Kaiserlich Russische Marine
Die Aufstellung der regulären Russischen Marine erfolgte unter der Regierung von Peter dem Großen. Während der zweiten Asow-Kampagne von 1696 gegen die Türken, stellten die Russen zum erstenmal zwei Schlachtschiffe, vier Brander, 23 Galeeren und 1300 Strugi (стругы), die auf dem Woronesch-Fluß gebaut worden waren, in Dienst. Nach der Besetzung der Asow-Festung, legte der Zar der Bojaren-Duma einen Bericht über den Feldzug vor, die daraufhin am 20. Oktober 1696 einen Beschluß zum Aufbau einer Marine faßte. Dieses Datum gilt als offizieller Geburtstag der regulären russischen Marine.
Während des Großen Nordischen Krieges von 1700-1721 stellten die Russen die Baltische Flotte auf. Die Konstruktion der geruderten Flotte fand in den Jahren 1702-1704 auf Werften (im Delta der Flüsse Sjas, Luga und Olonka) statt. Um die eroberte Küstenlinie verteidigen und die feindlichen Seeverbindungen in der Ostsee angreifen zu können, schufen die Russen eine Flotte unter Segeln aus russischen und importierten Schiffen. 1703-1723 lag der Hauptstützpunkt der Baltischen Flotte in St. Petersburg und später in Kronstadt. Weitere Stützpunkte wurden in Wyborg, Helsinki, Reval und Åbo geschaffen. Zunächst war das Wladimirskij Prikas (Владимирский приказ) für den Schiffsbau zuständig, später das Admiralteiskij Prikas (Адмиралтейский приказ). Die Marineoffiziere für die Flotte kamen aus dem Adel und die gemeinen Seeleute aus den Reihen der normalen Rekruten der Armee. Der Dienst in der Flotte war lebenslang. Die Kinder der Adligen wurden an der Schule für Mathematische und Navigationswissenschaften erzogen, die 1701 eingerichtet worden war. Die Schüler wurden häufig ins Ausland geschickt, um den Dienst in fremden Flotten zu lernen. Ebenso war es üblich Ausländer für den Dienst in der Russischen Marine anzuwerben. 1718 wurde die oberste Marinebehörde Rußlands geschaffen: das Admiralitätskollegium (Адмиралтейств-коллегия).
1722 hatte die Russische Marine 130 Segelschiffe, darunter 36 Schlachtschiffe, 9 Fregatten, 3 Schnjavas (шнява) (ein leichter Zweimaster, der Aufklärungs- und Verbindungszwecken diente), 5 Bombardierschiffe und 77 Hilfsschiffe. Die geruderte Flotte bestand aus 396 Schiffen, darunter 253 Galeeren und Halbgaleeren (sogenannte skampaweij (скампавей); eine leichte und sehr schnelle Galeere) und 143 Brigantinen. Die Schiffe wurden in 24 Werften auf Stapel gelegt, darunter diejenigen in Woronesch, Kasan, Perejaslev, Archangelsk, Olonez, St. Petersburg und Astrachan.
Die organisatorischen Prinzipien der Russischen Marine, erzieherische und Übungsmethoden zur Vorbereitung des zukünftigen Kaders, sowie Methoden der Durchführung militärischer Aktionen wurden gemeinsam mit Erfahrungen ausländischer Flotten in der Marinecharta (1720) zusammengefaßt. Peter der Große, Fjodor Aprakasin, Akim Senjavin, Naum Senjavin, Michail Golitsin und andere werden allgemein als besonders wichtig für die Entwicklung russischer Kriegführung zur See betrachtet. Die Hauptprinzipien der Seekriegführung wurden ferner von Grigorij Spiridov, Fjodor Uschakov und Dimitrij Senjavin entwickelt.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts strebte Rußland nach der Vorherrschaft im Schwarzen Meer und führte die Russisch-Türkischen Kriege, infolgedessen die russische Marine verstärkt wurde. Zum erstenmal sandte Rußland seine Geschwader von der Ostsee zu den entfernten Kriegsschauplätzen. Admiral Spiridovs Geschwader errang die Vorherrschaft in der Ägäis durch Vernichtung der türkischen Flotte in der Schlacht von Chesma 1770. 1771 eroberte die russische Armee die Küsten der Straße von Kertsch und die Festungen von Kertsch und Yenikale. Nachdem sie die Donau erreicht hatten, stellten die Russen die Donau-Militärflottille auf, um die Donaumündung zu bewachen. 1773 segelten die Schiffe der Asow-Flottille (1771 neuaufgestellt) ins Schwarze Meer. Der Russisch-Türkische Krieg von 1768-1774 endete für Rußland siegreich: es erhielt die Küsten des Asowischen Meeres und einen Teil der Schwarzmeerküste zwischen den Flüssen Bug und Dnjestr. Die Krim wurde unter russischem Protektorat unabhängig erklärt und sollte 1783 Teil Rußlands werden. 1778 gründeten die Russen den Hafen von Chersones. In dieser Stadt wurde das erste Schlachtschiff der Schwarzmeerflotte 1783 in Dienst gestellt. Ein Jahr später gab es schon ein Geschwader.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts/ frühen 19. Jahrhundert hatte die russische Marine die drittgrößte Flotte in der Welt nach Großbritannien und Frankreich. Die Schwarzmeerflotte besaß fünf Schlachtschiffe und 19 Fregatten (1787), die Baltische Flotte 23 Schlachtschiffe und 130 Fregatten (1788). Im frühen 19. Jahrhundert bestand die russische Marine aus der Baltischen und der Schwarzmeerflotte, der Kaspischen Flottille, der Weißmeerflottille und Ochotsk-Flottille. 1802 wurde das Ministerium der Marinestreitkräfte eingerichtet (1815 in Marineministerium umbenannt).
1826 bauten die Russen ihr erstes bewaffnetes Dampfschiff Izhora (73,6 kW/100 PS), ausgestattet mit acht Kanonen. 1836 konstruierten sie die erste Raddampferfregatte der russischen Marine, die Bogatir (Verdrängung: 1340t, Antrieb: 177 kW/240 PS, Bewaffnung: 28 Kanonen. Zwischen 1803 und 1855 unternahmen russische Seeleute über 40 Weltreisen und Fernreisen, die eine wichtige Rolle bei der Entdeckung des Fernen Ostens und verschiedener Ozeane spielte.
Rußlands langsame technische und wirtschaftliche Entwicklung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte dazu, daß es bei der Konstruktion von Dampfschiffen hinter die anderen europäischen Länder zurückfiel. Bei Ausbruch des Krimkrieges 1853 verfügte Rußland über die Baltische und die Schwarzmeerflotte, die Archangelsk-Flottille, die Kaspische Flottille und die Kamtschatka-Flottille (zusammen 40 Schlachtschiffe, 15 Fregatten, 24 Korvetten und Briggs, 16 Dampffregatten, etc.). Die Gesamtzahl des Personals betrug 91.000 Mann. Dennoch hatte das reaktionäre System einen fortschrittlichen Effekt auf die Entwicklung der russischen Marine. Dies traf besonders auf die Baltische Flotte zu, die bekannt war für ihren strengen militärischen Drill. Dank der Admiräle Michail Petrowitsch Lazarev, Pawel Nakimov, Wladimir Kornilov und Wladimir Istomin wurden die Seeleute der Schwarzmeerflotte in der Kunst der Kriegführung und der Aufrechterhaltung militärischer Traditionen unterwiesen, die zur Zeit des Admirals Ushakov geformt worden waren. Die Schlacht von Sinop 1853 demonstrierte die Tapferkeit und den Heldenmut der Schwarzmeerseeleute und Nakimovs taktische Innovationen. Während der Belagerung von Sewastopol 1854-1855 setzten die russischen Seeleute ein Beispiel für die Nutzung aller Möglichkeiten zur Verteidigung ihrer Basis zu Lande und zur See. In Übereinstimmung mit dem Frieden von Paris verlor Rußland das Recht auf eine Kriegsflotte im Schwarzen Meer. 1860 verlor die russische Segelflotte ihre Bedeutung und wurde langsam mit Dampfschiffen ersetzt.
Nach dem Krimkrieg begann Rußland mit der Konstruktion von dampfgetriebenen Ironclads, Monitoren und seegestützten Batterien. Diese Schiffe verfügten über schwere Artillerie und Panzerung, aber hatten weder gute Seetüchtigkeit noch Geschwindigkeit und große Reichweite. 1861 bauten die Russen ihr erstes stahlgepanzertes Kanonenboot Opit (Опыт). 1869 begannen sie mit dem Bau eines der ersten seegängigen Ironclads Pjotr Welikij (Пётр Великий).