Esskultur im Mittelalter
Die Esskultur im Mittelalter hat wenig gemein mit der der verfeinerten Küche der Antike, sondern ist eine eigenständige Entwicklung im Spannungsfeld von Hungersnöten, religiösen Ernährungsvorschriften und adeliger Verschwendungssucht. Die Hauptnahrungen Brot und Fleisch sorgten für eine recht einseitige Ernährung, der es an Vitaminen und Fetten fehlte.
Speisen
Getreide
Im Rahmen der Dreifelderwirtschaft wurden haupstächlich Roggen und Weizen angebaut, aus denen das Hauptnahrungsmittel des Mittelalters, das Brot, produziert wurde.
Obst und Gemüse
Das Gemüse (hauptsächlich Pastinak, Kraut, Kohl, Rüben, Zwiebeln und Knoblauch) galt als Bauernkost und war weit weniger in die Ernährung integriert als heute.
Das Obst wurde gartenbaulich kultiviert und galt, da es meistens hoch auf Bäumen anstatt in der Erde wuchs, als unbedenkliches Lebensmittel für den Speiseplan der Reichen und des Adels.
Tierische Produkte
Durch die einfache Haltung war das Hausschwein der bevorzugte Fleischlieferant. Schlachtzeit waren die Monate November und Dezember zur Anlegung eines Wintervorrats an Speck, Pökel- und Rauchfleisch. Andere Haustiere dienten hauptsächlich anderen Zwecken als der Nahrungsproduktion (Rinder als Micherzeuger und Transporttiere, Schafe als Lieferanten von Wolle) und wurden nur geschlachtet, wenn sie keinen Nutzen mehr einbrachten. Der Verzehr von Pferdefleisch war kirchlich verboten. Die Erlegung und der Verzehr von Jagdwild blieb größtenteils als Privileg dem Adel vorbehalten.
Milch, Käse und Eier spielten vor allen an Fastentagen eine größere Rolle in der Ernährung, ebenso für alle Bevölkerungsschichten der Verzehr von Fisch. Durch Beschränkung des Zugangs zu Bächen und Teichen für den Fischfang durch Klöster und Adel gewannen gedörrte, gepökelte und geräucherte Seefische an Bedeutung.
Gewürze
Stark gewürzte Speisen waren beliebt, doch Gewürze wie Pfeffer, Zimt, Muskat, Safran, Nelken und Ingwer waren durch lange Transportwege kostbar und dadurch den Reichen vorbehalten. Salz als notwendiger Ernährungsbestandteil und als Konservierungsmittel wurde zum politschen Machtfaktor, z.B. durch die Erhebung von Salzzöllen.
Getränke
Der Wein nahm vor allen in Frankreich eine bedeutende Stellung als Getränk ein, auch durch die Bedeutung, die ihm das Christentum durch die Eucharistie gab. Bis zum 13. Jahrhundert wurden vor allem Weißweine getrunken, während danach auch die Bedeutung des alkoholreicheren Rotweins aus den Mittelmeergebieten stieg. Enorme Konsummengen (200 bis 900 Liter jährlicher Pro-Kopf-Verbrauch) sind überliefert. Bier als Braugetränk aus Gerste und Hopfen wurde vor allem in Deutschland, Holland und England (Ale) konsumiert und mit verschiedenen Aromastoffen (Enzian, Salbei, Lavendel, Koriander) "verfeinert".
Zubereitung und Küchenausstattung
Die Ausstattung der Küchen war überall einfach. Gekocht wurde meistens am offenen Herd. Kochgefäße aus Ton waren üblich; erst später gab es in reichen Haushalten Kessel aus Metall. Vornehme und adelige Küchen hatten viel Personal, einen Küchenmeister und einen Truchseß.
Viele Lebensmittel wurden langsam über dem Herdfeuer gegart, zu Mus zerstampft oder zu Brei zerkocht.
Konservierung, Bevorratung und Qualitätskontrolle
Nahrungsmittel wurden durch Beizen, Pökeln, Räuchern, Dörren und Einmachen haltbar gemacht und in Kellern oder Gruben gelagert.
Zahlreiche Lebensmittelverordnungen unter der Androhung drakonischer Strafen sollten den Problemen verdorbener oder gepanschter Nahrungsmittel Einhalt gebieten.
Der Geschmack des Mittelalters
Säuerliche Saucen aus Traubensaft, Wein oder Essig waren beliebt. Lebensmittel wurden, besonders in adeligen und reichen Kreisen, gesüßt, durch Gewürze ihres natürlichen Eigengeschmacks beraubt und gefärbt.
Ernährungsgewohnheiten der sozialen Schichten
Üblich waren zwei Mahlzeiten am Tag: das Mittagessen (Prandium) zwischen zehn und elf Uhr vormittags und das Abendessen (Cena) zwischen vier und sieben Uhr nachmittags.
Man aß aus gemeinsamen Schüsseln und trank aus gemeinsamen Bechern. Die Speisen wurden mit der Hand aufgenommen, das Fleisch mittels eines Messers auf einem Schneidebrett zerteilt.
Religiöse Fest- und Feiertage sowie die Zeiten des Fastens strukturierten die Speisegewohnheiten, Nahrungsverbote und Nahrungsgebote über das ganze Jahr für die gesamte Bevölkerung.
Landbevölkerung
Die Landwirtschaft im goldenen Zeitalter des Mittelalters blühte auf und profitierte vom warem Klima. Die Landbevökerung wuchs, bis die Abkühlung des Klimas für geringere Ertäge sorgte. Hungersnöte waren die Folge, bis nach den Pestepedemien die Ertäge für die dezimierte Gesamtbevölkerung wieder ausreichten.
Die Landbevölkerung aß überwiegend Brot und Breie aus Getreide. Die Mahlzeiten wurden gemeinsam am Tisch aus einer großen Schüssel zu sich genommen.
Stadtbevölkerung
In den Städten gab es im Spätmittelalter Pasteten- und Waffelbäcker, die mit mobilen Öfen durch die Straßen zogen und kleine Gerichte zubereiteten. Auch Schenken und Gastwirtschaften, oft in Nachbarschaft und Verbindung zu Schwitzbädern, den Orten der Prostitution, setzten sich immer mehr durch. Der Fleischkonsum erreichte durch den Wohlstand der Städte ein hohes Niveau. Reiche Bürger ahmten die Speisegewohnheiten des Adels mit raffinierten und verschwenderischen Speisefolgen nach.
Adel
Der Adel unterschied sich in der täglichen Nahrungsaufnahme wenig vom normalen Volk: Brot und Fleisch wurden hauptsächlich verzehrt, das jedoch in einer größeren Kalorienmenge.
Mehrtägige Bankette zu besonderen Anlässen mit exotischen Speisen im Überfluß sollten Reichtum und Macht darstellen. Die Tischordnung und die Menge und Qualität der gereichten Speisen spiegelte die strenge soziale Hierarchie wieder. An den Königshöfen entwickelte sich eine umfangreiche Etikette mit strengen Ritualen der Speisenreichung.
Klöster und Klerus
In der Regel ernährten sich die Ordensbrüder von Brot, Gemüse und Fisch. Spezielle Kost für Kranke wurde im Rahmen der Gesundheitsfürsorge durch die Klöster entwickelt. Die Klöster mit ihren Herbularien waren Vorreiter im Anbau von Kräutern. Gebräuchlich waren Kümmel, Dill, Petersilie, Salbei, Beifuß, Liebstöckel, Mohn, Minze, Koriander, Rosmarin und Wacholder. Benediktiner und Zisterzienser förderten rund um ihre Klöster den Weinbau. Manche Klöster entwickelten sich jedoch durch lockere Regeln zu Inseln der Völlerei.
Literatur
- Bruno Laurioux: "Tafelfreuden im Mittelalter: Die Eßkultur der Ritter, Bürger und Bauersleut" Weltbild Verlag Augsburg 1999 ISBN 382890727X