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Klaus Ernst

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Klaus Ernst im August 2005

Klaus Ernst (* 1. November 1954 in München) ist ein deutscher Politiker (Die Linke) und ehemaliger Gewerkschaftsfunktionär.

Ernst war Mitbegründer und geschäftsführendes Vorstandsmitglied der WASG. In der Partei Die Linke war er von 2007 bis 2010 stellvertretender Vorsitzender und ist seit dem 15. Mai 2010 einer der beiden Vorsitzenden. Seit 2005 ist er Mitglied des Bundestages.

Ausbildung und Gewerkschaftsarbeit

Ernst verließ 1969 das Elternhaus und brach die Schule ab. 1970 begann er eine Ausbildung zum Elektromechaniker, absolvierte 1974 die Facharbeiterprüfung, und wurde zum Jugendvertreter und Betriebsrat gewählt. 1972 wurde er Mitglied der IG Metall (IGM). Ernst durchlief die von Lehrern wie Hans Preiss geprägten IG-Metall-Schulungen [1], die er als Schlüsselerlebnis bei der Findung seines eigenen politischen Standpunkts empfand.

In der Gewerkschaft übernahm er den Vorsitz des Münchener Ortsjugendausschusses (1974–1979) und der DGB-Jugend (1972–1975). Das 1979 aufgenommene Studium der Volkswirtschaftslehre und Sozialökonomie an der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik schloß er als Diplom-Volkswirt ab.

1984 ging Ernst als Helfer bei einem siebenwöchigen Metallarbeiterstreik nach Stuttgart. Ein halbes Jahr später wurde er dort Gewerkschaftssekretär (bis 1995), zuständig für Organisation, Bildungsarbeit und Sozialpläne. 1995 wurde Ernst in Schweinfurt zum IG-Metall-Bevollmächtigten gewählt.

Als Arbeitnehmervertreter wurde er Mitglied in den Aufsichtsräten verschiedener Stuttgarter bzw. Schweinfurter Metall-Unternehmen (u.a. Porsche, zuletzt SKF und ZF Sachs).

Als Gewerkschafter äußerte er heftige Kritik an Reformvorhaben der Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder wie z.B. Riester-Rente und die Agenda 2010.

Politik

Ernst war seit 1974 Mitglied der SPD. Am 12. März 2004 versandte er mit sechs Freunden via E-Mail einen Aufruf zur Gründung der Initiative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit. Die Plattform plädierte für ein politisches Bündnis, das zur Bundestagswahl 2006 eine „wählbare soziale Alternative“ werden sollte. Schon in der ersten Woche fanden sich 300 Unterzeichner, sechs Wochen nach Veröffentlichung waren es 2.200. Im Sommer 2004 wurde Ernst auf Antrag des Parteivorstandes aus der SPD ausgeschlossen.

Die Initiative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit schloss sich bald mit der in Norddeutschland entstandenen, christlich-globalisierungskritisch geprägten Wahlalternative zusammen. Zunächst war Ernst Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes der WAsG e. V., ab Januar 2005 war er Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes der daraus hervorgegangenen Partei Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG). Im Vorfeld der Bundestagswahl 2005 hatte Ernst deren Zusammenarbeit mit der PDS sowie mit dem ehemaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine in einem gemeinsamen Linksbündnis grundsätzlich begrüßt, ein Aufgehen der WASG in der PDS oder eine Mitkandidatur von WASG-Kandidaten auf offenen PDS-Wahllisten jedoch abgelehnt. Nachdem das von ihm zunächst favorisierte informelle Wahlbündnis von WASG und PDS nach Vorbild des italienischen L’Ulivo sich nach deutschem Wahlrecht als nicht umsetzbar herausstellte und eine neugegründete reine Wahlpartei aus WASG und PDS nicht handlungsfähig gewesen wäre, akzeptierte Ernst das Modell der offenen Listen der PDS, die sich zum Ausgleich in Linkspartei.PDS umbenannte. Er selbst wurde am 23. Juli 2005 im ersten Wahlgang mit 61 % der Stimmen auf Platz eins von deren bayerischer Landesliste gewählt.[2] Er trat auch als Direktkandidat im Wahlkreis Schweinfurt an. Dort erreichte er bzw. die Linkspartei ihr bestes bayerisches Erst- und Zweitstimmenergebis (6,4% bzw. 5,3%).[3] Über die Landesliste zog Ernst in den 16. Deutschen Bundestag ein. Seinen Beruf als IG-Metall-Bevollmächtigter führte er neben seinem Bundestagsmandat in Teilzeit fort, was er auch zuvor so angekündigt hatte. Von 2005 bis 2010 war Ernst stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion.

Im Juni 2007 verschmolz die WASG mit der Linkspartei.PDS zur Partei Die Linke, auf deren Gründungsparteitag er zu ihrem stellvertretendem Vorsitzenden gewählt wurde.

Bei der Bundestagswahl 2009 trat Ernst wieder auf dem ersten Listenplatz der bayerischen Landesliste seiner Partei an. In seinem Heimatwahlkreis Schweinfurt erreichte er das beste Erststimmenergebnis der bayerischen Linken mit 10,4%[4] Im 17. Deutschen Bundestag ist Ernst stellvertretendes Mitglied der Gemeinsamen Ausschusses und des Ausschusses für Arbeit und Soziales.

Nachdem sich mit Lothar Bisky und Oskar Lafontaine die bisherige Doppelspitze der Partei zurückgezogen hatte, wurde Ernst am 15. Mai 2010 zusammen mit Gesine Lötzsch zu gleichberechtigten Parteivorsitzenden gewählt.[5] Aufgrund der neuen Funktion gab er seine Teilzeitstelle bei der IG-Metall auf und schied auch aus den Aufsichtsräten aus.

Sein Hang zu scharfzüngigen Formulierungen brachte ihm bei parteininternen Konflikten oft spürbaren Gegenwind ein [1].

Kritik

Ende Mai 2010 berichtete Der Spiegel, Ernst habe möglicherweise gegen das Abgeordnetengesetz verstoßen, da er sich Kosten für drei Reisen zu Gewerkschaftstreffen und Aufsichtsratssitzungen von der Bundestagsverwaltung erstatten ließ, anstatt von der Gewerkschaft und den jeweiligen Unternehmen. Ernst verteidigte die Abrechnung dahingehend, dass er den Gremien auch in seiner Eigenschaft als Bundestagsabgeordneter angehöre.[6] Die Staatsanwaltschaft Berlin leitete in dieser Sache ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs gegen ihn ein.[7]

Für parteiinterne Diskussionen sorgte zudem, dass Ernst neben seinen Bezügen als Abgeordneter und Fraktionsvorstandsmitglied eine Zuwendung von 3.500 Euro für die Position als Bundesvorsitzender von seiner Partei erhält. Diese hatte auch bereits Lothar Bisky als Parteichef erhalten, Ernsts Mit-Parteivorsitzende Lötzsch hingegen nimmt sie nicht in Anspruch, um ihren Rückkehranspruch an die Universität nicht zu verlieren.[8] [9] Insgesamt belaufen sich seine monatlichen Brutto-Bezüge dadurch auf 13.081 Euro. Zum Vergleich: Renate Künast erhält als Grünen-Fraktionsvorsitzende 11.502 Euro, Sigmar Gabriel als SPD-Parteivorsitzender rund 14.000 Euro; die Fraktionsvorsitzenden von FDP und CDU erhalten je knapp 17.000 € (alle Beträge jeweils ohne Kostenpauschale).[10] Ernst verfügt nach eigener Angabe nach Abzug von Steuern und Spenden über ein Netto-Gehalt von etwa 5.000 Euro monatlich.[11]. Seine Vergütungen als Aufsichtsrat führte er entsprechend der IG-Metall-Satzung größtenteils an die Hans-Böckler-Stiftung ab[12][13][14].

Darüber hinaus wurde Ernst vom Landesschatzmeister der bayerischen Linken, Ulrich Voß, im August 2010 als mutmaßlicher Nutznießer mit angeblichen parteiinternen Wahlmanipulationen[15][16] in Zusammenhang gebracht. Nach Aussage von Voß sollen insbesondere Ernst nahe stehende Kreisverbände Mitgliederzahlen hinsichtlich Nichtzahlern nicht bereinigt und so möglicherweise andere Wahlergebnisse erreicht haben.[17] Ernst selbst bestreitet die Vorwürfe und spricht von einer Intrige.[18]

Commons: Klaus Ernst – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Ein bajuwarischer Volkstribun, FAZ vom 4. Juli 2005, Seite 4
  2. Sabine Beiler Friedvolle Bürscherl, Tagesspiegel vom 26. Juli 2005
  3. Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung - Landeswahlleiter: Bundestagswahlergebnisse 2005
  4. Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung - Landeswahlleiter: Bundestagswahlergebnisse 2009
  5. Spiegel Online: Parteitag. Ernst und Lötzsch führen Linke an.
  6. Zweifelhafte Reise-Abrechnungen durch Klaus Ernst, SPIEGEL Online, 21. Mai 2010
  7. Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Linksparteichef, Die Welt, 22. Juli 2010
  8. Das Gehalt des Linkspartei-Chefs, Stern, 2. August 2010
  9. Bei Linken wird Kritik an Mehrfachbezügen von Ernst lauter, AFP, 3. August 2010
  10. Das Gehalt des Linkspartei-Chefs, Stern, 2. August 2010
  11. Der Westen, 3. August 2010, Interview mit Klaus Ernst
  12. Richtlinien der IG-Metall zur Abführung von Aufsichtsratsvergütungen
  13. Liste der korrekt abführenden IG-Metall-Aufsichtsräte 2006, Beilage zur IG-Metall-Zeitung 12/2008, S. 3
  14. Liste der korrekt abführenden IG-Metall-Aufsichtsräte 2007, Beilage zur IG-Metall-Zeitung 12/2009, S. 3
  15. http://www.welt.de/die-welt/politik/article9045485/Gratis-Linke-bringen-die-Partei-in-Rechtfertigungsnot.html
  16. Süddeutsche Zeitung, 17. August 2010, Bekannte Karteileichen
  17. Süddeutsche Zeitung, 14. August 2010, Karteileichen und erfundene Mitglieder
  18. Stern, 14. August 2010, Der Linkspartei-Chef und die Karteileichen. Ernst nennt Vorwürfe "absurd"