Karl von Utenhove
Karl (Karel, Carolus) von Utenhove, Herr van Nieuwland (* 18. März 1536 in Gent; † 31. August 1600 in Köln) war ein flämischer humanistischer Gelehrter (Philologe) und Dichter, der in Basel, Paris, London, Gent und am Niederrhein wirkte.
Leben
Karl von Utenhove (auch van Uytenhofen, Vtenhouius Neochthonis u. ä.) war der Sohn von Karl von Utenhove, Herr von Markegem, Horsen, Nieuwland, Warenchem und Oosthoek (um 1500–1580). In Gent war der flämische Philologe Johann Otho (um 1520–1581) sein Lehrer.
1557 floh der Vater Karl d. Ä. von Utenhove als verfolgter Protestant mit seiner Familie zunächst zu Herzog Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg (1516–1592) und suchte dann Schutz bei Graf Hermann von Neuenahr und Moers (1491–1530) in Friemersheim (heute Duisburg-Rheinhausen).
Karl d. J. bezog 1555 zusammen mit seinem Schulfreund Bonaventura Vulcanius (1538–1614) die Universität Löwen. Noch im selben Jahr studierte er in Basel, wo er die Humanisten Erasmus von Rotterdam (1465–1536), Sebastian Castellio (1515–1563) und Thomas Platter (1499–1582) kennenlernte. 1555–1557 war er Tischgänger bei Platter.
1556 ging Utenhove nach Paris und wurde Hauslehrer der Töchter Camille (1547–nach 1611)[1], Lucretie und Diane des berühmten Gelehrten Jean de Morel (1511–1581), eines Gläubigers des Nostradamus (1503–1566). Morels Haus bildete einen Mittelpunkt des kulturellen Lebens; Utenhove freundete sich dort an mit Jean Dorat (1508–1588), Adrianus Turnebus (1512–1565), Denis Lambin (1520–1572), George Buchanan (1506–1582) und Mitgliedern der Dichtergruppe „La Pléiade“ um Pierre de Ronsard (1524–1585) und Joachim du Bellay (um 1522–1560).
1561 reiste er mit der französischen Gesandtschaft als Sekretär des Prälaten und Diplomaten Paul de Foix de Carmain (1528–1584) nach England und Schottland. In London gehört Utenhove dem literarischen Kreis um Königin Elisabeth I. an. Mit Mildred Cook Cecil, Lady Burghley (1526–1589), der Frau des Staatssekretärs William Cecil (1521–1598), die als eine der gebildetesten Frauen Englands galt, führte er einen umfangreichen Briefwechsel. Über Emden kehrte er nach Düsseldorf zurück. Während des Reichstags hielt Utenhove[2] sich im Mai 1566 in Augsburg auf; dort hat er Wilhelm Friedrich Lutz (1551–1597) und vermutlich auch Caspar Peucer (1525–1602) und Wilhelm Xylander (1532–1576) getroffen.
Als es in Gent 1566 zu einem Bildersturm kam, reiste Utenhove im September sofort dorthin, berichtete Ludwig von Nassau-Dillenburg (1538–1574) von den Vorgängen und bat um Milde für die Bilderstürmer. In Aalter traf er Katharina van den Boetzelaer[3] († nach 1567), die eine wichtige Rolle in der kalvinistischen Partei der „Geusen“ und bei der Abfassung des sog. Adelskompross von Breda 1566 spielte.
Nach der Ankunft von Herzog Alba (1507–1582) in den Spanischen Niederlanden, kehrte Utenhove 1567 zu seinem Vater nach Friemersheim zurück. 1567 reiste er nach Basel, um Heinrich Bullinger (1504–1575) zu besuchen und immatrikulierte sich 1568/69 in Basel. 1568 erschien in Basel sein Buch Xenia mit neulateinischen, griechischen und hebräischen Gedichten. 1574 immatrikulierte „Carolus Vtenhouius“ sich in Heidelberg.
Nach der „Genter Pazifikation“ 1576 kehrte Karl Utenhove nach Gent zurück. Zusammen mit seinen Brüdern Nikolaus und Jakob gehörte Karl Utenhove zu den „18 beharrlichen Ratsherren“, die 1577 bis 1584 als Kalvinisten die Macht in der Stadt übernahmen. 1581, als radikale Kräfte die Oberhand bekamen, zog sich Utenhove vorübergehend nach Köln zurück. 1584 gegen Ende der reformierten Republik war er Genter Bürgermeister.
In den folgenden Jahren hielt sich Utenhove, der inzwischen geheiratet hatte, vorwiegend am Jülich-Kleve-Bergischen Hof in Düsseldorf (1584–1587) und in Köln auf.
1589 wurde Utenhove Professor für Griechisch in Basel. Schon 1590 lebte er wieder in Köln. Dort portraitierte ihn 1595 Crispin de Passe der Ältere (1564–1637). 1600 starb Utenhove erblindet an einem Schlaganfall.
Ein Schüler von Utenhove war Wilhelm Fabry (1560–1634), der Begründer der wissenschaftlichen Chirurgie.
Familie
Karl von Utenhove war verheiratet mit Ursula von Vlodrop († nach 1595), Tochter von Wilhelm IV. von Vlodrop[4], Herr von Odenkirchen, Dalenbroek und Reckheim († 1546) und Odilia von Hoemen († 1558).[5] Um die Mitgift der Ursula von Vlodrop nach einem Erbteilungsvertrag von 1547 entspann sich ein 200-jähriger Prozess der Eheleute Utenhove und ihrer Erben vor dem Reichskammergericht.[6]
Sein Onkel Jan Utenhove (1516/20–1566) war als Freund und Kollege von Johannes a Lasco (1499–1560) Prediger an der Dutch Reformed Church in „Austin Friars“ (ehemaliges Augustiner-Kloster) in London und wurde bekannt als Übersetzer der Psalmen und des Neuen Testamentes in das Niederländische.[7]
Werke
- Epitaphium in mortem Henrici Gallorum regis christianissimi, eius nominis secundi, per Carolus Vtenhovius / Epitaphe sur le trespas du roy treschrestien Henri Roy de France II de ce nom, en douze langues. Autres epitaphes, par plusieurs auteurs, sur le trespas du même roy. Plus les épitaphes sur le trespas de Joachim Du Bellay, angevin, Paris 1560
- Caroli Vtenhouij F. patricij Gandauensis, Xenia, seu, ad illustrium aliquot Europae hominum nomina, allusionum, intertextis alicubi Ioach. Bellaij eiusdem argumenti versibus, Liber primus, Basel 1568
- Viri. Nobiliss D. Karoli. K. F. Utenhovii Nevvlandiae. Domini Aliorvmq. Amicor Carmina Gratvlatoria Scripta In. Honorem Simonis. Toelmanni Svndatis. Pomerani Cvm. Doctoralia Ivris. Vtrivsq. Insignia In. Celeberrima. Marpvrgensi Academia. Pvblice Conseqveretvr M.D.LXXXIIX. XXI. Novembr, Marburg: Egenolphus 1588
- Epistolarum centuria, Köln 1597
- Mythologia Aesopica. Metro elegiaco reditta, Steinfurt: Theophil Caesar 1607.
Weblinks
- Portrait von Carl Utenhove von Crispijn van de Pas (1564–1637), Ende des 16. Jh., Musée du Louvre, Département des Arts graphiques (Inv.-Nr. 21319)
- Johan Decavele, Utenhove, Karel im Literair Gent (Zugriff am 1. Oktober 2010)
Literatur
- Johan Decavele: De dageraad van de Reformatie in Vlaanderen (1520–1565) (Verhandelingen van de Koninklijke Academie voor Wetenschappen, Letteren en Schone Kunsten van België, Klasse der Letteren 76), Bd. I, Brüssel: Paleis der Academien, 1975, S. 85–93
- Willem Janssen: Charles Utenhove, sa vie et son oeuvre (1536–1600) (diss. phil. Nijmegen), Maarstricht: van Aelst 1939
- Leonard Wilson Forster: Kleine Schriften zur deutschen Literatur im 17 Jahrhundert (Beihefte zum Daphnis 1), Amsterdam: Rodopi, 1977, S. 83–93
- Antonius Sanderus, De Gandavensibus eruditionis fama claris libri tres, Antwerpen: Gulielmus a Tongris (Willem van Tongeren) 1624, S. 30f.
Einzelnachweise
- ↑ Zu ihr: Samuel Will: Camille de Morel: a prodigy of the Renaissance. In: Publications of the Modern Language Association 51 (1936), S. 83–121; Philip Ford: Camille de Morel. Female Erudition in the French Renaissance. In: Gay Ferguson / Catherine Hampton (Hrsg.), (Re)Inventing the Past, Durham 2003, S. 245–259.
- ↑ Eintrag von „Carl Utenhof“ im Stammbuch des Wilhelm Friedrich Lutz.
- ↑ Zu ihr: Johan Decavele: De eerste protestanten in de Lage Landen, Zwolle / Löwen: Davidsfonds / Waanders 2004, S. 159–171.
- ↑ Zu ihm: Augustinus Janssen: Willem van Vlodrop, pandheer van Grevenbicht, en het ontluikende protestantisme. In: HJLZ 30 (2009), S. 67–75.
- ↑ Nach ihr wurde der „Odiliengarten“ in Odenkirchen benannt.
- ↑ Vgl. Hauptstaatsarchiv Düsseldorf, Reichskammergericht A 115 (A 565/1319).
- ↑ Het Nieuwe Testament, dat is: het Nieuwe Verbond onzes Heeren Jesu Christi. Na der griekscher waerheyt in Nederlandsche sprake grondlick end trouwlick ouergezett, Emden: C. Ctematicus (= Gillis van der Erven) 1556; De Psalmen Davidis in Nederlandischer sangs-ryme, London: John Daye 1566.
| Personendaten | |
|---|---|
| NAME | Utenhove, Karl von |
| ALTERNATIVNAMEN | Carl Utenhofen; Charles Utenhove; Karel van Uttenhove, Heer van Nieuwland; Carolus Vtenhouius Neochthonis |
| KURZBESCHREIBUNG | flämischer humanistischer Philologe und Dichter |
| GEBURTSDATUM | 18. März 1536 |
| GEBURTSORT | Gent |
| STERBEDATUM | 31. August 1600 |
| STERBEORT | Köln |