Westerhüsen

Westerhüsen ist ein an der südlichen Stadtgrenze gelegener Stadtteil der Landeshauptstadt Magdeburg mit einer Fläche von 7,243 km² und 3015 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2009).
Geografie
Westerhüsen liegt am Westufer der Elbe und grenzt im Süden an den Salzlandkreis. Die benachbarten Stadtteile sind Beyendorf-Sohlen im Westen und Salbke im Norden, wo die Welsleber und Blumenberger Straße als Trennlinie verläuft.
Der im Nordosten gelegene bebaute Anteil des Stadtteils beträgt nur etwa 11 Prozent der Gesamtfläche. Im Wesentlichen konzentriert sich die Bebauung entlang der Durchgangsstraße Alt Westerhüsen und westlich des Bahnhofs Magdeburg-Südost der Bahnlinie Magdeburg - Leipzig. Die Bausubstanz besteht sowohl aus Einfamilienhäusern wie auch aus mehrgeschossigen Mietshäusern.
Das Gebiet des Stadtteils steigt von 49 Metern am Elbufer in westlicher Richtung zu den zu Salbke gehörenden Sohlener Bergen bis auf 97,8 Meter an. Südwestlich der Ortslage liegen die Wellenberge. Im Süden erreicht der Frohser Berg 115,5 Meter. Davor liegen landwirtschaftlich genutzte Flächen sowie das kleine Feuchtgebiet Pötritzer Sumpf. Am südlichen Ortsausgang befindet sich der etwa 20 Hektar große „Volkspark Westerhüsen“. Südlich hiervon verläuft der in die Elbe mündende Pfingstwiesengraben. Das ursprüngliche Kerngebiet des Dorfes liegt etwas erhöht über der Elbe, wobei der Siedlungsbereich durch die westlich gelegenen kleinen Höhenzüge gegen Westwinde geschützt war. Die Bodenverhältnisse sind für die Landwirtschaft etwas ungünstiger als dies in den westlich gelegenen Gebieten der Magdeburger Börde der Fall ist.
Infrastruktur
Westerhüsen dient heute vorwiegend Wohnzwecken, einige kleine Gewerbebetriebe sind hier angesiedelt. Hervorzuheben ist der Schulkomplex mit dem Europäischen Bildungswerk für Beruf und Gesellschaft und dem Kaufmännischen Bildungszentrum. Der Stadtteil verfügt mit dem Bahnhof Magdeburg Südost über eine S-Bahn-Station und wird von einer Straßenbahnlinie erschlossen. Über die Straße Alt Westerhüsen führt eine Straßenverbindung zur Nachbarstadt Schönebeck. Die Fähre Westerhüsen verbindet Westerhüsen mit dem Ostufer der Elbe. In Westerhüsen befindet sich die Freiwillige Feuerwehr Magdeburg-Südost.[1]
Geschichte
Vorzeit
Anhand von Ausgrabungen konnte festgestellt werden, dass im Bereich des heutigen Westerhüsens bereits in der frühen Jungsteinzeit (um 3000 v. Chr.) Menschen lebten. Entsprechende zur Linienbandkeramik und zur Walternienburg-Bernburger Kultur gehörige Funde wurden auf dem Grundstück Alt Westerhüsen 130 im südlichen Teil des Ortes gemacht. In die mittlere und späte Bronzezeit wurden gefundene Urnengräber datiert. Westlich des Straßenbahndepots wurden seltene Körpergräber festgestellt, die aus der frühen Eisenzeit stammen.[2] Diverse im Ortsgebiet gemachte vorgeschichtliche Funde befinden sich im Kulturhistorischen Museum Magdeburg. Auf dem Grundstück Sohlener Straße 12 wurde ein kleiner Topf mit Ösenhenkel entdeckt. In der Umgebung des Straßenbahndepots wurden neben Tonscherben und einem steinernen Rillenbeil auch eine Schalenurne gefunden. Auf dem Grundstück In der Mittelwiese 3 fand sich ein kleiner Napf und am Elbufer ein doppelkonisches Gefäß.[3]
Der Name der Straße Am Hünenkeller lässt darauf schließen, dass in der Gemarkung Westerhüsen eine prähistorische Grabanlage bestanden haben dürfte. Ursprünglich gab es noch einen Hünenkellerweg der quer über das Bahngelände verlief und bei Anlage der Bahntrasse ab 1838 verschwand. Bei den Arbeiten zur Anlage der Bahnstrecke fand man im Bereich des Hünenkellerweges vorgeschichtliche Gräber, Werkzeuge und Steinäxte.[4]
Mittelalter
Die erste urkundliche Erwähnung fand in den „Corveyer Traditionen“ statt, in denen für den Zeitraum von 826 bis 853 unter anderem auch Schenkungen in Westeros angegeben werden. Danach schenkten die Brüder Ado und Odo die ihnen in Westerhüsen und benachbarten Dörfern zustehenden Lehnserträge an das Kloster Corvey, wobei diese Schenkungen vermutlich nicht das ganze Dorf sondern nur einige Naturaleinkünfte betraf.[5] Der Name Westerhüsen enthält das altsächsische Wort „hus“ für Haus, sodass damit vermutlich ein im Westen gelegener Einzelhof bezeichnet wurde. Es gibt Vermutungen, wonach sich die Bezeichnung Wester als Unterscheidung zu einem Osterhüsen ergab. Danach soll sich nordöstlich von Salzelmen, ebenfalls an der Post- und Heerstraße nach Calbe (Saale) gelegen, dieses Osterhüsen befunden haben.[6] Eine dort befindliche Esterhuser Straße könnte auf diesen ehemaligen Ort verweisen. Weitere Spekulationen gehen dahin, dass Westerhüsen eine unter Karl dem Großen zum Schutze der hier entlang führenden Heerstraße angelegte Befestigung sein könnte. Eine solche Befestigung könnte sich danach am südöstlichen Abhang der Wellenberge befunden haben.[5] Im 9. Jahrhundert missionierte der Halberstädter Bischof Hildegrim in der Gegend und weihte die von ihm gegründeten Kirchen dem Heiligen Stephanus. Da die Westerhüser Kirche ebenfalls Stephanus geweiht war, werden Vermutungen angestellt, dass ihr Ursprung bis in diese Zeit zurückreicht.[2] Die anfängliche Holzkirche wurde zu Beginn des 13. Jahrhunderts durch einen Steinbau ersetzt.

Am 13. September 936 wurden ein Teil der Einnahmen des Ortes Uuesterhuse durch König Otto I. dem Stift Quedlinburg übertragen. In einer Urkunde vom 28. Oktober 1272 wird im Rahmen einer Schenkung als Zeuge ein Herbord Miles (Ritter) de Westerhusen erwähnt. Hinweise auf ein Adelsgeschlecht in Westerhüsen gibt es jedoch im übrigen nicht.[5] Die Bemerkung bezieht sich vermutlich auf Westerhausen bei Quedlinburg.[7] Mit einer Urkunde vom 21. September 937 schenkte Otto Westerhuse dann dem Magdeburger Moritzkloster. Eine weitere urkundliche Erwähnung erfolgte am 17. Mai 1185 als Erzbischof Wichmann dem Kloster Hagenrode eine Hufe bei Westerhüsen schenkte, die zur Sommerburgischen Erbschaft gehörte und dem erzbischöflichen Ministerialen Heidenreich zum Lehen gegeben war. 1441 versetzte Erzbischof Günther den Ort an den Bürger Hans Lindow. Im Jahr 1443 belehnte der Erzbischof die Brüder Lohse mit 9,5 Hufen, drei Höfen und der Taverne.
Südlich des Dorfes befand sich im Mittelalter der später zur Wüstung gewordene Ort Pötritz sowie das Westerhüser Gehölz, ein heute nicht mehr bestehendes Waldgebiet.
Neuzeit
Etwa um 1500 stieg die Bevölkerungszahl an. Dies wohl auch durch den Zuzug von ehemaligen Bewohnern des wüst gewordenen Pötritz. 1523 wurde für die Kirche von dem Magdeburger Stückgut- und Glockengießermeister Claus Backmester die 550 Kilogramm schwere Christkönigsglocke gegossen, die heute noch vorhanden ist und zu den ältesten Kirchenglocken Magdeburgs zählt.
Schmalkaldischer Krieg
Während des Schmalkaldischen Kriegs war Westerhüsen zweimal Verhandlungsort der gegnerischen Parteien. Am 15. Dezember 1548 fanden in Westerhausen, vermutlich im Gemeindekrug, Verhandlungen zwischen Magdeburger und erzbischöflichen Deputierten geführt. Die Abgesandten des Erzbischofs Johann Albrecht forderten die Herausgabe der erzbischöflichen Güter und Ämter. Die evangelischen Magdeburger forderten Religionsfreiheit und Sicherstellung ihrer städtischen Privilegien. Die Verhandlungen wurden als Westerhausischer Abschied bekannt. Diese Verhandlung und ein späteres Treffen in Neugattersleben blieben jedoch erfolglos. Die in der Region Magdeburg weiterhin andauernden militärischen Auseinandersetzungen führten dann dazu, dass die erzbischöflische Seite für den 9. April 1550 erneut nach Westerhüsen einlud. Die Positionen waren ähnlich wie beim ersten Treffen. Zu einem geplanten weiteren Treffen in Magdeburg kam es nicht mehr, da der Erzbischof am 17. Mai 1550 verstarb. Es folgte 1550/51 die Belagerung der Stadt, wobei die Umgebung, so auch Westerhüsen besonders zu leiden hatten. Unter anderem wurden die vier Glocken der Westerhüser Kirche gestohlen. Eine, die noch heute vorhandene aus dem Jahr 1523, konnte später von den Westerhüsern zurückgekauft werden. Diese Belagerung endete mit einer Kapitulation der Stadt zu jedoch sehr günstigen Bedingungen.
1553 wurde in Westerhüsen die Reformation eingeführt, nach dem das nahe gelegene Magdeburg bereits seit 1524 evangelisch war. Ab 1563 unterstand Westerhüsen dem Magdeburger Domkapitel und war an die Kirche des Klosters Berge verlehnt. 1564 zählte Westerhüsen 39 Hauswirte, was etwa 280 Einwohnern entsprechen dürfte. 1583/84 werden 45 Hauswirte bei etwa 320 Einwohnern angegeben. Schon für das 16. Jahrhundert wird eine Elbfähre in Westerhüsen erwähnt.
Dreißigjähriger Krieg
Während der Belagerung und Zerstörung Magdeburgs im Jahr 1631 im Dreißigjährigen Krieg schlug der kaiserliche Feldherr General Tilly 1631 sein Hauptquartier im Weibezahlschen Hof in Westerhüsen auf und setzte an der Fähre seine Truppen über die Elbe. In die Fassade des noch heute bestehende Gehöfts wurde zur Erinnerung hieran eine Kanonenkugel eingemauert. Es sind mehrere Briefe Tillys überliefert, die er in Westerhüsen schrieb. In dieser Zeit sollen in der Umgebung Westerhüsens auch drei Schanzen angelegt worden sein.[6] Die westlich der Welsleber Straße bestehende Flurbezeichnung Das Sauerfeld nach der Schanze könnte auf eine solche Befestigungsanlage zurückgehen. Westerhüsen selbst wurde im Laufe des Krieges beinahe vollständig zerstört und entvölkert. Insbesondere durch die Nähe zur strategisch wichtigen Stadt Magdeburg kam es häufig zu Einquartierungen und Durchzügen von Truppen. Diese requirierten rücksichtslos Lebensmittel und Saatgut aber auch Pferde und Wagen sowie sonst nützlich oder wertvoll erscheinende Gegenstände. Die Bestellung der Felder war kaum noch möglich. Bei einer 1632 nach Abzug der kaiserlichen Truppen erfolgten Musterung in den einzelnen Orten wurde für Westerhüsen gemeldet, dass im Winter 1631/32 sehr viele der Einwohner gestorben seien und sich nur noch zwölf Männer im Ort befinden würden. Waffen und Pferde waren nicht mehr vorhanden.
Auf Veranlassung des schwedischen Kanzlers Axel Oxenstierna erhielt die Stadt Magdeburg 1633 als Entschädigung für die schwere Zerstörung bisher dem Domkapitel und Magdeburger Klöstern und Stiften gehörende Dörfer geschenkt. Darunter auch Westerhüsen. Umgesetzt wurde diese Schenkung am 4. Februar 1635. Am 5. Februar 1635 erschienen zwischen 8 und 9 Uhr die wenigen Bewohner Westerhüsens in Magdeburg und leisteten den Huldigungseid gegenüber der Stadt. Durch schwedische Niederlagen wurden die Schenkungen jedoch letztlich nicht in der ursprünglich beabsichtigten Form durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt waren von den ehemals 14 Bauernhöfen zwölf zerstört oder wüst. Von 25 Kossaten waren noch 19 Anwesen vorhanden. Vor allem die großen Gehöfte in der Ortsmitte waren schwer von den Kriegsschäden betroffen.
Der Krieg dauerte jedoch weiter an. Um für seinen Sohn August das Magdeburger Erzstift zurückzugewinnen zog der eigentlich auch evangelische Kurfürst von Sachsen in Richtung Magdeburg und belagerte die Stadt, die sich am 3. Juli 1636 ergab. Die Bauern der umliegenden Dörfer flohen in die Städte. Die Felder blieben unbearbeitet. Die Ernten wurden nicht eingebracht, so dass Hunger herrschte. Hinzu kam ein besonders starkes Umsichgreifen der Pest. Auch die letzten Bewohner Westerhüsens verließen den Ort. Viele flohen nach Schönebeck und Salze. Allein in Schönebeck wurde 1636 der Tod von acht Westerhüsern registriert. So starb dort am 6. Oktober auch der Westerhüser Pfarrer Joachim Pomarius an der Pest. Auch drei seiner Kinder verstarben in Schönebeck. Für elf Jahre blieb die Westerhüser Pfarrstelle unbesetzt.
Es setzte dann zwar ein Wiederaufbau des Ortes ein, zum Teil bewirtschafteten die Bauern von den Städten aus ihre Äcker. Immer wieder kam es jedoch zu Überfällen und auch dem Durchzug von Heeren. Die dabei verursachten Verwüstungen waren unabhängfig von der Nationalität oder religiösen Ausrichtung der Truppen. So ist für den 9. Oktober 1641 der Überfall schwedischer Söldner auf einen bewaffneten, aus Leipzig in Richtung Magdeburg ziehenden Kaufmannszug im südlich von Westerhüsen gelegenen Westerhüser Gehölz überliefert. Als problematisch erwies sich auch, dass nach einiger Zeit die Besitzverhältnisse unklar waren. Viele der aktuellen Bewohner hatten zuvor nicht in Westerhüsen gelebt. Viele der alteingesessenen Bevölkerung waren verstorben oder lebten andernorts. Auch der an der Hauptstraße nach Schönebeck gelegene alte Gemeindekrug, heutiges seit 2010 leerstehendes Grundstück Alt Westerhüsen 157, war zerstört. Am 24. Juni 1649 schloss die Gemeinde Westerhüsen mit dem Krüger Urban Starcke ein Vertrag, wonach Starcke den Krug wieder errichtet und Pacht zahlt. Der an sich nicht rechtskonforme Vertrag wurde jedoch vom Domkapitel genehmigt. 1650, zwei Jahre nach Ende des Krieges, wurden in Westerhüsen 24 Hauswirte gezählt. 1583 hatte die Zahl noch fast doppelt so hoch bei 45 Hauswirten gelegen. Schulunterricht fand nicht statt. Die Verhältnisse werden als ärmlich, die Kriminalität und Verwahrlosung jedoch als nicht so problematisch wie in anderen Ortschaften beschrieben.[8] 1647 erhielt Westerhüsen mit Martin Friedrich Curio auch wieder einen Pfarrer. Der schwere Einschnitt in die Entwicklung des Ortes durch den Krieg wirkte lange fort. Selbst 1697/98 wurden noch einzelne Hofstellen als wüst geführt.
Im Jahr 1666 brannte der Gemeindekrug ab und wurde von Hanß Michel Steffler neu gebaut. Ein Großfeuer ereignete sich im Frühjahr des Jahres 1687. Angefacht durch einen Sturm brannte der südlich der Kirche gelegene Teil des Dorfes nieder. Auch Pfarrhaus und Schulgebäude waren betroffen. Ein weiterer Großbrand traf das Dorf am 18. Mai 1750. Der Brand wurde gegen 5.00 Uhr in der Scheune des Schöppen Bodenburg in der Nähe der Elbe im Bereich des heutigen Grundstücks Hilligerstraße 3 festgestellt. Begünstigt durch einen starken Nordostwind brannten innerhalb von zwei Stunden 35 Feuerstätten, darunter acht Ackerhöfe und die Hälfte des Pfarrhauses ab. Betroffen waren auch die heutigen Grundstücke Alt Westerhüsen 153 bis 156, Kieler Straße 4, 5, 6, 7 und 9 sowie Sohlener Straße 1 und 2.
Es wird vermutet, dass sich nach dem Dreißigjährigen Krieg im Dorf eine Bruderschaft der Ackerknechte und eine Bruderschaft der Enken bildete, die sich vermutlich erst im 19. Jahrhundert mit dem Bedeutungsverlust der Landwirtschaft im Zuge der Industrialisierung auflösten.[9] Mit ihren festen Regeln und Gebräuchen waren solche Bruderschaften für die Sozialstruktur von Bedeutung. Ein direkter Nachweis für Westerhüsen liegt jedoch nicht vor.
Im Zuge des Wiederaufbaus der Region nach dem Krieg verschwanden der bis dahin am Ufer der Elbe und auf den in der Umgebung befindlichen Höhenzügen bestehende Wald. Nach der Ansiedlung von pfälzischen und französischen Kolonisten in der Französischen Kolonie und der Pfälzer Kolonie in Magdeburg siedelten sich ab 1742 auch einige Kolonisten in Westerhüsen an. Der preußische König Friedrich der Große hatte 1742 den Befehl gegeben in jedem Dorf zwei Ausländer, gemeint waren nicht aus Preußen stammende Personen, anzusiedeln, um so die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Region zu stärken. Den Ansiedlern die als Tagelöhner oder Handwerker arbeiten sollten, war freies Bauholz zu stellen. Darüber hinaus waren sie für 15 Jahre von allen Abgaben befreit. Als erster Siedler zog 1742 der aus Zerbst stammende Thomas Bierhals nach Westerhüsen. Er dürfte sein Haus vermutlich auf dem heutigen Grundstück Stolberger Straße 6 gebaut haben. 1750 brannte das Haus nieder, wurde dann jedoch von ihm wieder aufgebaut. Im Zeitraum von 1743 bis 1781 siedelten sich so 14 Neuanbauerfamilien vor allem im damals vor dem Dorf gelegenen Gebiet Stolberger Straße, Erfurter Straße und Zackmünder Straße an, von denen allerdings nur fünf tatsächlich nicht aus Preußen stammten. Das Verhältnis zwischen den alteingesessenen Familien und den Neuanbauern war nicht frei von Spannungen. 1781 zählte Westerhüsen 510 Einwohner.
Zwischen 1715 und 1873 lag die Schiffsmühle Westerhüsen an einem kleinem Mühlenhafen vor Westerhüsen in der Elbe. Darüber hinaus bestanden mehrere Windmühlen im Ort so die Böckelmannsche Windmühle, die Bodenburgsche Windmühle, die Curiosche Windmühle und die Hossesche Windmühle, die jedoch allesamt nicht erhalten sind. Im Jahr 1750 wütete ein Großfeuer im Dorf. Im 18. Jahrhundert bestand im damaligen Stoefflerschen Hof (Alt Westerhüsen 153) eine Branntweinbrennerei.
Napoleonische Besatzungszeit
In der Zeit der französischen Besetzung gehörte Westerhüsen zum Kanton Sudenburg des Distrikts Magdeburg des Elbedepartments im Königreich Westfalen. Der als Maire bezeichnete Bürgermeister war Christian Gottfried Böckelmann. Sein Stellvertreter, Adjunkt, war Johann Gottfried Stoeffler, der ab 1820 dann das Amt des Bürgermeisters innehatte. Darüber hinaus gab es als Gemeindevertretung einen acht Personen zählenden Munizipalrat. Bei den Kampfhandlungen in der Umgebung der Festung Magdeburg wurde das Dorf 1812 in Mitleidenschaft gezogen. Das Haus des Kossaten und Ölmüllers Heinrich Gottfried Uebe, wohl an der heutigen Adresse Merseburger Straße 3, wurde im Juli 1813 von den französischen Truppen zu einem befestigten Blockhaus umgebaut und bei ihrem Abzug dann schwer zerstört. Neben dem Wohnhaus wurden auch Stall, Scheune und Bienenhaus vernichtet der Schaden wurde mit 1184 Talern angegeben. Der preußische Finanzminister gewährte später eine gesonderte Unterstützung von 500 Talern. Nach dem dann erfolgten Wiederaufbau wurde das Grundstück im Jahr 1846 dann durch ein Feuer nochmals zerstört. Insgesamt litt Westerhüsen in der Zeit der französischen Besatzung durch Einquartierungen, hohe Kriegssteuern und auch Plünderungen. Viele Bewohner kamen mit Steuern, Abgaben oder Pacht in Rückstand. Besonders betroffen war der wiederholt den Pächter wechselnde Gemeindekrug, der oft über ganze Wochen ohne Gäste blieb.
Am 6. April 1833 kam es gegen 21.00 Uhr wiederum zu einem Brand. Betroffen waren die Grundstücke Merseburger Straße 4 und Alt Westerhüsen 149, 151/152. Auch am 12. Oktober 1835 kam es zu einem Feuer, diesmal auf dem Kossatenhof des Gottfried Boeckelmann. Die Magd hatte wohl einen heißen Stein zum aufwärmen des Betts unvorsichtig während ihrer Abwesenheit im Bett plaziert. Die örtliche Feuerspritze wurde von Westerhüsenern herangezogen und das Feuer schnell gelöscht. Das Dach des Gebäudes war jedoch beschädigt, das Bett gänzlich abgebrannt. Weitere größere Brände sind für 1842 (Alt Westerhüsen 36) und 1846 (Merseburger Straße 3) überliefert. Die Brände und ihre Ausbreitung wurden durch die damals noch häufig anzutreffenden Strohdächer begünstigt.
Im Jahr 1834 zählte Westerhüsen 700 Einwohner, darunter 150 schulpflichtige Kinder. Ein Bewohner war katholischer, die übrigen 699 evangelischer Konfession. Alle dreißig Geburten des Jahres 1835 waren ehelich. Als Dorfschulze amtierte in dieser Zeit Friedrich Richter. Aufgrund einer Missernte wurden in dieser Zeit Futtermittel so knapp, dass einige Bewohner strohgedeckte Dächer abdeckten und dieses Stroh verfütterten. Veranlasst durch Hofrat Knorr, der von 1826 bis 1848 in der späteren Kieler Straße 5 lebte, führte Pfarrer Schultze ab 1835 eine Chronik, die jedoch von seinen Nachfolgern nur sehr lückenhaft weiter geführt wurde.
Im Jahr 1835 wurde zweimal eine Leiche in der Gemarkung Westerhüsen aufgefunden. Einen ersten Vorfall gab es am 4. November. Gegen 15.00 Uhr wurde an der Heerstraße Richtung Magdeburg, rechterhand im Graben zwischen Westerhüsen und einer Eiche ein zunächst unbekannter Toter aufgefunden. Nach Ermittlungen der Criminal Commission zu Groß Salze konnte der Tote als der alkoholkranke 48 oder 49jährige Kaufmann Friedrich Wilhelm Daegner, wohnhaft Magdeburg, Tischlerbrücke 16 identifiziert werden. Er fiel vermutlich alkoholisiert in den Graben oder legte sich dort freiwillig hin. Am 27. November gegen 7.00 Uhr wurde dann eine männliche Leiche auf dem Fußweg nach Frohse, etwa 2000 Schritte von Westerhüsen entfernt, gefunden. Der etwa 30jährige, dessen Identität nicht aufgeklärt werden konnte, hatte sich mit einer Pistole durch einen Kopfschuss das Leben genommen. Beide Verstorbene wurden vor dem dem neuen Friedhof beerdigt.
Am 8. Juli 1853 zog gegen 14.00 Uhr ein Gewitter mit Hagelkörnern wie hünder Eir groß auf und zerstörte einen erheblichen Teil der Ernte.[10]Die immer wiederkehrenden schweren Hochwasser der Elbe brachten das Dorf Westerhüsen aufgrund seiner hohen Lage über dem Fluss nicht in Bedrängnis. Im Winter kam es vor, dass sich auf der Elbe Eismassen zu großen Bergen aufstauten, so auch am 6. März 1855. Im Februar 1876 war das Hochwasser so hoch, dass die Chaussee nach Schönebeck überschwemmt wurde. Unterhalb der Kirche ist eine Wasserstandsmarke zur Erinnerung an das Hochwasser angebracht. Im Jahr 1860 wurde in Westerhüsen die Separation und somit eine Flurbereinigung durchgeführt.
Industrialisierung
Mit der Neuordnung der preußischen Kreisverwaltung kam Westerhüsen 1818 zum Kreis Wanzleben. 1835 zählte der Ort etwa 700 Einwohner. Lebten die Einwohner über die Jahrhunderte von der Landwirtschaft, der Fischerei und der Elbschifffahrt, trat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Wandel ein. Bis 1836 war der Bereich zwischen den Ortslagen von Westerhüsen und Salbke noch freies Feld. Im Zuge der Industrialisierung in Deutschland entstanden dann auch in Westerhüsen mehrere Fabriken. Neben der Lage an der Elbe und der Landstraße nach Magdeburg wurde die weitere Industrialisierung des Gebiets vor allem durch den 1838 begonnenen Bau der Bahnstrecke Magdeburg–Leipzig gefördert, die bereits 1839 im Teilstück nach Schönebeck eröffnet wurde. Die parallel zur Hauptstraße verlaufende Bahntrasse trennte jedoch auch die westlich hiervon gelegenen Gebiete von Westerhüsen ab, die seit dem nur noch über Bahnübergänge und später durch Brücken und Unterführungen mit dem Ortskern verbunden waren. Die Bahnstrecke wurde in der folgenden Zeit ausgebaut und nahm damit größere Flächen in Anspruch, so dass sogar der Friedhof Westerhüsen verlegt werden musste. 1894 war die Strecke schon viergleisig ausgebaut. Die Elektrifizierung erfolgte 1934. In der Nacht vom 28. auf den 29. Februar 1860 kam es vor Westerhüsen zu einem Eisenbahnunglück. Ein starker Sturm hatte zehn Personenwagen der Eisenbahn vom Bahnhof Buckau bis kurz vor die Brücke bei Westerhüsen getrieben. Gegen 1.15 Uhr stiess der von Leipzig kommende Personenzug auf diese Wagen. Der erste Wagen wurde auf die Lokomotive geschleudert und riss den Schornstein herunter. In der Umgebung wurden mehrere Häuser, Anlagen und Bäume beschädigt. Passagiere kamen nicht zu Schaden.[10]
Folgende Industrieunternehmen entstanden in Westerhüsen und prägten lange das Ortsbild.
Strohpappenfabrik
Zunächst entstand 1836 auf dem heutigen Grundstück Alt Westerhüsen 168 eine vom Magdeburger Kaufmann H. Schwarz errichtete Stärkefabrik. Hier wurde aus Kartoffeln Sirup hergestellt. Auch sogenanntes Neublau zum Färben der Wäsche wurde produziert. 1873 entstand aus dem Werk eine Papierfabrik, die ab 1892 jedoch nur noch Strohpappe herstellte. Das dazugehörige Wohnhaus war 1883 erweitert worden. 1905 und 1910 kam es zu größeren Bränden im Maschinenhaus, am 6. Oktober 1919 erfolgte eine Kesselexplosion, bei der der Werkmeister August Geserick verunglückte. 1922 wurde die Anlage von der Firma Henkel übernommen und modernisiert. Etwa 100 Mitarbeiter produzierten jährlich 7500 Tonnen Strohpappe, die als Verpackung für Persil, Ata und IMI diente. 1935 wurde ein Grundstück an der Thüringerstraße hinzu erworben und mit einem großen Schuppen bebaut, 1938 entstand ein 65 Meter hoher Schornstein. Nach dem 2. Weltkrieg gehörte das Werk zum Persil-Werk VEB bzw später dem VEB Waschmittelwerk Genthin. Nach Umstellung der Verpackungsmethode wurde das Werk 1967 stillgelegt und vom benachbarten Chemiewerk Fahlberg-List übernommen.
Zuckerfabrik und Metallhütte
Ab dem 13. Januar 1838 wurde nördlich der Strohpappenfabrik in Westerhüsen durch die Gebr. Schmidt & Coqui die erste Magdeburger Zuckerfabrik errichtet. Ab dem 11. Januar 1839 begann der Probebetrieb. Die Magdeburger Kaufleute Schmidt und Heinrich Coqui produzierten hier Rübenzucker. 1909 kam es zu einem Brand auf dem Werksgelände. Ab 1917 entstand an der Stelle der Zuckerfabrik eine Metallhütte. Markant war ein eigens errichteter 75 Meter hoher Schornstein. Bereits am 24. September 1921 übernahm das benachbarte Chemiewerk Fahlberg-List das Unternehmen. Die vom Schwefelkies nach der Gewinnung von Schwefel verbliebenen Abfälle wurden von der Metallhütte weiter verarbeitet. Das Kupfer wurde herausgelöst, das verbleibende Eisenoxyd an Eisenhütten abgegeben. Die Anlage erwies sich jedoch aufgrund zu geringer Größe als unwirtschaftlich und wurde bereits im Dezember 1928 wieder aufgegeben.
Darren
In Westerhüsen entstanden auch mehrere Darren, die die Trocknung von als Kaffeeersatz genutzter Zichorien betrieben. Zunächst baute der Magdeburger Fabrikant August Reckün eine solche Darre auf dem 1851 erworbenen Grundstück Hubertusstraße 1. 1873 wurde sie vom Magdeburger Kaufmann Guido Roch übernommen und an die Gebrüder Schmidt verpachtet. Sie war bis 1888 in Betrieb. 1889 bauten Fritz Bode und Gustav Fabel die Darre zur Speisesirupfabrik mit einem 32 Meter hohen Schornstein um. Pläne eines Dr. W. Wolters dort eine Düngemittelfabrik zu bauen scheiterten am Widerstand der Anwohner. Die Sirup- bzw. Saftfabrik wurde durch die Firma Röber und Rasehorn betrieben und brannte 1894 nieder. Der Schornstein wurde 1921 gesprengt. Später befand sich dort eine Baustoffhandlung.
Die Kossaten Gottlieb Linde und Ehrenfried Rieseberg erbauten 1861 auf dem Grundstück Alt Westerhüsen 59 eine Darre, die jedoch bereits 1867 durch Zwangsversteigerung an den Salbker Kaufmann Fritz Maaß ging. Maaß liess die Darre später abbrechen und baute 1876 in Salbke eine neue große Darre auf. Das Grundstück der Westerhüser Darre wurde später von der Familie Günther mit einem Gewächshaus bebaut.
1864 hatte Gottlieb Linde eine weitere Darre auf dem heutigen Grundstück Alt Westerhüsen 121 errichtet, die jedoch 1887 abbrannte. Der Gärtner Friedrich Goetze betrieb danach dort Gewächshäuser. Später wurde das Grundstück als Hamburger Hof gastronomisch genutzt. Die größte Darre befand sich neben der Zuckerfabrik und wurde 1888 von den Gebrüdern Schmidt gebaut, die die Darre in der Hubertusstraße schlossen. Sie blieb beim Brand des Jahres 1909 unbeschädigt und war noch bis 1917 in Betrieb.
Glashütte
1864 gründete der Salbker Maurer- und Zimmermeister Sigismund Schrader nördlich der Zuckerfabrik eine Glashütte. Zunächst wurde Tafelglas später Weißhohlglas hergestellt. Im Jahr 1872 übernahmen Karl Höfer, Adolph Kramer und Conrad Voges den Betrieb. 1873 wurde das Unternehmen Glasfabrik Westerhüsen AG in das Grundbuch eingetragen. Als Glasmacher waren zunächst Belgier beschäftigt. Für sie wurde auch an der Adresse Alt Westerhüsen 11 eine Mietskaserne errichtet. 1902 kam für die Arbeiter noch das dahinter liegende, über sechs Eingänge langgestreckt Gebäude Alt Westerhüsen 12 hinzu. Noch heute wird diese Anlage als Glasmacherhof bezeichnet. 1878 erwarb der aus Magdeburg-Neustadt stammende Kaufmann Adolf Grafe junior das Werk. Er stellte die Produktion auf grünes und halbweißes Glas um. Die Zuschlagstoffe kamen aus der Region Magdeburg aber auch aus dem Harz und Helmstedt. Produziert wurden einheitliche Flaschen und Säureballons. Prokurist war Wilhelm Laue, Werkleiter August Dörries, der später die weiter nördlich gelegene Salbker Glashütte übernahm. Anfangs wurde mit einem mit Steinkohle befeuerten Hafenofen produziert. 1886 wurde auf einen Siemens-Gasofen umgestellt, der kostengünstiger mit Braunkohle lief. Nach dem Tode Grafs 1890 betrieben seine Schwester Olga Krümmel und ihr Mann Otto Krümmel das Unternehmen als A. Grafe Nachfolger weiter. Ab 1901 führte deren Sohn Willi Krümmel den Betrieb. Durch Einrichtung einer großen Wanne aus der laufend flüssiges Material zur Herstellung floss, konnte 1902 die Produktion erheblich gesteigert werden. In Tag- und Nachtschichten konnten nun täglich 20.000 Flaschen, 10.000 Schraubgläser und 300 Säureballons hergestellt werden. Das Unternehmen beschäftigte 210 Menschen. Nach 1901 setzte ein starker Preisverfall bei Flaschen ein. Durch einen 1904 gegründeten Verband der Flaschenfabriken wurden die Produktionsmengen stark reguliert, so dass die Preise wieder deutlich anzogen. Um die Produktionskontigente zu erlangen, erwarb die Glashütte 1909 die Flaschenhütte Oranienbaum, die allerdings noch bis 1923 zur Herstellung von Tafelglas weiter betrieben wurde. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde die Produktion mangels Nachfrage deutlich gedrosselt. Die Anschaffung moderner Maschinen zur Flaschenproduktion unterblieb auch nach dem Krieg. 1926 erwarb schließlich die Aktiengesellschaft für Glasindustrie vorm. Fr. Siemens Dresden das Flaschenkontingent von sieben Millionen Flaschen. Das benachbarte Chemiewerk Fahlberg-List erwarb das Grundstück. Der Betrieb wurde am 1. August 1926 stillgelegt, die Mitarbeiter zum 11. August 1926 entlassen.
Ziegelei
Für einige Zeit bestand in der Westerhüser Gemarkung auch eine Ziegelei. Der Sohlener Bauer Heinrich Säger errichtete sie 1880 nördlich der Chaussee von Westerhüsen nach Sohlen, kurz vor der Sohlener Ortseinfahrt. Heute gehört das Gebiet zur Gemarkung von Salbke. Die Ziegelei wurde 1894 vom Buckauer August Wischeropp erworben, der sie noch Ende des 19. Jahrhunderts schloss und abriss. Der Kaufmann Friedrich Bahn aus Sohlen baute dort 1904 ein noch heute bestehendes Wohnhaus mit Stallgebäude.[11]
Schiffswerft Gerloff
Wilhelm Gerloff gründete auf dem Grundstück Kieler Straße 5 eine Stroh-, Holz- und Kohlehandlung die er laufend erweiterte. 1891 errichtete er dann nördlich der Fähre Westerhüsen eine Schiffswerft. Diese war über den 1905 erfolgten Tod Gerloffs hinaus in Betrieb, wurde jedoch noch vor Beginn des 1. Weltkriegs eingestellt, während die Kohlehandlung noch bis 1925 bestand. Von der Anlage blieb die Gerloffsche Villa erhalten.
Brauerei
Von eher geringerer wirtschaftlicher Bedeutung war die auf dem Grundstück Alt Westerhüsen 16 ansässige Brauerei. Es wurde ein leichtes Braunbier gebraut, welches vor allem bei den wenig weiter nördlich wohnenden Arbeitern der Glashütte konsumiert wurde. Begründet wurde die Brauerei durch den Böttcher Friedrich Lieber, dem das Grundstück seit 1852 gehörte. Lieber richtete auch eine Gaststube ein. Später wurden Brauerei und Gaststube vom Brauer Otto Bräutigam weiter geführt. Ein südlich des Hauses befindlicher Stall wurde von ihm zum Materialwarenladen umgebaut und unter Umbauung der alten Toreinfahrt in das Haus integriert. An Stelle des nördlich gelegenen Gartens baute Bräutigam 1890 den Gasthof „Zum Anker“. Anfang des 20. Jahrhunderts gab Bräutigam die Brauerei jedoch auf und gründete in Salzelmen eine Selterfabrik. Die Brauereigaststube wurde später als Fleischerei und Kolonialwarenhandlung genutzt. Heute dient das Haus Wohnzwecken.

Fahlberg-List
Im Jahr 1886 wurde durch die beiden Unternehmer Constantin Fahlberg und Adolf Moritz List das Unternehmen Fahlberg-List gegründet, die erste Saccharinfabrik der Welt, in der später Pharmaerzeugnisse und ab 1927 Superphosphat produziert wurden. Das Werk entwickelte sich zum größten Chemiebetrieb Magdeburgs. Nach dem Krieg wurde das Fahlberg-List-Werk enteignet und in einen Volkseigenen Betrieb umgewandelt. Die Zahl seiner Beschäftigten stieg auf 1.700, und die Superphosphatproduktion sowie die Herstellung von Pflanzenschutzmitteln verschaffte dem Werk eine führende Stellung im ganzen damaligen Ostblock. Das Fahlberg-List-Werk wurde nach der Wende des Jahres 1989 zunächst privatisiert und als GmbH weitergeführt. Der pharmazeutische Zweig wurde kurz darauf von der Salutas Pharma GmbH übernommen und 1995 nach Barleben verlagert. Die in Salbke und Westerhüsen liegenden Betriebsteile wurden 1995 geschlossen.
Motoren- und Schraubenfabrik
1899 kaufte der Aachener Königliche Geheime Kommerzienrat Kesselkaul die 1892 vom Architekten Karl Fischer errichtete Fischersche Villa in der Holsteiner Straße. Er vergrößerte das Grundstück nach Westen und errichtete dort die Magdeburger Elektromotorenfabrik GmbH. Es entstanden unter anderem eine Montagewerkstatt, ein Magazin und eine Schlosserei. Bereits nach kurzer Zeit brannte die Montagewerkstatt jedoch nieder. Im Sommer 1903 erwarb der Schmiedemeister Otto Leinau das Anwesen. Er baute den zerstörten Teil wieder auf und fügte ein weiteres Wirtschaftsgebäude hinzu. Im Grundbuch wurde 1904 die offene Handelsgesellschaft Leinau & Becker, Magdeburger Eisenbau-Anstalt in Westerhüsen eingetragen. Produziert wurden Kessel und Apparate für Zuckerfabriken sowie eiserne Konstruktionen für Dächer und Brücken. Nach dem Tod seines ältesten Sohnes schied Leinau 1906 aus dem Unternehmen aus. Der Geschäftspartner Becker führte das Werk gemeinsam mit Wilhelm Häge weiter. 1910 übernahm Häge die Anlage in Alleineigentum, musste jedoch bereits am 19. Januar 1911 Konkurs anmelden. Nach dem kurzzeitig die Firma Georg von Kölln hier eine Eisenhandlung betrieb, erwarb 1913 Georg Rohde, Eigentümer der Firma Otto Mansfeld & Co. das Grundstück. Die Fabrik wurde als Präzisionszieherei für Drähte und Stangen und als Silberstahlwerk betrieben. Der Name lautete Meteorwerk. Es wurde ein 32 Meter hoher Schornstein errichtet. Bis 1916 wurden auch Schrauben produziert. Während des Ersten Weltkrieges dominierte vor allem die Granatendreherei. Das Werk beschäftigte bis zu 135 Mitarbeiter. Zum 30. September 1926 wurde die Fabrik von den Sächsischen Gußstahlwerken Döhlen AG aus Dresden gekauft, die bis dahin einer der Lieferanten waren. Am 30. Dezember schlossen die neuen Eigentümer den Betrieb. Das Gelände wurde von der Stadt Magdeburg erworben und bis auf die Villa und ein westlich gelegenes Arbeiterhaus abgerissen. Später entstand auf diesem Areal ein Teil der Siedlung Westerhüsen.
Drageefabrik
Am 12. April 1904 wurde die Produktion einer seit 1902 in Magdeburg-Wilhelmstadt ansässigen Drageefabrik nach Westerhüsen verlegt. Inhaber waren Max Oelze und Robert Hohmann. Im Süden Westerhüsens entstand an der späteren Adresse Alt Westerhüsen 50 ein drei Stockwerke umfassendes Fabrikgebäude. Oelze schied 1906 aus dem Unternehmen aus. Mit einer Erweiterung im Jahr 1908 wurde die Kapazität von 5 auf 60 Kessel erhöht. Jährlich wurden von bis zu 120 Mitarbeitern 18.000 Zentner Zucker verarbeitet. 1911/12 liess Hohmann in der Nähe des Werks die noch heute erhaltene Hohmannsche Villa errichten. Zum 1. Juli 1929 veräußerte Hohmann die Fabrik an die Firma Wittmeyer & Wesche, die die Drageefabrik schließlich am 1. Juli 1934 stilllegte. Auf dem Gelände war später die Brennerei und chemische Werke Tornesch GmbH ansässig. Das ab 1946 als Phawema firmierende Unternehmen gehörte dann ab 1948 als Betriebsteil zu Fahlberg-List. Das Chemiewerk brachte hier die pharmazeutische Abteilung des Werks unter.
Heute sind keine Industriebetriebe mehr in Westerhüsen ansässig.
Entwicklung vom Dorf zum Stadtteil
Der steigende Bedarf an Arbeitskräften führte zum Ende des 19. Jahrhunderts zu einem intensiven Wohnungsbau, zunächst entlang der Durchgangsstraße mit mehrstöckigen Mietshäusern. Viele der historischen Bauernhäuser verschwanden zugunsten zwei- oder dreistöckiger Mietshäuser. 1910 hatten nur noch 13 Häuser das zuvor typische Strohdach. Das letzte Strohdach auf dem Gebäude Kieler Straße 9 verschwand dann um 1920. Das Siedlungsgebiet dehnte sich weiter nach Westen auch auf den Bereich zwischen der Hauptstraße und der Bahnstrecke und letztlich auch westlich der Bahntrasse aus. Als erste Gebäude in der Schleswiger Straße entstanden 1859 und 1863 die Häuser Nummer 2 und 20. In der Eckernförder Straße begann die Bebauung 1859 mit der Nummer 1. Mit der Husumer Straße 1 wurde 1864 das erste Gebäude im Bereich der Bahnstraße gebaut. Älteste Gebäude westlich der Bahnstrecke sind die bereits 1883 entstandenen Häuser Sohlener Straße 4 und 138. Für die Holsteiner Straße sind die 1892 errichteten sogenannten Schiffbauer-Häuser an der Adresse Holsteiner Straße 40/41 erwähnenswert. Im Jahre 1885 hatte der Ort 2293 Einwohner. Diese Zahl erhöhte sich binnen 15 Jahren auf 3823.
1874 errichtete die Gemeinde mit dem Gemeindehaus Westerhüsen ein neues Gemeindehaus, welches mit seinem markanten Uhrenturm noch heute das Ortsbild prägt. Als Brandunglück ist in dieser Zeit der Brand der Pfarrscheune am 22. April 1887 überliefert. Im Sommer 1904 sank der Elbpegel so stark, dass die in der Elbe vor Westerhüsen befindlichen Hungersteine bei Westerhüsen an die Oberfläche traten.
Als 1910 mehrere Vororte Magdeburgs eingemeindet wurden, gehörte auch Westerhüsen dazu. Im Zuge der Eingemeindung wurden viele Straßen umbenannt, um Doppelbenennungen im Stadtgebiet zu vermeiden. Die durch Westerhüsen als Hauptstraße führende Schönebecker Straße wurde so zur Straße Alt Westerhüsen, hier änderte sich auch die Nummerierung. Aus der Bergstraße wurde die Hubertusstraße, die Bismarkstraße zur Erfurter Straße, die Fährstraße zur Kieler Straße, die Friedrichstraße zur Merseburger Straße und die Hoheuferstraße zur Thüringer Straße. Die Carlsstraße wurde in Kanzlerstraße und später in Husumer Straße umbenannt. Auch die Feldstraße erhielt mit Holsteiner Straße eine neue Bezeichnung. Weitere bei der Eingemeindung erfolgte Umbenennungen betrafen die Augustastraße, jetzt Stolberger Straße; Kirchstraße, jetzt Eisenacher Straße; die Kirchhofstraße, später Ottostraße, jetzt Flensburger Straße; die Moltkestraße, später Hellmuthstraße, jetzt Eckernförder Straße; die Neuestraße, jetzt Schleswiger Straße; die Pfarrstraße, jetzt Elmer Straße; die Schulstraße, jetzt Zackmünder Straße und die Wilhelmstraße, jetzt Hilligerstraße.
1912 wurden auf dem Hof des Gasthofs „Zum Anker“, Alt Westerhüsen 15, die Lichtspiele Südost eröffnet, die bis in die Zeit der DDR hinein als Kino in Nutzung waren. Im Jahr 1913 wurde südwestlich der Ortslage mit der Anlage der kleinen Siedlung Willishof begonnen. Das einzeln stehende Gehöft Sohlener Straße 80 entstand 1914. 1917 veräußerte die Familie Schmidt ihren in Westerhüsen ansässigen Landwirtschaftsbetrieb mit 1820 Morgen eigenem und 2884 Morgen gepachtetem Acker an die Schönebecker Firma Allendorf. Die Bewirtschaftung der Ackerflächen erfolgte seit dann zu einem erheblichen Teil von Sohlen aus, so dass die Landwirtschaft im örtlichen Leben eine erheblich kleinere Rolle spielte. Auch der Park der Familie Schmidt an der Adresse Alt Westerhüsen 173 zwischen der Hauptstraße und der Elbe verschwand und machte zunächst der industriellen Nutzung, zunächst durch die Metallhütte Platz.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Westerhüsen zum Standort städtebaulich interessanter Wohnsiedlungen.

Westlich der Bahnlinie entstand zwischen 1923 und 1925 inmitten der Feldflur die Siedlung Arnold-Knoblauch-Straße. Es wurden zweigeschossige Doppelhäuser errichtet, die kostengünstig unter Verwendung eines Kiesbeton-Schüttverfahrens hergestellt wurden, das der Merseburger Stadtbaurat Friedrich Zollinger entwickelt hatte. Die Häuser wurden einheitlich mit tonnengewölbten Dächern (Zollingerdach), die ebenfalls Zollinger entworfen hatte, versehen. Westlich des Bahnhofs entstand ab 1926 die Siedlung Welsleber Straße, in der zunächst auch die Zollingerhäuser mit ihren Tonnendächern gebaut wurden. Daneben entstanden Mehrfamilien- und Reihenhäuser im konservativen Stil mit Satteldach. Später wurden zweigeschossige flachgedeckte Häuserzeilen gebaut, deren Fassaden im Stil des Neuen Bauens gestaltet und durch vorspringende Klinkerbänder in einzelne Hausabschnitte unterteilt wurden. Hier wurden erstmals Stahlbetonbalken und ein Montagekran eingesetzt.
Westlich der Ortslage, am Grundstück Sohlener Straße 99, entstand 1925 die Gartenkolonie Naturheilverein. Deutlich später im Jahr 1934 erfolgte dann ganz in der Nähe noch die Gründung der Siedlung An den Wellenbergen.
Es gab Pläne den Ausbau noch deutlich stärker voranzutreiben. Vor dem Hintergrund von Erwartungen, dass sich die Einwohnerzahl Magdeburgs faktisch verdoppelt, war im Gebiet um Westerhüsen eine Stadterweiterung, bis hin zur Eingemeindung des deutlich weiter südlich gelegenen Schönebecks, angedacht. Ein Relikt aus dieser Zeit ist der Volkspark Westerhüsen der als neuer großer städtischer Südfriedhof für die Erweiterungsgebiete geplant war, jedoch zum Park gestaltet wurde, als die Planungen nicht eintrafen. Am 6. September 1926 wurde die Straßenbahnlinie Magdeburg - Schönebeck, die auch durch Westerhüsen führte, eingeweiht. Mit dem Bau des Mittellandkanals und der Autobahn im Norden Magdeburgs verschoben sich die Schwerpunkte der industriellen und städtebaulichen Entwicklung der Stadt dorthin. Mit Fahlberg-List blieb der Bereich zwischen Westerhüsen und Salbke zwar ein wichtiger Industriestandort, der zum Teil weiterhin ländliche Charakter Westerhüsens blieb jedoch erhalten.
Am 2. September 1923 feierte man die 1100 Jahrfeier des Orts. Da die Ersterwähnung sich erst auf einen Zeitraum ab 826 bezog, war diese Feier eigentlich zumindest drei Jahre zu früh. Vermutlich bezog man sich auf bereits ab 823 an das Kloster Corvey erfolgte Schenkungen,[12] für die jedoch Westerhüsen nicht belegt ist. Im Jahr 1925 entstand in der Elbe vor Westerhüsen, in der Nähe der Kirche, eine Flussbadeanstalt.
Nationalsozialismus und 2. Weltkrieg
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde 1943 nördlich des Friedhofs das Zwangsarbeiterlager Diana errichtet, dessen Bewohner vor allem im Chemiewerk Fahlberg-List arbeiten mussten. Aufgrund der schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen starben viele der Bewohner. 766 Menschen wurden auf dem damaligen Ausländerfriedhof, der heutigen Gedenkstätte Feld der Vereinten Nationen beigesetzt.
Trotz der Nähe zu großen Industriebetrieben wie dem Fahlberg-List-Werk im benachbarten Salbke, erlitt Westerhüsen während der Bombenangriffe auf Magdeburg im 2. Weltkrieg in den Jahren 1944 und 1945 kaum Schäden. Allerdings wurde das Schiff der Stephanuskirche am 14. Februar 1945 von einer Bombe getroffen und zerstört. Am 12. April 1945 rückten amerikanische Einheiten aus westlicher Richtung von Beneckenbeck über Wolfsfelde kommend zunächst bis Salbke vor und erreichten so das Westufer der Elbe. Dies kam für die Bevölkerung verhältnismäßig überraschend, da der Vormarsch der amerikanischen Truppen sehr schnell erfolgt war. Der Wehrmachtsbericht am Abend des 11. April berichtete noch vom Vormarsch amerikanischer Truppen im Bereich nördlich und südlich von Hannover,[13] also deutlich mehr als 100 Kilometer westlich von Westerhüsen. Tatsächlich hatten die US-Truppen im Laufe des 11. April ungefähr 90 Kilometer überwunden und hatten Schönebeck sowie die westlichen Vororte Magdeburgs erreicht. Alltägliche Dinge wie die Zeitungszustellung sollen bis unmittelbar vor dem Einrücken noch normal erfolgt sein. Die US-Truppen besetzten ohne größeren Widerstand das Westufer der Elbe und somit auch Westerhüsen. Darüber hinaus rückten sie auch in die Dörfer Sülldorf, Dodendorf, Osterweddingen und Sohlen ein und stellten Kontakt zu den in Schönebeck noch in Kämpfe verstrickten US-Truppen her. Die amerikanischen Truppen entschieden sich dafür bei Westerhüsen in der Nähe der Fähre Westerhüsen schnell über die Elbe zu setzen und am Ostufer einen Brückenkopf zu bilden. Aufgrund logistischer Probleme verzögerte sich die Operation. Statt um 18.30 Uhr setzte man erst um 21.30 Uhr mit Sturmbooten über. In Westerhüsen sicherten Panzer und Panzerjäger den Übergang. Man traf zunächst auf keinerlei Widerstand. Die übergesetzten Truppen bildeten auf der Prinzenwiese einen halbkreisförmigen Brückenkopf von etwa einem Kilometer Länge. Amerikanische Pioniereinheiten begannen in der Nacht eine Pontonbrücke zu bauen. Die entsprechenden Bauteile waren im Bereich von Ottersleben vorgefertigt worden. Am frühen Morgen des 13. April setzte vereinzeltes deutsches Artilleriefeuer auf die Brückenbaustelle ein.[14] Während die amerikanischen Truppen den Brückenkopf ausdehnten und durch die Kreuzhorst auf Pechau vorrückten und Randau kampflos einnahmen, gingen die Brückenbauarbeiten weiter. Acht Meter vor erreichen des Ostufers traf schwerer Artilleriebschuss die Brücke, das östliche Ende wurde in kürzester Zeit zerstört. Der Beschuss ging dann gezielt gegen weitere US-Einrichtungen auf dem Westufer vor. Offensichtlich wurde der Artillerieangriff von einer Leitstelle mit völligem Einblick auf den Übersetzpunkt gelenkt, ohne dass es der alliierten Seite möglich war, den Beobachtungsposten ausfindig zu machen. Aufgrund schlechter Witterungsbedingungen gelang es auch nicht den Standort der Artillerie zu ermitteln. In kurzer Zeit wurden beide Bugsierboote, die am Westufer zum Bau bereit liegenden Brückenteile sowie ein aufgestelltes US-amerikanisches Flakgeschütz zerstört. Mehrere Soldaten verloren dabei ihr Leben. Von alliierter Seite wurde der Versuch des Brückenschlags abgebrochen und unter anhaltendem Beschuss die verbliebene Pionierausrüstung evakuiert. Die, durch aus Gommern heranrückende deutsche Truppen, in Bedrängnis geratenen US-Truppen im Brückenkopf verlegten den Brückenkopf daraufhin weiter nach Süden in Richtung Schönebeck. Deutsche Truppen besetzten daraufhin das Westerhüsen gegenüber gelegene Elbufer. Der US-Brückenkopf musste nach Kämpfen im Bereich Elbenau und Grünewalde letztlich von den US-Truppen wieder geräumt werden.[15] Erst mit dem späteren Einrücken sowjetischer Truppen in die Magdeburger Stadtteile östlich der Elbe, hörten auch dort die Kriegshandlungen auf.
Noch am 17. April 1945[16] erlitt Westerhüsen, obwohl bereits unter alliierter Kontrolle, bei einem britisch-amerikanischen Luftangriff erhebliche Schäden und Opfer unter der Bevölkerung. Mehrere Häuser wurden zerstört oder beschädigt. Darunter das 1767 in Fachwerkbauweise errichtete Neubauernhaus des Joh. Michael Jüling, Alt Westerhüsen 27.

Westerhüsen in der DDR
Ab 1951 entstand am südlichen Ende Westerhüsens der Komplex der Chemieschule. War zunächst nur die Betriebsberufsschule des VEB Fahlberg-List untergebracht, wurde das Gelände bald auch Sitz der Ingenieurschule für Chemie „Justus von Liebig“, die über vier Jahrzehnte hinweg einen wesentlichen Teil der mittleren Führungsebene der DDR-Chemieindustrie hervorbrachte. Am 21. Dezember 1952 wurde im Gemeindehaus Westerhüsen eine Kindertagesstätte eröffnete, die dann später in die Zackmünder Straße verlegt wurde.
1953 verloren auch die in Westerhüsen ansässigen 15 Landwirte ihre Selbständigkeit und wurden in die LPG „Freie Erde“ überführt. Diese errichtete von 1954 bis 1960 in der Welsleber Straße einen neuen Betriebshof. Von hier aus wurden mit 160 LPG-Mitgliedern 950 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche bearbeitet. Die Flächen erstreckten sich nach dem 1969 erfolgten Beitritt der LPG Fermersleben/Salbke mit 35 Hektar und der LPG Beyendorf mit 85 Hektar auch auf die Gemarkungen dieser angrenzenden Stadtteile und Dörfer. Es wurden auch ostelbisch gelegene Wiesen und Weiden bewirtschaftet. Südlich der Ortslage Westerhüsen betrieb die LPG eine Gärtnerei und baute Gemüse im Treibhaus an. In der Sohlener Straße 2, dem ehemaligen Richterschen Hof, bestand ein Stützpunkt des VdgB, einer bäuerlichen Handelsgenossenschaft.
Zu dieser Zeit entstanden in der Welsleber Straße auch einige neue mehrgeschossige Wohnblocks. 1964 wurde der Stephanikirchturm saniert und mit einer neuen achtkantigen Haube in Zwiebelform versehen. Ab Februar 1966 bauten die Magdeburger Verkehrsbetriebe südlich der Ortslage ein neues Straßenbahndepot. Am 19. Juli 1969 wurde der Straßenbahnverkehr nach Schönebeck eingestellt und Westerhüsen Endstation der Straßenbahn.
Entwicklung nach der politischen Wende von 1989
Nach der politischen Wende von 1989 zog sich die Landwirtschaft ganz aus Westerhüsen zurück. Auf dem ehemaligen Betriebshof an der Welsleber Straße wurde ein neues Wohngebiet für Einfamilienhäuser, die Oberhofer und die Suhler Straße. Nordöstlich des Volksparks wurde im Bereich der Atzendorfer Straße ebenfalls ein neues Wohngebiet gebaut. Überwiegend entstanden hier Einfamilienhäuser, jedoch auch einige mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser.
Für 40 Millionen Euro wurde die ehemalige Chemie-Ingenieurschule im Süden das Stadtteils in ein modernes Schulzentrum, der Berufsbildende Schulen IV „Dr. Otto Schlein“ umgebaut. Das Straßenbahndepot wurde von 1996 bis 2001 komplett neu als Straßenbahnbetriebshof Südost errichtet. Im Jahr 2000 gründete sich der Bürgerverein Salbke, Westerhüsen, Fermersleben e.V. der seit dem für und in Westerhüsen aktiv ist. Seit 2005 ist an der Adresse Alt Westerhüsen 31 dieHO-Galerie ansässig, die zu einem wichtigen Dreh- und Angelpunkt der Kunst- und Kulturszene der Region Magdeburg wurde.[17] Seit dem Frühjahr 2009 besteht ein Streit über die Anbringung von Ortsteiltafeln Westerhüsen an den Ortseingängen. Westerhüsener hatten die Stadt Magdeburg um die Anbringung solcher die normale Ortseingangsbeschilderung ergänzenden Tafeln gebeten und die Übernahme der Kosten angeboten. Nach Ablehnung durch die Stadt wurde eine Tafel ohne städtische Zustimmung am Ortseingang Sohlener Straße befestigt. Nach etwa neun Monaten wurde dieses Ortseingangsschild von der Stadt Magdeburg wieder entfernt.
Im Jahr 2010 wurde das Gebäude des ehemaligen Gasthofs Goldenes Schiff Alt Westerhüsen 157, welcher auf den alten Gemeindekrug zurückging, abgerissen. Das gleiche Schicksal traf den zumindest seit 1902 das Elbufer des Ortes prägenden Schuppen in der Eisenacher Straße 2, der seit 1926 als Bootsschuppen des Segelklubs genutzt wurde. Zuvor gehörte der Schuppen zur Gerloffschen Kohlenhandlung.
Am Abend des 14. August 2010 fand mit mehreren hundert Gästen die Veranstaltung Kultur auf den Höfen statt. Die Veranstaltung nahm Volksfest Charakter an und war das größte Fest in Westerhüsen seit der Eingemeindung. Eine jährliche Fortsetzung der Veranstaltung ist angedacht.
Bauwerke
Bemerkenswert ist der von der Sankt-Stephanus-Kirche erhalten gebliebene Kirchturm. Direkt an der Hauptstraße befindet sich das mit einem kleinen Uhrenturm versehene aus dem 19. Jahrhundert stammende Gemeindehaus Westerhüsen. Ebenfalls an der Straße Alt Westerhüsen befindet sich mit der Hausnummer 132 die Hohmannsche Villa, eine zweigeschossige 1911 errichtete Jugendstilvilla. Der Weibezahlsche Hof (Alt Westerhüsen Nummer 153) vom Anfang des 17. Jahrhunderts trägt zur Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg eine Kanonenkugel in der Fassade. Gleichfalls unter Denkmalschutz stehen das Cafe Kies in der Holsteiner Straße, die ab 1885 entstande Grundschule Westerhüsen, der Gasthof „Zum Anker“, der Gasthof Westerhüsen, der Bischoffsche Hof und die Gerloffsche Villa in der Nähe der Elbe und der Bahnhof Magdeburg Südost. Auch der südliche Teil des Komplexes der Gaststätte „Zur Fähre“ ist denkmalgeschützt.
An der Südseite der Sohlener Straße, kurz vor dem Ortseingang Sohlen befindet sich ein Grenzstein mit dem Wappen der Stadt Magdeburg und der Aufschrift Grenze der Stadt Magdeburg. Zwischen 1910 und 2001 verlief dort die Stadtgrenze. Seit der Eingemeindung von Beyendorf-Sohlen markiert der Stein nur noch die Grenze zwischen den Stadtteilen Westerhüsen und Beyendorf-Sohlen.
Die Fähre Westerhüsen ist die einzige Gierfähre Magdeburgs und ermöglicht vor allem Fußgängern und Radfahrern ein Übersetzen über die Elbe.
Personen
In Westerhüsen geboren wurde 1886 der spätere Schönebecker Heimatforscher und Kommunalpolitiker Wilhelm Schulze (1886 - 1971).
Paul Schmidt, Unternehmer und Reichstagsabgeordneter lebte zeitweise in Westerhüsen und gehörte ab 1889 der Gemeindevertretung an.

Max Brauer, später Oberbürgermeister von Altona und dann Bürgermeister Hamburgs, schloss um 1900 seine Lehrausbildung als Glasbläser in Westerhüsen ab. Der spätere Präsident des Deutschen Handballverbandes der DDR Hermann Milius besuchte von 1909 bis 1917 in Westerhüsen die Volksschule und wohnte auch später noch im Stadtteil. Die spätere DDR-Sportlerin Karin Balzer und der Anatom und Neurobiologe Helmke Schierhorn besuchten in den 1950er Jahren die Betriebsberufsschule "Heinz Kapelle" von Fahlberg-List in Westerhüsen. Langjähriger Direktor der Chemie-Ingenieurschule war der damals auch in Westerhüsen lebende Rudolf Zernick. Der Chemiker und DDR-Nationalpreisträger Ernst Schmitz (1882-1960) lebte Anfang der 1950er Jahre ebenfalls in Westerhüsen.
Literatur
- Friedrich Großhennig: Ortschronik von Westerhüsen im Stadtbezirk Magdeburg-SO. Manuskript im Stadtarchiv Magdeburg, Signatur 80/1035n.
- Magdeburg und seine Umgebung. Akademie-Verlag, Berlin 1973.
- Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Sachsen-Anhalt I, Regierungsbezirk Magdeburg. Deutscher Kunstverlag, 2002, ISBN 3-422-03069-7.
- Magdeburg - Architektur und Städtebau. Verlag Janos Stekovics, 2001, ISBN 3-929330-33-4.
- Magdeburg-Westerhüsen. Evangelische Gemeindeblätter 1924 bis 1942, Stadtarchiv Magdeburg, Signatur 80/8166n.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Freiwillige Feuerwehr Magdeburg-Südost
- ↑ a b Herausgeber: Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Geographisches Institut, Arbeitsgruppe Heimatforschung, Band 19, Magdeburg und seine Umgebung, Akademie-Verlag Berlin 1972, S. 117.
- ↑ Friedrich Großhennig: Ortschronik von Westerhüsen. S. 5.
- ↑ Friedrich Großhennig: Ortschronik von Westerhüsen. S. 90.
- ↑ a b c Allerlei aus elf Jahrhunderten. In: Evangelisches Gemeindeblatt Magdeburg-Westerhüsen. vermutlich 1942
- ↑ a b Marta Doehler, Iris Reuther: Siedlungsentwicklung in Westerhüsen Magdeburg Südost. Landeshauptstadt Magdeburg 1995, S. 19.
- ↑ Friedrich Großhennig: Ortschronik von Westerhüsen. S. 9.
- ↑ Westerhüsen im dreißigjährigen Kriege. In: Evangelisches Gemeindeblatt. November 1939, Nr. 11
- ↑ Friedrich Großhennig: Ortschronik Westerhüsen. I. Teil, S. 58.
- ↑ a b Ein bäuerliches Wirtschaftsbuch aus Westerhüsen. In: Evangelisches Gemeindeblatt Magdeburg-Westerhüsen. zwischen 1924 und 1942
- ↑ Die Westerhüser Fabriken. In: Evangelisches Gemeindeblatt Magdeburg-Westerhüsen. zwischen 1924 und 1942.
- ↑ Großhennig: Ortschronik Westerhüsen. S. 8.
- ↑ Peter Wittig: Elbe-Operation. Beyer Verlag Sachsen für Kultur und Geschichte, Dresden 2009, ISBN 978-3-9809520-0-2, S. 20.
- ↑ Peter Wittig: Elbe-Operation. Beyer Verlag Sachsen für Kultur und Geschichte, Dresden 2009, ISBN 978-3-9809520-0-2, S. 27 ff.
- ↑ Peter Wittig: Elbe-Operation. Beyer Verlag Sachsen für Kultur und Geschichte, Dresden 2009, ISBN 978-3-9809520-0-2, S. 60 ff.
- ↑ Friedrich Großhennig: Ortschronik Westerhüsen. S. 63.
- ↑ Sonja Renner: Die HünstlerOrganisation feiert fünften Geburtstag. In: dieHO. Januar 2010.
Koordinaten: 52° 4′ N, 11° 40′ O