Zum Inhalt springen

Samtene Revolution

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. August 2010 um 00:02 Uhr durch Varlaam (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Samtene Revolution

Samtene Revolution (tschechisch sametová revoluce, slowakisch nežná revolúcia) bezeichnet den politischen Systemwechsel der Tschechoslowakei vom Realsozialismus zur Demokratie im November und Dezember 1989. Der Begriff wurde gewählt, weil der Wechsel, der sich innerhalb weniger Wochen vollzog, weitgehend gewaltfrei erfolgte.

In der Slowakei wurde die Revolution von Anfang an als Sanfte Revolution bezeichnet.

Vorgeschichte und Beginn der Revolution

Ungarn hatte im Frühjahr 1989 begonnen, seinen Eisernen Vorhang an der Grenze zu Österreich zu entfernen[1] und den Herrschaftsanspruch der Kommunistischen Partei aufgegeben. Im Sommer 1989 gestattete Ungarn die Ausreise vieler DDR-Bürger in die Bundesrepublik.

In Prag waren im Oktober 1989 bis zu 3500 DDR-Bürger[2] auf das Gelände der deutschen Botschaft gelangt; insgesamt 17.000 Menschen durften nach Verhandlungen in den Westen ausreisen. Am 9. November 1989 konnten Tschechen und Slowaken den Fall der Berliner Mauer mitverfolgen. In Polen amtierte damals schon eine Regierung mit einem Nichtkommunisten an der Spitze. Am 12. November 1989 wurde in Bulgarien der seit 1954 amtierende KP-Chef Todor Schiwkow gestürzt.

Am 16. November 1989 fand in Bratislava eine Studentendemonstration statt. In Prag fand einen Tag später am 50. Jahrestag der Schließung tschechischer Hochschulen 1939 und dem Internationalen Tag der Studenten eine genehmigte Studentendemonstration statt, an der 15.000 Menschen teilnahmen. Hier wurden im Unterschied zu Bratislava etwa 600 Personen von den Sicherheitskräften verletzt. Am nächsten Tag riefen die Prager Studenten zu einem zeitlich unbegrenzten Studentenstreik auf; die Schauspieler der Prager Bühnen schlossen sich an. Diese Aktionen werden allgemein als Anfang der Revolution gesehen.

Streiks und Demonstrationen

Am 19. November 1989 wurde als Sprachrohr der Streikenden in Tschechien das Bürgerforum (Občanské fórum = OF) und in der Slowakei die Öffentlichkeit gegen Gewalt (Verejnosť proti násiliu = VPN) gegründet, um den Dialog mit den kommunistischen Machthabern zu suchen.

Vom 20. November bis Ende Dezember griffen Demonstrationen sukzessiv auf das ganze Land über. Am 24. November kam es zu Massenprotesten. Der Schriftsteller und Bürgerrechtler Václav Havel sowie Alexander Dubček, Parteichef des Prager Frühlings von 1968, sprachen am Wenzelsplatz zu den Demonstranten und forderten den Rücktritt des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei Miloš Jakeš und der gesamten Parteiführung (Politbüro), der dann auch erfolgte.

Ende der Diktatur

Am 27. November wurde ein landesweiter zweistündiger Generalstreik abgehalten. Am 28. November begannen Verhandlungen zwischen dem Bürgerforum und der Regierung. Die Bestimmung über die führende Rolle der Kommunistischen Partei in der Verfassung wurde daraufhin am 29. November aufgehoben. Am 1. Dezember fand in Bratislava eine von Zehntausenden besuchte Feier anlässlich der Veränderungen statt. Ab 5. Dezember wurde der Stacheldraht an der Grenze zu Österreich entfernt, ab 11. Dezember wurden die Grenzbefestigungen zur Bundesrepublik Deutschland abgetragen.

Am 10. Dezember ernannte der kommunistische Staatspräsident Gustáv Husák die zum ersten Mal seit 1948 mehrheitlich nichtkommunistische Regierung des nationalen Einverständnisses unter Marián Čalfa, nachdem zwei Anfang Dezember von ihm bestellte Regierungen auf Widerstand der Bevölkerung gestoßen waren. Außenminister der neuen Regierung wurde der Bürgerrechtler Jiří Dienstbier, Finanzminister Václav Klaus. Nach Bestellung dieser Regierung trat Husák am gleichen Tag zurück.

Am 28. Dezember wurde der führende Reformkommunist von 1968, Alexander Dubček, zum Parlamentsvorsitzenden gewählt, am 29. Dezember 1989 folgte die Wahl des Schriftstellers und Bürgerrechtlers Václav Havel zum Staatspräsidenten durch die kommunistischen Abgeordneten. Im Oktober hatte der kommunistische Regierungschef Ladislav Adamec vor einem Wien-Besuch österreichischen Journalisten in Prag erklärt: Für mich ist Havel eine Null[3]. Im Januar 1990 traten zahlreiche kommunistische Abgeordnete zurück, zu deren Nachfolgern meist frühere Oppositionelle gewählt wurden, so dass die Kommunisten ab diesem Zeitpunkt auch im Parlament keine Mehrheit mehr hatten.

Siehe auch

Quellen

  1. Tageszeitung Der Standard, Wien, 30. April 2009, S. 6: Foto Alois Mock / Gyula Horn vom 27. Juni 1989
  2. Der Standard, S. 38
  3. Der Standard, S. 13