Affekt
Der Begriff Affekt wird in zwei Bedeutungen verwendet:
- Nach traditioneller Auffassung ist Affekt ein Zustand starker emotionaler Erregung, der das Verhalten leitet.
- Nach neuerer Auffassung ist Affekt ein Sammelbegriff für Konstrukte wie Emotion und Stimmung, die mit einem veränderten subjektiven Befinden und mit körperlichen Veränderungen einhergehen. Zu dieser Bedeutung gehört auch der in der Psychopathologie verwendete Begriff Affektivität, welcher Stimmung und Emotionen einer Person sowie die affektive Variabilität bezeichnet.
Etymologie
Der Begriff des Affektes ist aus dem griechischen Páthos παθος (Leidenschaft) entstanden, aus welchem bei der Verschiebung ins Lateinische afficere (einwirken, behandeln) und schließlich affectus (Zustand, vor allem: Leidenschaft, Begierde) wurde.
Traditionelle Definition
Gemäss traditioneller Definition kennzeichnet sich eine Person, die sich im Affektzustand befindet, durch das affektbedingte Fehlen oder die Minderung der Urteilskraft, Einsicht und Kritikfähigkeit. Das Handeln wird dann hauptsächlich von den Emotionen statt vom Verstand der betroffenen Person bestimmt. Diese Definition findet noch in der Rechtsprechung Anwendung.
In der Psychologie ist der Affekt in der Affekttheorie von Wilhelm Wundt erstmals nach Qualität, Stärke, Dauer und physiologischer Wirkung klassifiziert worden. Nach der Affekttheorie waren sthenische Affekte durch die Anspannung des Körpers geprägt, asthenische Affekte durch Erschlaffung. Als sthenische Affekte werden Zustände wie Wut, Zorn, Eifer gezählt, während die asthenischen Effekte Angst, Furcht oder Schrecken sind.
Moderne Definition
Nach der modernen Definition ist Affekt ein Sammelbegriff für Phänomene, die mit einem veränderten subjektiven Befinden einhergehen. Zu den affektiven Phänomenen gehören vor allem Emotion, Stimmung und Motivation. Affekt wird oft im Gegensatz zu Kognition verwendet.
Psychopathologie
Psychopathologische Symptome
Werden die mimischen, gestischen und paraverbalen Ausdrucksmerkmale nur schwach deutlich, so wird von einem "verminderten Affekt" gesprochen. Besteht zwischen den Ausdrucksmerkmalen und den dahinterliegendem Gefühlszustand ein Widerspruch, so ist dies ein "inadäquater Affekt". Bei größeren und raschen Wechseln zwischen den Ausdrucksmerkmalen wird von einer Affektlabilität gesprochen.
Psychische Störungen
Störungen des Affekts werden in der Psychopathologie als Affektive Störungen bezeichnet.
Rechtswissenschaft
Affekte (nach traditioneller Definition) nehmen Einfluss auf den Rechtsverkehr, wenn die handelnde Person dadurch in ihrer Geschäfts-, Delikts- oder Schuldfähigkeit eingeschränkt werden. Grundsätzlich schließen Affekte die Fähigkeit zur Teilnahme im Rechtsverkehr nicht aus.
Strafrechtlich ist der Affekt auf mehreren Ebenen der Deliktsprüfung relevant:
- - Bereits auf der Ebene der Schuldfähigkeit (die Fähigkeit, Recht und Unrecht einzusehen und seine Handlungen danach zu steuern)kann die Schuld ausgeschlossen werden, jedoch erst dann, wenn der Affekt die Qualität einer erheblichen pathologischen Störung erreicht. In diesem Fall ist der Affekt nicht der Rechtsgrund für den Schuldausschluss selbst, sondern lediglich seine Ursache. Man schließt also die Schuld wegen der pathologischen Störung und nicht wegen des Affekts. Vgl. § 20 StGB.
- - Auf der Ebene der Schuldausschließung sind Mankos bei Notwehrhandlungen zu berücksichtigen: Werden die Grenzen der Notwehr lediglich im Maß überschritten (sog. intensiver Notwehrexzess), also etwa 4 Abwehrschläge statt der ausreichenden 3, so ist ein Schuldausschließungsgrund begründet, wenn der Exzess durch einen asthenischer Affekt namentlich Verwirrung, Furcht oder Schrecken verursacht wurde (§ 33 StGB). Die Exzesshandlung selbst ist aber rechtswidrig und ihrerseits legal abwehrbar. Auch begünstigt ein solcher Schuldausschließungsgrund nur den Affektierten und nicht weitere Tatbeteiligte. Diese haften voll.
- - Werden die Grenzen der Notwehr hingegen qualitativ überschritten, also eine zur Verteidigung nicht erforderliche Abwehrhandlung vorgenommen, liegt ein so genannter extensiver Notwehrexzess vor, der zur vollen Bestrafung führt, da in einem solchen Fall bereits die Voraussetzungen einer Notwehr im Sinne des § 32 StGB nicht gegeben sind.
- - Auf der Ebene von Strafzumessungsregeln werden vereinzelt sthenische Affekte wie Zorn (siehe oben Philosophisch-Anthropologische Einordnung) berücksichtigt. Beispielsweise wird bei Totschlag durch eine Strafrahmenverschiebung eine Milderung gewährt (§ 213 StGB).