Buchreligion
Unter Buchreligionen versteht man Religionen, die eine Heilige Schrift besitzen und diese in schriftlicher Form festgehalten haben. Verwandte Begriffe sind "Hochreligion", "Universalreligion" und "Schriftreligion".
Islam
Als Buchreligionen werden im Islam die anderen abrahamitischen Religionen bezeichnet. Entgegen diesem Prinzip werden aber auch die Parsen in der Rechtspraxis des Iran zu den Buchreligionen gerechnet.
Nach islamischer Auffassung beruhen die Buchreligionen auf ursprünglichen göttlichen Offenbarungen (heiligen Büchern: Thora, Psalmen, Evangelium u. a.), welche aber von ihren Anhängern im Laufe der Zeit verfälscht worden seien.
Anhänger der Buchreligionen haben nach der Schari'a einen speziellen Status als Schützlinge des Staates. Sie sind zur Zahlung einer Kopfsteuer verpflichtet, im Gegenzug sind sie aber von der Wehrpflicht ausgenommen, haben ein verbrieftes Recht auf freie Religionsausübung und dürfen auf gar keinen Fall zwangsbekehrt werden.
Nach dem Selbstverständnis der im Iran verbotenen und teils blutig verfolgten Baha'i ist auch ihre noch relativ junge Religion als abrahamitische Offenbarungs- und Buchreligion zu betrachten, was jedoch in der vorherrschenden islamischen Rechtspraxis nicht akzeptiert wird.
Forschungsgeschichte
Der Indologe und Religionswissenschaftler Friedrich Max Müller bestimmte am 26. Februar 1870 in einer Vorlesung an der Royal Institution in London acht Religionen als Buchreligionen: drei semitische (Judentum, Christentum, Islam), drei "arische" (Hinduismus, Buddhismus, Zoroastrismus) und zwei chinesische (Konfuzianismus, Daoismus). Für Müller stellten diese acht Religionen "eine Art von Aristokratie gegenüber dem gemeinen Pöbel von buchlosen, unliterarischen Religionen" dar. Als Gegenstück zu den Buchreligionen sah man die "Kultreligionen" an: "primitive Religionen werden mehr getanzt als gedacht" (R.R. Marett). Der Begriff Buchreligion wurde nicht nur beschreibend, sondern vor allem wertend verwendet.
Das Verhältnis der jeweiligen Buchreligionen zu ihren Heiligen Schriften ist sehr unterschiedlich. Schon zwischen Christentum, Judentum und Islam gibt es Unterschiede. Zwar kann die Heilige Schrift in allen drei Religionen als "Offenbarung" Gottes bezeichnet werden. Für Juden aber ist die primäre "Offenbarung" das Handeln und Sprechen Gottes in der Geschichte Israels, für Christen (vorbereitend) in der Geschichte Israels und (endgültig) in Jesus von Nazareth. Die jeweiligen Schriften sind "lediglich" der - noch erhaltene - schriftliche Niederschlag dieses göttlichen Handelns.
Für Christen ist Jesus das "Wort Gottes" in diese Welt hinein, wovon die Schrift nur Zeugnis gibt - und auf diese Weise an seiner Geltung partizipiert. Für den Islam jedoch ist das heilige Buch, der Koran, die Wortgestalt der göttlichen Offenbarung, und Mohammed ist "nur" der Vermittler dieses Wortes, der aber selbst, als Person, keine soteriologische Bedeutung hat. Der Wortlaut der koranischen Sätze gilt als Offenbarung Gottes. So ist lediglich der Islam eine "Schriftreligion" im eigentlichen Sinn, das Christentum gilt als sekundäre Buchreligion.
Noch größer ist der Unterschied zum Hinduismus, wo der Veda (der als göttliche Offenbarung gilt) sehr lange mündlich überliefert wurde und erst Jahrhunderte später schriftlich aufgezeichnet wurde.
Zu der oben erwähnten Aufzählung der Buchreligionen sollten noch der Sikhismus, Baha'i und der Jainismus ergänzt werden.