Bergfriedhof (Tübingen)
Der Bergfriedhof auf dem Tübinger Galgenberg wurde 1950 offiziell eröffnet und ist seitdem als einer von vierzehn Friedhöfen der Hauptfriedhof der Stadt. Bereits zuvor mussten während des Zweiten Weltkriegs aus Platzmangel auf dem im Käsenbachtal gelegenen Stadtfriedhof erste Bestattungen auf dem Galgenberg in der Nähe der Kalleehöhe vorgenommen werden.[1]
Geschichte
Im Jahr 1945 wurde das etwa 24 Hektar große Gelände bereitgestellt und sofort mit der Planung und Anlage begonnen. Bereits 14 Tage später fand die erste Beerdigung statt. In einem bestehenden Eichenhain wurden 410 im Zweiten Weltkrieg gefallene Soldaten und 14 Tübinger Luftkriegstote zur letzten Ruhe gebettet. Im Frühjahr 1948 erhielt dieses Gräberfeld unter der Leitung von Gartenarchitekt Hans Koch eine würdige Gestaltung.[2].
Als erstes Gebäude wurde die Waldkapelle in der Nähe des Kriegsgräberfeldes am 16. Juli 1950 unter reger Anteilnahme der Tübinger Bevölkerung eingeweiht. Nach der Eröffnung der großen Trauerhalle mit 250 Sitzplätzen am Totensonntag 1969 geriet die Waldkapelle zunehmend in Vergessenheit. Im Dezember 2006 beschloss der Tübinger Gemeinderat auf Initiative der Friedhofsverwaltung die Renovierung und Wiedereröffnung der denkmalgeschützten Waldkapelle, um dem Wunsch nach kleineren Räumlichkeiten mit bis zu 40 Sitzplätzen nachzukommen. Die denkmalgerecht sanierte Kapelle wurde im Oktober 2007 wiedereröffnet.
Der Bergfriedhof hat aber modernste Anlagen. Es gibt beispielsweise Gemeinschaftsgrabanlagen wie Garten der Zeit, Fluss der Zeit und eine Abteilung für Totgeburten, Schmetterling, deren Planungskonzept auf ein neues Verständnis des Ortes „Friedhof“ schließen lassen.[3] Muslime werden bisher innerhalb der bestehenden Grabfelder und der Kindergemeinschaftsgrabstätte bestattet, da deren Lage eine nach Mekka ausgerichtete Lagerung des Leichnams nach den islamischen Vorschriften ermöglicht.[4]
Bestattete Personen
Der Bergfriedhof ist nicht ganz so prominent belegt wie der Stadtfriedhof, hat aber durch die Nähe zur Universität Tübingen einige prominente bestattete Personen:
- Ugge Bärtle (1907-1990); Bildhauer.[5]
- Emma Brunner-Traut (1911-2008); Ägyptologin.
- Ernst Bloch (1885-1977); marxistischer Philosoph.
- Karola Bloch geb. Piotrowska (1905-1994); Architektin, Publizistin, Kommunistin und Aktivistin in Frauen- und Antiatomkraftbewegung.
- Eberhard Braun (1941-2006); Philosoph, marxistischer Theoretiker und Professor für Philosophie an der Universität Tübingen.
- Helmut Calgéer (1922-2010); Musiker.[6]
- Manfred Eggstein (1927-1993); Internist.
- Theodor Eimer (1843-1898); Zoologe. Nach ihm wurden die sogenannten Eimerschen Organe von Maulwürfen benannt.
- Theodor Eschenburg (1904-1999); Politikwissenschaftler, Staatsrechtler und erster Lehrstuhlinhaber für Politikwissenschaften in Deutschland.
- Konrad Gaiser (1929-1988); Platon-Interpret und Ordinarius für Klassische Philologie in Tübingen.
- Helmuth von Glasenapp (1891-1963); Indologe und Religionswissenschaftler.
- Hermann Grees (1925-2009); Professor für Geografie an der Universität Tübingen.
- Hartmut Gründler (1930-1977); Tübinger Lehrer, der sich aus Protest gegen „Falschinformationen“ in der Atompolitik selbst verbrannte.
- Martin Hengel (1926-2009); evangelischer Theologe.
- Willi Hennig (1913-1976); Biologe.
- Friedrich Lang (1913-2004); Pfarrer und Theologe sowie 1956-1970 Ephorus des Tübinger Stiftes.
- Rüdiger Lutz († 2006); Architekt, Publizist, Zukunftsforscher und Futurologe.
- Hans Rothfels (1891-1976); deutsch-amerikanischer Historiker.
- Wolfgang Schadewaldt (1900-1974): Literaturwissenschaftler, Altphilologe, Übersetzer und Ordinarius für Klassische Philologie.
Die Glocke
Die 400 kg schwere historische b-Glocke der Aussegnungshalle des Bergfriedhofs wurde 2008 von im Glockenschweißwerk Lachenmeyer in Nördlingen ausgebessert, um den ursprünglichen Klang wiederherzustellen, indem die ausgeschlagenen Stellen der Glocke instandgesetzt wurden. Bevor die Glocke 1969 auf den Bergfriedhof gebracht wurde, läutete sie im Geläut der evangelischen St. Peterskirche in Dußlingen, die im Dezember 1960 neue Glocken bekommen hatte. Die Glocke aus der Werkstatt eines bekannten Rokoko-Meisters trägt die Inschrift: „CHRISTIAN LUDWIG NEUBERT GOSS MICH IN LUDWIGSBURG ANNO 1763“ und ist mit Girlanden aus Früchten und Fruchtgehängen verziert. Ihr Durchmesser beträgt 86 cm, ihre Höhe 67 cm. Seit 2008 kann die Friedhofsglocke auch von der Waldkapelle aus über eine Funkfernsteuerung geläutet werden. In der Gießerei von Herrn Neubert soll sich auch Friedrich Schiller die Anregungen für sein Lied von der Glocke geholt haben.[7]
Quellen
- ↑ Stadtfriedhof – Wiedereröffnung 2002, Herausgegeben von der Universitätsstadt Tübingen, 2002.
- ↑ 60 Jahre – Bergfriedhof – ein entwicklungsgeschichtlicher Rundgang, Pressemitteilung der Universitätsstadt Tübingen, Pressestelle der Universitätsstadt Tübingen, 9. Juli 2010.
- ↑ Unimax: Uniwelle Tübingen aktuell, Universitätsradio der Eberhard Karls Universität Tübingen.
- ↑ Einrichtung eines muslimischen Gräberfeldes und eines sogenannten Friedwaldes, Berichtsvorlage zur Behandlung im Verwaltungsausschuss der Universitätsstadt Tübingen, Vorlage 526a/2007, SBT/7045, 10. September 2007.
- ↑ Otto Buchegger: Der Bergfriedhof in Tübingen TUEPPS – Tübingen Tipps.
- ↑ Wilhelm Triebold: Die Musikschule bleibt sein Vermächtnis: Zum Tod von Helmut Calgéer, Schwäbisches Tagblatt, 21. April 2010.
- ↑ Glocke des Bergfriedhofes wird restauriert, Universitätsstadt Tübingen, 11. September 2008.
Koordinaten: 48° 30′ 18,1″ N, 9° 4′ 14,5″ O