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Wehrpflicht in Deutschland

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Weltkarte der Armeeformen
Datei:Weltkarte der Armeeformen.png
Farbschlüssel
  • Grün: Keine Streitkräfte
  • Blau: Keine Wehrpflicht (Freiwilligenarmee / Berufsarmee)
  • Orange: Noch Wehrpflicht, aber eine Abschaffung in naher Zukunft ( < 3 Jahren) ist bereits beschlossen
  • Rot: Wehrpflicht
  • Grau: Keine Angaben

Als Wehrpflicht bezeichnet man die Pflicht, für einen gewissen Zeitraum in der Armee oder einer anderen Wehrformation (z. B. Feuerwehr) eines Landes zu dienen. Ob und für wen eine Wehrpflicht besteht, ist in verschiedenen Ländern unterschiedlich geregelt. Mit wenigen Ausnahmen erstreckt sich die Wehrpflicht nur auf die männliche Bevölkerung, dennoch wird häufig auch synonym von einer allgemeinen Wehrpflicht gesprochen.

Geschichte

Heere, die aufgrund einer allgemeinen Aushebung aller wehrfähigen Männer aufgestellt wurden, gab es in der Geschichte immer wieder, etwa das Heer der römischen Republik oder Bürgergarden in Städten. Auch der preußische Staat befand sich mit dem Kantonssystem (Wehrfähige eines Gebietes waren für bestimmte militärische Einheiten enrolliert) auf dem Weg zu einer Wehrpflichtigenarmee.

Das Frankreich der großen Französischen Revolution war der erste europäische Staat, der seine Armee mit der Levée en masse fast ausschließlich aufgrund einer allgemeinen Wehrpflicht organisierte. (Daneben gab es noch Freiwillige.)

Preußen kopierte dieses Vorbild und führte im Zuge der preußischen Reformen auch die allgemeine Wehrpflicht ein. Damit war eine grundsätzliche Aufwertung des Soldatenstandes verbunden, galten Soldaten bisher doch als gesellschaftlich deklassiert - jetzt, wo auch Bürgersöhne zur Armee eingezogen wurden, galt Militärdienst als Ehrendienst. Entehrende Körperstrafen wurden folgerichtig abgeschafft.

Nach den Befreiungskriegen wurde die Wehrpflicht in Preußen konsequent beibehalten, mit der Ausnahme, dass Angehörige der „gebildeten Stände“ sich als so genannte „Einjährig-Freiwillige“ melden konnten. In den anderen deutschen und europäischen Staaten wurde unter den tauglich Gemusterten die erforderliche Anzahl von Rekruten durch Los bestimmt, der Ausgeloste konnte aber einen Ersatzmann stellen, weshalb in der Armee eher Männer aus ärmeren Schichten dienten.

Im Kaiserreich setzte sich das preußische gegen alle anderen Rekrutierungssysteme durch, hatte es doch seine Effizienz im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 eindrucksvoll bewiesen.

In der Weimarer Republik war die Wehrpflicht aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags abgeschafft, die Reichswehr war eine auf 100.000 Mann begrenzte Berufsarmee. Im Dritten Reich wurde die Wehrpflicht am 16. März 1935 wiedereingeführt, im Zuge der Volksgemeinschaft wurde aber der „Einjährige“ abgeschafft und von den Offizieren wurde erstmals gefordert, auch die Mannschaften als Kameraden zu betrachten.

Während der Zeit der Teilung Deutschlands unterlagen Bürger von Berlin (West) nicht der Wehrpflicht.

Wehrpflicht in der Bundesrepublik Deutschland

Geschichte

Siehe auch: „Wehrpflicht“ in „Geschichte der Bundeswehr“

Die Wehrpflicht wurde in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Inkrafttreten des Wehrpflichtgesetzes (WPflG) am 21. Juli 1956 eingeführt und 1968 im Grundgesetz verankert:

Art. 12a [Wehr- und Dienstpflicht] (1) Männer können vom vollendeten achtzehnten Lebensjahr an zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet werden. (2) Wer aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe verweigert, kann zu einem Ersatzdienst verpflichtet werden. Die Dauer des Ersatzdienstes darf die Dauer des Wehrdienstes nicht übersteigen.

Wichtig ist, dass es sich dabei um eine Kann-Vorschrift handelt. Die Wehrpflicht kann daher jederzeit vom Parlament mit einfacher Mehrheit ausgesetzt werden, ohne dass dafür das Grundgesetz geändert werden müsste.

Wehrpflichtigkeit

Wehrpflichtig sind alle Männer vom vollendeten 18. Lebensjahr an, die Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind und

  1. ihren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben oder
  2. ihren ständigen Aufenthalt außerhalb der Bundesrepublik Deutschland haben und entweder
  • ihren früheren ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten oder
  • einen Pass oder eine Staatsangehörigkeitsurkunde der Bundesrepublik Deutschland besitzen oder sich auf andere Weise ihrem Schutz unterstellt haben.

(§1 Satz 1 WPlfG)

Polizeivollzugsbeamte leisten keinen Wehrdienst. Ihre Wehrpflicht gilt mit dem Eintritt in die Polizei (Polizei der Länder und Polizei des Bundes) als abgegolten. Eine Ausnahme besteht, wenn das Dienstverhältnis in der Polizei vor dem Ende der Wehrpflichtigkeit beendet wird.

Eine Freistellung vom Grundwehrdienst ist auch bei einer mindestens sechsjährigen Verpflichtung zum Ersatzdienst im Katastrophenschutz möglich, der z. B. beim Technischen Hilfswerk, bei der Freiwilligen Feuerwehr geleistet wird.

Erfassung

Der Begriff Erfassung bezeichnet den Vorgang, mit dem die Bundeswehr von den Personendaten der Wehrpflichtigen Kenntnis erlangt. Dies geschieht mit der quartalsweisen Übermittlung der Daten männlicher Jugendlicher, die das 17. Lebensjahr vollendet haben, durch das Einwohnermeldeamt - was zur Folge hat, dass beim Einwohnermeldeamt vor diesem Zeitpunkt und bis zum Erreichen der Einberufbarkeitsgrenze von in diesem Fall 23 Jahren nicht gemeldete Personen zwar weiterhin wehrpflichtig und einberufbar sein können, aber der Bundeswehr unbekannt bleiben. Das Abmelden vom tatsächlichen Wohnsitz stellt allerdings eine Ordnungswidrigkeit dar.

Die erfassten Personen werden benachrichtigt und aufgefordert, eventuelle Korrekturen zu ihren Daten dem zuständigen Kreiswehrersatzamt mitzuteilen. Dieses lädt die Wehrpflichtigen zur Musterung, bei der u.a. der Tauglichkeitsgrad festgestellt wird, der maßgeblich darüber entscheidet, ob der Wehrpflichtige zum Wehrdienst herangezogen wird.

Erfüllung der Wehrpflicht

Die Wehrpflicht wird durch den Wehrdienst oder im Falle des § 1 des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes vom 28. Februar 1983 durch den Zivildienst erfüllt. Die Dauer des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes beträgt heute neun Monate.

Dauer der Wehrpflicht in der Bundesrepublik Deutschland von 1957 bis heute (in Monaten)


Ablauf des Wehrdienstes

Erster Teil des Dienstes ist die Allgemeine Grundausbildung (AGA), die drei Monate dauert. Sie beinhaltet u. a. Themen wie Formalausbildung, Gefechtsdienst, Staatskunde, Erste Hilfe und Leben im Felde. Daneben werden zahlreiche Übungen (Märsche, Biwaks, Hindernisbahn) durchgeführt. In begrenztem Umfang wird auch Sport getrieben. Gegen Ende der AGA wird das Gelöbnis abgelegt. Die AGA endet mit der „Rekrutenbesichtigung“, einer mehrtägigen Prüfung, in der die Rekruten die erworbenen Fähigkeiten nachweisen müssen. Nach erfolgter Ausbildung zum Sicherungs- und Wachsoldaten wird den Absolventen der „Allgemeine Tätigkeitsnachweis (ATN) Sicherungssoldat“ (Wachausbildung) zuerkannt.

Je nach Verwendung schließt sich eine Spezialgrundausbildung z. B. zum Panzergrenadier, Fallschirmjäger, Stabsdienstsoldat usw. an das Ende der AGA an. Dem Soldaten wird am Ende dieser Ausbildung ein weiterer ATN (Erstverwendungs-ATN) verliehen, z. B. Panzergrenadier, Fallschirmjäger, Stabsdienstsoldat usw.

In den verbleibenden Monaten folgt in der Regel die sogenannte "Vollausbildung". Hier nehmen die Wehrpflichtigen verschiedenste Aufgaben wahr, beispielsweise Posten im Stabsdienst, als Kraftfahrer o. ä. Verfügen die Wehrpflichtigen über besondere Fähigkeiten (z. B. Fremdsprachenkenntnisse), können sie dementsprechend eingesetzt werden.[1].

Es besteht die Möglichkeit, den Wehrdienst freiwillig auf bis zu 23 Monate zu verlängern (FWDL).

Ende von Wehrpflicht und Einberufbarkeit

Die Wehrpflicht endet mit Ablauf des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das 45. Lebensjahr (bei Offizieren und Unteroffizieren das 60. Lebensjahr) vollendet. Im Spannungs- und Verteidigungsfall endet die Wehrpflicht mit Ablauf des Jahres, in dem der Wehrpflichtige das 60. Lebensjahr vollendet.

Davon zu unterscheiden ist allerdings die in § 5 WPflG geregelte Einberufbarkeit Ungedienter, die in Friedenszeiten (unvollständiger Auszug):

  • in der Regel bis zum 23. Geburtstag andauert
  • bis zum 25. Geburtstag andauert unter anderem bei
    • genehmigungspflichtigen, aber ungenehmigten Auslandsaufenthalten
    • Zurückstellungen, die eine Einberufung bis zum 23. Geburtstag verhindern
  • bis zum 30. Lebensjahr, wenn wegen einer Verpflichtung im Katastrophenschutz eine Einberufung vor Vollendung des 23. Lebensjahres nicht möglich war
  • bis zum 32. Geburtstag andauert bei Personen, die aufgrund ihrer Berufsausbildung während des Grundwehrdienstes vorwiegend militärfachlich verwendet werden (z. B. Ärzte).

Wehrdienst Ungedienter im Verteidigungsfall

Auch ungediente Wehrpflichtige gehören zur Ersatzreserve. Wehrpflichtige, die in der Bundeswehr gedient haben, gehören zur Reserve. Die übrigen gedienten Wehrpflichtigen gehören zur Reserve, sobald über ihre Heranziehung zum Wehrdienst auf Grund der Wehrpflicht entschieden ist.

Einberufungspraxis

Mit dem Zivildienständerungsgesetz wurden die Regelungen zur Einberufung geändert:

  • Absenkung der Heranziehungsgrenze für den Grundwehrdienst vom 25. auf das 23. Lebensjahr, d.h. wenn jemand beispielsweise am 30.6. eines Jahres 23 wird, so kann er erstmalig zur "Juli-Ziehung" nicht mehr dienstverpflichtet werden.
  • Keine Heranziehung von verheirateten oder in eingetragenen Lebenspartnerschaften lebenden Männern oder Wehrpflichtigen mit dem Sorgerecht für mindestens ein Kind.
  • Der Verwendungsgrad T3 ist entfallen. Mit T3 gemusterte Wehrpflichtige gelten nun als ausgemustert.
  • Wehr- und Zivildienstpflichtige, die nach dem Erreichen der allgemeinen Hochschul- oder Fachhochschulreife eine betriebliche oder eine Beamtenausbildung aufgenommen haben, werden auf Antrag zurückgestellt.
  • Wehr- und Zivildienstpflichtige können sich von der Dienstpflicht befreien lassen, wenn mindestens zwei Geschwister ein ziviles oder militärisches Dienstjahr geleistet haben.

Im Vorgriff auf die neue Regelung wurde dies bereits seit dem 1. Juli 2003 so praktiziert. Die Pflicht zur Dienstleistung im Verteidigungsfall bleibt von diesen Regelungen unberührt.

In der Praxis haben von den 440.000 erfassten Männern des Jahrganges 1980 (die ab 2004 nicht mehr eingezogen werden können) 137.500 (31,25%) den Wehrdienst geleistet, 152.000 (34,54%) Zivildienst oder einen anderen Ersatzdienst geleistet, und 150.500 (34,2%) wurden ausgemustert oder aus anderen Gründen nicht zum Dienst herangezogen.

Diskussion um die Aussetzung der Wehrpflicht

Verschiedene Interessengruppen und Parteien, wie die FDP, die Linkspartei und Bündnis90/Die Grünen fordern, die Wehrpflicht in Deutschland auszusetzen oder sogar ganz abzuschaffen, während große Teile der Volksparteien (die SPD und insbesondere die CDU/CSU) für eine Beibehaltung eintreten. Die kontroverse Diskussion um die Wehrpflicht sorgt für eine starke Polarisierung zwischen Befürwortern und Gegnern, wobei beide Seiten gute Argumente für ihre jeweiligen Positionen aufführen.

Wehrgerechtigkeit

Ein wichtiger Punkt in der Diskussion um die Wehrpflicht ist die Wehrgerechtigkeit. Diese ist dann gegeben, wenn möglichst jeder taugliche junge Mann, der nicht verweigert hat, zum Wehrdienst herangezogen wird. Da inzwischen aber immer weniger junge Männer eines Jahrgangs tatsächlich zum Wehrdienst eingezogen werden, wird eine mangelnde Gerechtigkeit beklagt. Dabei gibt es einen Unterschied zwischen der Schaffung von Wehrgerechtigkeit im juristischen Sinne und dem Gerechtigkeitsempfinden in der Gesellschaft. Da der Bedarf an Wehrpflichtigen in der Bundeswehr gesunken ist, wurden die Tauglichkeitskriterien erhöht und weitere Ausnahmeregelungen geschaffen. Dies führt dazu, dass deutlich weniger Wehrdienstfähige zur Verfügung stehen und es fällt leichter den Ausschöpfungsrest - also die Zahl derer, die aus dieser Gruppe keinen Dienst leisten müssen - klein zu halten. Somit wird zwar formaljuristisch Wehrgerechtigkeit hergestellt, die aber von dem Einzelnen (und der Gesellschaft) oftmals nicht als wirklich gerecht empfunden wird, da diese eher interessiert, wieviel Prozent eines Jahrganges überhaupt noch dienen müssen. Um den Ausschöpfungsrest möglichst klein zu halten, sollen in den nächsten Jahren wieder mehr Wehrpflichtige eingezogen werden. Damit folgt das Bundesverteidigungsministerium vor allem dem Spruch des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig (Vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2005 BVerwG 6 C 9.04 VG 8 K 154/04, S. 9f.), welches dem Staat zwar freie Hand in Sachen Tauglichkeitskriterien und Ausnahmeregelungen zugestand, aber diesem gleichzeitig auferlegte "möglichst alle verfügbaren Wehrpflichtigen auch zum Wehrdienst heranzuziehen". Eine letztendliche Klärung, ob die Wehrpflichtpraxis noch dem grundgesetzlichem Gebot der Gleichbehandlung genügt, steht zur Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht an.

Allgemeine Wehrpflicht - nur für Männer

Obwohl in Deutschland eine „allgemeine Wehrpflicht“ existiert, bezieht sich diese nur auf Männer. Zwar verstößt dies grundsätzlich gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes, jedoch wurde vom Bundesverfassungsgericht entschieden, dass dies nicht zur Ungültigkeit der Wehrpflicht führe: der Gesetzgeber habe die „Männer-Wehrpflicht“ nachträglich in das Grundgesetz aufgenommen. Somit sei eine „lex specialis“ bezüglich der Wehrpflicht gegenüber der „lex generalis“ des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Artikel 3 GG) geschaffen worden.

Die vom Gesetzgeber in Kauf genommene Diskriminierung von Männern durch die Wehrpflicht wirft allerdings nicht nur juristische, sondern auch gesellschaftliche Fragen auf. Je nach Stand der erreichten Gleichberechtigung ergeben sich entsprechende Akzeptanzprobleme und erhöhen damit zusätzlich die Anforderung an die Politik, die Wehrpflicht ausreichend zu begründen. Verschärft wurde die Debatte dadurch, dass Frauen inzwischen einen freien und freiwilligen Zugang zur Bundeswehr mit all ihren beruflichen Möglichkeiten haben, wodurch die ursprüngliche Benachteiligung von Frauen zwar beseitigt, der diskriminierende Charakter der Wehrpflicht nur für Männer aber noch verstärkt wurde.

Oft wird als Argument - sowohl für als auch gegen eine Ungleichbehandlung - angeführt, Frauen „opferten“ einen ähnlichen Teil ihrer Lebenszeit beim Gebären und Aufziehen von Kindern und würden auch ansonsten den Hauptteil der sozialen Arbeiten, wie etwa bei der Pflege von Familienangehörigen leisten. Allerdings ist dieser Vergleich umstritten. Nicht nur, dass immer mehr Frauen keine Kinder bekommen und wenn, dieses freiwillig erfolgt, es bleiben auch die Leistungen der Väter hier völlig unberücksichtigt. Es wird auch bemängelt, dass z.B. die Pflegearbeit einer Frau berücksichtigt wird, nicht aber die Arbeit ihres Mannes, der beispielsweise durch seinen Verdienst die Pflegeleistung seiner nicht berufstätigen Frau überhaupt erst möglich macht.

Kritiker meinen, dass es letztendlich dem Staat nicht erlaubt sein könne, bei grundsätzlich gleicher oder ähnlicher Arbeitsleistung von Frauen und Männern zwischen „guter“ und „schlechter“ Arbeit zu unterscheiden und damit einen Ausgleich in Form einer Wehrpflicht zu begründen. Im Weiteren ziehe die Wehrpflicht mehr als nur berufliche Behinderungen nach sich, wie etwa den oft harten Dienst, die Einschränkung verschiedener Rechte und die entsprechenden Konsequenzen im Ernstfall.

Als weithin überholt gelten Vorstellungen, dass Frauen prinzipiell nicht für den Militärdienst geeignet seien. Dafür haben nicht zuletzt die weiblichen Soldaten der Bundeswehr selbst gesorgt.

Von Gegnern einer Ausweitung der Wehrpflicht auch auf Frauen wird befürchtet, dass es dann noch weniger Nachwuchs in Deutschland geben könnte. Allerdings ist die Geburtenrate in Israel, wo die Wehrpflicht für beide Geschlechter gilt, höher als die in Deutschland.

Kostenargumente

Kostenargumente werden sowohl von Befürworter als auch von Gegnern der allgemeinen Wehrpflicht genannt. So wird argumentiert, dass die Wehrpflicht die billigere und effizientere Variante gegenüber einer Berufsarmee ist. Die Wehrpflicht erleichtere es, Zeit- und Berufssoldatensoldaten zu rekrutieren. So kam der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, in seiner damaligen Funktion als Vorsitzender des Verteidigungsausschusses in einer Modellrechnung 2004 zu dem Ergebnis, dass eine Berufsarmee 3,5 bis 7 Milliarden Euro teurer sei als die derzeitige Armee. Vor allem deswegen, weil enorme Finanzmittel für Rekrutierungsmaßnahmen aufgewendet werden müssten. „Frankreich, Spanien, Italien, alle Länder, die die Wehrpflicht abgeschafft haben, haben diese Riesenprobleme, müssen heute ein immenses Geld für Rekrutierungsmaßnahmen ausgeben“, sagte dazu Robbe in einem Interview mit dem Deutschlandradio.

Diese Sichtweise wird auch von den Wehrpflichtgegnern nicht bestritten. Allerdings wird von Ihnen herausgestellt, dass dies eine rein betriebswirtschaftliche Sichtweise ist, während die meisten wissenschaftlichen Studien zum Kostenvergleich der verschiedenen Armeeformen volkswirtschaftlich argumentieren. Einer Studie zur ökonomischen Effizienz der Wehrpflicht zufolge, die am Institut für Streitkräftemanagement der Bundeswehruniversität München entstand, wäre eine Freiwilligenarmee bei gleicher Leistungsfähigkeit um etwa 50 Prozent effizienter als die heutige Wehrpflichtarmee. „Die Teilstudie ergab deutliche Kosten – und Effizienzvorteile für eine Bundeswehr, die aus Freiwilligen besteht. Diese Freiwilligenarmee würde auf der Kostenseite zu geringeren Kosten und auf der Leistungsseite zu höheren Leistungen führen“, schreiben die Autoren in ihrem Fazit. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) sieht in einer Berufsarmee die Ökonomisch sinnvollere Lösung. „Aus ökonomischer Sicht ist eine Berufsarmee einer Wehrpflichtarmee vorzuziehen, Sie ist volkswirtschaftlich kostengünstiger und ordnungspolitisch sinnvoller als eine Wehrpflichtarmee“ heißt es im Wochenbericht 4/2004 des DIW ([1])

Die volkswirtschaftlich entstehenden Kosten einer Wehrpflichtarmee liegen unter anderem auch darin, dass die Wehrpflicht zum Verlust mindestens eines Jahresgehaltes der betroffenen jungen Männer führt. Verbunden ist damit ein entsprechender Ausfall an Kaufkraft, Steuern und Sozialabgaben. Verloren geht zudem nicht das niedrige erste Jahresgehalt, welches ja verspätet nachgeholt wird, sondern das erheblich höhere letzte Jahresgehalt.

Ein möglicher Vorteil durch im geleisteten Wehrdienst erlangte Fähigkeiten, oder gar erst durch den Wehrdienst geweckte Interessen werden bei diesen Rechnungen allerdings außer Acht gelassen.

Gemäß dieser beiden Sichtweisen, kann es durchaus sein, dass eine Berufsarmee den Verteidigungsetat stärker, aber zugleich die gesamte Volkswirtschaft weniger belastet. Bei einer Wehrpflichtarmee, subventionieren die Wehrpflichtigen gewissermaßen den Wehretat, während bei einer Freiwilligen- und Berufsarmee Kosten sichtbar gemacht werden, die volkswirtschaftlich ohnehin vorhanden sind. Gegner einer Wehrpflicht argumentieren daher auch, dass ein eventuell höherer Wehretat über die Steuern wenigstens alle Bürger treffen würde und nicht wie bei der Wehrpflicht nur einen kleinen Teil.

Ähnliche Kostenargumente gibt es auch für den Zivildienst, obwohl hier immer der Vorbehalt gilt, dass die eigentliche Ausnahme nicht den Regelfall zu legimitieren hat. So wird befürchtet, dass ohne den an die Wehrpflicht gekoppelten Zivildienst die soziale Versorgung in vielen Bereichen zusammenbrechen könnte. Zwar trifft es zu, dass sich in den Jahrzehnten, in denen die Zahl der Kriegsdienstverweigerer stetig zunahm und damit immer mehr Plätze für Zivildienstleistende zu schaffen waren, sehr viele Krankenhäuser, Senioren- und Pflegeheime, Rot-Kreuz-Stationen usw. sich mit „Zivis“ zu für sie günstigen finanziellen Konditionen über den viel beklagten Notstand im Pflege- und Gesundheitswesen hinweggeholfen haben. Doch seitdem es im Zuge der Absenkung der Zahl der Grundwehrdienstleistenden erforderlich wurde, auch die Zahl der Zivildienstleistenden von 1999 noch 150.000 auf 70.000 im Jahr 2004 zu senken, mussten sich die Dienststellen schrittweise darauf einstellen, mit deutlich weniger Hilfskräften auszukommen. Den meisten Dienststellen gelang die Umstellung, weil ein Teil der Zivildienstplätze in reguläre Arbeitsplätze umgewandelt und ein anderer durch Mini-Jobs und Hartz IV-Maßnahmen aufgefangen werden konnte. Daher gelangt die Zentralstelle KDV zu dem Schluss: „Die Zivildienstfrage ist längst gelöst.“

Generalinspekteur Bagger 1996 zur Allgemeinen Wehrpflicht

Am 16. Juli 1996 veröffentlichte der damalige Generalinspekteur Hartmut Bagger im Generalinspekteurbrief 1/96 seine Stellung zur Diskussion über die Allgemeine Wehrpflicht und fasst damit wichtige Argumente für eine Beibehaltung der Wehrpflicht zusammen.

„Für viele scheint das stärkste Argument für eine Berufsarmee die damit verbundene Professionalisierung zu sein. Wehrpflicht und Professionalität schließen sich nicht gegenseitig aus. Die Wehrpflicht schafft darüber hinaus die Möglichkeit, das gesamte Potential an Intelligenz, Fähigkeiten und beruflicher Ausbildung unserer jungen Bürger zu nutzen. Wir profitieren von diesem Potential nicht nur bei den Wehrpflichtigen, wir gewinnen aus ihm auch die Hälfte unseres Führernachwuchses an Offizieren und Unteroffizieren. Qualität und Kultur der Führung in der Bundeswehr, aber auch Professionalität werden wesentlich von der Wehrpflicht abhängen. Der mit einer Freiwilligenarmee häufig verbundene Verzicht auf Pluralität kann zu einem Verlust an geistiger Vitalität führen.“

Bagger sah deshalb auch keinen Zweifel, dass die Wehrpflichtarmee nicht nur unter dem Aspekt der Qualität ihres Personals, sondern auch aus gesellschaftspolitischer Sicht die „intelligentere Armee“ sei. Zudem mache sie die Verteidigung von Recht und Freiheit zur Sache aller Bürger und beuge der Tendenz vor, Streitkräfte als „Dienstleistungsagentur für Verteidigung“ misszuverstehen.

Altbundespräsident Roman Herzog 1995 zur Allgemeinen Wehrpflicht

Altbundespräsident Roman Herzog mahnte beim vierzigjährigen Bestehen der Bundeswehr 1995 vor den Kommandeuren der Streitkräfte:

"Die Wehrpflicht ist ein so tiefer Eingriff in die individuelle Freiheit des jungen Bürgers, dass ihn der demokratische Rechtsstaat nur fordern darf, wenn es die äußere Sicherheit des Staates wirklich gebietet. Sie ist also kein allgemeingültiges ewiges Prinzip, sondern sie ist auch abhängig von der konkreten Sicherheitslage. Ihre Beibehaltung, Aussetzung oder Abschaffung und ebenso die Dauer des Grundwehrdienstes müssen sicherheitspolitisch begründet werden können. Gesellschaftspolitische, historische, finanzielle und streitkräfteinterne Argumente können dann ruhig noch als Zusätze verwendet werden. Aber sie werden im Gespräch mit dem Bürger nie die alleinige Basis für Konsens sein können. Wehrpflicht glaubwürdig zu erhalten, heißt also zu erklären, weshalb wir sie trotz des Wegfalls der unmittelbaren äußeren Bedrohung immer noch benötigen."

Die hier hervorgehobenen Passagen zeigen, dass die von Herzog vermisste zeitgemäße sicherheitspolitische Begründung der Wehrpflicht auf eine vom Bürger einsehbare Bedrohung bezogen sein sollte, die eine Verteidigung gegen äußere Angriffe erforderlich mache. Diese blieb indes auch weiterhin aus.

Ethische, gesellschaftliche und bundeswehrinterne Argumente

Ethische Argumente für die Wehrpflicht findet man unter anderem in Immanuel Kants Schrift "Zum ewigen Frieden": Hier argumentierte der Philosoph, stehende Heere (also Berufsarmeen) würden nur zu Wettrüsten und in weiterer Folge zu Kriegen führen. Im Gegensatz dazu stehe der defensive Charakter der Wehrpflichtigenarmee. Kant sieht es sogar als ethische Pflicht an, Berufsheere durch freiwillige periodische Wehrübungen der Staatsbürger zu ersetzen (vgl. "Zum ewigen Frieden", BA 8f.).

Die Erfahrungen mit den beiden Weltkriegen und den Kriegen danach zeigen allerdings, dass Wehrpflichtarmee diese weder verhindern noch in irgendeiner Form das Wettrüsten behindert haben. In Abwandlung der Vorstellungen von Kant, wird daher argumentiert, dass Wehrpflichtarmeen in demokratischen Gesellschaften zu einer höheren Verantwortung der Regierungen den Soldaten gegenüber führt und das Für und Wider eines Auslandseinsätze verantwortungsgewusster entschieden wird.

Befürworter der Wehrpflicht warnen immer wieder vor den Erfahrungen in der Weimarer Republik, in der die Reichswehr als Berufsarmee zum „Staat im Staate“ wurde. Diese Lehre hat die Entscheidung der Bundesrepublik für eine auf der Wehrpflicht beruhende Wehrverfassung zwar maßgeblich beeinflusst und hatte zu jener Zeit auch ihre Berechtigung. Aber sie sollte Anfang des 21. Jahrhunderts nicht mehr die Zukunft der Bundeswehr bestimmen: Zum einen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Beschreibung der Wehrpflicht als „legitimes Kind der Demokratie“ eher ein Mythos ist, zumal dieses Wehrsystem im Kaiserreich und im Nationalsozialismus „den Militarismus mit ermöglicht hat“. Zum anderen darf nicht übersehen werden, dass die Bundeswehr schon längst und mit steigender Tendenz zum weitaus größten Teil aus professionellen Soldaten besteht. Soweit sie Zeitsoldaten sind, haben sie sich für einen mehr oder weniger langen Lebensabschnitt „beim Bund“ entschieden, leisten ihre Arbeit dort auch selbst- und verantwortungsbewusst, aber viele denken mit demselben Ernst über ihre zivile Anschlusstätigkeit nach. Zum dritten haben einige andere große demokratische Staaten wie die USA und Großbritannien schon lange, und selbst Frankreich seit einigen Jahren auf die Wehrpflicht verzichtet, ohne dass irgend jemand ernsthafte Sorgen um deren demokratischen Grundbestand hätte. Und schließlich bestehen in einer funktionsfähigen Demokratie wie der Bundesrepublik Deutschland –anders als in der Weimarer Republik – genügend Möglichkeiten, um eine Freiwilligenarmee, die aus Zeit- und Berufssoldaten zusammengesetzt ist, demokratisch eingebunden zu halten.

Von militärischen Personalplanern wird mit als erstes darauf hingewiesen, man brauche intelligente Streitkräfte, und die seien durch die volle Ausschöpfung von Jahrgängen besser zu erreichen, als wenn man sich – vor allem um ausreichend Personal für die Mannschaftsdienstgrade zu bekommen – mit denjenigen begnügen müsse, die auf dem Arbeitsmarkt keinen Job bekämen. Dieses Argument ist sicherlich einer der gewichtigsten Gründe für das unbeirrbare Festhalten der Bundeswehr an dieser Wehrform. Aus diesem Argument sprechen allerdings weniger ethisch-grundsätzliche, sondern vielmehr pragmatisch-grundsätzliche Gesichtspunkte.

Im Weiteren wird argumentiert, dass die Wehrpflicht Ausdruck der persönlichen Verantwortung aller Bürger für die Sicherheit ihres Staates sei. Dem in diesem Idealbild verankerten Ansatz steht allerdings zum Teil entgegen, dass mit „alle Bürger“ in Deutschland tatsächlich nur die männlichen Bürgergemeint sind und dass dieser Anspruch nur mit Einschränkungen mit den sehr niedrigen Bedarfzahlen der Bundeswehr an Wehrpflichtigen im Einklang steht.

Ähnlich sind Argumente zu sehen, die in der Wehrpflicht einen Garanten sehen, damit jeder Mann wenigstens einmal im Leben etwas direkt für den Staat und die Gesellschaft leistet. Neben der erneuten Problematik mit der Gleichberechtigung und den geringen Bedarfszahlen stellt sich zudem die Frage, ob die direkte Leistung von Männern für Staat und Gesellschaft tatsächlich nur im Wehr- und Zivildienst besteht.

Eine hohe Bedeutung wird der Wehrpflicht auch bei der Einbindung der Bundeswehr in die Gesellschaft zugemessen. Den Wehrpflichtigen kommt dabei gleich eine doppelte Aufgabe zu. Zum einen sollen sie, "überwachend"/"mäßigend" auf das militärische Stammpersonal wirken. Zum anderen sollen diejenigen, die einige Zeit „beim Bund“ waren, danach so etwas wie Werbeträger der Bundeswehr in der zivilen Gesellschaft werden. Diese Doppelwirkung wird jedoch gleich von mehreren Entwicklungen und Gegebenheiten geschwächt.

So zeigt die Studie „Gewalt gegen Männer“ ([2]), dass überhaupt nur ca. 1/3 der Exwehrpflichtigen sich positiv über ihre Wehrdienstzeit äußern. Zum anderen wurde in den letzten Jahren sowohl der prozentuale Anteil als auch die absolute Anzahl der Wehrpflichtigen permanent verringert, so dass sich der Effekt der demokratischen Durchdringung entsprechend abgeschwächt hat.

Die Verkürzung der Wehrdienstdauer führte zudem dazu, dass die jungen Männer fast nur noch in Ausbildungseinheiten mit Zeit- und Berufssoldaten in Berührung kommen und nicht mit dem Rest der Bundeswehr. Der gewünschte Effekt könnte daher noch am stärksten bei denjenigen sein, die als freiwillig längerdienende Wehrpflichtige (FWDL) bis zu 23 Monaten den soldatischen Alltag erfahren, auch wenn sie wahrscheinlich mit einer ähnlichen positiven Grundeinstellung gegenüber dem Militär ihren Dienst angetreten haben wie ihre Kameraden mit Zeitverträgen z.B. für vier Jahre.

Wenn die Gesellschaft also von den FWDL so etwas wie eine demokratische Kontrolle des Militärs von innen und ein Mittel gegen dessen Verkrustung erwarten darf, dann sollte die Fähigkeit und Bereitschaft dazu wenigstens den kürzer dienenden Zeitsoldaten nicht abgesprochen werden. Das aber heißt, es bedarf dazu keiner Wehrpflichtigen, sondern es genügt eine Struktur mit einem hohen Anteil von kürzer dienenden Zeitsoldaten.

Emotionale und weltanschauliche Gründe

Die Beibehaltung der Wehrpflicht in Deutschland hat zu einem nicht zu unterschätzenden Teil auch emotionale und weltanschauliche Gründe. So gilt das Militär für viele als „Sinnbild des wehrhaften Geschlechts“ und „Schule der Nation“ (siehe Vortrag von Prof. Uta Klein: [3]. Die Ursprünge dieser Einschätzung liegen darin, dass historisch mit der allgemeinen Wehrpflicht der Bürgerstatus verknüpft wurde. Staatsbürgerschaft und Landesverteidigung galten als zwei Seiten einer Medaille. Entsprechend wurde der Ausschluss von Frauen aus politischen Rechten auch mit ihrer vermeintlichen Nichtwaffenfähigkeit begründet. Die Verknüpfung der Wehrhaftigkeit mit Männlichkeit hat eine symbolische und ideologische Funktion und entsprach durchaus der damaligen Vorstellung über die Geschlechterrollen. Interessant ist dabei auch, dass umgekehrt die prinzipielle Eignung von Männern für Kampf und Waffendienst nie in Frage gestellt wurde. Lediglich eine Nichteignung aus pazifistischen Motiven wurde mit der Zeit anerkannt.

Männlichkeit stellt nach Frau Prof. Klein ein Funktionselement dar, wobei eines der Merkmale die Sozialisation ist: Diese findet nicht hin zum geschlechtslosen Soldaten statt, sondern zum männlichen. Im Militär wird Männlichkeit sozialisiert. Der Wehrdienst bewirkt, dass junge Männer von Frauen getrennt werden und bindet sie an andere Männer. Für die jungen Männer bedeutet das Militär den Rückzug in einen Männerbund, in dem sie sich als Mann erweisen müssen. „Erst durch den Militärdienst wird ein Junge zu einem richtigen Mann“.

Diese Vorstellung ist durchaus noch sehr real und umso stärker verankert, je konservativer und patriarchalischer eine Gesellschaft ist. So wird z.B. in Russland trotz der anhaltenden Gewalttaten gegen Rekruten (Dedowschtschina) die Wehrpflicht von vielen mit genau diesem Argument verteidigt. Entsprechend verwies der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow bei einer Stellungsnahme angesichts der Verkrüppelung des Wehrpflichtigen Andrej Sytschew (auch Andrej Sytschow geschrieben) auf viele Briefe von Müttern hin, die sich dafür bedankt hätten, dass ihre Söhne beim Militär „gut versorgt und zu richtigen Männern gemacht würden“ [4]. Die Wehrpflicht wird auch in Deutschland, vor allem von konservativen und, oder älteren Menschen als eine prinzipiell wertvolle und für den zukünftigen Mann wichtige Erfahrung angesehen. Sie ist mit dem Begriff Männlichkeit positiv verknüpft („Ein richtiger Mann war beim Bund!“) und wird daher unabhängig von der realen Wehrpflichtpraxis und unabhängig von der rationalen Pro-Contra Diskussion, emotional und weltanschaulich bejaht.

Vergleich mit anderen Ländern

Zum geschichtlichen Hintergrund siehe: Geschichte der Bundeswehr

Ein Vergleich mit anderen Ländern und ihrer Praxis in Bezug auf die Wehrpflicht ist nur bedingt möglich. Auf Grund der geschichtlichen Erfahrungen Deutschlands wurde das Konzept der in ihrer Form einzigartigen „Inneren Führung“ und eng damit zusammenhängend des Leitbilds des „Staatsbürgers in Uniform“ geschaffen. Insbesondere soll so sicher gestellt werden, dass sich die deutsche Armee niemals wieder zu einem „Staat im Staat“ entwickeln kann. Vielmehr soll die Bundeswehr als Parlamentsarmee, an dessen Spitze nicht ein Militär, sondern ein Politiker steht, das „Recht und die Freiheit des deutsche Volkes“ (Gelöbnis) verteidigen. Zurückgehend auf die Vorstellungen Gerhard von Scharnhorsts, „jeder Bürger eines Staates müsse zugleich dessen geborener Verteidiger sein“, wird unter anderem mit der Wehrpflicht versucht, eine große Volksnähe sicherzustellen.

In Österreich gilt die allgemeine Wehrpflicht für alle männlichen Staatsbürger vom 18. bis zum 50. Lebensjahr, für Offiziere und Unteroffiziere bis zum 65. Lebensjahr. Bis zum 35. Lebensjahr können Wehrpflichtige zum Grundwehrdienst eingezogen werden. Die Dauer des Grundwehrdienstes beträgt 6 Monate - bis 2005 noch 8 Monate, wobei zumindest 6 Monate ohne zeitliche Unterbrechung geleistet werden mussten. Die fehlenden Monate wurden über den Zeitraum von mehreren Jahren durch Waffenübungen ergänzt. Bis alle 6 Monate abgeleistet sind, befindet sich der Wehrpflichtige im Milizstand.

Anstelle des Militärdienstes ist auch ein Wehrersatzdienst oder Zivildienst möglich. Dieser dauert 9 Monate und kann bei verschiedenen Organisationen abgeleistet werden. Alternativ zum Zivildienst, kann auch ein 12-monatiger Zivilersatzdienst im Ausland (Auslandsdienst) abgeleistet werden.

Frauen unterliegen prinzipiell nicht der Wehrpflicht, können aber den Wehrdienst freiwillig ableisten.

Die Diskussion um die Wehrpflicht läuft in Österreich mit ähnlichen Argumenten wie in Deutschland ab.

In der Schweiz gilt für männliche Bürger gemäß Art. 59 Bundesverfassung die allgemeine Dienstpflicht. Für Schweizerinnen ist der Militärdienst freiwillig. Die Wehrpflicht dauert gemäß Art. 13 Militärgesetz in der Regel vom 20. bis 34. Altersjahr. Die Pflichtigen werden solange zu jährlichen Wiederholungskursen aufgeboten, bis eine dienstgradbezogene Anzahl von anrechenbaren Tagen erreicht ist. Für die Mannschaftsdienstgrade beträgt diese Zahl höchstens 260 Tage (siehe Schweizer Armee). Für Grade ab Hauptmann gibt es keine fixe Obergrenze. Sie leisten grundsätzlich sämtliche Dienstleistungen ihrer Einteilungsformation. Hauptleute werden im Alter von 42 Jahren entlassen, Majore im Alter von 50 (vgl. die Militärdienstverordnung (MDV)).

Andere Länder

Durch die Verfassungsergänzung von 1955 und die Verteidigungsgesetzgebung aus dem Jahre 1961 vorbereitet, erfolgte mit dem Gesetz vom 24. Januar 1962 die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in der DDR. Sie betraf alle männlichen Bürger der Republik zwischen dem 18. und dem vollendeten 50. Lebensjahr. Auf Anordnung des nationalen Verteidigungsrates der DDR wurde ab dem 7. September 1964 religiös gebundenen Bürgern die Möglichkeit eines waffenlosen Wehrdienstes in der NVA gegeben. Diese als Bausoldaten oder auch Spatensoldaten bezeichneten Angehörigen der NVA hatten meist die Aufgabe, Arbeitsleistungen im militärischen und öffentlichen Bauwesen zu erbringen. Sie wurden nicht an Waffen ausgebildet und brauchten statt eines Fahneneides nur ein Gelöbnis abzulegen.

Seit 1868 hat das Fürstentum kein eigenes Militär mehr.

Die italienische Armee besteht seit dem 1. Juli 2005 nur noch aus Freiwilligen und Berufssoldaten. Mit Aussetzung der Wehrpflicht (und des zivilen Ersatzdienstes) wurde ein freiwilliger einjähriger Wehrdienst eingeführt, der jedoch Voraussetzung für Weiterverpflichtungen bei der Armee und für Bewerbungen bei Polizei, Carabinieri, und anderen Sicherheitsbehörden ist. Das "Nationale Amt für den Zivildienst" bietet daneben einen freiwilligen einjährigen Zivildienst an, der im Bereich der Entwicklungshilfe auch im Ausland durchgeführt werden kann.

Zu den wenigen Staaten der Welt, welche die Wehrpflicht auf beide Geschlechter ausgedehnt haben, zählt Israel. Hier sind Frauen verpflichtet, zwei Jahre Dienst in den dortigen Streitkräften abzuleisten, Männer müssen 3 Jahre absolvieren. Allerdings gibt es eine Reihe von Ausnahmen: So sind orthodoxe Juden, israelische Araber sowie alle nichtjüdischen, schwangeren oder verheiratete Frauen von der Wehrpflicht befreit. Nur Frauen ist es grundsätzlich gestattet, dem Wehrdienst aus Gewissensgründen nicht nachzukommen und einen Ersatzdienst zu leisten. Bei Männern ist die Verweigerung des Wehrdienstes mit gesellschaftlicher Ächtung und nicht selten auch mit einem Strafverfahren verbunden.

Im Vereinigten Königreich wurde die Wehrpflicht während der beiden Weltkriege eingeführt. In den ersten beiden Kriegsjahren des Ersten Weltkrieges verließ man sich noch auf Freiwillige, bis man sie 1916 in England, Schottland und Wales, sowie im August 1918 in Irland einführte. Nachdem sie bei Kriegsende 1918 wieder abgeschafft worden war, führte der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 zur Wiedereinführung. Diesmal wurde die Wehrpflicht nach Kriegsende beibehalten, aber 1949 zum National Service ungeformt, der 1960 abgeschafft wurde.


Verweise

Quellen

  1. GenInsp Wolfgang Schneiderhan, Vortrag auf der Wehrpflichttagung, 27. Mai 2004

Siehe auch

Literatur

  • Florian Birkenfeld: Die Wehrpflicht in Deutschland. Kosten, Vergleich, Perspektiven, Saarbrücken (VDM Verlag Dr. Müller) 2006, ISBN 3865501818
  • Roland G. Foerster (Hrsg.): Die Wehrpflicht: Entstehung, Erscheinungsformen und politisch-militärische Wirkung, München, 1994 ISBN 3-486-56042-5
  • Ute Frevert: Die kasernierte Nation, Verlag C.H.Beck 2001, ISBN 3406479790
  • Andres Prüfert (Hrsg.): Hat die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland eine Zukunft? Zur Debatte um die künftige Wehrstruktur, Baden-Baden (Nomos) 2003. ISBN 3832903119
  • Matthias Sehmsdorf: Wehrpflicht- versus Freiwilligenarmee, Verlag Dr. Kovac 1996 ISBN 3860646982
  • Menschenrecht, Bürgerfreiheit, Staatsverfassung, Verlag Ferdinand Kamp, Bochum 1964 ISBN 3-592-87010-6