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Neue Wache

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Eingangsportal der Neuen Wache

Die Neue Wache ist das Gebäude der ehemaligen Haupt- und Königswache neben dem Berliner Stadtschloss und dient heute als Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft in Berlin. Das Gebäude steht im Berliner Ortsteil Mitte an der Straße Unter den Linden.

Geschichte

Unter dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. wurde die Neue Wache zwischen 1816 und 1818 als Wachhaus für die Wache des Königs und Gedenkstätte für die Gefallenen der napoleonischen Kriege errichtet. Der erste Wachaufzug mit klingendem Spiel vor der Neuen Wache erfolgte am 18. September 1818 anlässlich des Besuchs von Zar Alexander von Russland durch das Alexander-Regiment. Die Neue Wache diente bis zum Jahr 1918, dem Ende der Monarchie, als „Haupt- und Königswache“. Im Jahr 1931 gestaltete Heinrich Tessenow das Gebäude zu einem Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges um.

Nach der fast völligen Zerstörung während des Zweiten Weltkrieges wurde das Gebäude 1960 nach dreijährigen Wiederaufbauarbeiten unter Heinz Mehlan als Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus neu eingeweiht. Bis zur Wiedervereinigung im Jahr 1990 standen tagsüber zwei Soldaten des Wachregiments Friedrich Engels als Ehrenwache vor der Neuen Wache. Jeden Mittwoch und Samstag um 14:30 Uhr zog eine Ehrenformation des Wachregiments zum „Großen Wachaufzug“ auf.

Seit dem Volkstrauertag 1993 dient die Neue Wache als Zentrale Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. Am Volkstrauertag wird vom Wachbataillon eine Ehrenwache für das Gebäude gestellt.

Architektur und Einrichtung

Das Giebelrelief der Neuen Wache
Architektur-Details an der Neuen Wache

Der Entwurf der Neuen Wache, eines der Hauptwerke des deutschen Klassizismus, stammt von Karl Friedrich Schinkel. Schinkel gelang es, dem Gebäude trotz seines relativ kleinen Baukörpers mittels klarer Formen, wuchtiger Eckrisalite und durch einen streng dorischen Säulenportikus eine Monumentalität zu verleihen, dank der es der Wucht in der Nähe liegender Gebäudekomplexe wie der Universität oder des Zeughauses standzuhalten vermag. Auf dem Giebelfeld des Portikus ist die schlachtlenkende Siegesgöttin zu sehen. Das Giebelfries ist als mehrteiliger Zinkguss gefertigt. Um wie Sandstein zu wirken, ist das Fries mit einem sandsteinimitierenden Anstrich – einer sogenannten „Sandelung“ – versehen.

Seit 1931 befand sich im Inneren, aus dem Tessenow Innenwände und Zwischendecken entfernt hatte, auf einem zwei Meter hohen Sockel aus schwarzem Granit einen Eichenkranz aus Silber mit Gold- und Platinauflagen des Bildhauers Ludwig Gies. Oft ist auch von einem „Lorbeerkranz“ die Rede, was sich aber wohl nur auf dessen symbolischen Gehalt bezieht. Der Kranz ist heute im benachbarten Deutschen Historischen Museum ausgestellt.

Im Zweiten Weltkrieg wurde die Neue Wache weitgehend zerstört und bis 1960 restauriert. Aus Anlass des 20. Jahrestages der Gründung der DDR 1969 wurde sie nach einem Entwurf von Lothar Kwasnitza umgestaltet. Der Granitblock wurde durch eine ewige Flamme in einem Glasprisma ersetzt. Zeitgleich wurden die sterblichen Überreste eines unbekannten KZ-Häftlings und eines unbekannten Soldaten in der Neuen Wache beigesetzt.

Im rekonstruierten weitläufigen Innenraum des Gebäudes befindet sich seit 1993 auf Anregung des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl die von Harald Haacke auf rund 1,6 Meter Höhe vergrößerte Kopie der Skulptur Mutter mit totem Sohn von Käthe Kollwitz, auch Pietà genannt. Vor der Skulptur ist der Schriftzug „Den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“ in den Boden eingelassen.

Die Ankündigung Kohls, dass die Pietà von Käthe Kollwitz für das Mahnmal gewählt werden solle, löste eine heftige Kontroverse aus. In der Zeit stellte Reinhart Koselleck die Angemessenheit der Kollwitz-Skulptur infrage, weil diese sowohl Juden als auch Frauen, „die beiden größten Gruppen der unschuldig Umgebrachten und Umgekommenen des Zweiten Weltkrieges“, ausschließe: „Ein doppelter Mißgriff mit Folgen, die sich aus einer deshalb auch ästhetisch zweitrangigen Lösung zwingend ergeben. Der Denkfehler gebiert ästhetische Mißgestalten.“[1]

Vor der Neuen Wache

Seitlich versetzt vor der Neuen Wache befanden sich bis 1951 die Marmorstandbilder Gerhard von Scharnhorsts und Friedrich Wilhelm Bülows. Diese wurden von Christian Daniel Rauch geschaffen, neben Schadow einem der bedeutendsten Bildhauer des Klassizismus in Deutschland. Der Entwurf für die Sockel der Standbilder stammt wie die Neue Wache von Karl Friedrich Schinkel.

1951 wurden die Statuen auf Veranlassung von Walter Ulbricht anlässlich der Weltfestspiele entfernt und im Depot des Neuen Museums eingelagert. Weiter von der Straßenfront nach hinten versetzt wurde das Standbild Scharnhorsts 1964 wieder aufgestellt. Der Plan sah vor, die Statuen nach ihrer Restaurierung 1990 am ursprünglichen Platz wieder aufzustellen. Helmut Kohl vereinbarte aber mit den Erben von Käthe Kollwitz, dass die Figuren nicht in der Nähe der „Mutter mit totem Sohn“ zu sehen sein sollten. Daraufhin wurden die Standbilder erneut in einem Depot der Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen in Reinickendorf eingelagert.

2002 wurden beide Standbilder gegenüber der Neuen Wache wieder aufgestellt, wo früher die Standbilder Wartenburgs, Blüchers und Gneisenaus standen, die ihrerseits jetzt zurückgesetzt im Prinzessinnengarten stehen.

Galerie

Alte Wache in Sondershausen

Nachwirkung

Das Bauwerk hat zahlreiche Architekten in jener Zeit zur Nachahmung inspiriert. Zu den besonders gelungenen Kopien zählt die Alte Wache (1837–1839) von Carl Scheppig, einem bedeutenden Schinkelschüler. Sie steht am Marktplatz von Sondershausen.

Literatur

  • Laurenz Demps: Die Neue Wache. Entstehung und Geschichte eines Bauwerks. Berlin 1988.
  • Michael Jeismann (Hrsg.): Mahnmal Mitte. Eine Kontroverse. DuMont, Köln 1999, ISBN 3-7701-4820-7.
  • Henry W. Pickford: Conflict and Commemoration: Two Berlin Memorials. In: Modernism/Modernity, Jg.12, Nr.1, 2005, S.133-173 (vergleicht Intention und Gestaltung der Neuen Wache mit dem Holocaust-Mahnmal im Bayerischen Viertel in Schöneberg).
  • Christoph Stölzl (Hrsg.): Die neue Wache Unter den Linden. Ein deutsches Denkmal im Wandel der Geschichte. Koehler und Amelang, München 1993. ISBN 3-7338-0178-4.
Commons: Neue Wache – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Zitiert nach: Catchen G. L., „Neue Wache (engl.)“, Abgerufen 7. November 2008.

Koordinaten: 52° 31′ 4″ N, 13° 23′ 43″ O