, Pietro Nenni, Theodor Hartwig und Theodor Plivier, Vitus Heller, Walter Hammer, Willi Eichler u.a. mitgetragenen Dringenden Appell des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes von L. Nelson zum "Aufbau einer einheitlichen Arbeiterfront" gegen "die Vernichtung aller persönlichen und politischen Freiheiten" durch die Nationalsozialisten, und Übernahme eines der Hauptreferate über Die Bedeutung Kierkegaards auf dem X. Internationalen Kongress für Psychologie in Kopenhagen.

1933-1941 Niedergang und Exil (Schweiz, UdSSR)

Der systematischen Ausschaltung aller jüdischen Stimmen aus dem öffentlichen Geistesleben in Deutschland durch die nationalsialischtische Regierung ab 1933 versuchte er auf seine Weise dadurch entgegen zu wirken, dass er in Zusammenarbeit mit Wilhelm Stekel in Wien mit der Herausgabe der Zeitschrift Psychotherapeutische Praxis eine Alternative zu dem unter der Schirmherrschaft von Carl Gustav Jung von "deutschen Psychotherapeuten" beherrschten Zentralblatt für Psychotherapie etablierte, unterstützt von namhaften Vertreter der psychischen Heilkunde aus ganz Europa wie zuletzt Eugeniu Sperantia, Helgi Tomasson, John Eugen Staehelin, J. E. Galant, L. van der Horst, N. P. Bruchanski, Oluf Brüel, Oskar Forel, Poul Bjerre und Walter Morgenthaler. 1935 entschloss jedoch auch er sich zur Emigration, nachdem ihm auch noch die Lehrbefugnis an der Berliner Universität entzogen worden war. Er konnte mit seinem gesamten Hausstand, zu der eine wegen ihres Umfangs wertvolle Fachbibliothek gehörte, in die Schweiz ziehen, wo er am bekannten Sanatorium Les Rives des Prangins von O. Forel kurzzeitig Anstellung fand, bevor er 1936 unter dem Druck eines Ausweisungsultimatums durch die Schweizer Behörden einen von seinem ehemaligen Berliner Schüler Erich Sternberg in Moskau und Sergius Begotzki (Bagocki) als Vertreter der UdSSR in der Schweiz vermittelten Ruf an das Neuropsychiatrische Wissenschaftliche Zentralinstitut für Fortbildung in Moskau annahm. Dort wurde er am Psychiatrischen Forschungsinstitut P. B. Gannuschkin Leiter der Abteilung für experimentelle Therapie und führte hier die in der Schweiz bei Max Müller erlernte Insulinschocktherapie als versuchsweise Behandlungsmethode von Schizophrenen ein.

1937 erhielt er zusammen mit seiner Frau die sowjetische Staatsbürgerschaft, während in Deutschland die Gestapo dafür sorgte, dass ihm die Approbation entzogen und sein medizinischer Doktorgrad von der Medizinischen Fakultät in Heidelberg aberkannt wurde. Bald auch begann auf Russisch wieder zu zu publizieren und Vorlesungen zu halten, bevor er 1939 zum Direktor der Abteilung für experimentelle Pathologie und Therapie der Psychosen ernannt wurde. Nach dem Überfall der Sowjetunion 1941 wurde er ein letztes Mal politisch aktiv: in Radiosendungen, auf der antifaschistischen Versammlung von zweitausend sowjetischen Wissenschaftlern am 12. Oktober 1941 in Moskau mit ihrem weltweiten Aufruf "an die Wissenschaftler und Kopfarbeiter der gesamten Welt" zum "Kampf gegen die Hitlerdiktatur, dem verschworenen Feind aller Kultur und Wissenschaft", und mit einer 1993 in Russland wieder aufgelegten, ursprünglich möglicherweise für das ZK der KPdSU verfassten Darstellung der Persönlichkeit prominenter Nazigrößen als "Degenerierte", in der er unter Namensnennungen auch intime Details über Adolf Hitler und seine Entourage enthüllte (s. Lothar Machtan: Hitlers Geheimnis, Fischer 2003, S. 405).

Vielleicht in Fehleinschätzung der Lage angesichts der zunächst überwältigend erfolgreichen deutschen Herbstoffensive gegen Moskau, oder wegen der vom Volkskommissariat für Gesundheit erlassenen Anordnung, gemäß der er sich dem Chefarzt des Psychiatrischen Krankenhauses in Tomsk hätte "zur Verfügung stellen" sollen, gemeinsamer Suizid mit seiner Frau am für Moskau denkwürdigen 16. Oktober 1941 durch Einnahme einer großen Dosis Veronal, deren Folgen nach Entdeckung durch Andrei Wladimirowitsch Sneschnewski nicht mehr rückgängig zu machen waren.

Sein publizierter "Nachlass" umfasst rund 200 Facharbeiten und weit über 500 Rezensionen. In Russland gilt er als Klassiker der Psychiatrie.

Werke (Auswahl)

  • Sexualität und ästhetisches Empfinden in ihrem genetischen Zusammenhang - Eine Studie. Strassburg 1906
  • Über die psychologischen Theorien Freuds und verwandte Anschauungen - Systematik und kritische Erörterung. Leipzig 1912 (Übers.: Moskau 1913) s.a.E. Fr.
  • Psychologische und neurologische Erfahrungen als Frontarzt. (Als Ms. gedruckt, zur Veröffentlichung von der Militärbehörde nicht freigegeben) Berlin 1918
  • Untersuchungen über die psychische Eignung zum Flugdienst. (zus. mit W. Benary, E. Stern und O. Selz) Leipzig 1919
  • Das Wesen der psychiatrischen Erkenntnis - Beiträge zur allgemeinen Psychiatrie I. Berlin 1920
  • Über psychosexuellen Infantilismus - eine Konstitutionsanomalie. Leipzig 1921 (Bd. 1, Sexus - Monographien aus dem Institut für Sexualwissenschaft, hrsg. v. M. Hirschfeld)
  • Über Gleichgeschlechtlichkeit. Stuttgart 1922 (Bd. 2 der Kleinen Schriften zur Seelenforschung, hrsg. v. A. Kronfeld)
  • Das seelisch Abnorme und die Gemeinschaft. Stuttgart 1923 (Band 6, ebd.)
  • Sexualpsychopathologie. Leipzig 1923 (in: Handbuch der Psychiatrie, hrsg. v. G. Aschaffenburg)
  • Anilinctio [u. a. zahlr. Beiträge]. Bonn 1923 (in: Handwörterbuch der Sexualwissenschaft, hrsg. v. M. Marcuse; 2. stark verm. Aufl. 1926)
  • Hypnose und Suggestion. Berlin 1924 (Reihe: Wege zum Wissen Nr.11; Übers.: Leningrad 1925, Moskau 1927; Prag 1931; Tallinn 1991)
  • Psychotherapie - Charakterlehre, Psychoanalyse, Hypnose, Psychagogik. Berlin 1924 (2. verb. u. erw. Auflage 1925)
  • Allgemeine Übersicht über die psychophysischen Funktionen und Funktionsanomalien der Sexualität des Menschen. Berlin 1926 (in: Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie, hrsg. v. A. Bethe u.a.)
  • Die Individualpsychologie als Wissenschaft. Ihre Formen und ihre Beziehungen zur Psychologie der Gegenwart. München 1926 (in: Handbuch der Individualpsychologie, hrsg. v. E. Wexberg)
  • Die Psychologie in der Psychiatrie - Eine Einführung in die psychologischen Erkenntnisweisen innerhalb der Psychiatrie und ihre Stellung zur klinisch-pathologischen Forschung. Berlin 192 (Habilitationsschrift; engl. Übers. 1936);
  • Psychagogik oder psychotherapeutische Erziehungslehre. Leipzig 1927 (in: Die psychischen Heilmethoden, hrsg. v. K. Birnbaum)
  • Zur phänomenologischen Psychologie und Psychopathologie des Wollens und der Triebe. Berlin 1927 (in: Jahrbuch der Charakterologie, hrsg. v. E. Utitz)
  • Das Sexualsystem in individual- und konstitutionsbiologischer Hinsicht. (zus. m. E. Sternberg) Berlin 1927/1930 (in: Die Biologie der Person - Hdb. allg. u. spez. Konstitutionslehre, hrsg. v. Th. Brugsch u.a.)
  • Perspektiven der Seelenheilkunde. Leipzig 1930
  • Aktpsychologie [u.a. zahlr. Beiträge]. Leipzig 1930 (in: Handwörterbuch der medizinischen Psychologie, hrsg. v. K. Birnbaum)
  • Der Sinn des Leidens. in: J. Wach u.a.: Das Problem der Kultur und die ärztliche Psychologie - Sechs Vorträge zu Freuds "Unbehagen in der Kultur", gehalten im Wintersemester 1930/31. Vorträge des Instituts für Geschichte der Medizin an der Universität Leipzig Band 4. Leipzig 1931
  • Lehrbuch der Charakterkunde. Berlin 1932
  • Sozialtherapie und Psychotherapie in den Methoden der Fürsorge. (zus. mit S. Wronsky), Berlin 1932
  • Hrsg. mit W. Stekel: Psychotherapeutische Praxis - Vierteljahresschrift für praktische ärztliche Psychotherapie. Wien 1934-1936/37
  • Gegenwärtige Probleme der Lehre der Schizophrenie] (russ.), Moskau 1936
  • Zur Insulinschockbehandlung der Schizophrenie] (russ.) Moskau 1938
  • Die Entwicklung des Schizophreniekonzepts vor Kraepelin] (russ), Moskau 1939
  • Probleme der Syndromologie und Nosologie der gegenwärtigen Psychiatrie] (russ.), Moskau 1940
  • Träume und Halluzinationen - Zum Problem der Lokalisierung und Neurodynamik der Syndrombildung] (russ.), Moskau 1940
  • Degenerati u wlasti [Degenerierte an der Macht], Moskau 1941, Krasnojarsk 1941, Magadan 1942, repr. Moskau 1993 - m.d.T. Krowawaja schajka degeneratow [Die blutige Bande der Degenerierten] auch: Swerdlowsk 1942.