Amazonen
Amazonen war der Name, den die Griechen matriarchalisch lebenden Volksstämmen aus Nordafrika, Anatolien und am Schwarzen Meer gaben.
Bereits Homer nennt Amazonen in der im 8. Jh. v. Chr. verfassten Ilias an zwei Stellen: 1. Im Zusammenhang mit dem Bellerophontes-Mythos (Ilias VI,186; s.u.) 2. Hat Priamos in seiner Jugend auf Seiten der Phryger gekämpft, als diese von Amazonen attackiert wurden (Ilias III, 184ff.). Eine Sage, die diesen Kampf schildert, ist uns nicht erhalten. Homer setzte sie jedoch beim Leser als bekannt voraus. Wie auch das Wissen um die Existenz der Amazonen an sich. Man muß demnach annehmen, dass Amazonensagen sehr alt sind.
Sueton, ein römischer Historiker aus dem 1. Jahrhundert schrieb, dass die Amazonen "einst einen großen Teil Asiens beherrschten" (er meinte wohl die Skythen). Noch im 5. Jahrhundert wurde das Schwarze Meer auch "Amazonenmeer" genannt. Herodot schrieb im 5. Jahrhundert v. Chr. die zwischen Kaspischem und Schwarzem Meer ansässigen Sauromaten ( sie sind zu den Sarmaten zu rechnen) wären aus einer Vermischung von Skythen und Amazonen entstanden. Vor einigen Jahren ist in diesem Gebiet tatsächlich ein Gräberfeld aus dem 6.-4- Jh. v. Chr. entdeckt worden (s.u.). Herodot schreibt auch von den libyschen Amazonen. Auch Diodor erwähnt die "kriegerischen Frauen aus Libyen". Die afrikanischen Berber und Tuareg führen ihre Herkunft noch heute auf Kriegerinnen zu Pferde zurück.
Herkunft des Namens
Die Amazonen sollen ihren kleinen Töchtern - laut späten Quellen - die rechte Brust ausgebrannt haben, um den Bogen ungehindert handhaben zu können. Deshalb wurde die griechische Bezeichnung "Amazone" oft auf a-mazos (brustlos) zurückgeführt. Dies ist jedoch nicht die einzig mögliche Deutung des Namens.
Amazonen der Mythologie
Nach der griechischen Mythologie hatten die Amazonen ihre Hauptstadt am Thermodon im Pontos-Gebiet (Nordost-Kleinasien). Amazonenstämme hielten aber auch Kappadokien, Samothrake und Lesbos besetzt. Sie gründeten u.a. die Städte Kyme, Myrne und Paphos. Auch das Artemision von Ephesos soll ursprünglich von Amazonen mitgegründet worden sein. Während des Krieges um Troja kamen Amazonenkriegerinnen der Stadt zu Hilfe. Ihre Königin Penthesilea fiel gegen Achilles.
Nach Homer mußte Bellerophontes bei seinem Aufenthalt in Lykien u.a. gegen Amazonen kämpfen. Theseus, der König von Attika entführte eine Amazonenkönigin: Antiope, die Schwester von Hippolyte. Antiope wurde von Theseus erschlagen, Hippolyte von Herakles, der ihren magischen Gürtel stehlen wollte. Aus Rache drangen die Amazonen in Griechenland ein, plünderten einige Städte an der Küste und belagerten Athen. Viel später verbündete sich eine Amazonenkönigin, Artemisia mit dem persischen Xerxes, um mit ihm zusammen in der Schlacht von Salamis (480 v. Chr.) zu kämpfen.
Die griechischen Mythen erwähnen auch verschiedene Inseln, auf denen Frauen ohne Männer gelebt haben sollen, die nur zu bestimmten Zeiten mit den Männern benachbarter Siedlungen Kontakt hatten, um von ihnen geschwängert zu werden. Diese Frauenvölker werden aber nicht konsequent als "Amazonen" bezeichnet. Zum Beispiel die Inseln Tamnos, Lemnos und Lesbos sollen solche Fraueninseln gewesen sein. Die Frauen von Tamnos opferten ihrer Göttin alle Männer, die an ihren Küsten landeten. Über jene von Lemnos wurde gesagt, sie hätten sich gegen ihre Männer erhoben und alle gleichzeitig ermordet.
Amazonenvölker in anderen Regionen der Welt
Es wird für möglich gehalten, dass die realen Vorbilder für die Amazonen bei den Griechen die Sarmaten waren. Man hat in Südrussland und der Ukraine zahlreiche Gräber (Kurgane) sarmatischer Frauen gefunden, die mit Waffen und Rüstungen begraben wurden. In der Frühzeit (600 v.Chr. bis 300 v.Chr.) wurden den weiblichen Gräbern sogar mehr Waffenbeigaben beigefügt als den männlichen. Die Waffen weisen Gebrauchsspuren auf, sind also von den Frauen sehr wahrscheinlich auch benutzt worden. Des weiteren gibt es Theorien, nach denen die Sarmaten in ihrer Anfangszeit matriarchalisch geprägt waren.
Auch die Walküren, die Kriegerinnen aus Walhalla aus der nordischen Sagenwelt können als Amazonen betrachtet werden. Unter den Wikingern gab es echte Amazonen: weibliche Häuptlinge und Heerführerinnen. Die norwegische Flotte, die im 10. Jahrhundert in Irland einfiel und Ulster dem Erdboden gleich machte, wurde angeführt von einer Kriegerin, die "die rote Frau" genannt wurde. In Irland selbst gab es bis ins 7. Jahrhundert Kriegerinnen, dann wurde den Frauen von der christlichen Kirche das Tragen von Waffen verboten. In den Ländern um das Schwarze Meer herum trugen viele Frauen bis ins 18. Jahrhundert hinein Männerkleider, ritten rittlings und kämpften an der Seite der Männer.
Auch auf anderen Kontinenten gab es Amazonenvölker. So zeigte sich zum Beispiel Kolumbus beeindruckt von den Arawak-Frauen auf Santa Cruz, die in der Armee mitkämpften. Der Fluss Amazonas ist ebenfalls nach einem kriegerischen Volk benannt, das anscheinend ohne Männer lebte. Wie schon bei den Griechen ist es jedoch auch hier schwierig, Geschichte und Legenden auseinander zu halten.
Literatur
- Gerhard Pöllauer: Die verlorene Geschichte der Amazonen. 2003. ISBN 3902096888