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Der Talisman

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Daten
Titel: Der Talisman
Gattung: Posse mit Gesang
Originalsprache: Deutsch
Autor: Johann Nestroy
Musik: Adolf Müller
Erscheinungsjahr: 1840
Uraufführung: 16. Dezember 1840
Ort der Uraufführung: Theater an der Wien, Wien
Ort und Zeit der Handlung: auf dem Gute der Frau von Cypressenburg, nahe bei einer großen Stadt
Personen
  • Titus Feuerfuchs, ein vazierender Barbiergeselle
  • Frau von Cypressenburg, Witwe
  • Emma, ihre Tochter
  • Constantia, ihre Kammerfrau, ebenfalls Witwe
  • Flora Baumscheer, Gärtnerin, ebenfalls Witwe
  • Plutzerkern, Gärtnergehilfe
  • Monsieur Marquis, Friseur
  • Spund, ein Bierversilberer
  • Christoph, Hans und Seppel, Bauernburschen
  • Hannerl, Bauernmädchen
  • Ein Gartenknecht
  • Georg und Konrad, Bediente der Frau von Cypressenburg
  • Herr von Platt
  • Notarius Falk
  • Salome Pockerl, Gänsehüterin
  • Herren, Damen, Bauernbursche, Bauernmädchen, Bediente, Gärtner

Der Talisman ist eine Posse mit Gesang in drei Aufzügen von Johann Nestroy mit Musik von Adolf Müller senior. Sie ist eine Bearbeitung der Pariser Comédie-Vaudeville Bonaventure von Charles Désiré Dupeuty. Die Uraufführung fand am 16. Dezember 1840 im Theater an der Wien statt. Außerhalb Österreichs ist Der Talisman heute das meistgespielte Werk Nestroys. In ihm zeigt sich eine Entwicklung der Posse in die Richtung eines größeren Bühnen-Realismus, der stark vom Pariser Vaudeville geprägt war. Die Thematik des gesellschaftlichen Außenseiters, der durch geschickte Anpassung Karriere macht, hat hier nichts Religiös-Moralisches mehr wie in früheren Possen und Zauberspielen.

Inhalt

1. Akt

Der Talisman, 1840

Wegen ihrer roten Haare von der Dorfjugend ausgespottet und verstoßen, klagt Salome ihr Leid.

Sehr zornig und unzufrieden ist aber auch die junge Gärtnerswitwe Flora Baumscheer; der phlegmatische Gärtnergehilfe Plutzerkern bringt sie noch zur Raserei. Schnellstens muss jetzt ein neuer Gärtner aufgenommen werden.

Das völlig kopflose Urteil, dass alle Welt unbarmherzig über die Rothaarigen fällt, hat Titus wütend, zerlumpt und hungrig aus der Stadt hinausgetrieben. Da stößt er just auf Plutzerkern, der ihn für den erwarteten neuen Gärtner hält – nur die roten Haare kommen ihm höchst verdächtig vor.

Einzig Salome ist entzückt über Titus prächtigen feuerroten Schopf. Spontan will sie dem völlig mittellosen Titus eine Stelle als Gehilfen in einer Wirtschaft verschaffen.

Da braust plötzlich die Kutsche von Monsieur Marquis heran und droht ins Wasser zu stürzen. Wagemutig rettet Titus den fremden Herrn und hofft zugleich auf eine kleine Belohnung. Doch dieser offeriert ihm nur eine schwarze Perücke – als Andenken und Talisman. Schon wallt in Titus der Zorn auf, da erkennt er seine Chance: einem schwarzen Lockenkopf schlägts nirgends fehl; er will sein Glück auf Schloss Cypressenburg versuchen.

Tatsächlich ist die Gärtnerswitwe Flora mächtig beeindruckt von Titus, der sie schnell zu umgarnen weiß. Rasch soll er die Kleider ihres ehemaligen Gemahls anlegen und die Oberaufsicht über das Gartenpersonal erhalten – und vielleicht noch mehr!

Kaum ist Titus umgekleidet, erblickt er die reizende Kammerfrau Constantia, gleichfalls jüngst verwitwet, die eben die Gärtnerin Flora geschäftig heimgesucht hat. Sofort umschwärmt Titus die höchst entzückte Constantia; Flora muss erbost zusehen.

2. Akt

Floras Hoffnungen auf Titus haben sich zerschlagen. Dieser weilt nun bei Constantia im Schloss und ist Jäger geworden; seine goldbordierte Livree stammt, wie könnte es anders sein, von Constantias verstorbenem Gemahl.

Mitten in das traute Gespräch der beiden jung Verliebten platzt Monsieur Marquis. Titus befürchtet, dass sein Haargeheimnis verraten werden könnte; obendrein wo sich noch herausstellt, dass Marquis Constantias Bräutigam ist. Dennoch gelingt es Titus, Marquis rasende Eifersucht zunächst zu beschwichtigen.

Endlich allein, sinkt Titus ermattet zurück, im Schlaf schwärmt er von Constantia – und wird dabei fatalerweise von Marquis belauscht. Wutschnaubend reißt er Titus die schwarze Perücke vom Kopf.

Mächtiges Getöse rüttelt Titus aus seinem seligen Schlummer, die verwitwete Frau von Cypressenburg ist, begleitet von ihrer Tochter Emma, zu Hause angekommen. Schnell arrangiert Titus seine derangierten Kleider, als er entsetzt den elenden Perückenraub bemerkt. Flugs stürzt er ins Nachbarzimmer, wo er den eifersüchtigen Haarschänder vermutet – doch das Zimmer ist leer. Rasch greift er sich eine Perücke und eilt, sich der gnädigen Frau vorzustellen. Diese ist entzückt von seinen, nun goldblonden, Locken. In der Dunkelheit hat Titus versehentlich eine lichte Perücke erwischt!

Als ihm Frau von Cypressenburg eine Stellung als quasi Leibsekretär für ihre literarische Tätigkeit und außerdem noch die elegante Kleidung ihres verblichenen Gemahls anbietet, sieht sich Titus fast am Ziel seiner Wünsche angelangt. Allerdings gleicht seine Stellung dem Brett des Schiffbrüchigen – er muss die anderen, die ihn verraten könnten, hinunterstoßen, oder er wird selbst untergehen. Sofort überredet er Frau von Cypressenburg, Flora, Constantia und Marquis schleunigst zu entlassen.

Nun scheint Titus' Erfolg der Weg geebnet, der eleganten Abendgesellschaft wird er schon als der neue Sekretär präsentiert. Da stürzen nacheinander Flora, Constantia und schließlich auch noch Monsieur Marquis empört über ihre ungerechtfertigte Entlassung herein. Marquis enthüllt der entsetzten Gesellschaft das fürchterliche Haargeheimnis – Titus muss Farbe bekennen und wird aus dem Haus geworfen.

3. Akt

Ohne Geld steht Titus wieder auf der Straße. Einzig die elegante Sekretärskleidung ist ihm noch geblieben, doch auch diese fordert der eilig nachgeschickte Bedienstete Georg zurück.

Unvermutet ist aber inzwischen Titus hartherziger Vetter Spund, ein wohlhabender Bierversilberer, eingelangt. Dem Rat seines Bräumeisters folgend und wohl auch um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen, will er Titus ein Geschäft kaufen und als gemachten Mann etablieren – und ihn dann nie wiedersehen! Durch Salome erfährt Spund, der selbst sein Vermögen durch Erbschaft und Lotteriegewinn gemacht hat, dass Titus im Schloss anzutreffen sei.

Dort verbreitet sich die erstaunliche Neuigkeit rasch. Als wohlhabender künftiger Geschäftsmann erscheint Titus allen wieder als gute Partie, trotz seiner abscheulichen roten Haare. Eilig schickt man nach ihm.

Der ahnungslose Titus, der zunächst nicht eingeweiht wird, vermutet einen letzten Gnadenakt von Frau von Cypressenburg. Um deren Nerven zu schonen, erscheint er mit der grauen Perücke des ehemaligen Gärtners, die er versehentlich zurückbehalten hat.

Als nun Vetter Spund die grauen Haare erblickt und ihm Titus obendrein noch weismachen kann, dass er aus lauter Kummer und Kränkung über Nacht ergraut wäre, was nichts weniger als eine einmalige welthistorische Begebenheit sei, bricht Spund gerührt in Tränen aus. Sofort will er Titus als Universalerben einsetzen. Das ist aber zugleich das Stichwort für die Damen des Hauses Cypressenburg. Vorsorglich haben sie bereits den Notarius Falk aufgetrieben, der das Testament besiegeln soll. Titus kommt dieser übertriebene Eifer höchst verdächtig vor, als plötzlich Salome hereinstürzt. Noch ehe Vetter Spund aufgetaucht war, hatte nämlich Plutzerkern seine Aufgabe, die graue Perücke Floras ach so seligen Gemahls von Titus zurückzufordern, auf sie abgewälzt. So kommt Titus letztes Geheimnis auch noch an den Tag. Zwar gelingt es den Damen rasch, den etwas naiven Vetter zu besänftigen, doch Titus verzichtet nun freiwillig auf die Erbschaft. Auch will er keine der Damen heiraten, die rote Haare nur an einem Universalerben verzeihlich finden. Jetzt erst wird ihm klar, wie sehr ihm Salome von Anfang an zugetan war, trotz, oder vielleicht sogar wegen seiner roten Haarpracht. Während er sie in seine Arme schließt, fällt der Vorhang.

Äußere Bedingungen

  • Zeit: Eine Zeitangabe wird nicht genannt, allerdings gibt es Anhaltspunkte:

• Kutschen und Stellwagen sind die gebräuchlichen Verkehrsmittel. • Kleine Adelige führen ein großes Haus mit vielen Angestellten. • Es gibt kein Arbeitsrecht. –Flora und Constantia werden aus einem nichtigen Grund fristlos entlassen. • Auch die Schaffenszeit des Autors kann herangezogen werden → 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Allerdings: Vorurteile gibt es immer.

  • Ort: Der Schauplatz wird ebenfalls nicht genannt. Die Handlung spielt sich in der Nähe eines Landgutes und eben dort ab. Die Handlung kann sich also überall abspielen.
  • Milieu: Mehrschichtig! Zu den ganz armen zählen Salome und Titus – sie besitzen fast gar nichts. Flora und Constantia haben zumindest eine Anstellung und können über andere gebieten. Spund gehört dem gehobenen Bürgertum und Frau von Cypressenburg dem niederen Adel. Um soziale Fragen geht es in den Stück aber nicht, obwohl Titus, Flora und Constantia mit allen Mitteln zu Wohlstand gelangen wollen. Der Autor zeigt keine Vorliebe für eine bestimmte Schicht, zu den Verfechtern des dummen Vorurteils gehören sowohl reiche (Frau von Cypressenburg und Spund) wie auch Arme (Junge Dorfbewohner, die Salome nicht zum Tanzmitnehmen wollen.

Charakteristik

  • Frau von Cypressenburg:Reiche Dame von Adel, die sich nicht mit alltäglichen Fragen befasst, sondern alle Arbeiten von ihren zahlreichen Bediensteten erledigen lässt. Sie glaubt, zu etwas Höheren – in diesem Fall zur Schriftstellerei – berufen zu sein, will aber die Früchte ihrer geistigen Arbeit nicht selber zu Papier bringen. Die adelige ist verwitwet und Mutter einer fast schon erwachsenen Tochter. Den Reitzen Titus erliegt sie wie auch Flora und Constantia, das zeigt sich darin, dass sie Titus einstellt, ohne seine Kenntnisse und seine Herkunft zu überprüfen. Allerdings hegt sie keine privaten Ambitionen. In ihrer Ablehnung gegen Rothaarige ist sie nicht gebildeter als die einfachen Menschen, angeblich bekommt sie beim Anblick eines roten Schopfes Kopfschmerzen. (Adelige Frauen des 19. Jh. pflegten auf jede noch so kleine Unannehmlichkeit mit Kopfschmerzen zu reagieren, damit wollten sie empfindsames Gemüt zeigen.). Letztlich kann sie aber auch mit Titus Erscheinungsbild leben, sie verhilft ihm sogar – und das mit einigem diplomatischem Geschick – zu einer gescherten Existenz.
  • Spund: Onkel Titus´ und erfolgreicher Bierbrauer. Ebenfalls gegen rote Haare, lässt sich aber aus einem Gefühlsüberschwung heraus – Titus ist schließlich sein einziger Verwandter – zur Versöhnung und zur Herausgabe einer erklecklichen (großen) Summe bewegen.
  • c. Flora und Constantia: Beide stehen im Dienst der Frau von Cypressenburg, beide verwitwet und wollen sich unbedingt einen Mann angeln. Dabei gehen sie ziemlich unverblümt und auch rücksichtslos gegen die Konkurrentin vor. Dass ihr Geld das wichtigste ist, zeigt sich, als Titus, den sie kurz zuvor noch als Lügner und Betrüger beschimpften, zu Geld kommt.

Literatur

  • Jürgen Hein: Johann Nestroy: Der Talisman. Erläuterungen und Dokumente. Stuttgart: Reclam 1995. ISBN 3-15-008128-9
  • Helmut Herles: Nestroys Komödie Der Talisman. Von der ersten Notiz zum vollendeten Werk. München: Gruyter 1971. ISBN 3-11-001869-1
  • Hüttner, Johann: Johann Nestroy: Der Talisman. Königs Erläuterungen und Materialien (Bd. 412). Hollfeld: C. Bange Verlag 2005. ISBN 978-3-8044-1753-3

Siehe auch

Titus Feuerfuchs, eine burleske Oper in zwei Akten von Heinrich Sutermeister (Text und Musik), die auf Nestroys Posse basiert