Glaube (Religion)
Zwei Bedeutungsebenen im Alltagsgebrauch
Glauben als >meinen<
Glaube beschreibt im Alltagssprachgebrauch die im Rahmen von Unsicherheit festgestellte Erwartung bezüglich irgendwelcher Tatsachen oder Zusammenhänge. Etwa: "Ich glaube, dass morgen die Sonne scheinen wird". "Ich glaube, es geht hier entlang und nicht dort."
In solchem Glauben drückt sich die Meinung aus: "Vielleicht ist es wahr bzw. wird es wahr, vielleicht auch nicht; niemand kann es genau wissen." Und dann bedeutet diese Glauben "meinen, vermuten".
Glauben als >vertrauen< und Definition dieses Begriffs
>Glauben< findet sich im alltäglichen Sprachgebrauch aber auch in einer ganz anderen Bedeutung als >meinen<, >vermuten<, beispielsweise in folgenden Sätzen: "Ich glaube dir." "Ich glaube an die Liebe zwischen uns." "Ich glaube an den Erfolg meines Engagements."
Ein solches Glauben ist nicht so sehr ein Vermuten über Sachverhalte, sondern primär eine personale Beziehung, in der sich eine Person vom Geglaubten her bestimmen lässt. Und dann bedeutet dieses Glauben "vertrauen".
»Glaube« in diesem rein menschlichen Sinn bezeichnet den Bewusstseins-Akt des Vertrauens (Vertrauensglaube) mit dem dazugehörenden vertrauenden Handlungs-Akt (Tatglaube), dass das Geglaubte eine Möglichkeit ist, die Realität werden kann, oder eine noch nicht erfahrbare Realität ist, so dass so gehandelt wird, dass das Geglaubte Realität werden kann oder als ob das Geglaubte schon erfahrbare Realität sei, denn andernfalls wäre der Glaube nur ein Pseudo-Glaube bzw. das Vertrauen nur ein Pseudo-Vertrauen.
Drei Bedeutungen im christlich-religiösen Gebrauch
Religiös christlich unterscheidet man drei Qualitäten des Glaubens:
(Credere deum:) Fürwahrhalten, dass Gott existiert
Dieses Glauben bedeutet die weltanschauliche Vermutung, dass es ein höheres Wesen gibt. Ein solches Vermuten ist fast so lebensirrelevant wie die physikalische Überzeugung, dass die letzten materiellen Elemente keine Atomkerne sind, sondern Quarks. Dieses Glaubens-Vermuten wirkt sich nicht auf das Handlungsbewusstseins des Glaubenden aus.
(Credere deo:) Fürwahrhalten der christichen Glaubenslehren
Dieses Glauben bedeutet die sogenannte Sonntagsgläubigkeit, also bloße Lippenbekenntnisse über den christlichen Glauben, ein toter Glaube. Bei diesem Glauben ist nicht erfasst, dass es sich beim christlichen Glauben in erster Linie um ein neues Handlungsbewusstsein handelt, das sich in der Liebe zum Nächsten und zum Feind ausdrückt und ein bedingungsloses Verzeihen und eine grenzenlose Güte beinhaltet, die aus dem Verstehen und dem Sich-In-Gott-Geborgenwissen resultieren.
(Credere in deum:) So vom Geborgensein in Gott her leben, dass Liebe sich ereignet
Dieses Glauben beinhaltet ein neues Selbstverständnis (Handlungsbewusstsein, neues Menschsein), bei dem der Mensch nicht mehr aus Angst um sich selbst handelt, weil er sich absolut in Gott geborgen weiß. Dieser Glaube ist ein von der Liebe durchformter Glaube, also ein Glauben, das sich im Handeln als Liebe ausdrückt, ein lebendiger Glaube.
Definition "Glauben, christlich"
Damit kann man den christlichen Glauben so definieren: »Glaube« im christlichen Sinn bezeichnet das Bewusstsein, sich so wie Jesus absolut in Gott geborgen zu wissen (rein menschlich ausgedrückt: Tod und keine Schuld kann einen vom ewigen Leben trennen), so dass man nicht mehr aus Angst um sich selbst handeln muss und in Liebe und Gelassenheit leben kann.
Theologische Ausfaltung des christlichen Gläubigseins
Dieser Glaube stellt sich theologisch dreifach dar als Glaube an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Denn es geht im christlichen Glauben darum, sich absolut in Gott geborgen zu wissen (Glaube an den Vater), was bedeutet, dass man glaubt, dass Gott einen in sich so aufgenommen hat (in sich hineingeschaffen hat), dass weder Tod noch irgendeine Schuld einen von der Gemeinschaft mit Gott trennen können. Sodann geht es darum, sich genau so wie Jesus in Gott geborgen zu wissen, so dass man auch wie Jesus erfüllt sein könnte vom Heiligen Geist. "An den Heiligen Geist glauben" bedeutet also, sich so wie Jesus in Gott geborgen zu wissen, um so liebend und befreiend wie Jesus handeln zu können. "An Jesus als den Sohn glauben" bedeutet zu wissen, wem man diesen Glauben verdankt, weil Jesus diesen Glauben unüberbietbar vorgelebt hat.
Glaube und Vernunft
Unter dem Titel "Glaube und Vernunft" wird in Theologie und Philosophie die Frage behandelt, ob und wie man den Glauben vernünftig rechtfertigen kann. Die Frage ist, ob es vernünftige Gründe gibt an Gott zu glauben, oder ob die vorgebrachten Gründe doch nicht so stichhaltig sind, dass man sie vernünftig nennen könnte. Das Thema "Glaube und Vernunft" ist also ein philosophisches Thema, das jedoch auch in der Theologie verhandelt wird im Fach "Fundamentaltheologie".
Ein wichtiges Kennzeichen für vernünftige Aussagen ist, dass vernünftige Erkenntnisse (Aussagen) von jedem prinzipiell akzeptiert werden können, denn Vernunft besagt in erster Linie Allgemeingültigkeit und die Bereitschaft, das bessere Argument gelten zu lassen. Vernunft ist also möglich, aber aufgrund von Missverständnissen, Wissensmangel oder emotional verursachten Einengungen dann doch oft nicht herstellbar und erreichbar.
Wichtig für den Vernunft-Begriff ist auch zu wissen, dass "Vernunft" nicht mit "Wahrheit" gleichgesetzt werden darf. Denn vernünftige Aussagen müssen noch längst nicht wahr sein, sie können wahr sein, sie können aber auch falsch sein. Beispiel: Die Aussage "Die Welt hört auf zu existieren, wenn die durch den Urknall ausgelöste Fluchtbewegung der Galaxien durch die Gravitation der Galaxien zum Stehen kommt und sich alles wieder so weit zusammenzieht, wie es kurz nach dem Urknall war" ist vernünftig, denn sie ist eine theoretische Annahme auf dem Hintergrund bestimmter physikalischer Beobachtungen. Aber diese Aussage ist nicht wahr zu nennen, da es sich auch anders verhalten könnte: Unser Universum könnte sich immer weiter ausdehnen, wenn die Explosionskraft des Urknalls die Gravitationskräfte der Galaxien bei weitem überstiege. Bis heute können die Physiker keine Beobachtung nennen, die die eine Theorie widerlegte und die andere als theoretisch besser einstufte. Aber als wahr könnte dann auch diese Aussage noch nicht gelten, weil keiner wissen kann, ob nicht irgendwann eine Beobachtung gemacht werden wird, die auch diese Aussage widerlegte und zu ganz anderen Annahmen über das Ende der Welt zwänge. Denn es könnte sein, dass ein punktähnliches Ende unseres zusammengezogenen Universums als reines Energiefeld ohne materielle Strukturen nur der Anfang ist eines sich wieder ausdehnenden Universums. Aber vielleicht ist es auch so, dass die Schwarzen Löcher in den Galaxien alles in sich hineinziehen, so dass nur noch Schwarze Löcher übrig blieben.
In der Philosophie und Theologie dachte man, dass man Gott beweisen könne. Aber die Gottesbeweise sind widerlegt (vgl. hierzu den Artikel "Gottesbeweise").
Viele Theologen und vernünftig sein wollende Gläubige halten den Glauben dadurch vernünftig begründet, dass sie zeigen können, wie der Glaube unschlagbar gut zu einem moralischen krisen- und konfliktlösenden Handeln befähigen kann. Solche Glaubensbegründungen nennt man "postulatorische Glaubensbegründungen". Zu ihrem wissenschaftsmethodologischen (kritisch-rationalen) Mangel vgl. den Artikel "postulatorische Glaubensbegründung".
Ausreichend vernünftig begründen (rechtfertigen) lässt sich der Glaube wohl nur über die Mystik. (Näheres hierzu im Artikel "Mystik").
Wichtig für Christen im Hinblick auf das Thema "Glaube und Vernunft" ist zu wissen, dass Jesus es für das Christsein nicht vorschrieb, dass man kompetent Auskunft geben könne über das Verhältnis von Glaube und Vernunft. Jesus war kein Theologe, weil er keiner sein wollte. Jesus hielt nur eines für völlig unverzichtbar für das Christsein: kleide Nackte, besuche Gefangene, gib Hungringen zu essen, richte keinen, sondern verzeihe vielmehr jedem alles so weit du nur kannst.
Implikationen des Glaubens
Kurz gesagt hat der Begriff Glaube nicht nur im religiösen Sinne 3 Eigenschaften:
1. etwas für richtig und wahr halten
Carl Friedrich von Weizsäcker meint dazu in "Zeit und Wissen":
- Glaube ist kein intellektueller Akt, sondern eine Weise zu leben. An etwas glauben heißt, sich in jeder Lage so zu verhalten, wie man sich verhalten muß, wenn es das, woran man glaubt, wirklich gibt. Das Fürwahrhalten ist nur die der Reflexion zugängliche intellektuelle Spitze des glaubenden Verhaltens. Um es in einem Gleichnis auszudrücken: Der Fußballspieler muß den Ball ab und zu einem anderen Spieler seiner Mannschaft zuspielen. Das ist nur sinnvoll, wenn er damit rechnen kann, daß der Partner den Ball übernimmt und gegebenenfalls zurückspielt. Gewißheit hierfür gibt es nicht, denn der andere könnte durch den Gegner gehindert sein oder den Ball verfehlen. Trotzdem muß man ihm zuspielen. Dies mit dem Gegenüber trotz der Ungewißheit rechnende Zuspielen und Zurückerwarten des Balls ist Glauben...
- Es wäre wiederum ein aus der Reflexion stammendes Mißverständnis, wenn man versuchen wollte, nun einen "berechtigten Glaubensinhalt" zu formulieren. Könnte man die "Berechtigung" eines Glaubensinhaltes erweisen, so würde man wohl besser von Wissen reden.
2. etwas für wertvoll halten
- Ich habe versucht, einige Weisen des Glaubens zu beschreiben. Ich habe nicht versucht, über ihren Wert zu argumentieren, denn das kann man nur, indem man selbst glaubt, also nicht von einem Ort jenseits der in jedem bewußten Glauben liegenden Entscheidung. (C.F. von Weizsäcker, Zeit und Wissen)
3. sich jemandem oder einer Lehre anvertrauen
Aber: Buddha lehrte: Wenn Deine Einsicht meiner Lehre widerspricht, musst du Deiner Einsicht folgen. Jesus Christus sprach: Wer Gottes Willen tut, wird erfahren, ob meine Lehre von Gott ist (Joh. 7,17)
Etymologie
Das Wort "glauben" ist die Übersetzung des griechischen "pisteuein" mit vergleichbarem Wortsinn. Im Judentum dagegen wird meist die Vokabel "aman" verwendet: Sich an etwas festmachen. Ursprünglich gemeint war also nicht das unbestimmte "ich weiß nicht", sondern im Gegenteil: "ich verlasse mich auf, ich binde meine Existenz an". Es geht also zentral nicht um einen Gegenpol zum Wissen, sondern um Vertrauen, Gehorsam und Lebensübergabe. (Vergleiche: Geloben.)
Glaube erklärt durch die hebräische Grammatik. Diese Vokabel "aman" mit der Schreibung "Aleph-Mem-Nun" wird nur in der Stammesmodifikation des "Hifil" (Aussprache "hä´ämin") im Deutschen mit dem Wort "glauben" übersetzt. Diese Stammesmodifikation drückt im allgemeinen einen kausativen Aspekt der Grundbedeutung aus. Die Grundbedeutung der Buchstabenfolge (Wurzel) "Aleph-Mem-Nun", die auch im ursprünglich hebräischen Wort Amen erscheint, ist "fest" oder "unerschütterlich", die Bedeutung im Hifil ist also "jemanden fest sein lassen" oder "jemanden sich als fest und unerschütterlich beweisen lassen". Und dies ist genau der Glaube, den sowohl das alte als auch das neue Testament meint.
Dem Glauben zugrunde liegt eine Anlage des Menschen, sich an etwas festzumachen, an einer Hoffnung, einem (Welt- oder Menschen- oder Gottes-)bild. Ohne diese Grundausrichtung wäre ein Mensch haltlos und nicht überlebensfähig.
Unabhängig davon ist, woran speziell sich ein Mensch festmacht. Hier können rein innerweltliche Dinge (z. B. die eigene Kraft, das Volk/eine Gemeinschaft oder Beziehung, die Familie) das Objekt des Glaubens bieten oder auch Lebensstrategien, Weltprinzipien bis hin zum Glauben an über- oder außerweltliche Kräfte und Personen (Götter oder Gott).
- ...Glauben heißt angeblich nicht wissen,...doch Wissen ist auch nicht mehr, als das zu glauben, was jemand weiß....
- Auch wer sich tief auf den Zweifel eingelassen und vielleicht sogar die Verzweiflung erfahren hat, findet sich schließlich, wenn er weiterlebt, derselben Welt gegenüber, die ihm als natürlichem Menschen gegeben war. Er wird nun an vielen Stellen Vorsicht und relativen Zweifel gelernt haben, vielleicht ist ihm der schwebende Charakter aller Erkenntnis deutlich geworden, die Möglichkeit, alles anzuzweifeln. Aber indem er lebt, läßt er die Welt gelten. ... Man kann dies kaum deutlicher sagen als Faust in dem Augenblick, in dem er aus der Verzweiflung zurückkehrt: >Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder.< Die Träne ist das Wirkliche, das er schlicht gelten läßt, und mit ihr die Welt, denn weinen heißt leben.
- Wer überhaupt aus der wirklichen Verzweiflung zurückkehrt, wird dabei wohl immer eine Erfahrung des Bereichs gemacht haben, den man den religiösen nennt. Die Möglichkeit des Weiterlebens wird für ihn meist mit dieser Erfahrung zusammenhängen. Sein weiteres Leben wird also ein Verhalten sein, das mit der Wirklichkeit, die sich ihm in dieser Erfahrung gezeigt hat, in der Weise des Glaubens rechnet, auch wenn diese Wirklichkeit sich nicht oder nicht mehr unmittelbar zeigt. Der religiöse Glaube, wo er echt ist, ist also in besonderer Weise nicht ein bloßes Fürwahrhalten, sondern eine Art des Lebens. Es ist aber nicht ein bloßes Geltenlassen eines sich ohnehin Zeigenden, sondern ein aktives ständiges Ansprechen oder Anrufen eines sich nicht ohne weiteres Zeigenden.
Carl Friedrich von Weizsäcker, Zeit und Wissen
Glaube und Wissen
Lange Zeit nahm man an, dass gerechtfertigter wahrer Glaube Wissen sei (GWG-Behauptung). Gettier gab dazu Gegenbeispiele an, die zeigten, das zum Wissen gerechtfertigter Wahrer Glaube nicht ausreicht (Gettier-Problem).
Zitate
- Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen. (1. Kor. 13,13 zitiert nach der Lutherbibel 1984. Auf diesem Text basieren verschiedene kirchliche Kunstwerke.)
- Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. (Hebräer 11,1 zitiert nach der Bibelübersetzung Martin Luthers, überarbeitet 1984)
- Glaube denen, die die Wahrheit suchen und zweifle an denen, die sie gefunden haben. André Gide
- Wo Glaube ist, ist Hoffnung, und wo Hoffnung ist, geschehen Wunder. (Werbespruch für eine Gesichtscreme gegen Falten)
- Der Glaube kann Berge versetzen. (Alte Volksweisheit-biblisches Wort Christi)
Literatur
- Tom Bisset: Warum? jemand nicht mehr glauben kann, Bielefeld, 2005 (ISBN 3-89397-971-9) (PDF-Download)
- Arthur Ernest Wilder-Smith: Wer denkt, muss glauben, Bielefeld (ISBN 3-89397-798-8)
- Carl Friedrich von Weizsäcker: Zeit und Wissen, München 1992 (ISBN 3-446-16367-0)
Siehe auch
Weblinks
- Glaube, Glaubensbegründung, Religion, Philosophie
- Die christliche Hilfe zum Glauben
- Religion, Glauben und Lebenswege - sehr umfangreiche und neutrale Informationsseite
- Glauben oder Wissen? (Aus Sicht der katholischen Kirche)
- Psychologie, Religion & Glauben
- Aktuelle Literatur zum Thema Glaube
- Links zu Glaube und Religion
- katholisch-kontroverses Diskussionsforum
- katholisch-atheistisches Diskussionsforum mit z.Zt. 2700 regen Mitgliedern
- Die Standardseite für Christen im Internet