Weltreligion

Bei der Bezeichnung Weltreligion handelt es sich um einen Begriff, der ein grobes Raster über vielfältige Religionen stülpt, die sich beispielsweise durch die hohe Anzahl ihrer Anhänger, die überregionale Verbreitung und/oder ihren universalen Anspruch auszeichnen.
Eine klare Definition ist schwer zu leisten und daher sind Auflistungen der Weltreligionen stets einer gewissen Willkür unterworfen.
In der Religionswissenschaft wird die Anwendung des Begriffes vermieden, um Definitionsproblemen zu entgehen.
Weltreligionen
Die folgenden fünf Religionen werden im allgemeinen als Weltreligion bezeichnet:
Während Christentum und Islam aktive Missionierung betreiben, ist dies in Buddhismus, Hinduismus und jüdischer Religion nicht der Fall. In den beiden letzteren ist auch heute noch das Hineingeboren werden in die Gemeinschaft der übliche Weg, Hindu bzw. Jude zu werden. In diesem Sinne liegt eine gewisse Koppelung an die Sozialstruktur vor: im Judentum ist vom "auserwählten Volk" die Rede, im Hinduismus ist die Ethik an die Kastenzugehörigkeit gebunden. Aus diesem Grunde ist es nachvollziehbar, dass der Hinduismus trotz der höhen Anzahl der Gläubigen regional stark gebunden ist. Die religöse Institutionalisierung ist im Hinduismus relativ wenig ausgeprägt. Das Judentum hat insofern eine Sonderstellung, da ein Großteil der Juden im 20. Jahrhundert durch den Holocaust vernichtet wurden und das Judentum die Wurzeln der beiden Weltreligionen Christentum und Islam darstellt. Eine Konversion zur jüdischen Religion (Gijur) ist prinzipiell möglich, wenngleich keine aktive Missionierung betrieben wird.
Aufgrund des universellen Anspruchs kann jeder Interessierte einer Weltreligion beitreten. Da keine Verbindung mit Verwandtschaftstrukturen vorliegt, ist nicht die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stamm, Klan oder Volk erforderlich. Die wesentlichen Inhalte der Religion sind kanonisiert und liegen als Heilige Schrift vor. Theologische Reflexion und metaphysische Spekulation gehören zum Wesen einer Weltreligion. Bei den meisten Weltreligionen haben sich im Laufe der Zeit religiöse Institutionen herausgebildet. Zu der Frage, wieviele Anhänger eine Religion haben muss, um als Weltreligion zu gelten, gibt es keinen Konsens. Verschiedentlich wird auch das Alter einer Religion als Kriterium genannt (demnach werden im 19./20. Jh. entstandene Religionen als Neue religiöse Bewegungen definiert).
Eine minimalistische Auffassung des Begriffes Weltreligion würde nur den Buddhismus, das Christentum und den Islam umfassen: der universelle Geltungsanspruch war bereits bei Gründung der Religion präsent, eine weltweite Verbreitung liegt vor, die Anzahl der Anhänger ist sehr hoch und die Religion ist bereits sehr alt.
Erweitertes Schema:
Von etlichen Wissenschaftlern wird aufgrund seiner großen Bedeutung in China und Korea auch der Daoismus dazugezählt. Die Einordnung des Konfuzianismus ist insofern umstritten, als der religiöse Konfuzianismus nicht sehr viele Anhänger aufweist. Es wird auch darauf hingewiesen, dass das westliche Verständnis von Religion beim Konfuzianismus (der primär eine Sittenlehre ist) ohnehin nicht ganz greift. Vereinzelt werden die Baha'i aufgeführt, jedoch nur von Autoren, die nicht alle Religionen, die nach dem Sikhismus entstanden sind, grundsätzlich als Neue religiöse Bewegungen einklassifizieren. Ohne Zweifel handelt es sich bei den Baha'i um eine Religion mit universellem Anspruch, religiösen Institutionen, einer heiligen Schrift etc. Lediglich die nicht sehr hohe Anhängerschaft spricht gegen ein Hinzurechnen zu den Weltreligionen. Beim Sikhismus wird der universelle Anspruch in Zweifel gezogen.
Die Argumente zeigen, dass der Begriff "Weltreligion" nicht sehr trennscharf ist bzw. inkonsequent angewandt wird. In der Religionswissenschaft wird der Begriff Weltreligion aus diesem Grunde immer mehr ersetzt durch Religionen der Welt. Dieser orientiert sich primär an der Anzahl der Anhänger und schließt schriftlose Religionen nicht aus. Der Begriff der Weltreligion hingegen setzt auf die Begriffe Buchreligion und Hochreligion auf.
Forschungsgeschichte
Der Soziologe Max Weber definiert 1915 fünf Weltreligionen: die konfuzianische, hinduistische, buddhistische, christliche und islamische Ethik. Als sechste Religion komme das Judentum mit hinzu, weil es für das Verständnis der beiden letzten Religionen wichtig sei. Auf den Daoismus geht er ein, jedoch bezeichnet er ihn als "Heteredoxie" zum Konfuzianismus.
Der Religionswissenschaftler Gustav Mensching betont 1938, dass in der Frühgeschichte des Menschen die Volksreligionen, die sich auf Familie, Sippe, Stamm oder Volk begrenzen, vorherrschend waren. Erst wenn sie den "Menschen schlechthin und nicht den bestimmten Volksgenossen" ansprechen, werden sie zur Universal- oder Weltreligion. Für Mensching haben fünf Religionen diesen Status erreicht: Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus.
Der Indologe Helmut v. Glasenapp geht 1963 von acht "ethischen Hochreligionen" (Hinduismus, Jainismus, Buddhismus, chinesischen Universismus, Parsismus, Judentum, Christentum und Islam) aus, von denen er fünf als Weltreligion beschreibt (Hinduismus, Buddhismus, den chinesischen Unversismus, Christentum und Islam), da sie "zusammen neun Zehntel der religösen Menschheit ausmachen". Den Sikhismus betrachtet er als hinduistische Reformsekte. Unter dem Begriff "chinesischer Universismus" fasst er Konfuzianismus und Daoismus (sowie andere relevante Aspekte der chinesischen Religiosität) zusammen.
Der Theologe Gerhard Wehr geht 2002 von sieben Weltreligionen aus (Christentum, Judentum, Islam, Hinduismus, Buddhismus, Daoismus und Konfuzianismus). Er sieht Weltreligionen als Kontrapunkt zu Natur- und Stammesreligionen, die keine Trennung zwischen Gott und Welt und keine Häresie (Ketzerei) kennen. Eine genaue Begründung zur Auswahl der Religionen bringt Wehr nicht.
Der Religionswissenschaftler Manfred Hutter beschreibt 2005 ebenfalls sieben Weltreligionen (Hinduismus, Buddhismus, Daoismus, Judentum, Christentum, Islam und Baha'i). Den Konfuzianismus schließt er aus, da die Anhängerzahl des religiösen Konfuzianismus zu gering sei. Den Sikhismus führt er nicht auf, da er den universellen Geltungsanspruch vermisst. Hutter weist darauf hin, dass der Begriff Weltreligion kein religionswissenschaftler, sondern ein (weitgehend verständlicher) Begriff des alltäglichen Sprachgebrauchs ist.
Siehe auch
Literatur
- Tworuschka, Martina und Udo: Religionen der Welt. Grundlagen, Entwicklung und Bedeutung in der Gegenwart, München 1996. ISBN 3-572-00805-0
- Helmut v. Glasenapp: Die fünf Weltreligionen, Diederichs Verlag, Düsseldorf, 1963
- Max Weber: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Tübingen, 1920 - 1921
- Band 1: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, Die protestantischen Sekten und der Geist des Kapitalismus sowie Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen (Teil 1: Konfuzianismus und Taoismus) ISBN 3-8252-1488-5
- Band 2: (Teil 2: Hinduismus und Buddhismus) ISBN 3-8252-1489-3
- Band 3: (Teil 3: Das antike Judentum) ISBN 3-8252-1490-7
- Gerhard Wehr: Die sieben Weltreligionen, Hugendubel Verlag, München, 2002
- Manfred Hutter: Die Weltreligionen, Beck Verlag, München, 2005
- Gustav Mensching: Volksreligion und Weltreligion, Leipzig, 1938
Weblinks
- http://www.adherents.com/Religions_By_Adherents.html (Weltreligionen nach Anhängerzahl)
- http://www.weltreligionen.org/ (im Generalsekretariat der Österreichischen Bischofskonferenz)