BRD
BRD ist eine nichtoffizielle Abkürzung für die Bundesrepublik Deutschland, verwendet im wissenschaftlichen und insbesondere politischen Kontext analog zum Kürzel „DDR“ während der Phase zwischen 1949 und 1990.[1] In amtlichen Verlautbarungen der Bundesrepublik wird die Abkürzung seit Anfang der 1970er-Jahre nicht mehr gebraucht.[2]
Entstehung und Verwendung des Begriffs
Abkürzung in der Bundesrepublik Deutschland
Nach Gründung der Bundesrepublik wurde die Abkürzung BRD dort zunächst wertfrei verwendet.
Anfang der 1970er-Jahre begann eine Kontroverse um die Abkürzung, als in einigen Bundesländern der Gebrauch untersagt wurde, da sie durch die häufige Verwendung in der DDR als „kommunistische Erfindung“ und „Agitationsformel“ verfemt sei.[3][4] Mit der Vermeidung der Abkürzung BRD wollte sich die bundesdeutsche Seite vom Sprachgebrauch in der DDR abgrenzen und verhindern, dass west- und ostdeutscher Staat durch analoge Abkürzungen auf eine Stufe gestellt werden. Die Bundesrepublik Deutschland betrachtete sich trotz aller Lockerungen im deutsch-deutschen Verhältnis stets als völkerrechtlich einzig legitimer deutscher Staat (keine völkerrechtliche Anerkennung der DDR). Die Bezeichnung „Deutschland“ beanspruchte sie für Gesamtdeutschland und dafür stellvertretend für sich selbst. Durch die fortdauernde Verwendung dieses Begriffs sollte die Existenz einer deutschen Nation – Deutschland als Ganzes – im öffentlichen Bewusstsein gehalten werden, um das Staatsziel der Wiedervereinigung nicht zu gefährden.
Seit dem 4. Oktober 1976 gibt es einen Erlass der Schulbehörde Schleswig-Holstein, der die Abkürzung BRD für nicht „wünschenswert“ erklärt.[5] Verwaltungsrechtlich lässt sich die Unerwünschtheit aufgrund der Meinungsfreiheit nicht durchsetzen. Dennoch wurde die Schreibweise „BRD“ bis in die 1990er-Jahre hinein an einigen westdeutschen Schulen als Schreibfehler gewertet. Die amtliche Auffassung zu BRD ist einer der wenigen Fälle (siehe auch Orthographie), in dem auf diese Weise direkt in den bundesdeutschen Sprachgebrauch eingegriffen wurde.
Die linksterroristische Rote Armee Fraktion[6] benutzte ebenso die Abkürzung BRD.
In den 1980er-Jahren verband sich im Zusammenhang mit der Flick-Affäre der „gekauften Republik“ das Kürzel auch mit der Bedeutung einer „Bananenrepublik Deutschland“.[7]
Abkürzung in der Deutschen Demokratischen Republik
In der Deutschen Demokratischen Republik wurde die Bundesrepublik in den ersten beiden Jahrzehnten der Deutschen Teilung meist Westdeutschland genannt.[8][9][10] Die SED-Führung vermied damit die amtliche Bezeichnung Bundesrepublik Deutschland. In offiziellen Schreiben wurden zunächst auch die Bezeichnungen „westdeutsche Bundesrepublik“ und „Deutsche Bundesrepublik“ gebraucht. Daraus kam vor allem die Analogie zum Staatsnamen Deutsche Demokratische Republik zum Vorschein, um die von der Sowjetunion postulierte Zwei-Staaten-Theorie zu betonen und den Begriff Deutschland für eine gesamtdeutsche Nation offenzuhalten. Als Reflex darauf, dass diese Bezeichnung dann auch in der Bundesrepublik sogar teils von Vertriebenenpolitikern verwendet wurde, wies die Bundesregierung in ihren Bezeichnungsrichtlinien von 1961 „Deutsche Bundesrepublik“ als „terminologisches Pendant zur ‚Zweistaatentheorie‘“ aus, wodurch die Bezeichnung als „inkorrekt“ und „grundsätzlich zu vermeiden“ gebrandmarkt wurde.[11]
Auch die ostdeutsche Literatur nahm diese Bezeichnung auf.[12] Dies änderte sich jedoch 1968 mit dem Inkrafttreten der neuen DDR-Verfassung, mit der sich die Deutsche Demokratische Republik vom Ziel der Wiedervereinigung verabschiedete. Seither wurde in der DDR für die Bundesrepublik neben der amtlichen Staatsbezeichnung Bundesrepublik Deutschland offiziell verstärkt die Abkürzung BRD verwendet. Dies sollte die Gleichberechtigung der beiden Staaten ausdrücken, aber die Bezeichnung verbreitete sich auch im allgemeinen Sprachgebrauch.
Konsentierte bundesdeutsche Abkürzungen

In den alten Bundesländern wurden bis zur Deutschen Einheit und werden teilweise auch danach[13][14] die Abkürzungen BR Deutschland (auch BRep Deutschland), BR Dt., BR Dtl., BRDt., BRep.Dtschl., BRep. Dtschld., B’Rep. Dt., B.Rep. Dtld., BRep.D, BR Dtld. oder vereinzelt – soweit kontextbezogen – einfach BRep.[15] und Dtld. bevorzugt; eine Verwendung des Kürzels BRD war und ist von offizieller Seite nicht erwünscht (vgl. auch „Heutige Verwendung“). Im mündlichen Sprachgebrauch war der Kurzname Bundesrepublik für die Bundesrepublik Deutschland gebräuchlich.
Kfz-Nationalitätszeichen
Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR entstand ein Streit über die Zuteilung des bisherigen Kraftfahrzeug-Nationalitätszeichens D für Deutschland, auch „D-Schild“ genannt. Die Deutsche Demokratische Republik war mit der Zuteilung von „DDR“ einverstanden, verlangte aber von der Bundesrepublik die Verwendung der Abkürzung „BRD“ als Folge der Teilung. Aufgrund des Alleinvertretungsanspruches und der (Teil-)Identität mit dem Deutschen Reich bestand die Bundesrepublik aber weiterhin auf dem D als Kennzeichen und konnte sich international auch durchsetzen.
Um übrigen Forderungen nach einer Abkürzung BRD entgegenzutreten, wurde deren Verwendung im amtlichen Schriftverkehr der Bundesrepublik Deutschland verboten und war im allgemeinen Sprachgebrauch nicht erwünscht. In der DDR wurde ab dem 1. Januar 1974 das Nationalitätskennzeichen DDR vorgeschrieben. Vorher wurde auch dort das Zeichen D verwendet. Daher auch der Name für das westdeutsche Fernsehmagazin Kennzeichen D, das über Aktuelles in Ost und West berichtete.
Internationale Abkürzungen
International waren und teilweise sind die entsprechenden Abkürzungen wie FRG (für Federal Republic of Germany) im Englischen und RFA (République Fédérale d’Allemagne) im Französischen üblich. Die russische Abkürzung ФРГ (für Федеративная Республика Германия, Federatiwnaja Respublika Germanija) ist auch heute noch sehr gebräuchlich.
Für das vereinigte Deutschland haben sich verschiedene Abkürzungen durchgesetzt:
- D: als Kfz-Nationalitätszeichen und zivile Luftfahrzeug-Kennung,
- DE (neben DEU Landescode des internationalen Standards ISO 3166): im Internet und internationalen Adressen (z. B. in Luftfrachtbriefen)
- GER (offizielles Mannschaftskürzel des IOC; lat. Germania): bei internationalen Sportereignissen.
Heutige Verwendung
Seit dem Ende des Kalten Krieges Ende des 20. Jahrhunderts und mit der Deutschen Wiedervereinigung hat die Diskussion um die Abkürzung BRD ihre Brisanz verloren. So setzt der Duden seit den 1990er-Jahren „BRD“ mit „Bundesrepublik Deutschland“ gleich, während er zu Zeiten des Kalten Krieges noch darauf bestand, dass es sich um eine „nichtamtliche Abkürzung“ handelte. Seit den 1990er-Jahren verwendet die dem Bundesministerium des Innern unterstellte Bundeszentrale für politische Bildung in Veröffentlichungen zuweilen die Abkürzung BRD. Teilweise wird die Abkürzung auch in den Medien verwendet, z. B. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung,[16] oder der Süddeutschen Zeitung[17] auch wenn sie sich inzwischen auf das wiedervereinigte Deutschland bezieht.
Vereinzelt wird heute noch von Rechtsextremisten wie Horst Mahler sowie Nationalisten die Abkürzung BRD im Sinne politischer Agitation verwendet, um darzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland aus ihrer Sicht zum einen nur einen Teil Deutschlands (jenes in den Grenzen von 1937) beinhalten würde – in revanchistischen Kreisen misst man dem deutsch-polnischen Grenzvertrag zu den ehemaligen deutschen Ostgebieten von 1990 keine Bedeutung zu – und zum anderen kein souveräner Staat sei, sondern lediglich eine „Organisationsform einer Modalität der Feindmächte des Deutschen Reiches“ (OMF-BRD)[18][19] – in Anlehnung an den von Carlo Schmid 1948 geprägten Begriff der „Organisationsform einer Modalität der Fremdherrschaft“. Außerdem wird das Kürzel verwendet in Darstellungen, die die Bundesrepublik als illegitimen Staat ansehen, dessen Regierung so genannte Kommissarische Reichsregierungen gegenüber gestellt werden.[20]
Ähnlicher Streitfall
→ Hauptartikel: Berlin-Frage
Eine vergleichbar ideologisch geführte Diskussion gab es um die Begriffe Berlin (West), West-Berlin und Westberlin mit der Abkürzung WB.[21] Die in Berlin (West) und der Bundesrepublik Deutschland („Westdeutschland”) benutzte Klammerkonstruktion sollte die Einheit der Stadt Berlin, die in zwei Teile geteilt war, klarstellen. Seitens der DDR wurde durch die Zusammenschreibung „Westberlin“ versucht, den Eindruck eines eigenständigen geographischen (wie z. B. Westindien) und politischen Gebietes („Selbständige politische Einheit Westberlin“) zu schaffen, und dieses von Berlin, Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik abzugrenzen.
Ebenso ergab sich eine politische Debatte um den Begriff „Westdeutschland“ oder auch hinsichtlich dessen, dass die DDR nicht Ausland zur Bundesrepublik sein könne, um die Abkürzung „DDR“, die z. B. in der Springer-Presse nur in Anführungszeichen verwendet wurde.
Literatur
- Helmut Berschin: Deutschland – ein Name im Wandel. Die deutsche Frage im Spiegel der Sprache. Olzog, München/Wien 1979, ISBN 3-7892-7180-2.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Dieter Nohlen (Hrsg.): Lexikon der Politik. C.H. Beck, München 1995.
- ↑ Georg Stötzel, Martin Wengeler, Karin Böke: Kontroverse Begriffe. Geschichte des öffentlichen Sprachgebrauchs in der Bundesrepublik Deutschland. Walter de Gruyter, 1995, S. 317–322.
- ↑ Vgl. dazu Helmut Berschin, Deutschland – ein Name im Wandel. Die deutsche Frage im Spiegel der Sprache. München 1979, S. 25 ff.; er weist „BRD“ für die DDR als Ersatzbezeichnung für ältere Kampfbezeichnungen wie „westdeutscher Separatstaat“, „Bonner Regime“ u. ä. aus.
- ↑ Georg Stötzel, Martin Wengeler, Karin Böke, Kontroverse Begriffe: Geschichte des öffentlichen Sprachgebrauchs in der Bundesrepublik Deutschland, de Gruyter, Berlin/New York 1995, ISBN 3-11-014106-X, S. 320.
- ↑ Bezeichnung „Bundesrepublik Deutschland“ im Schulunterricht. In: Internet Archive. 4. Oktober 1976, abgerufen am 12. August 2008.
- ↑ Rote Armee Fraktion: Auflösungserklärung der RAF. 20. April 1998 (extremismus.com [abgerufen am 11. August 2008]).
- ↑ Herbert Ernst Wiegand: Studien zur neuhochdeutschen Lexikographie, Georg Olms Verlag, 1986, ISBN 3-487-07838-4, S. 104
- ↑ Werner Weidenfeld, Karl-Rudolf Korte: Handbuch zur deutschen Einheit. 1949–1989–1999. Campus Verlag, 1999, S. 222.
- ↑ Werner Besch et al.: Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. 2. Auflage. 2. Teilband. Verlag Walter de Gruyter, 1998.
- ↑ Georg Stötzel, Martin Wengeler, Karin Böke: Kontroverse Begriffe. Geschichte des öffentlichen Sprachgebrauchs in der Bundesrepublik Deutschland. Verlag Walter de Gruyter, 1995, S. 317 ff.
- ↑ Richtlinien für die Schreibweise von Namen, die Bezeichnung von Gebieten und Grenzen und die Darstellung der deutschen Grenzen in Karten und Texten vom 1. Februar 1961; hier zit. nach Ernst Deubelli, Die Deutschlandpolitik in ihrer politischen Sprache – Eine Untersuchung über den Zeitraum von 1949 bis zum Inkrafttreten des Grundlagenvertrages 1973. (Diss.) München 1982, S. 74.
- ↑ I. Agranowski, E. Rosental, M. Zunz et al.: UdSSR – Fragen und Antworten. Hrsg.: Presseagentur Nowosti. Dietz Verlag, Berlin 1967, S. 612 ff.
- ↑ Siehe z. B. die verwendete Abkürzung auf dejure.org
- ↑ Siehe in VIZ 1997 Heft 4 Rechtsprechung auf beck-online (C.H. Beck)
- ↑ Buddendiek/Rutkowski, Strafrechtliche Nebengesetze, 31. Auflage 2007, Kap. „Abkürzungen“, in: Stichwortband. Lexikon des Nebenstrafrechts auf beck-online (C.H. Beck)
- ↑ Tobias Wiethoff: Regionenvergleich. In: FAZ.NET. 21. März 2005, abgerufen am 11. August 2008.
- ↑ sueddeutsche.de: 60 Jahre BRD – interaktive Zeitreise, abgerufen am 24. Januar 2010
- ↑ Freie und Hansestadt Hamburg (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht 2006. Rechtsextremismus. Hamburg 2007, S. 193.
- ↑ Behörde für Inneres – Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz (LfV): Antisemitismus / Revisionismus
- ↑ Frank Schmidt: Die "KRR"-FAQ. Abgerufen am 11. August 2008 (Private Internetseite des Juristen Frank Schmidt, die sich mit den so genannten Kommissarischen Reichsregierungen auseinandersetzt).
- ↑ Siehe unter anderem die Wegweiser vor den Grenzkontrollstellen: Transit BRD – WB