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Roma in Rumänien

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Roma in Rumänien (oder Zigeuner in Rumänien, heute wird jedoch diese Bezeichnung von den Roma-Organisationen generell als abwertend empfunden) stellen, nach den Ungarn, die zweitgrößte ethnische Minderheit in Rumänien.

Demographie

Der Anteil der Roma in den Verwaltungseinheiten Rumäniens, so wie sie bei der letzten Volkszählung (2002) aufgenommen wurden.

Die Zahl der in Rumänien lebenden Roma ist schwer zu ermitteln. Bei der letzten Volkszählung (2002) bekannten sich 535.140 Personen (2,46% der Gesamtbevölkerung) zur Ethnie der Roma. Es wird aber angenommen, dass viele Roma bei der Volkszählung gar nicht aufgenommen wurden und dass deren Zahl eigentlich deutlich höher sein könnte. Der Grund dafür ist, dass viele Roma keine Ausweispapiere besitzen und somit bei der Volkszählung nicht erfasst werden konnten. Als weiterer Grund gilt, dass viele Roma durch das Preisgeben ihrer Ethnie Benachteiligungen und Diskriminiereungen befürchten könnten, sowie die Tatsache, dass sich viele Roma in einem Assimilierungsprozess befinden und sich häufig mit der umgebenden Bevölkerung identifizieren (als Rumänen, in Siebenbürgen auch als Ungarn, in der Dobrudscha auch als Türken).

Laut einer Studie des rumänischen Institus für Erforschung der Lebensqualiät von 1998 leben in Rumänien 1.452.700 bis 1.588.552 fremdidentifizierte Roma; darunter sind aber nur 922.465 bis 1.002.381 selbstidentifizierte Roma.[1] Daraus geht hervor dass ungefähr jeder dritte Rom sich nicht als Angehöriger dieser Ethnie betrachtet.

Es gibt auch weitere Schätzungen, wonach die Zahl der Roma zwischen 760.000[2] und 2.500.000.[3] schwankt. Die Relevanz dieser Zahlen ist gering, da sie nicht die Ergebnisse wissenschaftlicher demographischer Studien sind, sondern lediglich persönliche Einschätzungen diverser Autoren, die keinerlei Begründung für solche Zahlen liefern.

In den letzten Jahren (besondern seit der EU-Aufnahme im Januar 2007) setzte eine massive Auswanderungswelle rumänischer Roma nach Westeuropa ein. Florin Cioabă, ein wichtiger Führer der Roma, sagte in einem Interview, dass die Fortführung dieses Trends den Verlust der Roma-Minderheit für Rumänien bedeuten könnte.[4]

Soziale Lage

Roma waren in den Vorläufergebieten des heutigen Rumäniens, der Walachei und der Moldau, über Jahrhunderte Sklaven der Adeligen und der Kirche und verloren zum Teil ihre Sprache und Kultur. Im Zweiten Weltkrieg wurden sie unter der Herrschaft von Ion Antonescu in großer Zahl verfolgt und getötet.

Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes und dem Ende der kommunistischen Vollbeschäftigung gehörten Roma zu denjenigen, die als erstes ohne Erwerbsmöglichkeit blieben.[5] Viele Roma in Rumänien leben in Armut, sind aber zu einem großen Teil sesshaft. In Rumänien gibt es, ähnlich wie in der Slowakei, Roma-Siedlungen ohne fließendes Wasser und ohne Strom.[6] Viele der Roma-Kinder sind arm, ein Teil Straßenkinder.

Einige Roma haben sich hingegen Wohlstand oder Reichtum erworben, beispielsweise indem sie, aufbauend auf Erfahrung in der Metallverarbeitung, Eisen und Stahl aus stillgelegten Produktionsstätten für Recycling aufarbeiten und zum Teil exportierten.[7] Sehr wohlhabenden Roma in Rumänien wird eine palastähnliche, von zahlreichen kleinen, oft pagodenförmigen Türmen geprägte Architektur zugesprochen, wie sie vor allem im Dorf Buzescu seit mehreren Jahrzehnten besteht.[8]

In Rumänien, wie auch in einigen anderen Staaten wie Spanien, Ungarn und Finnland, durften Roma über längere Zeit ihre eigene Sprache nicht in der Öffentlichkeit sprechen.[9] Von 1990 bis Mitte der 1990er Jahre kam es gehäuft zu Überfällen und Pogromen gegen Roma-Gruppen; zum Teil war von einer Duldung der Gewalt oder von einer Beteiligung durch Obrigkeiten (Bürgermeister und Polizisten) die Rede.[10] Explizite Diskriminierung von Roma bei Stellen- oder Mietanzeigen und die Verweigerung des Zutritts zu Gaststätten oder Diskotheken, wie sie zuvor vorkamen, stehen inzwischen unter Strafe.[11][10]

Von 1992/1993 an wurden Sonder-Studienplätze für Roma an der Universität Bukarest eingerichtet, zunächst auf die Fakultät für Sozialarbeit begrenzt. Ab 1998 wurden im Rahmen von affirmativer Maßnahmen eine größere Zahl von Studienplätzen an acht Universitäten Rumäniens für Roma-Studenten reserviert.[12]

In den Schulen Rumäniens, wie in denen weiterer Staaten, herrscht bezüglich der Roma eine de facto Segregation vor, in dem Sinne, dass Roma-Kinder ausgegrenzt und benachteiligt sind, obwohl ihnen per Gesetz unterschiedslos die gleiche Schulbildung zustünde wie anderen Kindern.[13]

Nach der EU-Erweiterung 2007 sind zahlreiche Roma in andere EU-Staaten ausgereist.

Einige bekannte rumänische Roma

  • Musiker
  • Politiker
  • Sportler

Weiterführende Literatur

zur Geschichte der Roma in Rumänien:

  • Franz Remmel: Die Roma Rumäniens. Volk ohne Hinterland, Wien, 1993

Film

  • The Curse of the Hedgehog (Kamera: Dumitru Budrală), Dokumentarfilm über ein Jahr einer in äußerster Armut nomadisch lebenden Roma-Familie in den Südkarpaten

Siehe auch

Commons: Roma in Rumänien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • zag-berlin.de, ZAG – antirassistische zeitschrift, Albert Zecheru: Roma in Rumänien – Ein Gespräch mit dem Schriftsteller Richard Wagner

Einzelnachweise

  1. http://www.edrc.ro/docs/docs/Romii_din_Romania.pdf
  2. Alexandre Zouev, Peter Ustinov. Generation in jeopardy: children in Central and Eastern Europe and the former Soviet Union. Published by UNICEF.
  3. UNDP report At Risk (2006) and Roma Education Fund report (April 2007)
  4. http://www.gandul.info/news/regele-cioaba-plange-guvern-ramane-supusi-908389
  5. Judith Okely: Kontinuität und Wandel in den Lebensverhältnissen und der Kultur der Roma, Sinti und Kalé. In: Reetta Toivanen, Michi Knecht: Europäische Roma - Roma in Europa, Berliner Blätter, Ehtnografische und ethnologische Beiträge, Heft 39/2006, LIT Verlag, ISBN 3-8258-9353-7, Seiten 25–42, S. 30
  6. EU-Studie: Tschechische Roma fühlen sich im Vergleich am häufigsten diskriminiert, 10. Dezember 2009, Roma in der Tschechischen Republik
  7. Judith Okely: Kontinuität und Wandel in den Lebensverhältnissen und der Kultur der Roma, Sinti und Kalé. In: Reetta Toivanen, Michi Knecht: Europäische Roma - Roma in Europa, Berliner Blätter, Ehtnografische und ethnologische Beiträge, Heft 39/2006, LIT Verlag, ISBN 3-8258-9353-7, Seiten 25–42, S. 31
  8. Keno Verseck: Rumänien, Beck, 3. Auflage 2007, ISBN 978-3-406-55835-1, S. 25
  9. Miranda Vuolasranta: Roma und Sinti – Europäische Identitäten. In: Reetta Toivanen, Michi Knecht: Europäische Roma - Roma in Europa, Berliner Blätter, Ehtnografische und ethnologische Beiträge, Heft 39/2006, LIT Verlag, ISBN 3-8258-9353-7, Seiten 20–24, S. 20
  10. a b Keno Verseck: Rumänien, Beck, 3. Auflage 2007, ISBN 978-3-406-55835-1, S. 127
  11. Costel Bercus: Die Situation der Roma in Rumänien. In: Max Matter (Hrsg.): Die Situation der Roma und Sinti nach der EU-Osterweiterung, Reihe Beiträge der Akademie für Migration und Integration H9, Göttingen, 2005, Seiten 29–46, S. 31
  12. Costel Bercus: Die Situation der Roma in Rumänien. In: Max Matter (Hrsg.): Die Situation der Roma und Sinti nach der EU-Osterweiterung, Reihe Beiträge der Akademie für Migration und Integration H9, Göttingen, 2005, Seiten 29–46, S. 38
  13. Costel Bercus: Die Situation der Roma in Rumänien. In: Max Matter (Hrsg.): Die Situation der Roma und Sinti nach der EU-Osterweiterung, Reihe Beiträge der Akademie für Migration und Integration H9, Göttingen, 2005, Seiten 29–46, S. 40 ff.