Zum Inhalt springen

Aufklärung

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. September 2010 um 20:44 Uhr durch Olaf Simons (Diskussion | Beiträge) (Theologie). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Daniel Chodowiecki 1791: Im Moment der Aufklärung, zu dem die Göttin der Erkenntnis, Minerva, das Licht spendet, finden die Religionen der Welt zusammen.

Mit dem Wort Aufklärung wird ein in Europa und Nordamerika bereits im 17. und 18. Jahrhundert diskutierter geistesgeschichtlicher Prozess notiert, dessen zentrale inhaltliche Momente seit den 1780ern mit unterschiedlichen Schwerpunkten als epochale Errungenschaft angesehen wurden. Von einem eigenen Zeitalter der Aufklärung wird seit dem 19. Jahrhundert in allgemeinen historischen Werken, in philosophie- und literaturgeschichtlichen Darstellungen gesprochen. Der Begriff blieb anderen Feldern der Geschichtsschreibung namentlich der Musik und der bildenden Künste weitgehend ungenutzt.

Zentrale Aspekte der unter dem Wort zusammengefassten Prozesses sind: die Berufung auf die Vernunft als universeller Urteilsinstanz, der Kampf gegen Vorurteile insbesondere solche der Religion und des Aberglaubens, die Ausrichtung auf die Wissenschaften, insbesondere Naturwissenschaften. Auf politischen Gebiet: die Forderung religiöser Toleranz, der Pressefreiheit und bürgerlicher Rechten unter Zugrundelegung allgemeiner Menschenrechte sowie die Forderung einer Verpflichtung moderner Staaten gegenüber dem Gemeinwohl.

Ein eigener Zukunfts- und Fortschrittsoptimismus durchdrang den Motivkomplex mitte des 18. Jahrhunderts: die Vorstellung, dass die wesentlichen Probleme des menschlichen Zusammenlebens sich in einer vernunftorientierten Gesellschaft schrittwese lösen würden. Eng verbunden mit den einzelnen zentralen Thesen ist das Vertrauen der Aufklärer auf die kritische Öffentlichkeit als Institution, die den Prozess mit historischer Zwangsläufigkeit voranbringen würde.

Zur Aufklärung gehört schließlich eine eigene Kritik am Projekt. Zentrale Denker der Aufkläung wie Voltaire richteten sie noch Mitte des 18. Jahrhunderts auf den Fortschritsoptimismus der Epoche aus. Diskutiert wird in der modernen Epochenforschung, ob die Empfindsamkeit die fundamentalere kritische Gegenbewegung wurde oder aber als die emotionale Seite des vernunftorientierten Projekts anzusehen ist. Mit den Strömungen der Romantik wurden Grundpositionen der Aufklärung wie ihr „Vernunftglaube“ Gegenstand der breiteren Kritik.

Der Begriff wird unter Verweis auf die europäische Dimension der Debatte immer wieder historisch offen gehandhabt: Man spricht etwa in Ländern des islamischen Kulturraums gegenwärtig von der Notwendigkeit, hier eine eigene Phase der Aufklärung ähnlich zu absolvieren, wie Europa dies im 18. Jahrhundert tat.

Zum Begriff und seiner Verwendung

Begriffsherkunft

Der Begriff Aufklärung (englisch Enlightenment, niederländisch Verlichting, französisch les Lumières) knüpft mit seiner Lichtmetaphorik an die breite Diffamierung des Mittelalters als einer dunklen Epoche seit dem 16. Jahrhundert an. Die Neuzeit setze, so die Propaganda, der Dunkelheit des Mittelalters das Licht der Erkenntnis entgegen. Eine eigene Emblematik entwickelt sich hier mit Rückgriffen auf die antike Philosophie, in der Erkenntnis und Licht einen metaphorischen Zusammenhang bildeten.[1]

Die These einer Epoche der Aufklärung bildet sich erst im 18. Jahrhundert klarer heraus. Die französische Bezeichnung Siècle des Lumières („Jahrhundert der Lichter“) kommt erstmals 1733 bei Jean-Baptiste Dubos vor. Jean-Jacques Rousseau sowie 1751 Jean-Baptiste le Rond d’Alembert[2] greifen sie auf. Die Vertreter dieser neuen Denkweise wurden Les Lumières genannt.

Der im Englischen heute geläufige Terminus Enlightenment wird seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Epochenbegriff verwendet. Man suchte damit ein Äquivalent für die deutsche und französische Epochensetzung.[3] Der moderne Epochenbegriff setzte sich im Englischen im 20. Jahrhundert durch.[4] Das Verb „to enlighten“ und das Partizip „enlightened“ waren dagegen fest im Vokabular des 17. und 18. Jahrhunderts verankert, mit den Bedeutungen „Verständnis schaffen“ und „aufgeklärt“ im Sinne von „über eine Sache erhellend informiert“. Der deutsche Ausdruck Aufklärung wird in den 1770er-Jahren gebräuchlicher. Immanuel Kants berühmte Definition in Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? folgt im Dezember 1784 einer Ausschreibung, mit der die Herausgeber der Berliner Monatsschrift zur Klärung eines Begriffs aufrufen, der nicht mehr im Kreuzfeuer der Kritik steht. Auch hier geht der Epochenbegriff aus einem unauffällige Sprechen von „aufklären“ im Sinne von sich „über einen Sachverhalt Klarheit verschaffen“ hervor.

Zeitliche Abgrenzung

Die Prozesse, die seit den 1770er-Jahren unter dem Begriff Aufklärung zusammengeführt werden, haben unterschiedliche Wurzeln. Die Vertreter der Aufklärung rangen um ein Projekt, dessen Realisation noch Jahrhunderte in Anspruch nehmen sollte: Louis-Sébastien Mercier, der ein spezifisches Programm der Aufklärung entfaltet, blickt 1771 in einem frühen Zukunftsroman auf das Jahr 2440 voraus.

Die Eckdatensetzung der modernen Forschung folgt den Vorgaben der jeweiligen Epochengeschichtsschreibung, die sich in den historischen Fächern unterschiedlich herausbildete. Ein relativ enger Begriff setzte sich in der Germanistik durch, die die Aufklärung im Blick auf Gottsched und Lessing formulierte und mit diesen vom Barock abgrenzte. Forscher wie Werner Krauss stellten der Hauptphase eine Frühaufklärung voran, die in das 17. Jahrhundert zurückreicht, und setzten eine Spätaufklärung vor das 19. Jahrhundert.

In der breiteren internationalen Forschung setzte sich in den letzten Jahren eher die Rede von einer Frühen Neuzeit mit den Eckdaten 1500 bis 1800 als ein mit verhältnismäßig wenigen Wertungen verbundener Zeitabschnitt durch, in dem die „Aufklärung“ als einer unter mehreren Prozessen vor sich geht. Im größeren zeitlichen Rahmen fand in den letzten zehn Jahren das 17. Jahrhundert mit seinen theologisch-philosophischen Neuerungen als eine Phase eigentümlicher Radikalität Beachtung.[5] Der Schwerpunkt blieb dagegen im 18. Jahrhundert verortet. Hier setzte sich in den letzten Jahren ein neutraleres Sprechen vom 18. Jahrhundert durch, bei Bedarf auch als „langes 18. Jahrhundert“ mit den Rahmendaten 1680 bis 1830 definiert. Ein Problem dieser Betrachtungsweise ist, dass das „18. Jahrhundert“ in Frankreich, im Gegensatz zu Großbritannien, vom Tod des Sonnenkönigs 1715 bis zur Französischen Revolution 1789, als ausgesprochen kurz erlebt wird

Die Definition einer „Epoche“ der Aufklärung bleibt heikel, da ein inhaltlich definierter Zeitabschnitt Forschungslücken generiert: Die Musik Händels und Bachs bleibt Barockmusik bis an die Grenze der Frühklassik, und selbst Christoph Willibald Gluck wird heute eher wieder als Barockmusiker betrachtet. Die Kunstgeschichte kennt ebenfalls keine „Aufklärung“ als Epochenbegriff. Insgesamt dominieren in der Musik und der bildenden Kunst die Vanitas-Motive das Barockzeitalter wie Lamento oder Stillleben, während sich die Aufklärung um eine Überwindung dieser Traditionen bemüht. Eine Konzentration auf die frühe Neuzeit oder das „lange 18. Jahrhundert“ erlaubt es, parallele und teilweise widersprüchliche Strömungen zu integrieren.

Epochenkonstruktion

Hauptartikel: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?

Historischer Überblick

Größere technologische und politische Umwälzungen erlauben es, die Frühe Neuzeit gegenüber dem Mittelalter und dem 19. Jahrhundert zu definieren: Der Buchdruck generiert ab etwa 1500 eine neue Öffentlichkeit mit eigenen Medien, über die sich historische Prozesse wie die Reformation entfalten. Vom 18. Jahrhundert an gehen die Varianten des Absolutismus als grundlegender Staatsform zu den neuen Organisationsformen des modernen Nationalstaats über. Großbritannien wird schon im 18. Jahrhundert zur Industrienation.

Die fortschrittsorientierten Strömungen vor dem 19. Jahrhundert verbinden sich im 17. und 18. Jahrhundert schrittweise zu dem, was in den 1770er- und 1780er-Jahren mit dem Wort Aufklärung benannt wird. Eine Vorgängerdebatte ereignete sich in den 1680ern: Die Querelle des Anciens et des Modernes, der Streit der „Alten und der Neuen“ um die grundsätzliche Frage, ob die Neuzeit der Antike mittlerweile nicht überlegen sei. Man löste sich allmählich von der strikten Forderung einer Nachahmung antiker Vorbilder ohne eigene Originalität, obwohl diese Debatte noch weit ins 18. Jahrhundert hineinreichte. Als neue Perspektive eröffnete sich die Vorstellung, dass die Gegenwart eine Phase des Fortschritts sei. Der Motivkomplex, der ab etwa 1770 zum „Programm“ der Aufklärung wird, erfasst verschiedenste Wissenschaften und Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens.

Theologie

Jesuitische Ausgabe der konfuzianischen Philosophie von 1687 unter der Prämisse, dass die Chinesen, nach der Sintflut vom Kernland der Bibel getrennt, einen philosophischen Religionsersatz etablierten, dem das Christentum mit Toleranz begegnen sollte.

Bis ins späte 17. Jahrhundert hinein bleibt die Theologie der zentrale wissenschaftliche Diskussionsraum. Die Naturwissenschaften wurden noch als Teil der Philosophie betrachtet, die eng mit der Theologie zusammenhing, und konnten sich erst mit der industriellen Revolution und den Umgestaltungen der Bildungssysteme Ende des 18. Jahrhunderts emanzipieren. Die Reformation und die Gegenreformation bestimmten ab den 1520er-Jahren die politischen Entwicklungen: Eine Neuaufteilung der europäischen Landkarte in konfessionelle Bündnisse erfolgte, der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) und der englische Bürgerkrieg (1642 bis letztlich 1660) entzündeten sich an den religiösen Kontroversen. Zentrale Prämissen des Weltbildes blieben mit der biblischen Geschichtsauffassung verbunden: Die These, dass die Welt 4004 v. Chr. von Gott geschaffen worden sei, erschien den meisten Aufklärern im 17. und 18. Jahrhundert als eminent rational, verglichen mit den weit längeren Zeiträumen, die andere Kulturen wie die Chinesische Kultur mit Mythen füllen. An der Lehre von der göttlichen Schöpfung ist damals noch kaum zu rütteln, auch nicht an der Vorstellung, dass Adam als erster Mensch die ersten kulturellen Leistungen vollbracht habe. Zahlreiche Philosophen der Aufklärung gehen davon aus (wie John Locke mit seinen erkenntnistheoretischen Erwägungen in den 1690ern), dass der Mensch dazu in der Lage sei, durch eine korrekte Kombination von Ideen alles in jedem Moment zu erfinden. In verweltlichter Form hält sich diese Vorstellung in den Robinsonaden des 18. Jahrhunderts.

Die Reformation schafft noch in den 1520ern die zentralen Problemstellen, denen aufgeklärtes Denken sich in den 1680ern im Blick auf das Zusammenspiel von Politik und Religion stellt. Der aufklärerische Kampf gegen Aberglauben findet in der protestantischen Auseinandersetzung mit dem katholischen Reliquienkult einen Vorgänger. Der Kampf der Aufklärer um Gewissensfreiheit und staatliche Organisationsformen, die sie garantieren, geht in die Spaltung der protestantischen Bewegung der 1520ern zurück. Martin Luther und Jean Calvin stellten sich der Frage nach Bündnissen der Reformation mit Staaten am Ende im Streit. Die Lutherische Orthdoxie ging diese Bündnisse mit der Gründung von Landeskirchen ein. Die Reformierten Gruppen suchten allenfalls Verantwortung auf der Ebene von Gemeinden und standen jeder sich mit dem Staat verbindenden Kirchenhierarchie ablehnend gegenüber. Die protestantischen Territorien kämpfen unter dieser Spaltung bis in die Säkularisation des 19. Jahrhunderts einen Kampf gegen zahllose theologische Gruppierungen, die ein Recht auf individuelle Erkenntnis der Wahrheit des biblischen Worts und daran anschließend auf verschiedenste Glaubensdogmen wie die Antitrinitarismus gegen jede staatliche Gleichschaltung von Religion verteidigen. Relative Toleranz gestehen dagegen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Niederlande dem Individuum als der Instanz zu die letztlich über ihre Auslegung der Bilbel entscheiden muss. Auf dem Kontinent finden verschiedene der Bewegungen wie die Socinianer temporär den Schutz einzelner Regenten. Dem Pluralismus der Bewegungen, die sich zum guten Teil clandestin publizistisch betätigen, steht im 17. Jahrhundert zunehmend ein eigener Pluralismus ans Positionen in der Theologie und Philosophie gegenüber, die einzelne Dogmen der neuen Bewegungen radikalisieren.

Baruch Spinoza vertritt in seinem theologisch-politischen Traktat von 1670 die These, Judentum und Christentum seien lediglich vergängliche Phänomene ohne absolute Gültigkeit. John Toland behauptet 1696, die Bibel sei zum Teil eine menschliche Fälschung. In radikalen Schriften des Untergrunds diffamieren Autoren direkt oder indirekt Moses, Jesus und Mohammed als die drei großen Betrüger der Menscheitsgeschichte - von der Zirkulation eines Buches De tribus impostoribus wird berichtet, bis es schließlich 1716 als subversive Schrift auf den Markt kommt. Die Theorie, die sich hier gegen das Christentum wendet, hat ihre eigene Tradition in der Religionsgeschichte, die im 17. Jahrhundert Theologen wie Pierre Daniel Huet legitim formulieren: Priester hätten in Altägypten und andernorts hermetische Lehren formuliert, Lehren, die sich nur Eingeweihten eröffneten. Auf Priesterbetrug seien viele der Kulte gegründet gewesen, die nach der Sintflut eingerichtet wurden, um die Bevölkerung unwissend und in Ehrfurcht zu halten - so der aufklärerische, den betrug entlarvende Gedanke. Die Ausdehung dieses Gedankens auf die Offenbarungsreligionen ist um 1700 revolutionär. Die Gründung von Geheimgesellschaften, die ihr Wissen ähnlich hermetisch abschließen wird von hier aus im 18. Jahrhundert Mode.

Dem Markt der ketzerischen Optionen und der Bewegungen, die einzelne Doktrien verfolgt von Staaten und Kirchen vertreten, stehen in ganz Europa behördliche Maßnahmen entgegen, hier allenfalls einen Untergrund zuzulassen. Besonders in England, wo der Protestantismus als Staatskirche etabliert wird, eskaliert die Auseinandersetzung um die individuelle Glaubensentscheidung. Der Bürgerkrieg, der Exodus freikirchlicher Gruppen nach Nordamerika, die Aufnahme geflohener französischer Hugenotten, die sich in den 1680ern nicht sofort der anglikanischen Kirche unterordnen, schaffen das Konfliktpotential, das nach der Glorious Revolution 1688 konstruktiver diskutiert wird, und in dem wesentliche Positionen der Aufklärung zur Frage von Staat und Freiheit seiner Bürger schließlich definiert werden. John Lockes Pladoyer für Toleranz von 1689[6] wird zu einem der zentralen Texte der Aufklärung. Mit dem Plädoyer verbunden ist der Abschied von der Idee, dass eine einzelne religiöse Gruppe sich gegenüber dem Individuum als Besitzer der Wahrheit profilieren kann. Gotthold Ephraim Lessings Nathan der Weise steht noch 1779 in der Tradition dieser Debatte. Die Toleranz gegenüber allen Religionen, Islam und Judentum eingeschlossen, ist hier schließlich das Ziel. Um 1700 wird dieser Toleranzgedanke auf dem Feld der Geschichtsforschung vorbereitet. Antike Kulte sind hier von Interesse, vor allem die Geschichte der christlichen Häresien wird hier um 1700 mit dem überraschenden Ziel der Vorurteilslosigkeit angestrebt. Gottfried Arnolds ab 1699 erscheinende Unparteyische Kirchen- und Ketzer-Historie setzt hier in der deutschen Aufklärung die Maßstäbe.

Für die zentralen Philosophen, die sich im 18. Jahrhundert als Aufklärer in die Diskussion um religiöse Vielfalt und Toleranz mischen, wird der Gedanke bestimmend, dass es alle Religionen und Konfessionen durchdringend einen rationalen Kern des Glaubens gebe. Im Deismus als Vernunftreligion wird diese Option im 18. Jahrhundert mit zunehmender Offenheit diskutiert. Für den Deismus werden im selben Moment Zusatzoptionen eröffnet: Die einer Gotteserkenntnis aus den modernen Wissenschaften heraus, die Gott als Schöpfer und als die universelle Vernunft voraussetzen, die sich in den Naturgesetzen und der perfekten Ordnung der Welt manifestiert. Von der Welt als "Uhrwerks" wird hier in der belibten Metapher gesprochen, die Gott gleichzeitig aus dem aktuellen Weltgeschehen herausdrängt und damit das Wunder als Option grundsätzlich diskreditiert. Die deistische naturwissenschaftliche Option ist, dass Gott die Welt mit allen Naturgesetzten schuf, nach denen sie sich gegenwärtig bewegt. Die Idee, dass die von Gott geschaffene Welt als Gottes Schöpfung perfekt sein muss, erobert im späten 17. Jahrhundert die religionsphilosophischen Debatten: Sie findet sich bei Anthony Ashley-Cooper, dem 3. Earl of Shaftesbury verknüpft mit dem Gedanken, dass alle Lebewesen in der Natur in perfekt organisierten Gleichgewichten zusammenleben.[7] Gottfried Wilhelm Leibniz verbindet das vernüftige Postulat unter anderen Prämissen mit Folgepostulaten wie dem, dass es unendlich viele bewohnte Welten geben müsse, die zusammengesehen erst verständlicher machen würden, in wiefern die vorliegende einem perfekten Plan folgt.[8] Mit der Theodicee-Debatte verbindet sich im 18. Jahrhundert die spezifisch aufklärerische Diskussion um die Geschichte als Fortschrittsprozess, in dem sich die Welt in ihrer Perfektion entfaltet.

Toleranzidee, Deismus und Theodicee werden im Verlauf des 18. Jahrhunderts Ecksteine einer Verlagerung der theologischen Debatte auf das Gebiet der Philosophie. Mit der Verlagerung verbindet man im 18. Jahrhundert zunehmend die Hoffnung auf eine im Gegensatz zur Glaubensentscheidung auf vernünftige Einsicht und Aufklärung basierende Lösung aller bestehenden Kontroversen.

Geschichtswissenschaft

J. F. Reimmanns Versuch einer Einleitung in die Historiam Literariam (1710): In einer Kutsche die drei Fachwissenschaften der Theologie, der Jurisprudenz und der Medizin unter der Wahl, der Torheit insbesondere der Scholastischen Philosophie in eine düstere Zeit des Verfalls zu folgen oder dem Licht der Erkenntnis, das die Historia Literaria, die Berichterstattung aus den Wissenschaften, verbreitet, in eine glänzende Zukunft großer Gebäude. Die Philologie und die Philosophie (zu der die Naturwissenschaften, die Geographie und die Geschichtswissenschaft) gehören, werden dabei die führenden Wissenschaften.

Wenn auch der historische Rahmen der Welt- und Heilsgeschichte bis in das späte 18. Jahrhundert weitgehend unangetastet bleibt, so notiert man in den Wissenschaften ab dem ausgehenden 17. Jahrhundert eine Revolution in der gesamten historischen Durchdringung des Wissens.

Mit dem Buchdruck wird es um 1500 möglich, wissenschaftliche Arbeiten neu öffentlich zu positionieren: Man kann von nun an davon ausgehen, dass das einzelne Buch als vervielfältigtes Verlagsobjekt europäisch greifbar ist - ein Objekt, auf das man sich in den Wissenschaften in Briefen wie in neuen Publikationen europaweit präzise beziehen kann. In den 1560ern kommen die ersten Messkataloge auf den Markt, die den das Buchangebot für Mitteleuropa abbilden. Ein eigener brieflicher Informatonsaustausch durchzieht die res publica literaria zu diesem Zeitpunkt im Bestreben, einen Informationsstand über die zunehemend unüberschaubare Produktion zu herzustellen. In den 1620ern erscheinen die ersten regelmäßig gedruckten Zeitungen in den Niederlanden. In den 1660ern wird die Idee der perodischen Berichterstattung und die Erfahrung, die wissenschaftliche Gesellschaften im Unterhalt einer informierenden Korrespondenz haben kombiniert. Das wissenschaftliche Journal, das nach dem Muster des Journal des Sçavans die kontinuierliche Berichterstattung aus den Wissenschaften, vor allem jedoch Rezensionen neuer Bücher anbietet wird das Medium, das von Aufklärern im 18. Jahrhundert als die optimale Problemlösung wahrgenommen wird. Drei Jahrzehnte später haben sich flächendeckend in Europa (Osteuropa bleibt hier unterrepräsentiert) konkurrierende Journalprojekte gegründet. Zu den Zeitschriften, die von Kollektiven herausgegeben werden kommen neue, die von einzelnen Akteuren herausgegeben werden und subjektivere Meinungen zu aktuellen Publikationen verbreiten. Die Historia Literaria wird nun als neue Wissenschaft formuliert. Johann Burkhard Mencke tut dies 1715 in der Vorrede seines Compendiösen Gelehrten-Lexicons in typischer Manier:

„Wenn wir aber unsere jetzige Zeiten genau betrachten, so müssen wir bekennen, daß die Historia Literaria, die sonsten von denen Gelehrten nur als ein Nebenwerck geachtet wor-den, bey vielen zum Hauptwerck, und insgemein zur Mode-Wissenschafft worden.“[9]

Hinter den Aussagen steht die Einsicht, dass Wissen in allen Gebieten nun nicht mehr im Versuch gegeben wird, stabil zu erfassen, wie die Welt beschaffen ist. Wissen selbst wird als kurzlebig, als Moden unterworfen und dem Fortschritt ausgesetzt erfasst. Es wird gleichzeitig zunehmend als Spielball öffentlicher Interessen wahrgenommen. Die Wissenschaften formulieren sich an dieser Stelle neu als laufender Diskurs. Die Titel zentraler Texte der Aufklärung sind hierfür typisch. Autoren legen gewichtige Werke nur noch als "Versuche" vor, als "Briefe", als "Essays".

Die Flut der Journale lässt sich ab dem frühen 18. Jahrhundert nicht mehr bibliographisch erfassen. Kurzlebige Projekte gehören in das Stimmengewirr das zunehmend die öffentliche Meinung bestimmt. Die Kritik als innerwissenschaftliche Kommunikationsform entwickelt sich in diesen Titeln - sie bieten nahzu ausschließlich Rezensionen aktueller Bücher, Meinungen zu aktuellem Wissen.

Mit dem frühen 18. Jahrhundert kommen populäre Formate mit den moralischen Wochenschriften in England auf den Markt, sie werden auf dem Kontinent eine neue Mode mit Themenverschiebungen: Fragen der Moral und des Geschmacks werden hier diskutiert. Die belles lettres, Poesie und Romane werden hier das neue größere Publikumskreise bindende Thema. Literatur, um 1700 der Bereich der Wissenschaften, wird im späten 18. Jahrhundert zum neuen Debattengegenstand populäreren Interesses: zum Feld der Romane, Dramen und Gedichte, die von nun an ähnlich kritisch betrachtet werden - und damit selbst der Ort kritischer Auseinandersetzungen werden.

Die historische Betrachtung wird im 18. Jahrhundert zunehmend populär. Sie relativiert im Verlauf zunehmend historische Wissensbestände, indem sie deren Neueinordnung erlaubt: So sah man die Welt zum historischen Zeitpunkt, die Gegenwart ist daran nicht mehr gebunden. In der Geschichtswissenschaft selbst verabschiedet man sich von überkommenen Wissensbeständen in der Pyrrhonismus-Debatte, die namentlich Pierre Bayle in den 1690ern popularisiert. Die kritische historische Evaluierung allen Wissens ist zwischen 1680 und 1720 das Projekt, das der Umstrukturierung des Wissenschaftsbetriebs zu Gunsten der Naturwissenschaften vorangeht - sie machen sich in diesem Prozess von historischen Überlieferungen gänzlich frei machen und begründen sich neu als Experimentbasiertes Wissen.

Philosophie und Naturwissenschaften

Ludwig XIV. besucht die Académie des sciences 1671.
Joseph Wright of Derby Das Experiment mit dem Vogel in der Luftpumpe, 1767/1768: Experimentalwissenschaft wird vor allem in privaten reichen Zirkeln betrieben, ihr technologischer Nutzen ist in den 1760ern noch unklar.

Mit dem ausgehenden 19. Jahrhundert setzte sich die enge Anbindung der Aufklärung an die Naturwissenschaften durch. Immanuel Kant postulierte hier einen Mentalitätsumbruch der die Neuzeit vom Mittelalter trennte mit der Kopernikanische Wende als dem Moment, in dem der Mensch des Mittelalters seine Stellung im Zentrum des göttlichen Heilsplans verlor. In der Geistesgeschichte des 20. Jahrhunderts wurde der Kampf der modernen Naturwissenschaftler gegen Zensur und Inquisition zum schmerzhaften Prozess der Aufklärung geschlagen: Die Erkenntnisse, die sich im Verlauf als unumgängliche erwiesen mussten sich gegen reaktionäre Kräfte, insbesondere auf Seiten der katholischen Religion durchsetzen.

Die Industrialisierung, die mit den 1770ern in England begann und sich im 19. und 20. Jahrhundert an die Forschung der Naturwissenschaften koppelte, wurde im selben Argumentationsschritt an die Aufklärung gebunden. Mit der Aufklärung kamen die zentralen Erfindungen, mit denen das 19. und 20. Jahrhundert in den Makro- und den Mikrokosmos drangen: Teleskope und Mikroskope; die Instrumentarien mit denen die Wetterbeobachtung erfunden wurde: Thermometer und Barometer; mit den Naturwissenschaften kam gleichzeitig eine neue Methodik der Wissenschaften: die der deduktiven Wissenschaften, die Theorien in Experimenten der Frage nach wissenschaftlichen Nachweisen unterwarfen. Ein entscheidender Umbruch fand hier im 17. und 18. Jahrhundert schrittweise statt: Der Umbruch von Wissenschaften, die ihre Welterkenntnis aus Texten schöpften, zu Wissenschachaften, die sich auf Observation gründen.

Die Forschung der letzten Jahrzehnte rückte einige populäre Mythen der Aufklärungsgeschichtschreibung zurecht: Es ist heute klarer, dass man in Europa vor der Entdeckung Amerikas schon nicht mehr von der Erde als Scheibe ausging. Modifiziert hat sich auch die Sicht auf den Mentalitätswechsel, den die Auseinandersetzung mit dem heliozentrischen Weltbild erzeugt haben soll. Das alte und das neue Weltbilder wurden im 17. und 18. Jahrhundert nebeneinander unterrichtet, ohne dass dies zu Gewissenskonflikten führte. Die Naturwissenschaften selbst errangen bis in das späte 18. Jahrhundert hinein keinen klaren Status. Der Universitätsbetrieb blieb nach den vier Fakultäten der Thologie, der Jurisprudenz, der Medizin und der Philosophie gegliedert. Die Philosophie blieb das Grundstudium und umfasste Grundwissen in Naturphilosophie, Ethik, politischer Philosophie, Historie, Geographie und den klassischen Philologie. Naturwissenschaftliche Forschung gedieh unter dieser Gliederung der Wissenschaften in Klassen einzelner Universitätsdozenten, die sich mit Philosophie oder mit Medizin befassten. Sie gedieh in Observatorien, die einzelne Landesherren einrichteten, in privaten Forscherkreisen und Netzwerken, in denen man neue Instrumente sammelte und sich über Experimente austauschte, und, ab Mitte des 17. Jahrhunderts zunehmend wichtig: Unter Föderung staatlicher geförderten Sozietäten.

1635 wurde die Académie française gegründet, sie erhielt ihr naturwissenschaftliches Projekt 1666 mit der Académie des sciences. Auf das Jahr 1652 geht die in Schweinfurt gegründete Academia Naturae Curiosorum zurück, aus der die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina wurde, auf das Jahr 1660 die Royal Society, die rasch zur führenden europäischen Institution frühneuzeitlicher naturwissenschaftlicher Forschung wurde. Die offiziellen Sozietäten bestimmen direkt und indirtekt die Ausrichtung der ersten wissenschaftlichen Zeitschriften: Das französische Journal des Sçavans, die von der Royal Society in London herausgegebenen Philosophical Transactions und die 1682 folgenden Leipziger Acta Eruditorum boten den Naturissenschaften breiteren Raum, als der Buchmarkt. Das neue Medium des wissenschaftlichen Journals bot sich für isolierte Naturbeobachtungen an, für Berichte von Erfindungen und für Langzeitbeobachtungen. Zeitschriften wie die Breslausche Sammlungen nutzten die Periodizität des wissenschaftlichen Journals, um Beobachtungsreihen sukzessive zu veröffentlichen.

Unklar blieb bis in die 1770er der Nutzen der modernen Wissenschaften. Die Royal Society publizierte Forschungsaufrufe: Man sammelte geographische Berichte, da die führende Seehandelsnation auf sie angewiesen war, so ein Aufruf des Jahres 1664. Das britische Parlament erließ 1714 den Longitude Act: den Aufruf zu einem Wettbewerb, der das Problem der Längengradbestimmung lösen sollte. Den direkt nütztlichen Erkenntnissen standen mehr Erkenntnisse gegenüber, die von denen die sie im 17. und 18. Jahrhundert produzierten schlicht als "curieus" gehandelt wurden, als erstaunliche, und die Neugier befriedigend unterhaltende Erkenntnisse. Autoren wie Jonathan Swift begegneten dieser Forschung mit Skepsis und Satire.

Klarer wurde der Nutzen naturwissenschaftlicher Forschung in den 1760ern mit den neuen wissenschaftlichen Bestrebungen Landesentwicklungen zu steuern. Die Landwirtschaftliche Produktionssteigerung, eine Erforschung von Technologien, die sich industriell nutzen ließen setzte hier ein.

Als Ende des 18. Jahrhunderts die traditionelle Gleiderung der Wissenschaften fragwürdig wurde, veränderte dies vor allem die Beziehung zwischen Theologie und Naturwissenschaften: Die Naturwissenschaften wurden aus der Philosophie ausgegliedert und zum eigenen Wissenschaftsbereich, die Theologie wurde dagegen unter der neuen Gliederung in Naturwissenschaften und Technik, Sozialwissenschaften und Geisteswissenschaften, letzten zugeschlagen. Mit der Umstrukturierung etablierte sich die erkenntnistheoretische Debatte, die im Feld der Philosophie an die Naturphilosophie gekoppelt, gewachsen war als neue wissenschaftstheoretische Debatte. René Descartes, John Locke, Gottfried Wilhelm Leibniz und David Hume hatten in zwei Argumentationslinien, die heute unter den Worten Rationalismus und Empirismus getrennt werden, um das Verhältnis zwischen Vernunftschlüssen und Empirie gestritten. Descartes und Leibniz standen in dieser Debattengliederung für die Möglichkeit, Erkenntnis aus rationalen Erwägungen schöpfen zu können. Die grundlegenden Annahme war hier, dass der Kosmos selbst (von Gott) vernünftig geordnet war, und darum, von der Bibel unabhängig, über logische, rationale Schlussfolgerungen und vernünftigen Beweisführungen verstanden werden könne. Der empiristischen Standpunkt verteidigt demgegenüber Beobachtung und Experiment als die alleinigen Möglichkeiten Wissen zu erlangen, das danach vernünftig kombiniert werden könne. Beide Positionen verbinden sich rückblickend in der Aufklärungsphilosophie, das sie gemeinsam ein Vertrauen in die Vernunft voraussetzen.

Der erkenntnistheoretische Beitrag der Aufklärungsdebatte entfaltete sich mit der Wende ins 19. Jahrhundert insbesondere in den Säkularisationsbestrebungen Frankreichs und Deutschlands. Die Naturwissenschaften lieferten hier das zentrale wissenschaftliche Feld, das sich als erstes vom traditionsbehafteten Bücherwissen emanzipiert hatte: vom Wissen der Bibel, das den Naturwissenschaften nicht standhielt, vom Aristotelismus der Scholastik, wie vom Wissen des Barock, das im 20. Jahrhundert zur eigenen Epoche in der Neuzeit aufgebaut wurde, in der man Wissenschaft noch vor allem als büchergestütztes Sammeln von Wissen betrieb.

Belles Lettres, Poesie und der Roman

Englische Ausgabe von Fenelons Telemach (1715): Die Göttin der Weisheit, Pallas Athene, hat sich dem Helden offenbart und führt ihn zu ihrem Tempel
Kupfer aus der Luxusausgabe von Richardsons Pamela (1742). Der Roman wird zur modernen Lebenschule.

Der heutige Literaturbegriff mit seiner Fokussierung auf die "literarischen" Gattungen des Romans, des Dramas und der Lyrik ist selbst bereits ein Ergebnis von Versuchen der - im Rückblick: aufgeklärten - Literaturkritik, im 18. Jahrhundert die Märkte des breiteren Lesepublikums zu erreichen und zu reformieren. Die Literaturkritik, die sich in wissenschaftlichen Journalen profilierte, definierte zwischen 1750 und 1830 schrittweise das heutige Gebiet der literarischen Gattungen und der ihnen zuzurechnender Schreibweisen und widmete ihm neue Rezensionsorgane. Eine Reform wurde dabei erstens der Geschichtsschreibung angeboten: Der Roman wurde aus ihrem Bereich herausgenommen, der Geschichtswissenschaft gab das Seriosität. Im Bereich der fiktionalen Literatur untergebracht musste der Roman nicht länger als lügenhafte Historie verdammt werden. Im neuen Feld konnte er der Gegenstand einer neuen, Romane würdigenden und sie gleichzeitig reformierenden Kritik werden. Eine Reform wurde zweitens der Poesie angeboten: Stand um 1700 noch die Oper im Zentrum der poetischen Produktion, so drangen "aufgeklärte" Theoretiker wie Johann Christoph Gottsched seit den 1720ern auf eine wissenschaftlich fundierte Rückbesinnung auf Aristoteles, die die Oper aus der Poesie ausschloss - im heutigen Feld literarischer Gattungen fehlt sie konsequenter Weise. Eine Reform wurde von der Literaturkritik des 18. Jahrhunderts drittens im Blick auf das größere Feld der belles lettres gefordert. Man zeigte sich bereit, elegante Bücher zu rezensieren, drang jedoch auf künstlerischem Rang. Politische Memoires und skandalöse Enthüllungsromane verloren mit derselben Kritik an öffentlicher Bedeutung.

Die Reform des Marktes ging von den Wissenschaften aus: Sie wandten sich im 18. Jahrhundert den populäreren Märkten der Poesie und der belles lettres zu. Sie kam zweitens in einer neuen Interaktion zwischen Kritik und neuen Autoren zustande. Symptomatisch verlief diese Interaktion in der Weise, in der Johann Christoph Gottsched sie zu Beginn der 1730er initiierte: Als "außerordentlicher Professor für Poetik" der Universität Leipzig legte er mit seinem Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Deutschen sowohl das zukunftsweisende theoretische Werk vor, wie 1731 mit dem Sterbenden Cato, die erste Tragödie, die sich an den vernünftigen Richtlinien orientierte und die Dichter der Nation herausfordern sollte, bessere Werke dieses Formats zu schaffen. Ähnlich arbeitete Gotthold Ephraim Lessing in den 1750ern konsequent zweigleisig als Theoretiker und Praktiker im Versuch, eine neue Produktion an die neuen kritischen Diskussionen zu binden.

Die gesamte heute literarische Produktion ging schrittweise auf die wissenschaftliche Kritik ein: Die Romane der Madeleine de Scudéry wurden in den 1680ern von Wissenschaftlern wie Christian Thomasius bahnbrechend ob der Feinheit ihrer Charakterbeobachtung als Reformwerke gewürdigt. Kurze novellistische Romane wurden ab den 1670ern in Frankreich, ab den 1680ern in England ob ihrer vernünftigeren Handlungskonstrukte gegenüber den verworrenden Heldenromanen in Anschlag gebracht. Die moderne Literaturwissenschaft setzt den Einstiegspunkt in die Aufklärung heute eher mit den Erziehungsromanen an, die ab 1699/1700 angeregt von François Fénelons Telemach erscheinen. Eine Produktion neuer philosophischer Romane beginnt hier. Titel wie Montesquieue Lettres Persanes (1721), Jonathan Swifts Gulliver's Travels (1726), Voltaires Candide ou l'optimisme (1758 verfasst, 1759 veröffentlicht) und Jean-Jacques Rousseaus Romane Julie ou la Nouvelle Héloïse (1761) und Émile, ou De l'éducation (1762) zeugen vom Interesse den Roman zunehmend zu philosophischen Diskussionen zu nutzen und damit an den Prozess der Aufklärung anzubinden. Ein eigener Reformschub bringt dabei eine neue soziale Ausrichtung. Mit den Romanen Daniel Defoes und Samuel Richardsons werden Bürger Helden in neuen Tugendkonflikten. Namentlich Richardson Pamela or Virtue Rewarded (1740) setzt hier über den Roman hinaus wirkende Maßstäbe: Neue bürgerliche Dramen nehmen die angebotenenen Konflikte auf. Kritiker öffentlicher Moral verändern im selben Prozess ihr Verhältnis zum Drama und zum Roman: Es erscheint ab den 1740ern interessant diese Gattungen gezielt zu nutzen, um sich in ihnen mit gesellschaftlichen Entwicklungen auseinander zu setzen. Von der Literaturwissenschaft werden heute die Dramen der 1740er und 1750er, in denen Vernunftentscheidungen einen revolutionären Rolle gewinnen als Kerntexte der Aufklärung gehandhabt: Christian Fürchtegott Gellerts Das Leben der Schwedischen Gräfin von G*** (1747/48) fällt hier ebenso auf die Dramen Lessings.

Eine besondere Bedeutung gewinnt in der Interaktion mit der philosphisch wissenschaftlichen Diskussion im 18. Jahrhundert das Lehrgedicht in neuer Spannbreite zwischen Satire und antikem heroischen Gedicht. Eine Entwicklungslinie vereint hier so unterschiedliche Texte wie Alexander Popes Essay on Man (1734) und Friedrich Gottlieb Klopstocks Messias (1748/1772-1798). Formal brechen sie mit den Rhetorik-basierten Versuchen des 17. Jahrhunderts, große Emotionen zu erzeugen. Das neue Ziel ist ein klassischer Stil, bei dem das Argument zu neuem Recht gelangt. Die neuen Werke werden in der Folge vom Rezensionswesen weit ausführlicher wahrgenommen als Dichtung im 17. Jahrhundert.

Die Entdeckung der Zukunft als Projektionsfläche ist rückwirkend überaus eng an die Prozesse der Aufklärung in ihrer gesamten Breite gekoppelt. Sind Samuel Maddens Memoires of the Twentieth Century (1733) noch bei allen Erkundungen der Zukunft Gegenwartssatire, so ist Sébastien Mercier's L'An 2440 (1771) einer der texte, die im größten Bogen der Einzelthemen Fragen der Aufklärung durchgehen und skizzieren, wie eine bessere, aufgeklärte Welt aussehen könnte.

Eine größere wissenschaftliche Kontroverse entzündete sich im 20. Jahrhundert an der Frage nach den Entwicklungen, die am Ende mit dem Vernunftideal des 18. Jahrhunderts brachen und damit die Aufklärung in Frage stellten. Voltaires Candide kritisiert 1758 den grassierenden Geschichtsoptimismus. Die Empfindsamkeit, die noch in den 1740ern die Bühnen mit sentimentalen Komödien erobert lebt von Tugendentscheidungen, die mit Herzensentscheidungen übereinkommen und von Mittleid und Rührung als neuen Motivationen tugendsamen Handelns. In den 1760ern setzt demgegenüber eine Radikalisierung ein mit Tragödien, in denen unbezähmbare Gefühle Katastrophen verursachen wie Sympathie der Zuschauer. In den 1770ern kritisiert eine neue in Germanistik heute dem Sturm und Drang zugerechnete, in den meisten anderen Philologien zur Romantik gerechnete Produktion die Werke der 1750er in denen Konflikte sich noch vernünfig lösen ließen. Neue große Helden scheitern in den neuen Stücken an der Gesellschaft und den Zwängen, die sie mit ihren Druck, Konflikte harmonisch und vernünftig zu lösen, ausübt. In der Forschung besteht hier Dissens in der Frage, wann das Ende der Aufklärung einsetzte. Liest man Dramen und Romane des 18. Jahrhunderts, so finden sich die Entwicklungen, die in der Aufklärungskritik enden, schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts angelegt.

Malerei, Skulptur, Architektur

Stillleben Jan van der Heydens. Der Künstler arbeitet in Amsterdam, einem der zentralen Orte der Aufklärung, er zeigte sich an den modernen Wissenschaften interessiert - Amsterdam verdankt ihm die erste Straßenbeleuchtung. Seine Zimmerecke mit Kuriositäten kann als barockes Vanitas-Ensemble verstanden werden, sie spricht nicht minder von der Aufgeschlossenheit gegenüber moderner Technik (das aufgeschlagene Buch bietet modernsten Festungsbau) und Weltentdeckung (alle Kontinente sind hier mit Gegenständen vertreten, die Geschichte als Raum ist gleichzeitig präsent). Die Darbietung meidet große Lichtkontraste und bricht dabei mit einer Konvention barocker Malerei

Mit den Bereichen der bildenden Künste - der Malerei, der Skulptur, der Architektur - und der Musik lassen sich die Probleme ansprechen, sie sich mit der Anahme einer eigenen Epoche der Aufklärung ergeben. Von Malerei der Aufklärung wird in der Regel so wenig gesprochen wie von Musik der Aufklärung. Das hat nicht damit zu tun, dass diese Künste im "Zeitalter der Aufklärung" - wie man dieses auch ansetzt - verschwanden, oder dass die Aufklärer diese Künste verachtet hätten. Weitaus eher das Fehlen einer Malerei wie einer Musik der Aufklärung mit dem Interesse der modernen Geschichtsschreibung an einem dialektischen Prozess zu tun, in dem einem Zeitalter der Sinnenfreude, dem Barock, eines der Vernunft, das der Aufklärung, folgte, bevor dem 19. Jahrhundert dann die Durchdringung aller Bereiche gelang, eine Neue Kunst die Verstand und Sinne anspräche.

Deutlich zeigen sich die Schwierigkeiten in Momenten in denen Autoren der Aufklärung sich selbst als Musikliebhaber oder Zeichner betätigen. Alexander Pope illustriert so sein Essay on Man selbst mit einer Zeichnung, in der Kunsthistoriker alle Merkmaler barocker Vanitas-Emblematik wieder entdecken. Will man es hart sagen: so ist die bildende Kunst der Aufklärung dieselbe Kunst, die moderne Kunsthistoriker dem Barock und dem Rokoko und der Frühklassik des 17. und 18. Jahrhunderts zuordnen.

Eine fortlaufende Kunstkritik lässt sich vom 17. ins 18. Jahrhundert hinein verfolgen. Sie wird von der Forschung bevorzugt der Aufklärung zugerechnet, die damit eine protestantische und sinnenfeindliche Dimension gewinnt. Wesentliche Entwicklungen in den Bereichen der bildenden Kunst und der Architektur gingen im 16. und 17. Jahrhundert von Italien aus. In den protestantischen Gebieten rang man demgegenüber wiederholt um einen eigenen Stil unter Verweis auf die Gefahren der sinnlichen Verführung. In der Tradition reicht diese Kritik bis zu den Bilderstürmen der Reformation zurück, in denen in Noreuropa katholische Kirchen bereinigt wurden. Eine Kontroverse zwischen dem Katholizismus als Religion, die auf die Sinne setzt und dem Protestantismus als reationalerer Religion bereitet hier die Frage nach dem Verhältnis der Aufklärung zur bildenden Kunst wie zur Musik vor.

Eine Reihe von Entwicklungen finden vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzungen in der Kunstgeschichte Europas zwischen 1600 und 1700 statt, die Entwicklungen in den Naturwissenschaften, der Geschichtsschreibung, des Romanmarkts und der Poesie zumindest parallel gegenüberstehen. In den Niederlanden bildet sich ein Interesse an realistischen Landschaftsabbildungen und mit wissenschaftlicher Akribie bewältigten Auseinandersetzungen mit der Realität im Feld der Stillleben heraus. Bürgerliche Sujets kommen hier in die Bildsprache, bevor sie Ende des 17. Jahrhunderts den europäischen Roman und Mitte des 18. Jahrhunderts die Bühnen erobern.

Strebt die Poesiekritik des 18. Jahrhunderts nach einer vernunftorientierten zu klassischen Idealen zurückkehrenden Dichtung, nach einer Dichtung, die Sprachbombast, rhetorische, sinnliche Effekte meidet und eher durch die Gedankenführung anspricht, so zeigen sich ähnliche kritische Reformanstrengungen in den Bereichen der Skulptur und der Architektur. Das heute so genannte Barock definierte sich als Kunst, die die römische fortentwickelte. Mit den Strömungen galanter Baukunst, die heute als Rokoko bezeichnet werden, geht es um ein Zurückdrängen großer beeindruckender Effekte zugunsten des kleinen, charmanten Details und im ganzen zu Gunsten einer schlichteren, an klassischen Vorbildern orientiert bleibenden Gestaltung.

Die heute der Frühklassik zugerechnete Architektur steht Bestrebungen innerhalb der Poesiekritik des späten 18. Jahrhunderts gegenüber zu klassischen Formen zurückzukehren und dabei alles, was das Gefühl mit "nettem" "zierlichen" Schmuck anspricht, zurückzudrängen. Man kann hier in der Theorie wie in der Praxis, Argumentatonsparallelen definieren.

Die aktuelle internationale Forschung scheint das Problem der Kunst der Aufklärung eher durch Werke zum 18. Jahrhundert zu lösen. Der Blick auf das Jahrhundert löst die Trennungen auf, die die Kunstgeschichtsschreibung des frühen 20. Jahrhunderts bei der Konstruktion des Barock und des Rokoko im Kontrast zur Aufklärung als Phänomen der Geistesgeschichte einführte.

Musik

Protestantische Kritik an aller Kunst die die Sinne betört insbesondere die Oper. Bürgerliche Kritik an Opern. Musikkritik: Johann Mattheson.

Mannheimer Klassik, Reformoper Christoph Willibald Gluck.

Gesellschaftliche Resonanz

Rolle der Frau, Moral und Vernunft, Empfindsamkeit, Soziäteten, Geheimgesellschaften, Hexenprozesse, Strafrecht und Todesstrafe, Verbesserung des Menschen, Erziehung und Resozialisierung als neue Zielsetzungen.

Politik

Aufgeklärter Absolutismus, Demokratiemodelle, Naturrecht und Zivilisationskritik. Theorie vs. reale Situation.

Konzept und Kritik

Bekannte Vertreter der Aufklärung

Zitate

  • Immanuel Kant: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

Siehe auch

Anmerkungen

  1. So etwa in der Gnostik und im Manichäismus aber auch in den hier nahen Strömungen des spätantiken Neuplatonismus.
  2. in seinem Discours préliminaire (Einleitung) zur Encycloédie
  3. Das OED notiert die folgenden beiden Verwendungen „1865 J. H. STIRLING Secret of Hegel p. xxvii, Deism, Atheism, Pantheism, and all manner of isms due to Enlightenment. Ibid. p. xxviii, Shallow Enlightenment, supported on such semi-information, on such weak personal vanity, etc. 1889 CAIRD Philos. Kant I. 69 The individualistic tendencies of the age of Enlightenment.“
  4. Gertrude Himmelfarb: The Roads to Modernity: The British, French and American Enlightenments. Vintage, London 2008. S. 11-12.
  5. Wichtig wurde hier besonders Jonathan Israels Radical Enlightenment: Philosophy and the Making of Modernity, 1650-1750 von 2001.
  6. John Locke, A Letter Concerning Toleration. London, 1689.
  7. "Inquiry Concerning Virtue or Merit" [1699], wiederveröffentlich als "Treatise IV" der Characteristics of Men, Manners, Opinions, Times. London, 1711.
  8. Gottfried Wilhelm Leibniz. Essais de théodicée 1710.
  9. Johann Burkhard Mencke, "Vorrede" zu: Compendiöses Gelehrten-Lexicon. Leipzig: Johann Friedrich Gleditsch & Sohn, 1715, Bl. 3.

Literatur

Zur Einführung

  • Hans Joachim Störig: Weltgeschichte der Philosophie. 1950, überarbeitete und erweiterte Neuauflagen als Kleine Weltgeschichte der Philosophie. Kohlhammer-Verlag 17. Auflage, Stuttgart 1999, ISBN 3170160702
  • Ehrhard Bahr (Hrsg.): Was ist Aufklärung? Thesen und Definitionen. Reclam, Stuttgart 2004, ISBN 3-15-009714-2

Weiterführende Literatur

  • Ernst Cassirer: Die Philosophie der Aufklärung. (1932), Meiner, Hamburg 1998, ISBN 3-7873-1362-1
  • Wolfgang Hardtwig (Hg): Die Aufklärung und ihre Weltwirkung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010. [=Geschichte und Gesellschaft, Sonderhaft 23]
  • Jonathan Israel: Radical Enlightenment: Philosophy and the Making of Modernity 1650-1750, Oxford University Press, Neuauflage 2002, ISBN 0-19-925456-7
  • Jonathan Israel: Enlightenment Contested: Philosophy, Modernity, and the Emancipation of Man,1670-1752, New York: Oxford University Press, 2006, Rezension
  • Frank Kelleter: Amerikanische Aufklärung. Sprachen der Rationalität im Zeitalter der Revolution. Schöningh, Paderborn 2002, ISBN 3-506-74416-X
  • Panajotis Kondylis: Die Aufklärung im Rahmen des neuzeitlichen Rationalismus. Meiner, Hamburg 2002, ISBN 3-7873-1613-2
  • Werner Krauss: Studien zur deutschen und französischen Aufklärung. Rütten & Loening, Berlin 1963
  • Peter Pütz: Die deutsche Aufklärung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1991, ISBN 3-534-06092-X
  • Helmut Reinalter (Hrsg.): Die Aufklärung in Österreich. Ignaz von Born und seine Zeit. Lang, Frankfurt/M. 1991, ISBN 3-631-43379-4 (Demokratische Bewegungen in Mitteleuropa 1770-1850; Bd. 4)
  • Jochen Schmidt (Hrsg.): Aufklärung und Gegenaufklärung in der europäischen Literatur, Philosophie und Politik von der Antike bis zur Gegenwart. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1989, ISBN 3-534-10251-7
  • Werner Schneiders: Die wahre Aufklärung. Zum Selbstverständnis der Deutschen Aufklärung. Alber, Freiburg / München 1974, ISBN 3-495-47280-0
  • Werner Schneiders (Hrsg.): Lexikon der Aufklärung: Deutschland und Europa. C.H. Beck, München 1995 (Taschenbuchausg.: München: C.H. Beck, 2001. ISBN 3-406-47571-X).
  • Winfried Schröder (Hrsg.): Französische Aufklärung. Bürgerliche Emanzipation, Literatur und Bewußtseinsbildung. Reclam, Leipzig 1979
  • Jürgen Stenzel (Hrsg.): Das Zeitalter der Aufklärung (Deutsche Schriftsteller im Porträt, Bd. 2), Beck, München 1980, ISBN 3-406-06020-X
  • Barbara Stolberg-Rillinger: Europa im Jahrhundert der Aufklärung. Stuttgart 2000, ISBN 3-15-017025-7 (Rezension).
  • Fritz Wagner: Europa im Zeitalter des Absolutismus und der Aufklärung. (Handbuch der europäischen Geschichte, hrsg. von Theodor Schieder, Band 4) Union Verlag Stuttgart 1968, 3. Auflage: Verlag Klett-Cotta, Stuttgart 1996. ISBN 9783129075609

Vorlage:Link FA