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Staatsbürgerschaft

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Datei:British-passport.jpg
Der Reisepass - alltäglicher Ausweis der Staatsbürgerschaft, weltweit

Eine Staatsbürgerschaft (auch Staatsangehörigkeit oder Nationalität) ist die Mitgliedschaft in einem Staat. Sie ist einerseits dauerhafte Rechtbeziehung zwischen dem Staat und einer Person und andererseits Rechtsstatus dieser Person. Eine Staatsbürgerschaft haben nur natürliche Personen; Regeln die an Staatsbürgerschaft anknüpfen, werden aber soweit möglich sowohl innerstaatlich als auch im Internationalen Recht entsprechend auf juristische Personen angewandt.

Die durch die Staatsbürgerschaft begründete Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Bürger wirken über das Hoheitsgebiet hinaus. Die Staatsangehörigkeit wird auch von anderen Staaten anerkannt, solange der Staatsbürger nicht von seinem Staat aus der Staatsbürgerschaft entlassen wird.

Die Staatsbürgerschaft begründet spezifische Rechte als Schutz- und Abwehrrechte gegenüber dem Staat sowie im Verhältnis zu Dritten (konsularischen Schutz, faktische Nothilfe, internationale Prozessführungs- und Klagebefugnis, Auslieferungsverbot) und in Demokratieen auch Teilhaberechte am Staatsleben im Sinne eines status activus (politische Mitgestaltung, Souveränitätsteilhabe). An staatsbürgerlichen Pflichten ist im modernen Staatsverständnis nur die Wehrpflicht und in manchen Staaten die Wahlpflicht übrig geblieben, sofern noch praktiziert. Für die Belastung mit Steuern und Abgaben ist die Staatsbürgerschaft entgegen verbreiteter Meinung meistens kein Anknüpfungsmerkmal mehr.

Gleichzeitig ist die Staatsbürgerschaft individuelle Ausprägung des staatskonstitutiven Elements Staatsvolk, wonach ein Staat nur dann und nur solange als solcher anerkannt wird, als er neben Staatsgebiet und Staatsgewalt auch ein Staatsvolk hat (vgl. Drei-Elemente-Lehre). Alle Staatsbürger bilden das Staatsvolk. Dieses wirdin der Regel nicht vollständig identisch mit der Bevölkerung eines Landes sein; i.d.R. leben in Staaten neben dem Staatsvol auch Flüchtlinge und andere Ausländer.


Unionsbürgerschaft (EU)

Hauptartikel: Unionsbürgerschaft

Ähnlich einer Staatsbürgerschaft entwickelt die EU für die Bürger der Mitgliedsstaaten die Unionsbürgerschaft als Komponente des Einigungs- und Integrationsprozesses. Diese ist gegenwärtig keine echte Staatsbürgerschaft, wie auch die EU kein Völkerrechtssubjekt im Sinne eines Staates ist. Dies liegt vor allem daran, dass die EU ein Staatenverbund ist, der nach außen nicht wie ein souveränes Völkerrechtssubjekt auftritt, als solches nicht anerkannt ist und keine Anerkennung beansprucht, sondern auf politische, rechtliche und wirtschaftliche Harmonisierung nach innen gerichtet ist.

Die Unionsbürgerschaft ist in Art. 17 EGV geregelt und ergänzt die nationale Staatsbürgerschaft um eine europarechtliche Dimension, sie betrifft v. a.

  • unionsintern die Freizügigkeit, die Niederlassungsfreiheit, das europarechtliche Wahlrecht
  • international den integrierten diplomatischen und konsularischen Schutz durch alle EU-Mitgliedsstaaten.

Staatenlosigkeit

Staatenlos sind Personen, die die Staatsbürgerschaft keines Staates besitzen.

Diese zwiespältige Situation soll nach mehreren völkerrechtlichen Ansätzen vermieden werden, da sie einerseits die staatenlose Person bezug- und schutzlos stellt, andererseits die (manchmal migrationsartigen) Bewegungen von Staatenlosen für den Staat schwer steuerbar sind. So kann ein Staat in seinem Hoheitsgebiet befindliche Staatenlose nicht auf einen anderen Staat verweisen, vielmehr muss er sie selbst schützen.

Internationale Regelungen der Staatenlosigkeit sind:

  • Internationales Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen vom 28.9.1954 (BGBl. II 1976, S. 473)
  • Übereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30.8.1961 (BGBl. II 1977, S. 597); In diesem Abkommen verpflichten sich die Vertragsstaaten dazu, ihr nationales Staatsbürgerschaftsrecht so auszugestalten, dass ein Entzug der Staatsbürgerschaft nicht stattfindet, Staatenlosigkeit aus anderen Gründen so weit als möglich vermieden wird und dass Staatenlose unter erleichterten Bedingungen eingebürgert werden können. Der freiwillige Verlust der Staatsbürgerschaft soll also nicht mehr möglich sein, wenn der betroffene Bürger dadurch staatenlos würde.

Deutschland ist beiden Abkommen beigetreten.

Multiple Staatsbürgerschaft

Allgemeines

Multiple Staatsbürgerschaft (auch Mehrstaatigkeit genannt) bezeichnet den Fall, dass eine Person mehr als eine Staatsbürgerschaft gleichzeitig hat. Dies entsteht durch das Zusammenwirken von Erwerbstatbeständen verschiedener Staatsordnungen. Häufiger Unterfall ist die doppelte Staatsbürgerschaft bei binationalen Elternpaaren oder bei Einbürgerungen.

Rechtslage in Deutschland und der EU, internationaler Vergleich

Lange Zeit ist Deutschland als Verfechter gegen Mehrstaatigkeit aufgetreten, was zum Teil mit der deutsch-deutschen Staatentrennung nach dem 2. Weltkrieg zusammenhing. International sind zwar vereinzelte Regelungen zu beobachten, durch die manche Staaten in manchen Situationen Mehrstaatigkeit vermeiden, es kann jedoch nicht davon gesprochen werden, dass Mehrstaatigkeit allgemein als etwas Unerwünschtes gesehen wird. Vielmehr zeigt die nationale Gesetzgebung mehrheitlich, dass Staaten vor allem das eigene Verhältnis zu ihren Staatsbürgern regeln, während Mehrstaatigkeit recht liberal gehandhabt wird. Rechtlich ist Mehrstaatigkeit nur in gewissen Randbereichen problematisch und belastet zumindest den Staat nicht, so etwa bei mehrfacher Wehrpflicht (deren Durchsetzbarkeit vor allem vom ständigen Aufenthalt abhängt). Auch entfällt nach völkerrechtlicher Gepflogenheit die Pflicht zum diplomatischen und konsularischen Schutz, wenn sich diese gegen den Staat der anderen Staatsbürgerschaft richten würden. Wegen der zahlreichen Doppelbesteuerungsabkommen sind bei Abgaben rechtliche Kollisionen meist ausgeschlossen.

Seit der Auflösung des Übereinkommens vom 6.5.1963 des Europarats über die Verringerung der Mehrstaatigkeit und über die Wehrpflicht von Mehrstaatern hat die Mehrstaatigkeit als Rechtsproblem an Bedeutung verloren. Dies ging mit der Entwicklung der Unionsbürgerschaft parallel einher.

In Deutschland betrieb 1998/1999 die Bundesregierung eine Reformkampagne zur Modernisierung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22.7.1913 mit dem Ziel der rechtlichen Integration langjähriger Einwanderer (1. und 2. Generation) mit dem Ziel der rechtlichen Gleichstellung. Dabei sollte bei dieser Bevölkerungsgruppe zur Beseitigung eines demokratischen Defizits und wegen ihrer Partizipation am wirtschaftlichen Wiederaufbau Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg eine erleichterte Einbürgerung ermöglicht werden, wobei Mehrstaatigkeit keine entscheidende Rolle spielen sollte. Durch eine von CDU/CSU initiierte Unterschriftenaktion wurde dies politisch verhindert, indem eingewandt wurde, dass rechtliche Integration nachrangig sei im Verhältnis zur sprachlich-kulturellen Integration, welche nicht homogen sei.

Historische Bezüge der Staatsbürgerschaft

Eine Bürgerschaft als dauerhafte Verknüpfung zwischen Staat und Person bestand bereits zur Zeit der Polis im antiken Griechenland. Ausdifferenziert wurde dies im Alten Rom, wo ein Römischer Bürger zu sein geradezu Voraussetzung für die Geschäftsfähigkeit oder Postulationsfähigkeit war und ein in sich geschlossenes Rechtssystem abgrenzte, das sich bis zum Corpus Iuris Civilis (das Bürgerliche Recht) entwickelte, während das Ius Gentium (Recht der Völker) die Beziehungen Roms zu anderen Ländern, Staaten, Völkern regelte und Vorläufer des heutigen Internationalen Rechts war. Römische Bürger (Romanus) waren zur Zeit der Republik die freien Einwohner Roms, später auch die Einwohner Latiums und nach dem Bundesgenossenkrieg die Bewohner eines großen Teils Italiens. Mit Erlass der Constitutio Antoniniana 212 n.Chr. werden alle Einwohner des Römischen Reiches zu Römischen Bürgern.

Ließ sich ein Römischer Bürger in einer Stadt außerhalb Italiens nieder, so blieben er wie auch seine Nachkommen Bürger Roms. Die Dauerhaftigkeit ist auch heute wieder das tragende Prinzip der Staatsbürgerschaft.

Staatsbürgerschaft ist erst seit der Französischen Revolution durch das Aufkommen republikanischen Denkens entstanden. Seitdem wurde der Staat nicht nur als Territorialstaat - wie es der Staat in der absolutistischen Monarchie war - sondern auch als Personenverband von Bürgern verstanden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde daraufhin in den meisten Staaten die Staatsbürgerschaft eingeführt und es wurden Staatsbürgerschaftsgesetze erlassen.

Erwerb der Staatsbürgerschaft

Rechtstechnisch unterscheidet man Erwerb durch Gesetz (automatisch) und durch Verwaltungsakt. Davon unabhängig richtet sich dieser materiell nach traditionell geübter Staatspraxis. Die Staatsbürgerschaft ist zwar in der Regel an die ethnische Volkszugehörigkeit geknüpft, dies ist jedoch selten alleiniger Maßstab.

Das Abstammungsprinzip (ius sanguinis)

Die Staatsbürgerschaft der Eltern wird durch das Kind schon mit Geburt erworben (Realakt). Kinder von Staatsbürgern eines bestimmten Staates werden, unabhängig von dem Land, in dem sie geboren sind, Staatsbürger des Staates ihrer Vorfahren. Dabei vermittelt grundsätzlich jeder Elternteil gleich stark diesen Bezug. In vielen Rechtsordnungen werden Abstammungszweifel dadurch gelöst, dass ein Kind die Staatsbürgerschaft der Mutter erwirbt. In moslemischen Staaten hingegen vermittelt oft der Vater als Familienoberhaupt die Staatsbürgerschaft.

Territorialprinzip (ius soli)

Jeder im Staatsgebiet Geborene bekommt die Staatsbürgerschaft.

Dieses Prinzip wird neben dem Abstammungsprinzip nicht nur von sog. Einwanderungsländern angewandt. Solche Länder sehen darin zwar ein integrales Instrument ihrer Politik, die Anzahl ihrer Staatsbürger zu erhöhen. Jedoch lässt sich umgekehrt aus der Anwendung des ius soli nicht der sichere Befund herleiten, es handele sich um ein Einwanderungsland, zumal es neben anderen Erwerbstatbeständen mehrheitlich praktiziert wird.

Die rechtliche Ausgestaltung kennt zahlreiche Abstufungen und Kombinationen mit weiteren Merkmalen wie legalem Aufenthalt der Eltern, Daueraufenthalt oder Generationenprinzip, ethnischer Zugehörigkeit, ex-kolonialem Bezug u.ä.

Anwendung: In Frankreich etwa wird das ius soli nach dem sog. "doppeltem ius soli" (double droit du sol) praktiziert, wonach ein Elternteil bereits im Land geboren sein muss. Der Erwerbstatbestand greift also bei der 2. Generation.

Einbürgerung (Naturalisation)

Die Einbürgerung ist Erwerb durch Exekutivakt. Dieses Verfahren verbindet seitens des Bürgers den Faktor Freiwilligkeit, also der Wunsch Staatsbürger zu sein (Confirmationselement) und seitens des Staates die Möglichkeit nach selbst definierten Merkmalen weitere Staatsbürger auszuwählen (Kontrollelement). Wie intensiv dieses Instrument von einem Land genutzt wird, und gegebenenfalls im Kontext einer gezielten Bevölkerungspolitik, viele neue Einwohner und Staatsbürger anzuwerben, kann eventuell Teil seiner Selbstdefinition als Einwanderungsland sein.

Ein Nachweis für die kausale Lenkungswirkung einer bestimmten Naturalisations- oder Staatsbürgerschaftsgesetzgebung ist jedoch nicht beigebracht worden.

Viele Rechtsordnungen setzen darüber hinaus die Naturalisation als Instrument großzügig ein, um auf komplexe und detaillierte gesetzliche Automatismen auf der Basis der ius soli- und ius sanguinis-Grundsätzen zu verzichten und eine gewisse Flexibilität zu wahren. Dies ist häufige Praxis bei Ländern mit ethnischer Zersprenkelung, um geografisch und oder historisch weit reichenden Verbindungen gerecht zu werden. Gleiches gilt bei Sezessionen und Zusammenschlüssen von Ländern oder Landesteilen.

Im Selbstverständnis vieler Staatsordnungen sind Demokratieprinzip und Steuerlast natürlich verbunden, so dass der Staat nur diejenigen an der Finanzierung des Gemeinwesens redlicherweise beteiligen darf, den auch der Zugang zur Staatsbürgerschaft offen steht: No taxation without representation.

Anwendungsspezifika: In der Schweiz wird die Einbürgerung nicht vom Gesamtstaat (Bund), sondern von einer Gemeinde durch Verleihung des Gemeindebürgerrechts durchgeführt; die Schweizer Staatsangehörigkeit ist eine untergeordnete Komponente der Gemeindeangehörigkeit.

Erklärung

Eine Person kann durch Erklärung gegenüber den Behörden eines Landes die Staatsbürgerschaft erwerben, sofern das nationale Recht dies vorsieht. Dies ist meist an einigen wenigen Voraussetzungen und Merkmale geknüpft und ist eine minimalistische Form der Einbürgerung.

Verlust der Staatsbürgerschaft

Der Verlust der Staatsbürgerschaft kann wie der Erwerb durch gesetzlichen Automatismus (de lege) oder per Verwaltungsakt erfolgen. In liberalen Staatsordnungen auch durch einseitiges Handeln des Staatsbürgers.

De lege erfolgt der Verlust üblicherweise durch freiwilligen Erwerb einer anderen Staatsbürgerschaft, durch Eintritt in fremde Streitkräfte, durch Auswanderung oder permanente Abwesenheit vom Staatsgebiet u.ä.

Durch Erklärung, Verzicht u.ä. des Staatsbürgers kann ein Verlust ebenfalls erfolgen, wobei dies nur für bestimmte Situationen oder unter weiteren Voraussetzungen vorgesehen ist.

Durch Verwaltungsakt erfolgt die Entlassung, Befreiung oder Genehmigung des Verzichts, wobei diese Administrativkontrolle das Vorliegen weiterer Voraussetzungen sichert: Vermeidung von Staatenlosigkeit, Ableisten von Wehrdienst, Rückerstattung von Ausbildungskosten, Begleichen von Steuerschulden.

Internationales Privatrecht

Insbesondere im internationalen Privatrecht (IPR) ist für viele Rechtsfragen die Staatsbürgerschaft der am Rechtsverkehr beteiligten Personen ausschlaggebender Anknüpfungspunkt für das anzuwendende Recht. Bei Personen, die mehr als eine Staatsbürgerschaft haben, gilt das Prinzip der effektiven Staatsbürgerschaft.

In Deutschland ist nach dem Art. 5 Abs. 1 EGBGB das Recht des Staates anzuwenden, dessen Staatsbürgerschaft er mit der engsten Verbundenheit (Indizien: Wohnsitz, Geburt o.ä.) besitzt.

Siehe auch

Einführung in das französchische Staatsangehörigkeitsrecht (fr.)