Totschlag
Totschlag (in früherer Orthographie auch Todschlag[1]) bezeichnet im Strafrecht eine Form der vorsätzlichen Tötung eines Menschen. Der Begriff wird in den deutschsprachigen Ländern unterschiedlich verwendet.
== Deutsches Strafrecht ==Hallo=>
Im deutschen Strafrecht bezeichnet Totschlag die vorsätzliche Tötung eines Menschen, die weder die die Strafdrohung erhöhenden Kriterien für Mord, noch die privilegierenden und damit die Strafdrohung mindernden für eine Tötung auf Verlangen erfüllt.
(Grund-)Tatbestand
Der Tatbestand ist in § 212 StGB enthalten.
Unterschied zum Mord-Tatbestand
Er unterscheidet sich vom Mord (§ 211 StGB) durch das Fehlen von Mordmerkmalen. Die Strafandrohung für Totschlag ist dementsprechend niedriger. Die Tat ist mit Freiheitsstrafe von 5 bis 15 Jahren bedroht, in besonders schweren Fällen kann jedoch eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängt werden (§ 212 II StGB). In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren (§ 213 StGB).
Beginn und Ende des „Lebens“ (Schutzbereich)
Entscheidend kommt es dabei auf die Subjektsqualität des Opfers als „Mensch“ im Sinne der Tötungsdelikte an, die nur in Grenzbereichen (insbes. Beginn und Ende) fraglich sein kann.
Erst ab dem Beginn der Geburt werden Handlungen (nach fast unbezweifelter[2] herrschender Meinung)[3] ggf. als Tötungsdelikte bewertet, also insbesondere als Totschlag. Für Eingriffe vor diesem Zeitpunkt sind allein die Normen zum Schwangerschaftsabbruch, also die §§ 218 ff. StGB, relevant. Zur Begründung für diese Abgrenzung berief sich der Bundesgerichtshof (BGH) unter anderem auf den Wortlaut des (inzwischen aufgehobenen) früheren § 217 StGB („Kindstötung“), der eine Strafmilderung (Privilegierung) für die Mutter eines nichtehelichen Kindes „in oder gleich nach der Geburt“ gegenüber den §§ 211, 212 StGB darstellte. Daraus, dass das Kind auch „in der Geburt“ vor einem Tötungsdelikt im engeren Sinne geschützt wurde, folgerte der BGH, dass das Leben im Sinne dieser Tötungsdelikte mit der Geburt anfange. Der Beginn der Geburt wird nach ebenso überwiegender Auffassung beim normalen Geburtsverlauf mit dem Beginn der Eröffnungswehen (oder bei operativen Methoden der Eröffnung der Gebärmutter) gleichgesetzt. Dies wird insbesondere mit der entsprechenden Definition des Geburtsvorgangs in der Medizin und mit der hohen Gefährdung und Schutzbedürftigkeit des Kindes von diesem Punkt an begründet.[4] Nach Aufhebung der Sonderregelung für die „Kindstötung“ (§ 217 StGB a. F.) wird diese Rechtsauffassung wegen eines fehlenden Willens des Gesetzgebers, eine Änderung der Rechtslage hinsichtlich dieser Abgrenzung durchzuführen, (weiterhin bis auf vereinzelte Gegenmeinungen) beibehalten.[5]
Das Leben endet nach herrschender juristischer Meinung mit dem eingetretenen Hirntod, also dem Erlöschen jeglicher Aktivitäten des Gehirns, unabhängig davon, ob andere Körperfunktionen noch (zum Beispiel für geplante Organtransplantationen) aufrechterhalten werden.
Verhältnis zum Mord
Die herrschende Lehre (h. L.) betrachtet Totschlag als sog. Grunddelikt und Mord als dessen Qualifizierung; die Rechtsprechung sah bisher in Mord und Totschlag eigenständige Delikte. Diese Differenz hat in bestimmten Fallkonstellationen Auswirkungen auf die Anwendung von Strafrechtsnormen des Allgemeinen Teils (vgl. § 28 Abs. 1 oder 2 StGB).
(Andere) Strafverschärfungen und Strafmilderungen
Absatz 2 von § 212 StGB nennt den besonders schweren Fall des Totschlags. Es handelt sich hierbei um eine Strafzumessungsregel, die strafverschärfend wirkt und die Strafandrohung auf lebenslange Freiheitsstrafe erhöht. Sie findet Anwendung, wenn die Schuld des Totschlägers ebenso schwer wie die eines Mörders wiegt. Anstelle der fehlenden Mordmerkmale müssen besondere Umstände hinzutreten, durch die - wie bei Mord - das nötige Maß an „auf sittlich niedrigster Stufe stehender“ (BGH) besonderer, „geradezu verächtlicher“ Verwerflichkeit erreicht wird.
In § 213 StGB geregelt ist der minder schwere Fall des Totschlags. Er ermöglicht eine mildere Bestrafung desjenigen, der ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen gegenüber begangene Misshandlung oder schwere Beleidigung zum Zorn gereizt und auf der Stelle zur Tat hingerissen wurde. Daneben nennt das Gesetz noch den nicht weiter charakterisierten sonstigen minder schweren Fall, bei dem eine Gesamtwürdigung aller strafzumessungsrelevanten Umstände vorzunehmen ist. § 213 stellt keinen eigenen Tatbestand, sondern ebenfalls eine Strafzumessungsregel dar, die den Regelstrafrahmen des Totschlages auf ein Jahr bis zu zehn Jahre absenkt. Der Totschlag in einem minder schweren Fall entspricht etwa dem, was in der Schweiz als in Artikel 113 des Schweizer StGB als Totschlag definiert ist; die Tötung „in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung oder unter großer seelischer Belastung“, also eine Affekttat (zu Mord und Totschlag in der Schweiz siehe unter Mord - Schweiz).
Abgeschafft ist die frühere Qualifikation des Totschlags an Verwandten aufsteigender Linie („Aszendententotschlag“), die die Mindeststrafe von fünf auf zehn Jahre anhob und eine Strafrahmensenkung wegen mildernder Umstände ausschloss. 1998 wurde im Zuge des 6. Strafrechtsreformgesetzes auch die Kindstötung (§ 217 StGB a.F.) abgeschafft. Diese sah als Privilegierung einen geringeren Strafrahmen für eine Mutter vor, die ihr nichteheliches Kind unmittelbar nach der Geburt tötete. Derartige Fälle unterfallen nun auch dem Totschlag. In der Regel liegt dann aber ein sonstiger minder schwerer Fall vor.
In einem eigenen Paragraphen geregelt ist der Fall, in dem der Täter das Opfer auf dessen Verlangen hin tötet (Tötung auf Verlangen, § 216 StGB). Liegen die Voraussetzungen dieser Privilegierung nicht vollständig vor, so kommt auch hier ein Totschlag bzw. ein minder schwerer Fall des Totschlags in Betracht.
Statistik
Im Jahr 2006 fielen nach der deutschen Polizeilichen Kriminalstatistik (vgl. BKA [3]) 1650 Personen einem Totschlag bzw. einer Tötung auf Verlangen zum Opfer.
Österreichisches Strafrecht
Im österreichischen Strafrecht hat der Begriff Totschlag eine andere Bedeutung als in Deutschland. In Österreich ist das Delikt des Totschlages im § 76 StGB geregelt und stellt eine privilegierte Form des Mordes (§ 75 StGB) dar. Mit dem Grundtatbestand des Mordes hat der Totschlag gemein, dass beide Delikte einen Tötungsvorsatz voraussetzen: Der Täter hielt es zumindest ernsthaft für möglich und fand sich damit ab, dass seine Tat zum Tod eines anderen führt. Beim Totschlag kommt aber als besonderes Privilegierungsmerkmal hinzu, dass der Täter in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung gehandelt hat, also im Affekt, wobei sowohl sthenische (Wut, Zorn etc.) als auch asthenische Affekte (Schrecken, Verzweiflung etc) zum Tragen kommen können.
Im Vorsatzelement unterscheidet sich der Totschlag etwa von der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§ 86 StGB), bei der zwar eine Körperverletzung vorsätzlich erfolgt, der Täter im Hinblick auf deren tödlichen Ausgang aber nur fahrlässig gehandelt hat (vereinfacht gesagt: Der Täter „will“ einen anderen „nur“ verletzen, verursacht dabei aber – ungewollt – dessen Tod.)
Schweizer Strafrecht
In der Schweiz ist der Totschlag im Art. 113 des Strafgesetzbuches geregelt.
Wortlaut
Dieser lautet:
Totschlag
Handelt der Täter in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung oder unter großer seelischer Belastung, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Systematik und Rechtsvergleich
Der Tatbestand beschreibt eine besondere Art der vorsätzlichen Tötung und unterscheidet sich damit von der Definition im deutschen Recht. Nicht der Normalfall („Grundtatbestand“) einer Tötung mit Vorsatz wird hier beschrieben, sondern eine nicht ganz so strafwürdige Form der Tötung mit Vorsatz. Insofern ähnelt der Schweizer Totschlag eher dem österreichischen Totschlag.
Neben der „unter Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung“ (Affekt) ist auch die „große seelische Belastung“ eine Tatbestandsvariante des Totschlags. Der Totschlag gemäß Art. 113 sStGB entspricht in Deutschland daher in etwa dem „minder schweren Fall des Totschlags“ (s. o.) nach § 213 des deutschen StGB.
Im Unterschied zu Österreich ist in der Schweiz die „vorsätzliche Tötung“ nach Art. 111 sStGB der Grundtatbestand der Tötungsdelikte und nicht „Mord“. Demnach ist Totschlag eine weniger schwere (privilegierte) Form der „vorsätzlichen Tötung“, während „Mord“ (Art. 112 sStGB) die schwerere (qualifizierte) Form der „vorsätzlichen Tötung“ darstellt. In der dreiteiligen Systematik ähnelt das Schweizer Recht der vorsätzlichen Tötungsdelikte insofern der Rechtslage in Deutschland. Dies ist angesichts des Schweizer 'Vorbilds' für die deutsche Regelung auch nicht verwunderlich (siehe bei Mord, Unterpunkt: Geschichte).
Einzelnachweise
- ↑ Todschlag ist nach derzeit geltender Rechtschreibregelung eine Falschschreibung.
- ↑ Anderer Ansicht offenbar nur Rolf Herzberg/Annika I. Herzberg, Der Beginn des Menschseins im Strafrecht: Die Vollendung der Geburt, JZ 2001, S.1106 ff. (Welche sogar auf die Vollendung der Geburt abstellen wollen)
- ↑ Bundesgerichtshof (BGH), Az..: 5 StR 347/56 vom 20. November 1956, BGHSt 10, 5 f. (zur Begehung von § 218 StGB durch Verursachung einer lebenden, aber nicht überlebensfähigen Frühgeburt); BGH, Az.: 3 StR 25/83 vom 22. April 1983, BGHSt 31, 348 (348 [1. Leitsatz], 351 f.); BGH, Az.: 1 StR 665/83 vom 7. Dezember 1983, BGHSt 32, 194 (194[Leitsatz], 197)[1] (Mord und nicht bloß Schwangerschaftsabbruch am Kind in der Geburt, wenn jemand eine Schwangere nach Beginn der Eröffnungswehen einen Abhang hinunter stößt); Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, 54. Auflage, Rn. 2 vor §§ 211 bis 216; ausführlich: Hans Lüttger, Der Beginn der Geburt und das Strafrecht, Probleme an der Grenze zwischen Leibesfruchtcharakter und Menschenqualität,, JR 1971, S. 133 (134 f.), jeweils m. w. N.
- ↑ BGH, Az.: 1 StR 665/83 vom 7. Dezember 1983, BGHSt 32, 194 (197)[2] unter Berufung auf Lüttger (s. o.), JR 1971, S. 133 (134 f.)
- ↑ Tröndle/Fischer, Strafgesetzbuch, 54. Auflage, Rn. 2 und 3 vor §§ 211 bis 216 mit weiteren Nachweisen.