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Acetonperoxid

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Strukturformel
Bruttoformel nach Lewis von trimerem Acetonperoxid
Allgemeines
Name trimeres Acetonperoxid
Andere Namen Triacetontriperoxid, Tricycloacetonperoxid, 3,3,6,6,9,9-Hexamethyl-1,2,4,5,7,8-hexoxonan; 3,3,6,6,9,9-Hexamethyl-1,2,4,5,7,8-hexaoxacyclononan, "TCAP", "APEX", "TATP"
Summenformel C9H18O6
CAS-Nummer 17088-37-8
Kurzbeschreibung farblose monokline Kristalle mit „würzigem“ Geruch
Eigenschaften
Molmasse 222,24 g/mol
Aggregatzustand fest
Dichte 1,22 g/cm³
Schmelzpunkt 97 °C
Explosionstemperatur 130 °C
Löslichkeit Unlöslich in Wasser; schwer löslich in Ethanol, Isopropanol, Glycerin, Eisessig; löslich in Aceton, Ether, Ethylacetat, Hexan, Benzol
Sicherheitshinweise
Gefahrensymbole
Explosionsgefährlich
E
Explosionsgefährlich
R- und S-Sätze

R:
S:

MAK -
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Normbedingungen.

Acetonperoxid ist ein hochexplosiver Initialsprengstoff. Wie die meisten organischen Peroxide ist auch Acetonperoxid instabil und kann durch Stoß, Wärme, Reibung, Funken, Elektrizität oder UV-Licht zerfallen und heftig detonieren, ist aber im Unterschied zu weniger gefährlichen Peroxiden wie Dibenzoylperoxid viel empfindlicher gegen Schlag und Wärme. Man unterscheidet dimeres, trimeres und tetrameres Acetonperoxid, welche unter unterschiedlichen Bedingungen (z.B. in Abhängigkeit vom benutzten Katalysator) gebildet werden. Alle Acetonperoxide sind hochexplosiv und sehr gefährlich.

Eigenschaften

  • Flüchtig an Luft („würziger Geruch“)
  • Offen an Luft bei 25°C: Substanzverlust durch Sublimation (68,6% in 14 Tagen).
  • Flüchtig mit Wasserdampf oder Ether. Trimeres Acetonperoxid zerfällt beim Erwärmen mit verdünnten Säuren (H2SO4 10%) unter Rückfluss quantitativ in Aceton und Wasserstoffperoxid
  • Wird von Essigsäureanhydrid nicht verändert. Reagiert nicht mit Kaliumjodid-Essigsäure.
  • Wird von 1N Natronlauge auch beim Erwärmen nicht angegriffen.
  • Zinkstaub und Natronlauge reduzieren dimeres Acetonperoxid langsam in der Kälte
  • Reizend (bei nur geringer akuter Toxizität), hochentzündlich, hochexplosiv
  • Besonders empfindlich gegen Zündung durch Funken, Flamme, Wärme, Schlag und Reibung
  • Detonationsgeschwindigkeit: 5290-5400 m/s (Dichte 1.18-1.2 g/cm³)
  • Sauerstoffwert: -151,3 %
  • Bleiblockausbauchung: 250 cm³/10 g
  • Schlagempfindlichkeit: 0,03 kp m = 0,3 Nm
  • Reibeempfindlichkeit: 0,01 kp

Herstellung

Trimeres Acetonperoxid entsteht bei Einwirken von Wasserstoffperoxid auf Aceton in salzsaurer Lösung: 3 C3H6O + 3 H2O2 => C9H18O6 + 3 H2O .

Stark exotherme Reaktion unter Anwesenheit von Salzsäure oder Phosphorsäure. Explosionsgefahr! Daneben wird es bei der Oxidation von Diisopropylether durch Luftsauerstoff oder in Ozonisierungsreaktionen gebildet. Dimeres Acetonperoxid (Schmelzpunkt 131.5-113°C) entsteht bei Einwirkung Caro'scher Säure oder Schwefelsäure und Wasserstoffperoxids auf Aceton. Tetrameres Acetonperoxid wurde vor wenigen Jahren in obiger Reaktion bei Verwendung von Lewis-Säuren als Katalysator gewonnen.

Wenngleich Acetonperoxid leicht herstellbar ist und sich Experimente damit speziell bei Jugendlichen einer gewissen Beliebtheit erfreuen, muss darauf hingewiesen werden, dass dieser Stoff wie andere ähnlich labile organische Peroxide mit mehreren Peroxy-Gruppen pro Molekül ausserordentlich instabil und gefährlich ist und darüber hinaus dem Sprengstoffrecht (insbesondere der Erlaubnispflicht des § 27 Sprengstoffgesetz [1] , sofern keine Ausnahmen nach der 1. Verordnung zum Sprengstoffgesetz für Forschung und Lehre greifen) unterliegt. Es sind im In- und Ausland zahlreiche schwere Unfälle mit diesen hochgradig labilen organischen Peroxiden mit mehreren Peroxy-Gruppen pro Molekül aufgetreten, so dass vor einer Herstellung durch Laien dringendst gewarnt werden muss. Als chemisches Experiment wird an Schulen und Universitäten gelegentlich das Erhitzen weniger Milligramm feuchten trimeren Acetonperoxids frei auf einer stabilen Eisenplatte bis zum Detonieren des Peroxids vorgeführt.

Empfindlichkeit und Verwendung

Bei Acetonperoxid handelt es sich um eine "heimtückische" Substanz. Es besitzt eine extrem hohe Empfindlichkeit gegen Schlag, Reibung und Wärme. In einem Fallhammerversuch mit einem 50-Gramm-Fallhammer (üblich sind bei normalen Sprengstoffen Untersuchungen mit einem Fallhammer von 2 kg) detoniert es bei Schlag aus nur 15 cm Höhe. Acetonperoxid ist damit einer der schlagempfindlichsten Stoffe und deutlich empfindlicher als übliche Initialsprengstoffe oder Nitroglycerin. Bereits bei 130°C kann es explodieren. Bei einer Lagerung bei erhöhter Temperatur zersetzt es sich innerhalb von wenigen Stunden. Außerdem sublimiert trimeres Acetonperoxid schon bei Raumtemperatur (14-18°C). Trimeres Acetonperoxid detoniert unter Wasser und noch bei einem Wassergehalt von 25%.

Acetonperoxid besitzt eine erhebliche Sprengkraft, welche die von Initialsprengstoffen wie Quecksilberfulminat und manchen Sprengstoffen übertrifft. Bei direkter Berührung eines Kristalls mit einer Flamme erfolgt jedoch bei diesen Peroxiden meist nur eine relativ harmlos erscheinende Verpuffung wie bei Schießbaumwolle (Cellulosenitrat), so dass für Laien der falsche Eindruck entsteht, dass der Stoff relativ harmlos sei, obwohl er unter geringfügig anderen Bedingungen schon in kleinsten Mengen heftig detonieren kann. Reibung und Stoß zwischen zwei harten Materialien, das bloße Öffnen des Gefäßes oder kleinste Funken (z.B. einer Zündschnur) bringen das Peroxid zur Zündung. Diese Peroxide lassen sich nur in kleinen Mengen unter grosser Vorsicht feucht handhaben.

Die obigen Eigenschaften sind Ursache für die vielen hierdurch bedingten Unfälle.

Wegen seiner Neigung zu sublimieren fand Acetonperoxid keine praktische Verwendung.

Geschichtliches

Ein Herstellungsverfahren für Acetonperoxid wurde von Dr. Richard Wolffenstein im Jahre 1895 unter der Nummer D.R.P. 84953 in Deutschland zum Patent angemeldet. Baeyer und Villiger publizierten im Jahre 1899 und 1900 einige Artikel über die Bildung dimeren und trimeren Acetonperoxids. Im Jahre 1925 wurde es zwar unter der Nummer D.R.P. 423,176 in Deutschland und verschiedenen anderen Ländern von den Sprengstoffwerken Dr. R. Nahnsen & Co. AG, Hamburg als angeblich sicheren und stabilen Initialsprengstoff zum Patent angemeldet. Die extreme Schlagempfindlichkeit, Flüchtigkeit (6,5% in 24h bei 14-18°C) und mangelnde Stabilität verhinderten jedoch jegliche praktische Nutzung (vgl. Rohrlich/Sauermilch) aufgrund der grossen Gefährlichkeit. A.E. Thiemann schlug im Jahre 1942 die Nutzung dimeren und trimeren Acetonperoxids als Zusatz zur Verbesserung der Zündwilligkeit von Dieselkraftstoff vor. Tetrameres Acetonperoxid wurde erst im Jahre 1999 von chinesischen Forschern entdeckt.

Literatur

Beilstein's Handbuch der organischen Chemie; T. Urbanski, "Chemie und Technologie der Explosivstoffe", Band 3, S. 194 ff.; Basil Fedoroff et al., Encyclopedia of Explosives and related items, Picatinny Arsenal Technical Report 2700, Vol. 1 S. A-41, Vol. 7 S. H-83; M. Rohrlich, W. Sauermilch, Zeitschrift für das gesamte Schiess- und Sprengstoffwesen, 38, 98 (1943); T.L. Davis, Chemistry of Powder and Explosives; Jiang H., Chu G., Gong H., Qiao Q.D., Journal of chemical research-S, 288 (1999)

Aktuelles

Laut Presseberichten könnte APEX bei den Terroranschläge am 7. Juli 2005 in London verwendet worden sein. Da aber die Untersuchungen nicht abgeschlossen sind, kann keine begründete Aussage gemacht werden. Weitere Spekulationen beziehen sich auch auf C4 aus Balkankriegsresten und völlig anderen Sprengstoffen.