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Neurasthenie

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Klassifikation nach ICD-10
F48.0 Neurasthenie
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ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Neurasthenie (Nervenschwäche; von Neuron und Asthenie) ist eine im ICD-10 enthaltene psychische Störung mit den Symptomen Ermüdung, Ängstlichkeit, Kopfschmerzen, Impotenz bei Männern und Frigidität bei Frauen, Neuralgie und Melancholie. Die Symptomatik ist als variabel zu bezeichnen.

Geschichte

Es gibt seit der Antike Beschreibungen, welche die genannten Symptome unter Melancholie und Hypochondrie zusammenfassten. Das Phänomen des „Nervösen“ war bereits im Zeitalter der Empfindsamkeit durch die physiologische Literatur des 18. Jahrhunderts und die darauf folgenden Auseinandersetzungen zwischen Psychikern und Somatikern in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt worden. Auch hier wurde die bereits auf die später von George Miller Beard favorisierte soziologische Betrachtung von Krankheiten erstmals hingewiesen, so z. B. von George Cheyne (1671-1743), der die Engländer als besonders „nervös“ ansah und daher von „English Malady“ sprach.[1] Die Bezeichnung Neurasthenie wurde von Miller Beard 1869 zwar nicht geprägt, aber sie fand durch ihn und seine ab diesem Zeitpunkt erscheinenden Schriften eine äußerst weite inneramerikanische und internationale Verbreitung.[2] Dem geschichtlichen Trend seiner Zeit folgend führte Beard die Symptome nervöser Erschöpfung auf Mangel an bestimmten chemischen Elementen zurück wie z. B. Phosphor und begünstigte damit den in dieser Zeit eifrig aufgegriffen Gedanken der medizinischen Kurbehandlung einschließlich der Anwendung von Diät.[3] [4] Beard leitete aber auch ein weiteres Umdenken insofern ein, indem er die Krankheit mit dem „Amerikanischen Lebensstil“ in Zusammenhang brachte und somit dem Gedanken einer soziologischen Betrachtungsweise von Krankheit weitere Beachtung verschaffte.[5] Auch der später u. a. von Sigmund Freud und Richard von Krafft-Ebing aufgegriffene Gesichtspunkt der Sexualmoral wurde von Beard in einer eigenen Schrift abgehandelt.[6] Zu dieser Zeit wurden psychische Störungen von Neurologen wie z.B. Dubois-Reymond, Remak, Waller und Magendie überwiegend als körperlich verursacht interpretiert. Freud grenzte 1895 von der Neurasthenie die Angstneurose ab und bereitete damit das Konzept zu seinen drei Aktualneurosen vor.[7] Krafft-Ebing legte auch soziologischen Aspekten eine wichtige Bedeutung bei.[8] Heute wird die Neurasthenie z.T. als neurotisch, funktionell oder psychosomatisch mitverursacht beschrieben.[9] Der Niedergang der Bezeichnung Neurasthenie hängt mit deren zunehmender Psychiatrisierung zusammen, ähnlich der Bezeichnung Neurose, die ursprünglich ein Kampfbegriff gegen die von Psychikern vertretene moralisierende Betrachtungsweise darstellte. Vielfach kam anstelle der Bezeichnung Neurasthenie die Bezeichnung Psychasthenie auf.[10]

Quellen

  1. Cheyne, George: The English Malady; or, A Treatise of Nervous Diseases of All Kinds, as Spleen, Vapours, Lowness of Spirits, Hypochondriacal and Hysterical Distempers, Dublin, 1733. Facsimile ed., ed. Eric T. Carlson, M.D., 1976, Scholars' Facsimiles & Reprints, ISBN 9780820112817;
  2. Beard, George Miller: Neurasthenia, or nervous exhaustion. The Boston Medical and Surgical Journal: (1869) 217–221
  3. Beard, George Miller: A practical treatise on Nervous Exhaustion (Neurasthenia). (1880)
  4. Shorter, Edward A historical Dictionary of Psychiatry. Oxford University Press, New York, 12005, ISBN 0-19-517668-5, Seite 187 f.; Text online
  5. Beard, Georg Miller: American nervousness, with its causes and consequences. A Supplement to Nervous Exhaustion (Neurasthenia). 1881 – dt. von Neisser 1881
  6. Beard, George Miller: Sexual Neurasthenia. (1884)
  7. Freud, Sigmund: Über die Berechtigung von der Neurasthenie einen bestimmten Symptomenkomplex als „Angstneurose“ abzutrennen. (1895) In: Gesammelte Werke, Band I, S. Fischer Verlag , Frankfurt / M 31953, ISBN 3100227034; Seite 313 ff.
  8. Krafft-Ebing, Richard, Freiherr von: Nervosität und neurasthenische Zustände. (1895), siehe dort das ätiologische Kap. „Sociologische oder allgemein prädisponierende Ursachen“
  9. Ackerknecht, Erwin H.: Kurze Geschichte der Psychiatrie. Enke Verlag, Stuttgart 3. Auflage 1985, ISBN 3-432-80043-6, Seiten 30, 81 f., 99
  10. Janet, Pierre: Les obsessions et la psychasthénie. Paris 11900, 21908

Literatur

  • Adler, Alfred: Über den nervösen Charakter. (1912) Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2007–2009, Studienausgabe Bd. 2 Herausgegeben von Karl Heinz Witte, Almuth Bruder-Bezzel und Rolf Kühn. ISBN 978-3-525-46053-5, oder Fischer Taschenbuch 1972
  • Eckart, Wolfgang: Die wachsende Nervosität unserer Zeit. Medizin und Kultur um 1900 am Beispiel einer Modekrankheit. in: Gangolf Hübinger, Rüdiger vom Bruch und Friedrich Wilhelm Graf (Hrsg.): Kultur und Kulturwissenschaften um 1900. II: Idealismus und Positivismus. Franz Steiner Verlag, Stuttgart ©1997, Seite 207 ff. Textauszüge online