Gebietsreform in Hessen
Die Gebietsreform in Hessen wurde von 1972 bis 1977 durchgeführt. Die Gebietsreform hatte das Ziel, mittels größerer Verwaltungseinheiten leistungsfähigere Gemeinden und Landkreise zu schaffen.
Zum Stichtag 28. Februar 1969 gab es in Hessen 2642 Gemeinden, 39 Landkreise und 9 kreisfreie Städte.
Die damalige hessische Landesregierung mit Ministerpräsident Albert Osswald (SPD) und Innenminister Hanns-Heinz Bielefeld (F.D.P.) setzte sich das Ziel, die Zahl der Gemeinden auf 500 und die der Kreise auf 20 zu reduzieren. Den Gemeinden wurden Anreize für einen freiwilligen Zusammenschluss geschaffen durch Vergünstigungen im Kommunalen Finanzausgleich. Dies führte dazu, dass für viele freiwillige Grenzänderungen noch der 31. Dezember eines zu Ende gehenden Jahres als Tag der Rechtswirksamkeit bestimmt wurde und nicht der 1. Januar des folgenden Jahres. Zum 31. Dezember 1971 hatte sich die Zahl der Gemeinden auf 1233 verringert. Eine Zwangszusammenlegung drohte ab dem 1. Juli 1974. [1].
Die Gebietsreform war ein wichtiges Projekt der von 1970 bis 1974 amtierenden sozialliberalen Regierung Osswald II. Sie war politisch hoch umstritten. Insbesondere die Bildung einer "Stadt Lahn" aus den 15 km entfernt liegenden Städten Gießen und Wetzlar stieß auf heftigen Widerstand und musste nach nur 31 Monaten rückgängig gemacht werden.
Heute gibt es in Hessen 421 Gemeinden in 21 Landkreisen und fünf kreisfreie Städte.
Vorgeschichte
Am 31. März 1947 wurde eine Kabinetts-Kommission unter dem Vorsitz von Prof. Hermann Brill eingesetzt. Diese erarbeitete ein Gutachten und regte die Auflösung von "Zwerggemeinden" unter 300 Einwohnern und die Reduzierung der Zahl der Landkreise auf 31 an[2]. Eine Umsetzung dieser Vorschläge erfolgte jedoch nicht.
Regierungsbezirke
1968 und 1981 wurden die hessischen Regierungsbezirke neu gegliedert. Dabei wurden die aus den Zeiten des Deutschen Bunds überkommenen Grenzen in zweckmäßigere Form gebracht.
Vor der Reform gab es in Hessen folgende drei Regierungsbezirke:
- Den 1867 aus dem Kurfürstentum Hessen hervorgegangenen Regierungsbezirk Kassel im Norden und Osten des Landes,
- den 1867 aus dem ehemaligen Herzogtum Nassau (abzüglich der 1945 an Rheinland-Pfalz gefallenen Landkreise) und der ehemaligen Freien Stadt Frankfurt gebildeten Regierungsbezirk Wiesbaden im Westen des Landes, und
- den 1945 aus den ehemaligen und räumlich nicht zusammenhängenden Provinzen Oberhessen und Starkenburg des Volksstaats Hessen gebildeten Regierungsbezirk Darmstadt im Süden und in der Mitte Hessens.
1968 wurde der Regierungsbezirk Wiesbaden aufgelöst und sein gesamtes Gebiet dem Regierungsbezirk Darmstadt angegliedert, der damit drei Viertel der hessischen Bevölkerung umfasste.
Zum 1. Januar 1981 wurden die Landkreise Limburg-Weilburg, Lahn-Dill, Gießen und Vogelsberg aus dem Regierungsbezirk Darmstadt ausgegliedert, der seitdem vor allem Südhessen und das Rhein-Main-Gebiet umfasst. Die genannten Kreise bildeten zusammen mit dem bisher zu Kassel gehörenden Landkreis Marburg-Biedenkopf den neuen Regierungsbezirk Gießen. Seitdem besteht das Land Hessen wieder aus drei Regierungsbezirken.
Kreisfreie Städte
Als Folge der Gebietsreform verloren Marburg, Fulda und Hanau ihren Status als kreisfreie Städte und wurden in die benachbarten Landkreise eingegliedert. Die kreisfreie Stadt Gießen ging in der neuen kreisfreien Stadt Lahn auf, die schon 1979 wieder aufgelöst wurde. Gießen erhielt seine kommunale Selbständigkeit zurück, verlor aber die Kreisfreiheit.
Somit verblieben im Land Hessen nur noch fünf kreisfreie Städte: Frankfurt am Main, Wiesbaden, Kassel, Darmstadt und Offenbach am Main, also nur noch die Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern. Frankfurt gewann durch die Gebietsreform vier Gemeinden und die Stadt Bergen-Enkheim hinzu, Wiesbaden übernahm vom Main-Taunus-Kreis sechs Gemeinden und Darmstadt vergrößerte sich um Wixhausen, während Kassel und Offenbach unverändert blieben.
Die kreisangehörigen Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern erhielten einen Sonderstatus, nach dem sie verschiedene Kreisaufgaben selbst wahrnehmen können und nur die Hälfte der üblichen Kreisumlage zahlen müssen. Betroffen sind davon die Städte Hanau, Gießen, Marburg, Fulda, Bad Homburg, Rüsselsheim und Wetzlar.
Kreisgebietsreform
Der bestehende Landkreis Groß-Gerau blieb weitgehend unverändert:[3] Es mussten aber Gemarkungsteile an Frankfurt am Main wegen der Ausdehnung des Frankfurter Flughafens abgetreten werden[4]. Auch der Kreis Bergstraße wurde nur geringfügig verändert.[5] Die Gemeinde Laudenau ging nach einer Bürgerbefragung an den Odenwaldkreis und wurde Ortsteil von Reichelsheim (Odenwald). Die Landkreise Main-Taunus[6] und Offenbach[7] wurden in ihren Außengrenzen stark verändert, der Verwaltungssitz des Main-Taunus-Kreises von Frankfurt-Höchst nach Hofheim am Taunus und der des Kreises Offenbach von Offenbach am Main nach Dietzenbach verlegt (vollzogen 1987 bzw. 2002), der Main-Taunus-Kreis erhielt statt des bisherigen Kfz-Kennzeichens FH
nun MTK
. Der Landkreis Erbach wurde um die Gemeinden Brensbach und Fränkisch-Crumbach aus dem Landkreis Dieburg erweitert und erhielt den neuen Namen Odenwaldkreis.[8]
Die übrigen vor 1972 bestehenden Landkreise wurden wie folgt zu neuen Einheiten zusammengeschlossen:
Altkreis | Verwaltungssitz | Kfz-Kennz. | Neukreis | Verwaltungssitz | Kfz-Kennz. | Stichtag | Neugliederungsgesetz | Bemerkungen |
Alsfeld | Alsfeld | ALS
|
Vogelsberg | Lauterbach | ALS und LAT ,ab 1979 VB
|
1.8.1972 | Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Alsfeld und Lauterbach vom 11. Juli 1972 GVBl. I S. 215; GVBl. II Nr. 330-12 |
Die Stadt Schotten aus dem Landkreis Büdingen wurde in den Vogelsbergkreis eingegliedert |
Lauterbach | Lauterbach | LAT
| ||||||
Hersfeld | Bad Hersfeld | HEF
|
Hersfeld-Rotenburg | Bad Hersfeld | HEF
|
1.8.1972 | Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Hersfeld und Rotenburg vom 11. Juli 1972 GVBl. I S. 217; GVBl. II Nr. 330-13 |
Die Stadt Sontra ging an den Landkreis Eschwege, die Gemeinde Rengshausen an den Landkreis Fritzlar-Homberg. Aus dem Landkreis Hünfeld kam die Gemeinde Haunetal hinzu und aus dem Landkreis Ziegenhain die Gemeinde Breitenbach am Herzberg |
Rotenburg (Fulda) | Rotenburg an der Fulda | ROF
| ||||||
Fulda | Fulda | FD
|
Fulda | Fulda | FD
|
1.8.1972/ 1.7.1974 | Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Fulda und Hünfeld und der Stadt Fulda vom 11. Juli 1972 GVBl. I S. 220; GVBl. II Nr. 330-14 |
Zum 1. Juli 1974 wurde die bisher kreisfreie Stadt Fulda in den neuen Landkreis eingegliedert. |
Hünfeld | Hünfeld | HÜN
| ||||||
Hofgeismar | Hofgeismar | HOG
|
Kassel | Kassel | KS
|
1.8.1972 | Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Hofgeismar, Kassel und Wolfhagen vom 11. Juli 1972 GVBl. I S. 225; GVBl. II Nr. 330-17 |
|
Kassel | Kassel | KS
| ||||||
Wolfhagen | Wolfhagen | WOH
| ||||||
Obertaunus | Bad Homburg vor der Höhe | HG
|
Hochtaunus | Bad Homburg | HG
|
1.8.1972 | Gesetz zur Neugliederung des Obertaunuskreises und des Landkreises Usingen vom 11. Juli 1972 GVBl. I S. 227; GVBl. II Nr. 330-18 |
|
Usingen | Usingen | USI
| ||||||
Büdingen | Büdingen | BÜD
|
Wetterau | Friedberg | FB
|
1.8.1972 | Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Büdingen und Friedberg vom 11. Juli 1972 GVBl. I S. 230; GVBl. II Nr. 330-19 |
|
Friedberg | Friedberg (Hessen) | FB
| ||||||
Eschwege | Eschwege | ESW
|
Werra-Meißner | Eschwege | ESW
|
1.1.1974 | Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Eschwege und Witzenhausen vom 28. September 1973 GVBl. I S. 353; GVBl. II Nr. 330-21 |
|
Witzenhausen | Witzenhausen | WIZ
| ||||||
Fritzlar-Homberg | Fritzlar | FZ
|
Schwalm-Eder | Homberg (Efze) | HR
|
1.1.1974 | Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Fritzlar-Homberg, Melsungen und Ziegenhain vom 28. September 1973 GVBl. I S. 356; GVBl. II Nr. 330-22 |
|
Melsungen | Melsungen | MEG
| ||||||
Ziegenhain | Ziegenhain | ZIG
| ||||||
Frankenberg | Frankenberg (Eder) | FKB
|
Waldeck-Frankenberg | Korbach | KB
|
1.1.1974 | Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Frankenberg und Waldeck vom 28. September 1973 GVBl. I S. 359; GVBl. II Nr. 330-23 |
|
Waldeck | Korbach | WA
| ||||||
Limburg | Limburg an der Lahn | LM
|
Limburg-Weilburg | Limburg | LM
|
1.7.1974 | Gesetz zur Neugliederung des Landkreises Limburg und des Oberlahnkreises vom 6. Februar 1974 GVBl. I S. 101; GVBl. II Nr. 330-25 |
|
Oberlahn | Weilburg | WEL
| ||||||
Gelnhausen | Gelnhausen | GN
|
Main-Kinzig | Hanau, seit 2005: Gelnhausen | HU , ab 2005 MKK und HU
|
1.7.1974 | Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Gelnhausen, Hanau und Schlüchtern und der Stadt Hanau sowie die Rückkreisung der Städte Fulda, Hanau und Marburg (Lahn) betreffende Fragen vom 12. März 1974 GVBl. I S. 149; GVBl. II Nr. 330-26 |
Außer den drei genannten Landkreisen wurde zum selben Stichtag auch die bisher kreisfreie Stadt Hanau in den neuen Landkreis eingegliedert. Die Stadt Hanau wurde um die Stadt Steinheim/Main und die Gemeinde Klein-Auheim aus dem Kreis Offenbach vergrößert. |
Hanau | Hanau | HU
| ||||||
Schlüchtern | Schlüchtern | SLÜ
| ||||||
Biedenkopf | Biedenkopf | BID
|
Marburg-Biedenkopf | Marburg | MR
|
1.7.1974 | Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Biedenkopf und Marburg und der Stadt Marburg (Lahn) vom 12. März 1974 GVBl. I S. 154; GVBl. II Nr. 330-27 |
Außer den zwei genannten Landkreisen wurde zum selben Stichtag auch die bisher kreisfreie Stadt Marburg in den neuen Landkreis eingegliedert. |
Marburg | Marburg (Lahn) | MR
| ||||||
Dill | Dillenburg | DIL
|
Lahn-Dill, seit 1979 außerdem wieder: Gießen | Lahn, seit 1979: Wetzlar (Lahn-Dill) und Gießen (Kr. Gießen) | L , ab 1990 LDK zusätzlich ab 1979 GI (für den Landkreis Gießen)
|
1.1.1977 | Gesetz zur Neugliederung des Dillkreises, der Landkreise Gießen und Wetzlar und der Stadt Gießen vom 13. Mai 1974 GVBl. I S. 237; GVBl. II Nr. 330-28 |
Die kreisfreie Stadt Gießen wurde mit selbem Gesetz mit der kreisangehörigen Stadt Wetzlar und 14 Gemeinden zur kreisfreien Stadt Lahn zusammengeschlossen. Zum 31. Juli 1979 wurde der Lkr. Gießen wieder selbständig, die Stadt Lahn wieder aufgelöst, die Städte Gießen und Wetzlar als kreisangehörige Städte in die Kreise Lahn-Dill und Gießen eingegliedert. |
Gießen | Gießen | GI
| ||||||
Wetzlar | Wetzlar | WZ
| ||||||
Rheingau | Rüdesheim am Rhein | RÜD
|
Rheingau-Taunus | Bad Schwalbach | RÜD und SWA ,ab 1980 RÜD
|
1.1.1977 | Gesetz zur Neugliederung des Rheingaukreises und des Untertaunuskreises vom 26. Juni 1974 GVBl. I S. 312; GVBl. II Nr. 330-31 |
|
Untertaunus | Bad Schwalbach | SWA
| ||||||
Darmstadt | Darmstadt | DA
|
Darmstadt-Dieburg | Darmstadt | DA
|
1.1.1977 | Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Darmstadt und Dieburg und der Stadt Darmstadt vom 26. Juni 1974 GVBl. I S. 318; GVBl. II Nr. 330-34 |
Die Gemeinden Nieder-Roden, Ober-Roden und Urberach aus dem Landkreis Dieburg wurden als Teil der neu gegründeten Städte Rodgau und Rödermark dem Kreis Offenbach zugeschlagen. |
Dieburg | Dieburg | DI
|
Einzelnachweise
- ↑ H. Voit, "Die kommunale Gebietsreform" in: Erwin Stein (Hrsg.): 30 Jahre Hessische Verfassung, Wiesbaden 1976 Seite 412 - 433 der PDF-Datei (17,25 MB)
- ↑ "Die Verwaltungsreform in Hessen", herausgegeben durch die Kabinetts-Kommission zur Vorbereitung der Verwaltungsreform, Wiesbaden 1947 (Band 1), Wiesbaden 1948 (Band 2)
- ↑ Gesetz zur Neugliederung des Landkreises Groß-Gerau vom 26. Juni 1974 GVBl. I S. 314
- ↑ Gesetz zur Neugliederung des Landkreises Offenbach vom 26. Juni 1974, GVBl. I S. 316, § 12 Stadt Frankfurt am Main
- ↑ Gesetz zur Neugliederung des Landkreises Bergstraße vom 11. Juli 1972 , GVBl. I S. 222
- ↑ Gesetz zur Neugliederung des Main-Taunus-Kreises und der Stadt Wiesbaden vom 26. Juni 1974 GVBl. I S. 309
- ↑ Gesetz zur Neugliederung des Landkreises Offenbach vom 26. Juni 1974 GVBl. I S. 316
- ↑ Gesetz zur Neugliederung des Landkreises Erbach vom 11. Juli 1972, GVBl. I S. 224