Salamanderfisch
Salamanderfisch | ||||||||||||
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Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name der Gattung | ||||||||||||
Lepidogalaxias | ||||||||||||
Mees, 1961 | ||||||||||||
Wissenschaftlicher Name der Art | ||||||||||||
Lepidogalaxias salamandroides | ||||||||||||
Mees |
1961 wurde aus sauren Gewässern in der Südwestecke des australischen Kontinents ein kleiner „schmerlen“ähnlicher Fisch beschrieben, Lepidogalaxias salamandroides, der seither Kopfzerbrechen in mehreren Sparten der Fischkunde bereitet. Er erhielt (u.a.) den Namen „Salamanderfisch“, der freilich irreführend ist. Viel besser hieße er Eidechsenfisch – aber diese Bezeichnung ist ja für die Synodontidae schon lange vergeben. In der Fishbase hat er (übersetzt) den auch recht passenden Namen „Zwerg-Bleistiftfisch“ bekommen. Er repräsentiert seine eigene Familie.
Beschreibung
Das Eidechsenhafte liegt bei Lepidogalaxias in den Bewegungen des Kopfes, die für Fische einzigartig sind und auch bei Salamandern nicht vorkommen, weil deren Hals noch zu steif ist. Lepidogalaxias kann den Kopf seitlich um fast 90° abwinkeln, etwa um dann auf ein Beutetier neben ihm zuzustoßen – genau wie das Eidechsen tun. Die meisten Fische (besonders solche der Tiefsee - doch auch z.B. Uranoscopus scaber) können den Schädel im „Nacken“ zum Maulaufsperren heben, aber seitliche Bewegungen von dem Ausmaß kommen nicht vor. Man hat den Eindruck, der Fisch fixiere vor dem Schnappen die Beute beidäugig – aber etwas anderes kann er gar nicht, da er seine äußeren Augenmuskeln eingebüßt hat. Auch das ist etwas äußerst Eigenartiges – es kommt allenfalls wieder bei Tiefseefischen mit (ebenfalls unbeweglichen) Teleskopaugen vor. Der sehschwache Lungenfisch Lepidosiren, der ähnlich dem Salamanderfisch in Sümpfen lebt, hat die schrägen Augenmuskeln verlören (weil er sie nicht braucht); aber Lepidogalaxias ist keineswegs sehschwach. Man kann den Verlust „verstehen“, aber tausende Arten von ähnlicher Lebensweise und Größe haben ihre Augenmuskeln noch und benützen sie auch. Allerdings hat der Salamanderfisch sehr große Augen, was wieder ihre Beweglichkeit hemmt, aber auch weniger wichtig macht. Fürs Beutemachen sind sie jedenfalls die Haupt-Sinnesorgane. Man kann immerhin argumentieren: Große Augen sind nötig im moorigen Wasser (durchsichtig, aber dunkel) – Beweglichkeit eingeschränkt – Muskeln werden unwichtig – dafür Ausrichtbarkeit des Kopfes durch einen „Hals“. Vielleicht spielt auch die Nahrungsarmut im Biotop (Dystrophie) eine Rolle.
Die Färbung ist olivgrün oder -braun, dunkel gesprenkelt; die Bauchseite ist weiß. Schmerlenhaft ist die Gestalt: langgestreckt zylindrisch, die Länge entspricht etwa zwölfmal der Breite. Dabei erreicht dieser Fisch nur 7,5 cm Länge (die Männchen bleiben kleiner: kaum 5 cm). Die Seitenlinie ist deutlich (bei Männchen bandförmig markiert) und verläuft über ~55 Schuppen. Die Schwanzflosse sieht, da kein Schwanzstiel erkennbar ist, wie drangeklebt aus. Auffallend ist die geringe Strahlenzahl aller Flossen (die Strahlen sind segmentiert, aber unzerteilt). Flossenformel daher: D 5-7 (kurz und hoch), A 10-12 (niedrig), P 10-12 (lang), V 5, C 12-14 (rund oder etwas zugespitzt). Die meist steil aufgerichtete Rückenflosse steht knapp nach der Mitte der Totallänge des Tieres und knapp vor der Afterflosse. Der Fisch hat 43-47 Wirbel (zum Vergleich: bei Galaxiinae 37-66).
Deswegen und weil auch innerlich manche Organe vereinfacht erscheinen, rechnet man Lepidogalaxias mitunter zu den neotenen Tierformen, also zu solchen, die schon als Larven geschlechtsreif werden (s. etwa Axolotl; bei den Osmeriformes wären hier die Salangidae anzuführen, die aber um oder in Australien nicht vorkommen). Diese Auffassung ist jedoch wenig hilfreich. Weder Kleinheit noch Kurzlebigkeit sind ja hinreichende Gründe für Neotenie, und andere sind unklar. Weibchen können übrigens fünf Jahre alt werden, sind also gar nicht ausgesprochen kurzlebig.
Die Schnauze ist kurz und stumpf, das Maul aber tief gespalten und gut bezahnt, besonders am Praemaxillare und Dentale. Das kurze Maxillare steckt frei in der Mundrandhaut und ist unbezahnt. Gut bezahnt ist auch das Palatinum (eine Zahnreihe), das dem bezahnten Basihyale gegenüberliegt („Zungenbiss“), sowie (schwach) der Vomer (zwei Zähne). Der Kiemendeckel ist am Rande nur tief gespalten verknöchert und so dünn, dass die roten Kiemen durchscheinen. Am Darm gibt es keine Pylorusschläuche (das und den "Zungenbiss" teilt er u.a. mit den Hechten, s.u.).
Verbreitung und Ökologie
Dieser „Bleistiftfisch” lebt in kleineren seichten Weihern (eig.: Tümpeln) des Randes des Australischen Schildes (zwischen Blackwood R. und Kent River, z.T. in den kleinen Shannon und D’Entrecasteaux National Parks um Northcliffe, 350 km südlich von Perth) auf Urgesteinsand, der sehr nährstoffarm ist. Die Folgen sind niedrige pH (3,8 bis 6,5) und sehr geringe Produktivität. Diese Gewässer ähneln unseren Mooraugen. Im Südsommer trocknen sie mangels Niederschlägen meist aus. Im Winter (Juni – August; Regenzeit) verbinden z.T. Bäche die vom Laub der umliegenden Vegetation (bes. Eucalyptus) durch Huminstoffe u. Ä. im Wasser braunen („teefarbenen“) Weiher. Die Wassertemperaturen schwanken infolge Insolation stark (15-30 °C). Hier lebt Lepidogalaxias hauptsächlich von Insektenlarven. Der benthische Fisch lauert meist bewegungslos, aufgerichtet auf seine Brustflossen. Nimmt er in seiner Umgebung Bewegung wahr, so schwimmt er ruckartig näher, richtet den Kopf aus und packt mit schnellem Vorstoßen die Beute - wie gesagt erinnert er hierin stark an eine Eidechse. Der „Hals“ besteht in einer bloß chordalen Verbindung zwischen Hinterhaupt und erstem Wirbel (in der Ruhe breit einem Gelenk auf Basioccipitale und Exoccipitalia anliegend), aber auch die folgenden drei sind durch Gelenke in ihrer Beweglichkeit noch recht wenig eingeengt. Dieser „Hals“ liegt übrigens notwendigerweise hinter dem Schultergürtel, nicht davor wie bei Landwirbeltieren.
Das Geschlechterverhältnis ist ca. 1:1. Die Begattung fällt in den Vorfrühling (Juni) – der Salamanderfisch hat innere Ei-Befruchtung. Doch besteht keine Balz oder sonst ein Sex-Vorspiel. Ähnlich wie bei den (nicht verwandten) Embiotocidae hat die Afterflosse des Männchens eine basale Schuppenhülle, die zusammen mit einem klebrigen Sekret hilft, die Geschlechtsöffnungen beider Partner so dicht aufeinander zu pressen, dass die Samenübertragung sicher erfolgen kann. Das Weibchen legt einige Tage später ca. hundert (bis zu 400) Eier von etwas mehr als einem Millimeter Durchmesser. Die innere Befruchtung hat wahrscheinlich den Zweck, möglichst wenig Eiweiß im nährstoffarmen Biotop zu vergeuden und möglichst zeitig die Eientwicklung abzuwickeln, damit auch genug Zeit fürs Wachstum der Larven und Jungfische (die sich von Kleinkrebsen und Insektenlarven nähren) bleibt, ehe die Trockenzeit kommt. Beim Schlüpfen sind die Larven 5,5 mm lang und gleich fressbereit. Das Wachstum geht rasch; die Jungfische müssen 25 mm lang sein, um die „Übersommerung“ (Ästivation) zu überstehen – wenn auch oft mit Verlusten von bis zu 75 %. Wichtig ist die Anlage einer Fettreserve (wie bei unseren Winterschläfern – bei Fischen hingegen unüblich), die bei ihrem Verbrauch ja auch Wasser liefert.
Wenn das Wasser im Weiher versiegt (Dezember, Jänner), dringen die Fische in den nassen Sand ein - verschieden tief (auch Galaxias-Arten können sich eingraben). Ihre Haut (und besonders die Augen-Hornhaut) weist besondere Anpassungen an die dabei auftretenden Beanspruchungen auf. Im Gegensatz zu den Lungenfischen, die sich zur Ästivation auch eingraben (wenngleich nicht in Australien) haben sie daran keine respiratorische Anpassung; eine exkretorische ist aber die Synthese von Harnstoff. Anfangs hielt man auch Lepidogalaxias für luftatmend, doch ist die Schwimmblase bei dem Grundfisch reduziert und dafür ganz ungeeignet. Er hat auch keine Anpassung an Sauerstoffschwund im Wohngewässer (d.h. dieser spielt keine Rolle). Wichtig fürs Überleben von Trockenzeiten ist allerdings Hautatmung.
Größere Fische können bis 60 cm tief dem sinkenden Grundwasserspiegel folgen, während die 0+-Tiere vertrocknen, wenn der Regen zu lange ausbleibt. Kommt er aber rechtzeitig (April), sind alle sehr rasch wieder aktiv (Tim Berra, dem wir die meisten Beobachtungen verdanken, ließ einen trockenen Teich durch einen Tankwagen befüllen: binnen 10 Minuten kamen alle Fische aus dem Sand!) und werden im Alter von 1 Jahr geschlechtsreif (die Weibchen durchschnittlich 43 mm lang, die Männchen 39 mm). Wenn durch Ungunst der Witterung auch ein Jahrgang völlig ausfallen sollte, leben immer noch ältere Fische (tief eingegraben), die die Population wieder regenerieren. Die 1+-Tiere machen durchschnittlich noch 56 % der Gesamtpopulation aus, aber viele sterben nach dem Laichen, von den Männchen alle; wenige werden erst als 2+ geschlechtsreif. Noch älter (3+ u. f.) werden aber nur sehr wenige (Weibchen).
Verwandtschaft
Nach der Entdeckung wurde die „Isoliertheit“ dieses Fisches im System zweifellos übertrieben. Verwandtschaft zu Galaxiidae und Retropinnidae (beide australisch; Galaxiidae sind aber schuppenlos und ohne „Zungenbiss“, Retropinnidae mit „Zungenbiss“, stintähnlich) aus der Ordnung der Osmeriformes liegt auf der Hand, „obwohl“ z.B. keine Fettflosse vorhanden ist. Joseph Nelson (2006) gesteht dem Bleistiftfisch übrigens nur eine eigene Unterfamilie der Galaxiiden zu. Rosens (1974) Zuordnung zu den Esociformes (Hechten) beruhte z. T. auf irrigen Annahmen und Plesiomorphien; daran kann auch die scheinbare Unterstützung durch molekularbiologische Daten (López et al. 2004) nichts ändern. Die plausibelste Darstellung ist wohl eine wie die von Williams (1997), wo Lepidogalaxias im Schwestergruppen-Verhältnis zu den Galaxioiden steht, als welche er Galaxiidae und Haplochitonidae (sonst: -inae) zusammenfasst. Hingegen kommen etwa Li et al. (2010) zu einer solchen Gegenstellung von Lepidogalaxias zu allen Euteleostei (obwohl der Salamanderfisch eben doch galaxiasähnlich bleibt – je stärker genomische Merkmale berücksichtigt werden, desto „isolierter“ wird seine Stellung). Das Verhältnis der niedrigen Euteleostei zueinander bleibt weiterhin unklar und widersprüchlich (vgl. etwa Ishiguro et al. 2003; Wiley and Johnson 2010), z.B. aus tiergeografischen Gründen (vgl. Waters et al. 2000).
Schutz
Lepidogalaxias salamandroides lebt zwar z.T. in geschützten Arealen, ist aber mittelbar durch Holzgewinnung, Brandrodungen, Dammbau, eingeschleppte Arten (wie Tilapien) u.a. wegen prekärer Lebensumstände und kleinräumigen Endemismus potenziell bedroht. Trayler et al. (1996) fordern daher spezifischere Maßnahmen zum Schutz der Biotope der Warren-Bioregion.
Literatur
- Tim M. Berra (1995): Lepidogalaxiidae. Lepidogalaxias salamandroides. The Salamanderfish of Western Australia. Version 01 January 1995.- http://tolweb.org/Lepidogalaxias_salamandroides/15164/1995.01.01
- N.B. Ishiguro, M. Miya, and M. Nishida (2003): Basal euteleostean relationships: a mitogenomic perspective on the phylogenetic reality of the “Protacanthopterygii”.- Molecular phylogenetics and evolution 27: 476-488.
- Gerlof Fokko Mees (1961): Description of a new fish of the family Galaxiidae from Western Australia.- J. R. Soc. West. Austr. 44: 33-41.
- Jun Li et al. (2010): Phylogenetic position of the enigmatic Lepidogalaxias salamandroides with comment on the orders of lower euteleostean fishes.- Molecular phylogenetics and evolution 34:
- J.A. López, W.-J. Chen, and G. Ortí (2004): Esociform phylogeny.- Copeia 2004: 449-464.
- D.E. Rosen (1974): Phylogeny and zoogeography of salmoniform fishes and relationships of Lepidogalaxias salamandroides.- Bull. Amer. Mus. Natur. Hist. 153: 267-325.
- K.M. Trayler, J.A. Davis, P. Horwitz, and D. Morgan (1996): Aquatic fauna of the Warren bioregion, south-west Western Australia: Does reservation guarantee preservation?- J. R. Soc. West. Austr. 79: 281-291.
- J.M. Waters, J.A. López, and G.P. Wallis (2000): Molecular phylogenetics and biogeography of Galaxiid fishes (Osteichthyes: Galaxiidae): Dispersal, vicariance, and the position of Lepidogalaxias salamandroides.- Systematic Biology 49: 777-795.
- E.O. Wiley and G.D. Johnson (2010): A teleost classification based on monophyletic groups.- In: J.S. Nelson, H.-P. Schultze, and M.V.H. Wilson (eds.): Origin and Phylogenetic Interrelationships of Teleosts, pp. 123-182.
- Robert R.G. Williams (1997): Bones and muscles of the suspensorium in the Galaxioids and Lepidogalaxias salamandroides (Teleostei: Osmeriformes) and their phylogenetic significance.- Records of the Australian Museum 49: 139-166.
Weblinks
- Salamanderfisch auf Fishbase.org (englisch)