Westliche Xia-Dynastie
Die Tanguten gründeten 982 das Reich Xi Xia bzw. Westliche Xia (西夏 Xī Xià) in der chinesischen Provinz Gansu und Ningxia.
Das war ein Vielvölkerstaat, bestehend aus Tanguten, Uiguren, Chinesen und Tibetern. Die Führungsspitze des Staates bildeten Tanguten, das waren Nachkommen der Tabgatsch und der Tuyuhun. Es gab in ihrem Staat entsprechend der geographischen Gegebenheiten verschiedene Lebensweisen: sowohl Ackerbauern, als auch Karawanenhändler, Nomaden und Halbnomaden. Die Tanguten entwickelten auch eine eigene Schrift. Das Tangutische gilt als Vorläufer der Sprache der Qiang, einer Minderheit die in Sichuan, die aber ursprünglich aus Qinghai stammt.
Das Tangutenreich Xi Xia war aufgrund der Schwäche der Song-Dynastie seit dem 11. Jahrhundert von China unabhängig, aber de facto ein Satellit der chinesischen Kultur. Es vermittelte den Handel und Schmuggel entlang der Seidenstraße, Haupthandelspartner war dabei China. 1044 mußte sich Song-China sogar zu Tributzahlungen (Seide, Silber, Tee) an die Tanguten verpflichten. Im Jahr 1226/27 wurde der Staat Xi Xia von den Mongolen beseitigt.
Geschichte von Xi Xia
Anfänge
Die Anfänge der Tanguten lagen im 7. Jahrhundert im Distrikt Hsia-chou, einem Flecken an der Großen Mauer südlich des Ordos-Plateau. Damals dominierten dort noch die Tibeter, die 680 in Konkurrenz zu den Tang die gesamte Region absorbierten. Noch hundert Jahre später, 786 verzeichnet man eine Invasion der Tibeter in Hsia-chou. Neben den Tibetern hatten die Tanguten noch die Uiguren, die Tuyuhun, die Sha-t´o (Shatuo) und natürlich die Chinesen als Nachbarn.
Der Aufstieg der Li-Sippe
Das Herrscherhaus leitete sich von den Tabgatsch ab, d.h. einem gewissen T´o-pa Ssu-kung († 895) und den Nachkommen seiner Brüder. Die Löslösung von China begann mit Li Jen-fu (reg. 909-33), der 909 eine Invasion der Sha-t´o (Shatuo) aufhielt und sich sicherheitshalber Liang-China unterwarf. Sein Sohn Li I-ch´ao (reg. 933-35) behauptete sich gegen eine erneute militärische Einmischung der Sha-t´o, die als sogenannte Spätere Tang-Dynastie 923-36 Nordchina beherrschten. Auf Li I-ch´ao folgte sein Bruder Li I-yin (reg. 935-67), der 943 eine Rebellion seiner Verwandten überstand und in seiner langen und vorsichtigen Regierung mit chinesischen Ehrentiteln überhäuft wurde. Zu dieser Zeit bildete der Pferdeverkauf ins umsturzgeplagte China die wesentliche Wohlstandsgrundlage.
Neugründung
Der Umschwung begann mit dem Aufstieg der Sung-Dynastie (960-1279) in China, der mit einem Nachfolgeproblem bei den Tanguten (981/82) zusammenfiel. Der Sohn von Li kuang-jui (reg. 967-78) war minderjährig, es regierte sein Onkel Li chi-peng für ihn, welcher 982 zur Reise an den Kaiserhof in Kaifeng gezwungen wurde.
Gegen die chinesische Einmischung erhob sich jedoch ein entfernter Cousin, Li chi-chien (*963, †1004), ein Abenteuer, der rechtzeitig vor den Sung floh und sie mittels diverser Attacken verbündeter Clans schließlich Stück um Stück zurückdrängte. Wesentlich dabei war, dass die Sung-Dynastie auf Handelsbeschränkungen (Pferde, Metall, Salz) an der Grenze setzte, was die Clans erbitterte und Li chi-chien Zulauf verschaffte. 994 verlor er zwar Hsia-chou an die Sung, konnte aber im März 1002 die westlicher gelegene Stadt Ling-chou erobern, was die Sung schließlich vom fait accompli überzeugte und zum Frieden führte. Ling-chou wurde unter diversen Namen neue Hauptstadt.
Die ersten Tangutenkaiser
Li chi-chien (*963, †1004) gilt im Nachhinein als Dynastiegründer, als Taizu. Er war aber zunächst nur den Liao nachgeordnet, denen er sich 986 unterwarf (Heiratsallianz 989). Im Jahr 1003 versuchte er die Stadt Liang-chou anzugreifen, die von P´an-lo-chih († 1004) dem Chef der tibetischen Liu-ku und Che-lung kontrolliert wurde. Aber die Tibeter traten für ihren Verbündeten ein und brachten Li chi-chien Anfang 1004 um Sieg und Leben.
Ihm folgte sein Sohn Li Te-ming (*989, reg. 1004-32). Dieser Herrscher ging gegen die Uiguren, speziell die Uiguren in Kan-chou (Ganzhou) vor, was er nach mehreren erfolglosen Feldzügen 1028 einverleiben konnte. Die Liang-chou-Tibeter vertrieben 1015 seine Armee, welche Liang-chou nur kurzzeitig besetzen konnte. Aber die Wirtschaft der Tanguten belebte sich, 1007 ließen die Chinesen wieder einen Handels-Markt zu, 1026 wurden auch private Märkte in den Grenzprovinzen erlaubt. Nur beim Salzhandel hatte man wenig Chancen.
Der dritte Herrscher war Li yüan-hao (reg. 1032-48), welcher das Tangutenreich zum vorläufigen Machthöhepunkt führte. Der stolze und ehrgeizige Sohn Li Te-mings konnte im Winter 1032 schließlich Liang-chou erobern. Danach ging er 1035/36 erfolglos gegen die Tibeter (Chin-tang- bzw. Tsung-ko-Tibeter) vor.
In seiner Jugend hatte Li yüan-hao buddhistische Texte zu verschiedenen Themen studiert, was sich nun in vielen Reformvorhaben niederschlug. Eines davon war die Entwicklung einer tangutischen Schrift durch den Gelehrten Yeh-li Jen-jung gegen 1036. Ein weiteres die Disziplinierung der 150- bis 300 000 Mann zählenden und bis dato recht dezentral (d.h. nach dem Gutdünken der Clanchefs) organisierten Armee durch mehrere Vorschriften. Die militärische Verwaltung wurde in 12 Distrikte gegliedert.
Schließlich legte sich Li yüan-hao mit Sung-China an, als er im diplomatischen Verkehr eine Gleichstellung mit dem Liao-Kaiser forderte und 1038 seine eigene (Xia-)Dynastie ausrief. Der Sung-Kaiser wollte ihm aber nur den Titel chu zugestehen, der zwar mehr als wang, aber weniger als huang-ti war. Die Tanguten siegten im Krieg 1039-44 zwar in drei größeren Schlachten, erschöpften aber ihre Kräfte, zumal auch die Liao gegen sie standen. Schließlich gab sich Li yüan-hao mit dem Titel chu zufrieden, erhielt aber relativ hohe Tributzahlungen an Seide, Silber und Tee (1044).
Li yüan-hao wurde im Zusammenhang mit Familienstreitigkeiten (Degradierung der ersten Kaiserin aus der Yeh-li-Sippe und ungeklärte Nachfolgefrage) ermordet. Er hatte keinen gleichwertigen Nachfolger und der Staat stagnierte.
Untergang
Der Aufstieg des Jin-Reiches der Jurchen brachte die Tanguten in Schwierigkeiten und schnitt sie vom einträglichen Handel mit Südchina ab. Gleichwohl kontrollierten sie noch einen bedeutenden Abschnitt der Seidenstraße und stellten damit ein lohnendes Ziel für die Mongolen Dschingis Khans dar, der Li Anquan (reg. 1206-11) nach erfolgloser Belagerung seiner Hauptstadt 1209/10 einen schweren Tributfrieden und Heeresfolge auferlegte.
Die Tribute waren offenbar zu hoch, denn es gab einen großen Mangel an Kamelen, was Handel und Wirtschaft schädigte. Im Jahr 1226/27 rebellierten die Tanguten unter dem langjährigen Kanzler Asagambu, aber die kriegserprobten Mongolen unter ihrem damals schon todkranken Reichsgründer blieben in offener Feldschlacht auf dem vereisten Hoang-ho siegreich, eroberten sämtliche Städte und massakrierten die Einwohner. Der letzte Tangutenherrscher wurde sofort nach der Kapitulation der Hauptstadt hingerichtet.