Belarus
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Amtssprachen | Weißrussisch, Russisch | ||||
Hauptstadt | Minsk | ||||
Staatsform | Republik mit starker Stellung des Präsidenten | ||||
Präsident | Aljaksandr Lukaschenka | ||||
Ministerpräsident | Sjarhej Sidorski | ||||
Fläche | 207.595 km² | ||||
Einwohnerzahl | 10.350.194 (2002) | ||||
Bevölkerungsdichte | 50 Einwohner pro km² | ||||
Unabhängigkeit | Proklamation 1991, Erklärung 1990 | ||||
Währung | Weißrussischer Rubel | ||||
Zeitzone | UTC + 2 | ||||
Nationalhymne | My Belarusy | ||||
Kfz-Kennzeichen | BY | ||||
Internet-TLD | .by | ||||
Vorwahl | +375 | ||||
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Karte von Belarus |
Weißrussland (weißrussisch Беларусь, Belarus) – im deutschen Sprachraum und amtlich auch als Belarus bekannt – ist ein Staat in Osteuropa, der zwischen Polen, der Ukraine, Russland, Lettland und Litauen liegt. Früher wurde das Land auch Weißruthenien und im DDR-Sprachgebrauch Belorussland genannt.
Name
Der Name Belarus ist seit dem Mittelalter überliefert und wurde im 19. Jahrhundert allgemein üblicher Name dieser Region, ist aber mit „Weiße Rus“ ungenau übersetzt. Rus war der ostslawische Name für skandinavisch-slawische Herrschaftsgebiete wie das der Kiewer Rus, zu dem das Land von der Gründung an gehörte. „Bely“ bedeutete im Mittelalter im geografischen Sinne "westlich" oder "nördlich", Belarus demnach „Westliche Rus“. Daneben gibt es in Weißrussland auch die Ansicht, dass es noch andere mögliche Bedeutungen des Wortes gibt (siehe die beiden englischen Artikel zu Belarus und White Russia). Die Verwendung des Wortes Belarus bietet sich also an, um Unklarheiten zu vermeiden. Jedoch ist im Deutschen die Bezeichnung Weißrussland traditionell verbreitet. Die belorussischen offiziellen Stellen wie auch die deutsche Diplomatie bevorzugen auch in deutschsprachigen Texten den Namen Belarus, um die Unterscheidung von Russland zu verdeutlichen.
Geografie
Weißrussland liegt in der Osteuropäischen Ebene (Polessje) und wird von Hügelketten der eiszeitlichen Endmoränen (Weißrussischer Höhenrücken) und breiten, naturbelassenen Flüssen durchzogen. Etwa 70% des Landes entwässern nach Süden zum Pripjat und zum Dnjepr, der weiter durch die Ukraine ins Schwarze Meer fließt.
Im Süden liegen die Palesje-Sümpfe (russisch: Polesje). 30 % des Landes sind bewaldet. In den Wäldern leben Hirsche, Rehe, Elche, Bären, Wölfe, Hermeline, Dachse, Füchse und Eichhörnchen. Die höchste Erhebung ist die Dsjarschynskaja Hara (345 m) im Weißrussischen Höhenrücken, die tiefsten Flussniederungen liegen etwa 50 Meter über dem Meer.
Die größten Flüsse Weißrusslands sind Dnepr (weißrussisch Dnjapro), Beresina (weißrussisch Bjaresina), Prypjat (weißrussisch Prypjaz) und Memel (weißrussisch Njoman). Der größte See ist der Naratsch im Norden des Landes, nahe der Grenze zu Litauen.
Weißrussland besitzt ein ausgeprägtes kontinentales Klima mit kalten, schneereichen Wintern und trockenen Sommern. Die (zentral gelegene) Hauptstadt Minsk gilt als „Schlechtwetterstadt“ mit häufigem Niederschlag.
Geschichte
Hauptartikel: Geschichte Weißrusslands
Das Gebiet der heutigen Republik Weißrussland gehörte im frühen Mittelalter zur Kiewer Rus. Nach und nach wurde das Gebiet jedoch vom Großfürstentum Litauen erobert. Dessen Herrscher führte den Titel magnus dux Littwanie, Samathie et Rusie (siehe auch Goldenes Zeitalter (Weißrussland)). Die beiden Völker nennen sich selber in ihren Sprachen Litauer (lietuvis bzw. litwin). Auf Grund der Bevölkerungsanteile war in dieser Zeit die Amtssprache weitgehend weißrussisch. Später wurde Weißrussland als Teil Litauens Bestandteil des Doppelstaates Polen-Litauen, bei dem es bis zum Ende des 18. Jahrhundert verblieb.
Mit der ersten und zweiten Polnischen Teilung gelangte das Gebiet des heutigen Weißrusslands bis 1795 vollständig unter russische Herrschaft.
Nach dem Einmarsch des deutschen Heeres in Minsk Anfang 1918 bestand zeitweise eine nominell unabhängige weißrussische Republik. In den Jahren 1919/1920 war Weißrussland zwischen dem wiederentstandenen polnischen Staat und Sowjetrussland umkämpft und wurde 1920 teilweise an Polen angegliedert. Aus dem sowjetischen Teil wurde die Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik gebildet, die 1922 Gründungsmitglied der Sowjetunion wurde.
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde 1939 der zuvor zu Polen gehörende Landsteil von sowjetischen Truppen besetzt und in die Weißrussische SSR eingegliedert. Im Sommer 1941 wurde ganz Weißrussland von der Deutschen Wehrmacht erobert. Die deutsche Besatzungsherrschaft richtete große materielle Zerstörungen an und führte zum Tod von ca. 25% der Bevölkerung, darunter fast der gesamten jüdischen Bevölkerung Weißrusslands. Weißrussland war von 1941 an mit über 1000 Gruppen ein Hauptgebiet des sowjetischen Partisanenkampfes gegen die deutschen Besatzer. Von Ende 1943 an wurde das Land von der Roten Armee zurückerobert und galt im Sommer 1944 vollständig von der deutschen Besatzung befreit. 1945 war Weißrussland Gründungsmitglied der Vereinten Nationen.
Etwa 8-9% aller umgebrachten europäischen Juden stammten aus Weißrussland. Fast alle Städte des Landes waren völlig zerstört. Die Industriebetriebe waren um 85%, die Industriekapazität um 95%, die Staatsfläche um 40-50%, der Viehbestand um 80% zurückgegangen. Es gab nach Kriegsende 3 Millionen Obdachlose. 25% der weißrussischen Bevölkerung waren umgekommen. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in Weißrussland 10 Millionen Menschen. Erst gegen Ende der 80er Jahre war die Bevölkerung Weißrusslands wieder auf diese Vorkriegszahlen gewachsen.
Stark betroffen war Weißrussland durch die Katastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986 im ukrainischen Tschornobyl, in dessen Folge weite Teile des Landes duch radioaktiven Fallout verstrahlt wurden.
Seit Ende 1991 ist das Land ein eigenständiger Staat. 1991 bis 1994 wurde es von Stanislau Schuschkewitsch regiert. Seither führt Aljaksandr Lukaschenko die Regierungsgeschäfte autoritär. Lukaschenko trieb durch seine antidemokratischen Tendenzen und die Ablehnung der westlichen Wirtschaftsweise das Land in die internationale Isolation. Einziger Partner des Landes ist heute Russland. Versuche einer "Unionsbildung" mit Russland sind allerdings trotz offizieller Ankündigung bisher kaum wirksam geworden.
Bevölkerung und Religionen
Die Bevölkerung nahm seit 1975 von 9,2 auf 10,35 Millionen zu. Trotz der Einwanderung vieler Russen und der Deportation zehntausender Weißrussen unter Stalin ist der Anteil der Weißrussen in der Bevölkerung 78%. Sie sind meist kleinwüchsig und blond, ihre häufigste Augenfarbe ist grau oder blau.
Die größte Minderheit sind die Russen mit 12%, gefolgt von 2,9% Ukrainern, 1,7% Deutschen, 1,2% Letten, 1% Juden, 0,9% Sinti und Roma (vorwiegend Jerli), 0,6% Litauer, 0,3% Polen, 0,5% Slowaken, 0,4% Selonen, 0,2% Moldawier, 0,1% Jenische und 0,2% Ruthenen.
Die größte Konfessionsgruppe in Weißrussland ist das orthodoxe Christentum, dem ca. 87% der Bevölkerung angehören - vor allem Weißrussen, Ukrainer, Moldawier und Russen. Ferner Gruppen orthodoxer Ruthenen, die aus den Karpaten wegen Auseinandersetzungen mit Katholiken hierher kamen. Die restlichen 20% der Bevölkerung verteilen sich auf mehrere Konfessionen:
Römisch-katholisch sind die meisten Polen und Litauer, sowie die Weißrussen im Westen und Norden des Landes. Insgesamt umfasst die katholische Kirche etwa 7% der Bevölkerung. * [1] Die Letten und Jerli (auch Sinti, Lowara, Manusch, Roma und Calderasch) bekennen sich vorwiegend zur evangelisch-lutherischen Kirche, ebenso eine slowakische Minderheit, die nach dem Dreißigjährigen Krieg nach Weißrussland floh. Insgesamt sind 2,6% der Menschen evangelisch-lutherisch. Die meisten Deutschen sind evangelisch-reformiert und die Selonen hauptsächlich Waldenser.
Politik
Der erste Staatschef von Belarus nach der Auflösung der Sowjetunion war Stanislau Schuschkewitsch (1991-1994). Jetzt ist Aljaksandr Lukaschenka Staatsoberhaupt. Weißrussland ist Mitglied im Rat für kollektive Sicherheit und bildet mit Russland die Russisch-Weißrussische Union, welche von einigen KritikerInnen als "kaum funktionierend und halb-illegal" bezeichnet wird.
Eine Stationierung von NATO-Truppen in den Nachbarländern Litauen und Lettland lehnt Lukaschenka ab. Er sieht darin ein Bedrohung für sein Land und kündigt "im Fall eines Angriffs der NATO" Konsequenzen an.
Lukaschenka dürfte laut der früheren weißrussischen Verfassung eigentlich nicht mehr an der Präsidentschaftwahl 2006 teilnehmen, doch per Referendum ließ er im Oktober 2004 die Verfassung so ändern, dass für ihn keine Beschränkungen der Amtszeiten mehr gelten. Seine Gegner werfen ihm Wahlbetrug vor.
Das Vertretungs- und Gesetzgebungsorgan der Republik Belarus ist das Parlament - die Nationalversammlung. Es setzt sich aus zwei Kammern, der Repräsentantenkammer und dem Rat der Republik zusammen. Die Repräsentantenkammer besteht aus 110 Abgeordneten, die in allgemeiner, freier, gleicher, direkter und geheimer Wahl gewählt werden. Der Rat der Republik ist die Kammer der territorialbezogenen Vertretung. Für jede Oblast und die Stadt Minsk werden je acht Abgeordnete des Rats der Republik in geheimer Abstimmung gewählt. Acht Mitglieder werden vom Präsidenten berufen.
Städte
Siehe: Liste der Städte in Weißrussland
Wichtige Städte in Weißrussland sind neben der Hauptstadt Minsk (in Klammern die russischen Namen):
- Babruisk (Bobruisk),
- Baranawitschi (Baranowitschi),
- Baryssau (Borisow),
- Brest,
- Homel (Gomel),
- Hrodna (Grodno),
- Mahiljou (Mogiljow),
- Orscha (Orša),
- Pinsk und
- Wizebsk (Witebsk).
Bildungswesen
Die Universitäten und Hochschulen sind großteils in der Hauptstadt:
- Belorussische Staatliche Polytechnische Akademie in Minsk
- Belorussische Staatliche Universität für Ökonomie, Minsk
- Nationale Akademie der Wissenschaften, Minsk
- Staatliche Universität für Medizin, Minsk
- Staatliche Universität für Agrarwissenschaft, Minsk.
Einige tausend junge Weißrussen studieren jedoch in Deutschland und eine etwas größere Zahl in Russland bzw. anderen Ländern des Westens.
Mit den erstgenannten 3 Hochschulen hat der Internationale Hilfsfonds von EU und BRD Partnerschaften in den Westen eröffnet. Die oft beklagte Isolation war für Belorußland schon zu Zeiten der Sowjetunion schmerzhaft. Seit der Unabhängigkeit des Landes wuchs die Hoffnung der Universitäten auf Kooperationen, was aber wegen der fast diktatorischen Staatspolitik kaum gelang.
Die 1992 gegründete einzige Privatuniversität, die "Europäische Humanistische Universität" wurde im August 2004 geschlossen. Sie hatte Europastudien, Sprach- und Politikwissenschaften angeboten und wurde im Juni 2005 im Exil in Vilnius (Litauen) wiedereröffnet.
Verwaltungsgliederung
Weißrussland gliedert sich in sechs Verwaltungsbezirke (Woblaste). Die Hauptstadt Minsk hat einen Sonderstatus und gehört keinem der Woblaste an.
Die weißrussischen Verwaltungsbezirke |
Wirtschaft
Die weißrussische Wirtschaft wurde bisher nicht in eine Marktwirtschaft umgewandelt, da die zentrale Lenkungswirtschaft immer noch von der Regierung bevorzugt wird. Dadurch kam es bisher zu keinem derartigen wirtschaftlichen Zusammenbruch wie in anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion und das Land ist (auf sehr niedrigem Niveau) wirtschaftlich stabil. Das Land ist weitgehend von Rohstofflieferungen aus Russland abhängig. Industrie und Landwirtschaft befinden sich in Staatshand. Weißrussland zählt somit zu den wenigen bestehenden staatskapitalistischen (kommunistischen) Volkswirtschaften. Die immer noch kollektive Landwirtschaft beschäftigt einen großen Teil der Erwerbstätigen (Kartoffelanbau, Viehzucht).
Wichtige Industriezweige sind v. a. die Textilindustrie und die Holzverarbeitung. Seit 1965 wurde der Maschinenbau (Traktoren, Kühlschränke) verstärkt ausgebaut. Innerhalb der Sowjetunion war Weißrussland eine der industriell entwickeltsten Teilrepubliken. Wirtschaftlich engagiert sich Weißrussland in der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft.
Das Bruttoinlandsprodukt betrug im Jahr 2000 rund 13,4 Milliarden US-Dollar, was pro Kopf ungefähr 1.340 Dollar ergibt. Im Jahr 2003 betrug der BIP-Zuwachs 12,1 %, im ersten Quartal 2004 sogar 9,3 %. Die Inflationsrate lag im Jahr 2002 bei ca. 42 %, im Jahr 2003 waren es immer noch 27 %. Zudem hat Weißrussland laut UNO den höchsten Lebensstandard unter allen GUS-Staaten, das durchschnittliche Einkommen wuchs von 21 Dollar auf 195 Dollar innerhalb der vergangenen 10 Jahre. Weißrussland ist mit Russland durch die Russisch-Weißrussische Union verbunden.
Verkehr
Weißrussland ist zwar aufgrund seiner Lage ein wichtiges Transitland zwischen Mitteleuropa und Russland - 50 % des russischen Erdöls und 25 % des Erdgases fließen über weißrussische Trassen. Wegen der politischen Verhältnisse weicht man jedoch zunehmend über Nordeuropa oder die Ukraine aus. Für Russland ist Weißrussland (zusammen mit Litauen) das Haupttransitland zu seiner Exklave, der Oblast Kaliningrad. Die Hauptverkehrsachse von (Westeuropa-Warschau-) Brest über Baranawitschi-Minsk-Baryssau nach Orscha (-Moskau) verläuft von Südwest nach Nordost quer durch das Land. Sie besteht aus einer von der staatlichen weißrussischen Eisenbahn Belaruskaja Tschygunka betriebenen elektrifizierten Eisenbahnlinie mit parallel verlaufender autobahnartig ausgebauter Fernstraße. Rund um Minsk besteht ein Schnellstraßenring mit Ausläufern nach Litauen/Hrodna und nach Babruisk-Homel im Südosten des Landes. Außerdem sind noch Polazk über Wizebsk und Orscha sowie Mahileu über Babruisk an Minsk angeschlossen. Im Osten des Landes durchquert in Nord-Süd-Richtung der Dnepr Weißrussland. Bei Minsk befindet sich ein internationaler und ein nationaler Flughafen, daneben bestehen verschiedene Regionalflughäfen.
Sonstiges
- Sommerzeit: vom letzten Sonntag im März bis zum letzten Sonntag im Oktober, GMT plus zwei Stunden
- Maße und Gewichte: metrisches System
- Netzspannung: 220 Volt
- Die Gleise der Eisenbahn sind ab der Grenze Polen/Weißrussland breiter, was zu einem mehrstündigen Aufenthalt in Brest führt, da die Waggons ein anderes Fahrgestell untergeschoben bekommen
- Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl haben sich in Deutschland viele private Hilfsorganisationen gegründet, welche den Kindern aus den vom radioaktiven Fallout betroffenen Gebieten Erholungsaufenthalte bieten. Dadurch wird das Immunsystem der Kinder gestärkt und die Völkerverständigung gefördert. Die Familie des Verfassers dieser Zeilen nimmt auch immer ein "Tschernobylkind" aus einem Sanatorium aus Mozyr auf und kann es jedem hilfsbereiten Menschen nur empfehlen. Vom Staat Belarus und von der Deutschen Botschaft werden diese Erholungsaufenthalte unterstützt.
Literatur
- Dietrich Beyrau, Rainer Lindner: Handbuch der Geschichte Weißrußlands, Göttingen, 2001 ISBN 3-525-36255-2
- Holtbrügge, Dirk: Weißrussland, München 2002: C.H. Beck
- Scheer, Evelyn: Weißrussland entdecken, Berlin 2002: Trescher Verlag