Geschichte Nordrhein-Westfalens

Die Geschichte Nordrhein-Westfalens beginnt 1946, als auf Betreiben der britischen Besatzungsmacht aus dem Nordteil der preußischen Rheinprovinz sowie der ebenfalls preußischen Provinz Westfalen das Land Nordrhein-Westfalen gegründet wurde. Nach Beitritt des Landes Lippe im Jahr 1947 war der heutige territoriale Zuschnitt erreicht. In seinem Staatsgebiet ist Nordrhein-Westfalen zwar in die Rechtsnachfolge des Freistaats Preußen und des Landes Lippe eingetreten, im Gegensatz zu einigen anderen neu geschaffenen oder restituierten Ländern im Gebiet des untergegangen Deutschen Reiches gab es für Nordrhein-Westfalen im Ganzen allerdings keinen stark identitätsstiftenden Vorgängerstaat. Der Freistaat Preußen spielte diese Rolle nicht, weil er sich über fast gesamt Norddeutschland erstreckt und sein politisch-kulturelles Zentrum immer im fernen Berlin gehabt hatte. Abgesehen von wenigen protestantisch geprägten Gebieten in Westfalen, etwa den Gebieten um Minden, in denen das Preußentum über die Jahrhunderte durchaus ein wichtiges Moment der Identität herausbildet hatte, war und ist in den anderen Gebieten des größten Nachfolgestaats Preußens die Einstellung zur preußischen Zeit eher durch Distanz geprägt, insbesondere im Rheinland.[1] Der Vorgängerstaat Lippe war hingegen von vornherein zu klein und zu peripher gelegen, um das neue Land und dessen Identität insgesamt prägen zu können. Vielmehr entfaltete ein Gemenge vieler unterschiedlicher historischer Territorien seine Wirkungen auf die Kultur und Identität ihrer Bewohner, so ist es noch heute. Bei der Gründung Nordrhein-Westfalens stand somit auch nicht Gedanke einer Zusammenführung homogener Gebiete sondern vielmehr der Wunsch der Besatzungsmacht Großbritannien im Vordergrund, das Ruhrgebiet und seine bedeutenden industriellen Ressourcen als Ganzes in ein einziges Land einzubetten.
Wegen des Fehlens eines im Ganzen identitätsprägenden Vorgängerstaats hat Nordrhein-Westfalens einen komplexen Bezug auf die Geschichte, die in den einzelnen Regionen des Landes oft unterschiedlich verlaufen ist, durchaus aber auch Parallelen und Gemeinsamkeiten aufweist. Zeitweilig gab es im heutigen Staatsgebiet Nordrhein-Westfalens größere Verwaltungsgebiete oder größere Staatengebilde, die rheinische und westfälische Gebiete des heutigen Landes miteinander verbanden, etwa Kurköln, Jülich-Kleve-Berg, das Großherzogtum Berg oder den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk.
Vorgeschichte
Urgeschichte

Die Funde in der Balver Höhle und weiterer Höhlen im Sauerland deuten beispielhaft darauf hin, dass Verwandte oder Vorgänger des modernen Menschen bereits in der Urgeschichte in den Raum des heutigen Landes drangen. Auch die berühmten Funde aus dem Neandertal beim heutigen Düsseldorf bestätigen, dass bereits der Neandertaler, ein Verwandter des modernen Menschen, frühzeitig bis in den Raum des heutigen Nordrhein-Westfalens vordrang. Das Doppelgrab von Oberkassel sowie die Funde der Blätterhöhle beim heutigen Hagen geben Hinweise darauf, dass der moderne Mensch mindestens bereits seit 12.000 vor Christus ins Rheinland, ab etwa mindestens 10.000 vor Christus auch in das heutige Westfalen wanderte. Die Fundstellen Balver und Blätterhöhle aber auch beispielsweise vom Hohlen Stein bei Soest zeigen, dass auch in der Zeit nach 10.000 vor Christus im Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens Menschen verschiedener Kulturen lebten.
Frühgeschichte
Römische Kaiserzeit
Schaubild im Römisch-Germanischen Museum
Die Berichte antiker, meist römischer Geschichtsschreiber erlauben erstmals um Christi Geburt eine Darstellung der Region des heutigen Nordrhein-Westfalens abseits der archäologischen Erkenntnisse. Die Geschichtswissenschaft beschreibt diese Epoche als Römische Kaiserzeit, wenngleich die größeren Teile des heutigen Landes nie fester Teil des römischen Imperiums wurden. Die noch im Gegensatz zur antiken Welt in der keltisch-geprägten La-Tène-Zeit oder in ihrer germanisch-geprägten Kultur lebende Bevölkerung zwischen Maas und Weser rückte seit den Gallische Kriegen vermehrt in das Blickfeld des Reiches. Durch die Eroberung Galliens im Gallischen Krieg (58 bis 51/50 v. Chr.) durch Gaius Iulius Caesar bis zur Nordsee und östlich bis zum Rhein, fielen erste Gebiete des heutigen Nordrhein-Westfalens in den Machtbereich Roms. Relativ schnell übernahmen die Bewohner dieser Regionen Teile der römischen Zivilisation (vgl. Romanisierung). Die Bewohner der Gebiete links des Rheines zählten die Römer seit Caesar meist pauschal zu den Galliern, für die rechtsrheinisch siedelnde Bevölkerung prägte Caesar wenig differenziert den Begriff „Germanen“. Wenig differenziert und pauschal war Caesars Einteilung wohl auch, weil keltische und germanische Stämme im Gebiet des heutigen Landes nicht einfach zu trennen waren, mitunter wohl auch Mischkulturen gebildet haben könnten sowie sich jeweils beiderseits des Rheines ausgebreitet haben. Eine Differenzierung und die Beziehungen der germanischen (und keltischen) Stämme untereinander und eine genaue Verortung der Stämme im rechtsrheinischen Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens bleibt während der gesamten römischen Kaiserzeit und darüber hinaus (erst recht davor) auf Grund der insgesamt nur bruchstückhaften und oft ungenauen Quellenlage schwierig. Die moderne Wissenschaft ordnet die Stämme im heutigen rechtsrheinischen Nordrhein-Westfalen meist der Gruppe der Rhein-Weser-Germanen zu. Von den gesicherten linksrheinischen Gebieten führten Feldzüge römische Truppen bis weit hinein nach Germanien. Der erste römische Heerführer, der größere Heerzüge in die rechtsrheinischen Gebiete unternahm, war Drusus ab 12 vor Christus. Seine Nachfolger errichteten im heutigen Nordrhein-Westfalen verschiedene teils für mehrere Jahre belegte Heerlager im heutigen Nordrhein-Westfalen, etwa das Römerlager Haltern, und drangen entlang der Lippe bis in das heutige Ostwestfalen und weiter vor. Langfristiges Ziel der Römer war wohl die Errichtung einer Provinz Magna Germania im Rechtsrheinischen. In der Varusschlacht 9 n. Chr. in der Nähe oder sogar im heutigen Ostwestfalen erlitt das expandierende Imperium gegen eine vom Cheruskerfürsten Arminius geführte germanische Stammeskoalition einen empfindlichen Rückschlag. Zwar gab es auch danach bis etwa 16 n. Chr. noch unter Germanicus große Eroberungsfeldzüge nach Germanien, eine massive römische Siedlungs- oder Eroberungspolitik fand aber im heutigen Nordrhein-Westfalen nicht mehr statt, obwohl auch danach Quellen vereinzelt vom Vordringen römischer Truppen in das Gebiet berichten (vgl. auch Römisches Schlachtfeld bei Kalefeld). In der Folge wurde die römische Provinz Germania Inferior um 85 errichtet, die alle linksrheinischen Teile des heutigen Landes umfasste. Ausnahme war lediglich der kleine rechtsrheinische Brückenkopf Divitia (heute Köln-Deutz). Während die rechtsrheinischen Stämme bis zum Ende der römischen Provinz in ihrer dörflich-agrarisch geprägten Stammeskultur verblieben, wohl aber Handel mit dem Imperium betrieben, entwickelten sich teils aus römischen Militärlagern heraus im bereits früh eroberten und als relativ friedlich geltenden Germania inferior für damalige Verhältnisse große Städte wie Colonia Ulpia Traiana (beim heutigen Xanten) oder die Hauptstadt der Provinz Colonia Claudia Ara Agrippinensium (das heutige Köln), das eine der größten und bedeutendsten Städte nördlich der Alpen war. Auch Städte wie das das heutige Bonn oder Neuss haben römische Ursprünge.
Siehe auch: Geschichte der Römer in Germanien
Zeit der Völkerwanderung
Um 400 geriet die Germania inferior zunehmend unter den Einfluss germanischer Stämme, die selbst durch Völker aus dem Osten bedrängt in einer großen Völkerwanderung nach Westen drängten. Um 400 brach die römische Provinz noch vor dem Fall des Weströmischen Reiches im heutigen Land Nordrhein-Westfalen zusammen. Obgleich kaum gesicherte Detailkenntnisse zu den Wanderungsbewegungen der germanischen Stämme oder deren Entwicklung zu Stammesverbünden nach dem Rückzug der Römer aus Germania magna vorliegen, nimmt man an, dass sich im heutigen Nordrhein-Westfalen vor allem zwei Volksgruppen zu den größten Machtfaktoren entwickelten. Zum einen waren dies die fränkischen Volksstämme, zum anderen die Sachsen. Die Franken attackierten bereits in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts die römischen Gebiete von ihrem rechtsrheinischen Herkunftsgebiet aus und dehnten ihr Siedlungsgebiet teils von den Römern geduldet bis auf das römische Gebiet am Niederrhein aus, aber auch in Germanien dehnte sich ihr Einflussbereich um 400 merklich aus. Im gallischen Teil des fränkischen Machtbereiches entwickelte sich mit dem Schwinden der römischen Macht eine franko-gallische Kultur, die aber auch starke römische Elemente besaß. Während der Völkerwanderung konnten sich die Franken gegen die Völker aus dem Osten rund um ihr Kerngebiet um das heutige nordrhein-westfälische Rheinland behaupten. Die zweite große Volksgruppe im heutigen Land Nordrhein-Westfalen, die Sachsen, waren wohl in der römischen Kaiserzeit ähnlich wie die Gruppe der Franken durch Zusammenschluss mehrerer Stämme entstanden, wenngleich die Ursprünge und die Geschichte der Sachsen ebenfalls nicht im Detail bekannt sind. Der Kern ihres Siedlungsgebietes, das sich während der Völkerwanderungszeit relativ stabil zeigte, lag schwerpunktmäßig im heutigen Norddeutschland. Im heutigen Nordrhein-Westfalen siedelten die sächsischen Westfalen und Engern also (nord-) östlich der Franken, also in etwa im heutigen Westfalen-Lippe, während die Franken in etwa den heutigen rheinischen Landesteil beherrschten.
Frühmittelalter
Den fränkischen Merowingern gelang nach Zusammenbruch Westroms bis zum 6. Jahrhundert die Festigung eines Frankenreiches, das sich über weite Teile des heutigen Frankreichs (damals: Gallien) sowie große Teile Süddeutschlands und sogar darüber hinaus erstreckte. Die fränkischen Könige, zunächst die Merowinger später die Karolinger dehnten ihr Reich bis ins 9. Jahrhundert immer weiter aus und wurden zur bestimmenden frühmittelalterlichen Großmacht Westeuropas. In den Sachsenkriegen gelang es den christlichen Franken unter Karl dem Großen bis 804 das lose sächsische Stammesherzogtum und seinen größten Widersacher Widukind weitestgehend zu unterwerfen und zu christianisieren. Während die Römer in ihren Versuchen das gesamte Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalen in ihren Staat einzubetten scheiterten, gelang den Franken hingegen also (vermutlich erstmals) die Zusammenfassung aller heutigen Landesteile in einem - wenngleich wohl lockeren - Staatswesen. 776 gründete Karl der Große eine Pfalz und eine Karlsburg in Paderborn als seine Residenz. 777 fand dort der erste Reichstag und eine Missionssynode in Paderborn statt. Der Ort gilt als Geburtsstätte des mittelalterlichen Deutschen Reiches. 799 traf sich Karl der Große in Paderborn mit Papst Leo III. und verabredete seine Kaiserkrönung im Jahr 800. Die von den Franken geförderten christlichen Zentren wie Corvey oder Herford trugen die fränkische Zivilisation, die sich mit den antiken Resten der römischen Kultur verbunden hatte, bis weit in das heutige Westfalen. Das damals immer noch agrarisch geprägt Land verfügte im Gegensatz zu den ehemals römischen Gebieten im Rheinland eine unterentwickelte Infrastruktur und über kaum größere Siedlungen. Im Mittelalter bedeutende Städte wie Paderborn, Münster, Herford oder Soest entwickelten sich erst ab etwa 800. Das heute nordrhein-westfälische Aachen entwickelten sich im karolingischen Frankenreich von einer Siedlung mit römischen Ursprüngen zu einer der wichtigsten Residenzstädte der fränkischen Könige.
Das Frankenreich zerbrach Mitte des 9. Jahrhunderts. Der Westen des heutigen Nordrhein-Westfalens wurde durch den Vertrag von Verdun Teil des Ostfrankenreichs, das sich später auch den Nordteil des ebenfalls im Vertrag von Verdun entstandenen Lotharii Regnum aneignete. Dieser als Lotharingien bezeichnete Nordteil umfasste auch das heutige Rheinland, so dass das heutige Nordrhein-Westfalen wieder vollständig in einem Staat - im ostfränkischen Reich - vereint war. Lebendig waren im losen und über seine Führer tief zerstrittenen ostfränkischen Reich immer noch die Stammeskulturen und Einflussbereiche der von den Franken ursprünglich unterworfenen Völker. Im heutigen Osten Nordrhein-Westfalens war das Stammesherzogtum Sachsen von besonderer Bedeutung. Mit Heinrich I. wurde zu Beginn des 10. Jahrhunderts schließlich sogar ein sächsischstämmiger Herzog aus dem Geschlecht der Liudolfinger zum ostfränkischen König gewählt. Sein ebenfalls sächsischstämmiger Nachfolger Otto I. formte aus dem Ostfrankenreich das Heilige Römische Reich und wurde anknüpfend an die Tradition Karl des Großen in Aachen zum König gekrönt. Aachen blieb aus dieser Tradition heraus im weiteren für Jahrhunderte Krönungsort römisch-deutscher Kaiser.
Hochmittelalter und Spätmittelalter
Im Hochmittelalter und Spätmittelalter blieb das Heilige Römische Reich ein loser Bund. Das Teilherzogtum der Sachsen, das auch große Teile des heutigen Westfalen-Lippes umfasste, fiel im 12. Jahrhundert an den mächtigen Heinrich den Löwen. Im Konflikt zwischen Kaiser Friedrich I. Barbarossa und Heinrich dem Löwen wurde 1180 dessen sächsisches Herzogtum allerdings geteilt und die Herzogswürde für Westfalen dem Erzbischof von Köln übertragen. Das so entstandene Herzogtum Westfalen umfasste vor allem heute südwestfälische Gebiete. In den restlichen ehemals sächsischen Gebieten des heutigen Westfalen-Lippes konnten sich nach der Zerschlagung Heinrichs Herzogtums im Laufe der Zeit mehrere Territorien emanzipieren, die bis zum Ende des Heiligen Römisches Reiches in ihrer Kleinteiligkeit charakteristisch für die Gebiete des heutigen Nordrhein-Westfalens bleiben sollten. Die größeren dieser in verschiedenen Ausprägungen der Eigenstaatlichkeit und Staatsform bestehenden Gebiete waren Lippe, Paderborn, Ravensberg, Minden, Münster und Mark. Etwa die Hälfte dieser Gebiete waren geistliche Territorien unter Einfluss der Römischen Kirche, der im ottonisch-salischen Reichskirchensystem erhebliche Macht zuwuchs. Im Westen des heutigen Nordrhein-Westfalens erlangte vor allem das geistliche Territorium Kurköln besondere Bedeutung, das neben dem bereits beschrieben Einfluss im Herzogtum Westfalen auch erheblichen Einfluss auf Territorien wie Mark, Paderborn und Minden in heute westfälischen Regionen hatte. In Südwestfalen etablierten sich zusätzlich die Territorien Mark und Berg. Im Rheinland entstanden neben Köln einige weitere Herrschaften, darunter die später vereinigten Herzogtümer Kleve und Jülich, die später auch Kontrolle über Ravensberg, Berg und weitere Gebiete erlangten. Die rechtlichen und faktischen Beziehungen und Machtverhältnisse zwischen diesen Territorien und damit die jeweilige Bedeutung der jeweiligen Teilterritorien des Heiligen Römischen Reiches waren kompliziert und waren im Laufe des Hoch- und Spätmittelalters mehreren Verwerfungen unterworfen. Neben diesen größeren Territorien gab es auch weitere kleinere Territorien, darunter auch reichsunmittelbare Städte und reichsunmittelbare Stifte.
Die Städte im heutigen Nordrhein-Westfalen profitierten im Mittelalter stark durch den nun einsetzenden Handel, der in Westfalen erstmals das Niveau erreicht haben dürfte, das während der römischen Zeit im Linksrheinischen bereits erreicht wurde. Der Hellweg verband als einer der bekanntesten Handelswege große Handelsstädte wie Dortmund oder Soest miteinander, die sich im Mittelalter zu Städtebünden zusammenfanden und schließlich vielfach der Hanse beitraten.
Frühe Neuzeit

Als im Rahmen der Reichsreform Maximilians I. die Reichsstände 1500 zu sechs, 1512 zu zehn Reichskreisen zusammengefasst wurden, war einer davon der Niederrheinisch-Westfälische Reichskreis. Über das Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens hinaus umfasste er den Westen des heutigen Niedersachsens und das belgische Fürstbistum Lüttich. Zählte die Freie Reichsstadt Köln noch zum Reichskreis, so war Kölns linksrheinisches Umland (Kurköln) und Bonn und auch das Herzogtum Westfalen (Sauerland) Teil des Kurrheinischen Reichskreises. Die Reichsstände des Gebietes waren zu einem großen Teil geistliche Gebiete und waren damit fest in der Hand von Adelsfamilien der jeweiligen Territorien (insb. die Stifte Münster, Paderborn, aber auch Osnabrück). Im Zuge der Reformation und der Konfessionalisierung auch Nordwestdeutschlands, entstand eine Zweiteilung: der Niederrhein und Teile Westfalens wurden bzw. blieben dauerhaft lutheranisch, Lippe wurde reformiert. Die Gegenreformation erreichte eine Verstärkung der römisch-katholischen Reichsstände des Gebietes. Insbesondere unter der Herrschaft von Clemens August von Bayern (1700–1761) wurden große Teile des heutigen Nordrhein-Westfalens „vereinigt“: Münster und Paderborn (1719) sowie Kurköln mit dem Herzogtum Westfalen (1723).[2] Clemens August zentralisierte von seinem Haupt- und Regierungssitz in Bonn aber die Verwaltung dieser Territorien nur teilweise. Die Personalunionen in den geistlichen Territorien wechselten. Häufig entschieden sich die Domkapitel bewusst gegen Personalunionen ihrer zukünftigen Fürstbischöfe. Dennoch boten die katholischen Adelsfamilien, die sich gegenseitig in den Domkapiteln und Klöstern Positionen verschafften, eine nicht zu unterschätzende „nordrhein-westfälische“ Kontinuität. Preußen, das bisher kein entscheidender Machtfaktor im heutigen Nordrhein-Westfalen war, erlangte im 17. Jahrhundert Teile Westfalens wie Ravensberg, Kleve. Minden und die Mark. Die brandenburgisch-preußischen Kurfürsten bzw. Könige vereinheitlichten zwar die Verwaltung ihrer niederrheinisch-westfälischen Lande, dennoch genossen diese Territorien in Preußen auf Grund ihrer Situation als Exklave große Autonomie. Im Reichsdeputationshauptschluss von 1803 wurden alle geistlichen und die meisten kleineren unter den weltlichen Territorien mediatisiert und größeren weltlichen Territorien zugeschlagen. Brandenburg-Preußen konnte nach Kleve, Ravensberg, Mark und Minden mit Münster und Paderborn weitere wichtige Gebiete erwerben. Mit Gebieten des Hochstifts Münster wurden 1803 auch der Herzog von Arenberg, der Herzog von Croy, der Fürst zu Salm-Salm, der Fürst zu Salm-Kyrburg und der Wild- und Rheingraf zu Salm-Grumbach entschädigt, nachdem sie durch die Abtretung des linken Rheinufers ihre früheren Territorien an Frankreich verloren hatten.
Unter napoleonischem Einfluss
Unter Napoleon gerieten zunächst die westlichen und südlichen Gebiete des heutigen Landes unter französischen Einfluss. Bei der von Frankreich angeregten Gründung des Rheinbundes im Jahre 1806 wurden die rechtsrheinischen Teile des nordrheinischen ehemaligen Kurfürstentums Köln mit weiteren rechtsrheinischen Gebieten unter Aufhebung einiger 1803 entstandener Zwergstaaten zum neuen Großherzogtum Berg mit der Hauptstadt Düsseldorf vereinigt. Großherzog wurde Joachim Murat, ein Schwager Napoleons. Die sauerländischen Gebiete um Arnsberg wurden dem Großherzogtum Hessen zugeschlagen. Die Grafschaft Dülmen fiel 1806 an das Herzogtum Arenberg, die Herrschaft Gemen an das Fürstentum Salm. Diesen unter französischer Hegemonie stehenden Rheinbundstaaten gelang bis 1806 die Expansion ihrer Machtbereiche und durch den Untergang des Heiligen Römischen Reichs der Aufstieg zu völkerrechtlich souveränen Staaten. Berg umfasste ab 1806 einen großen Teil des Westteils des späteren Nordrhein-Westfalens, allerdings ohne das an Frankreich gefallene linke Rheinufer. Berg entwickelte sich - im Hinblick auf verschiedene rechts-, wirtschafts- und gesellschaftspolitische Gesichtspunkte - zu einem der fortschrittlichsten und modernsten deutschen Staaten. Große Teile der ostwestfälischen Gebiete Preußens wurden Teil des 1807 geschaffenen Königreichs Westphalen. Dieser Staat unter dem Königtum von Jérôme Bonaparte, einem Bruder Napoleons, umfasste neben dem heutigen Ostwestfalen aber hauptsächlich Gebiete außerhalb der namensgebenden Landschaft und erstreckte sich auch auf hannoversche bzw. hessische Gefilde. Auch im Königreich Westphalen wurde daraufhin eine effiziente Verwaltung nach französischem Vorbild eingeführt. 1813 wurden das Großherzogtum und die anderen Gebiete von Koalitionstruppen besetzt, 1815 durch den Wiener Kongress einer Neuordnung unterzogen und die meisten Territorien dem Königreich Preußen einverleibt. Düsseldorf verlor seine führende Rolle als Haupt- und Residenzstadt. Neben den wiedererlangten preußischen Territorien vergrößerte sich Preußens Besitz im heutigen Land Nordrhein-Westfalen also enorm. Mit Ausnahme des mehr oder weniger von Preußen abhängigen Lippe, das auch während der napoleonischen Zeit seine Unabhängigkeit wahren konnte, war das Gebiet des späteren Nordrhein-Westfalens nach Ende der französischen Herrschaft vollkommen preußisch.
Als Teil Preußens
→ Hauptartikel: Provinz Westfalen und Rheinprovinz
Seit 1815 waren große Teile des späteren Nordrhein-Westfalens unter dem Dach eines einzigen Staates, dem Königreich Preußen, vereint. Das Gebiet des heutigen Landes lag dabei in einer westlichen Randlage Preußens. Der so vergrößerte Einheitsstaat Preußen gliederte seine westdeutschen Gebiete neu in die Provinz Westfalen mit der „Provinzialhauptstadt“ Münster und die fusionierte Rheinprovinz (“Rheinland”) mit der „Provinzialhauptstadt“ Koblenz. Wenn der neue Oberstaat auch die jeweilige eigene Identität von erweitertem Rheinland und Westfalen tendenziell förderte, so handelte es sich staatsrechtlich bei den „Provinzen“ lediglich um unselbständige Regierungs- und Verwaltungsbezirke in demselben zentralen Einheitsstaat. Als dieser, der seit 1918 die Staatsform des republikanischen Freistaates hatte, 1945 unterging (förmlich 1947 aufgelöst), ging auch die längste Periode der Vereinigung von Nordrhein und Westfalen in einem einzigen, nicht zersplitterten Staat zu Ende; sie hatte von 1815 bis 1945, also 130 Jahre gedauert. 1946 bildeten sie einen gemeinsamen selbständigen Staat. Bei dieser Betrachtung bleibt lediglich der Landesteil Lippe außer acht, der vor 1946 über Jahrhunderte eigenständig war.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich das Ruhrgebiet basierend auf den Kohle- und Erzfunden in der Region zu einem industriellen Zentrum. Der vormals ländlich und durch einzelne Handelsstädte geprägte Raum entwickelte sich im Folgenden zu einem der größten Ballungszentren der Welt.
Zwischen den Weltkriegen
Als Folge des Ersten Weltkrieges der das heutige nordrhein-westfälische Gebiet nicht direkt betraf, besetzten die Alliierten Siegermächte bis 1930 Teile des Rheinlandes (Alliierte Rheinlandbesetzung) und zwischen 1923 und 1925 auch das gesamte Ruhrgebiet (Ruhrbesetzung), dessen strategische Bedeutung für die Rüstungsindustrie und die deutsche Wirtschaft insgesamt enorm war. Im Anschluss daran blieb die Region bis 1936 (siehe „deutsche Rheinlandbesetzung“) demilitarisiert.
Nationalsozialistische Diktatur und Zweiter Weltkrieg

Im Nationalsozialismus waren die preußischen Provinzen Westfalen und Rheinland, Preußen selbst und der Freistaat Lippe durch die Gleichschaltung der Länder nur noch wenig bedeutungsvolle Hüllen des diktatorisch gelenkten Deutschen Reiches. Jüdische Bewohner, die nicht rechtzeitig flohen, wurden in Westfalen, im Rheinland und in Lippe fast vollständig deportiert und getötet. Für die Rüstung des Deutschen Reiches hatten die industriellen Zentren an Rhein und Ruhr enorme Bedeutung. Demzufolge flogen die Alliierten im Verlauf des Krieges schwere Luftangriffe auf das Ruhrgebiet. Den vorrückenden Alliierten gelang 1944 die Einnahme erster nordrheinischer Städte wie Aachen in der Schlacht um Aachen. Versuche der Wehrmacht, im Rheinland und Westfalen die Alliierten zurückzuwerfen, misslangen. Besonders verlustreich für beide Seiten war die Schlacht im Hürtgenwald. Der Ruhrkessel führte 1945 zur Einnahme des Ruhrgebiets durch alliierte Verbände. Bombardements und Bodenkrieg ab Ende 1944 bis etwa April/Mai 1945 hatten zu einer fast völligen Zerstörung der industriellen und städtischen Kerne der preußischen Provinzen und Rheinland und Westfalen geführt. Beide Provinzen des de facto untergegangenen Preußens sowie Lippe wurden von den Briten besetzt.
Geschichte des Landes seit 1946
1946–1949


Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Siegermächte uneins über das weitere Schicksal des Ruhrgebiets. Während Frankreich einen eigenständigen, politisch schwachen Staat oder ein internationalisiertes Gebiet favorisierte, sprach sich die sowjetische Seite für einen Viermächte-Status aus, vergleichbar mit Berlin. Letzteres wurde von den Briten, zu deren Besatzungszone die Region gehörte, entschieden abgelehnt, um den sowjetischen Einfluss nicht nach Westen auszudehnen. Die USA verhielten sich in dieser Frage offiziell neutral, unterstützten aber stillschweigend die Briten. Darüber hinaus befürwortete die britische Regierung eine Eingliederung des Ruhrgebiets in einen zukünftigen deutschen Staat, um eine Wiederholung der schweren Wirtschaftskrise und damit der Instabilität nach dem Ersten Weltkrieg zu vermeiden. Allerdings sollte sowohl die Wirtschaftsmacht als auch das potenziell sozialistische Proletariat des Industriereviers kompensiert werden. Aus diesem Grund entwickelten die Briten die Idee des Zusammenschlusses mit dem ländlich und katholisch geprägten Westfalen. Zudem sollte die Einbeziehung leistungsfähiger Agrarlandschaften die logistisch schwierige Aufgabe der Versorgung des dicht besiedelten Ruhrgebiets erleichtern. Am 21. Juni 1946 verständigte sich ein Kreis von britischen Ministern und Beamten in London auf die Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen. Am 17. Juli 1946 wurde auf einer Pressekonferenz beim Alliierten Kontrollrat in Berlin die Zusammenlegung des nördlichen Rheinlands mit Westfalen bekannt gegeben und Düsseldorf zur Landeshauptstadt bestimmt. Das Projekt - genannt Operation Marriage[3] - war von Anfang an umstritten, nicht zuletzt innerhalb Deutschlands, wo Politiker das wirtschaftliche und Bevölkerungsübergewicht des neuen Landes fürchteten. Zudem gab es kaum Gemeinsamkeiten der beiden Landesteile Nordrhein und Westfalen, abgesehen davon, dass beide rund 130 Jahre lang preußische Provinzen gewesen waren. Historisch stand Westfalen Niedersachsen und Nordrhein der zu Rheinland-Pfalz zugeschlagenen südlichen Hälfte des Rheinlandes näher. Am ehesten verwischten sich die Grenzen im Ruhrgebiet. Seine rechtlichen Grundlagen erhielt Nordrhein-Westfalen (in der Verordnung Nordrhein/Westfalen genannt) mit der Verordnung Nr. 46 der britischen Militärregierung vom 23. August 1946 „Betreffend die Auflösung der Provinzen des ehemaligen Landes Preußen in der Britischen Zone und ihre Neubildung als selbständige Länder“.[4] Aus dem nördlichen Teil der preußischen Rheinprovinz und aus der Provinz Westfalen wurde das neue Land Nordrhein-Westfalen gebildet.
Bis zur Londoner Deutschlandkonferenz am 26. März 1949 vertraten die Niederlande immer wieder die Forderung, dass ein Gebietsstreifen südöstlich und östlich der deutsch-niederländischen Grenze an sie abgetreten werden sollte. Erst 1949 wurden diese Forderungen weitestgehend ad acta gelegt.
Als ersten Ministerpräsident setzten die Briten am 24. Juli 1946 den Demokraten und erfahrenen Verwaltungsbeamten Rudolf Amelunxen ein, der politisch dem Zentrum zurechnen war, wenngleich er auch erst 1947 wieder in diese Partei zurückkehrte, der er bereits vor 1933 angehört hatte. Die Landesregierung wurde von den Briten ebenfalls ernannt. Amelunxens erstes Kabinett tagte erstmals am 30. August 1946 und bestand aus Parteilosen und aus Mitgliedern des Zentrums, der FDP, der SPD und der KPD - die CDU unter dem Landtagsabgeordneten Konrad Adenauer zog aufgrund verschiedener Streitigkeiten um die Verteilung der Kabinettsposten die Opposition vor. Erst nach einer Kabinettsumbildung Ende 1946 und einer für die CDU günstig verlaufenen Kommunalwahl (46% landesweit) stellte im zweiten Kabinett Amelunxens erstmals auch die CDU Landesminister. Der erste Landtag tagte in der Düsseldorfer Oper erstmals am 2. Oktober 1946 und wurde durch die Briten ernannt. Ernannt wurden Parteilose, Mitglieder der SPD, der KPD, der CDU, des Zentrums und der FDP. Die Kompetenzen des Landtages und der Landesregierung waren aber gegenüber den Rechten der Besatzer stark beschränkt. Sitzungen fanden zunächst in Provisorien statt. Erst 1949 war das im Krieg schwer beschädigte Ständehaus soweit in Stand gesetzt, dass der Landtag dort für die nächsten Jahrzehnte seine Heimat fand. Die ersten Kommunalwahlen – mithin die ersten demokratischen Wahlen nach 1933 überhaupt – fanden bereits im Oktober 1946 statt.
1947 musste das vormalige Land Lippe auf Betreiben der Briten seine Selbstständigkeit aufgeben. Eine Unabhängigkeit Lippes wurde aufgrund dessen nur geringer Größe nicht befürwortet. Seine Regierung unter Landespräsident Heinrich Drake entschied sich nach Verhandlungen mit beiden benachbarten Ländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen (beide britische Verwaltungszone) für den Anschluss an Nordrhein-Westfalen. Dem Land Lippe gelang es der Düsseldorfer Regierung umfassende Zugeständnisse abzutrotzen. Unter anderem wurde sein Landesvermögen größtenteils nicht nordrhein-westfälischer Staatsbesitz, sondern wurde dem eigens gegründeten Landesverband Lippe übertragen. Zusätzlich musste die Bezirksregierung aus Minden ihren Sitz für den neuen Regierungsbezirk Minden-Lippe (später Regierungsbezirk Detmold) in der ehemaligen lippischen Landeshauptstadt Detmold nehmen. Den Lippern wurde außerdem gestattet ihre Gemeinschaftsschulen beizubehalten, wohingegen in Westfalen und im Rheinland die Bekenntnisschule bis in die 1960er Jahre die Regelschule war. Am 21. Januar 1947 trat durch die britische Militärverordnung Nr. 77 die Vereinigung in Kraft. Die Briten versprachen den Lippern eine Volksabstimmung innerhalb von fünf Jahren, in der die Lipper über den Beitritt abschließend abstimmen sollten. Die bis 1952 vorgesehene Abstimmung unterblieb jedoch. Am 5. November 1948 wurde mit Verabschiedung des „Gesetzes über die Vereinigung des Landes Lippe mit Nordrhein-Westfalen“ durch den nordrhein-westfälischen Landtag der Beitritt auch rechtsformal vollzogen.
Im April 1947 wurden die ersten Landtagswahlen durchgeführt. Die CDU wurde stärkste Partei. Zum zweiten Ministerpräsidenten wählte der Landtag den CDU-Politiker Karl Arnold. Arnold wurde dem linken Flügel der CDU zugerechnet und hatte in der für das Land wirtschaftlich und politischen schweren Zeit keine Hemmungen neben dem „natürlichen CDU-Partner“ Zentrum auch die SPD, bis 1948 sogar die KPD an seiner ersten Regierung zu beteiligen. 1949 wurde die Bundesrepublik gegründet und Nordrhein-Westfalen das größte Land der noch jungen Republik, die vom Kölner Konrad Adenauer als Bundeskanzler maßgeblich geprägt wurde. Bonn, das bereits als Tagungsort für den Parlamentarischen Rat diente und wo auch die von diesem ausgearbeitete Verfassung unterzeichnet wurde, wurde Hauptstadt der Bundesrepublik. Genau wie in Düsseldorf musste die notwendige Infrastruktur für Regierung und Parlament fast völlig neu errichtet werden und blieb Jahrzehnte nur ein Provisorium.
1946 wurde die Kunstakademie Düsseldorf wiedereröffnet. Ein Jahr nach Kriegsende gibt es 19 lizenzierte Blätter in Nordrhein-Westfalen. 1946 wurde der Vorläufer der späteren Hochschule für Musik Detmold gegründet. 1947 wurde mit der Sporthochschule Köln von Carl Diem die erste neue Hochschule des jungen Landes gegründet. 1947 fanden die ersten Ruhrfestspiele unter dem Motto „Kunst gegen Kohle“ statt. Die Hamburger Bühnen dankten damit den Recklinghausener Kumpeln, die ihnen heimlich Kohle für ihre Schauspielhäuser schenkten. 1949 fand inmitten der Ruinen des kriegszerstörten Kölns der erste Kölner Rosenmontagszug nach dem Krieg statt.
Die Versorgungslage der Bevölkerung nach dem Weltkrieg war katastrophal. Wohnungen und andere Infrastruktur waren insbesondere in den von Bombenangriffen schwer getroffenen industriellen Zentren des Landes weitestgehend zerstört. Die Bevölkerung in den urbanen Gebieten wie dem Ruhrgebiet hatten kaum eine Möglichkeit sich selbst zu versorgen. Neben der in Westfalen, Lippe und Rheinland ansässigen Bevölkerung mussten auch tausende Flüchtlinge aus den Ostgebieten des untergegangenen Deutschen Reiches versorgt werden. Lebensmittel wurden rationiert. Der Schwarzmarkt blühte. Erschwerend war der Winter 1946/1947 ein regelrechter Hungerwinter. Der populäre Kölner Kardinal Joseph Frings rechtfertigte das Klauen von Kohle, was fortan wie andere kleine Diebstähle „fringsen“ genannt wurde. Der besonderen wirtschafts- und rüstungspolitischen Bedeutung des Ruhrgebiets trug das am 29. April 1949 beschlossene Ruhrstatut Rechnung. Im zugrunde liegenden Petersberger Abkommen wurde eine internationale Behörde vereinbart, die die Schwerindustrie der Region kontrollieren sollte. Die Kontrollbehörde wurde allerdings kaum tätig. Produktionsbeschränkungen wurden nach kurzer Zeit gelockert, um den wirtschaftlichen Wiederaufbau zu fördern und nicht zuletzt um auch die französische Stahlindustrie mit deutscher Kohle zu versorgen. Untersagt blieb aber beispielsweise die Gewinnung von Benzin aus Kohle. Gleichzeitig beendete das Petersberger Abkommen die Demontage wichtiger Industrieanlagen im Ruhrgebiet.
1950er-Jahre
Die Landtagswahl am 18. Juni 1950 bestätigten Ministerpräsident Karl Arnold (CDU) im Amt; die CDU wurde die stärkste Kraft im Parlament. Letztmalig gelang der KPD der Einzug ins Parlament. Wichtige Themen waren die Vorschläger der SPD zur Einführung der Allgemeinschulen und die Montanmitbestimmung, die zwar vor allem in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fiel, aber naturgemäß für Nordrhein-Westfalens Industrie besondere Bedeutung hatte. Die CDU, die bisher eine Koalition mit SPD und Zentrum anführte, stellte nach der Landtagswahl zunächst alle Landesminister und formte nach dieser kurzen Übergangsphase eine CDU-Zentrum-Koalition. Karl Arnold galt als katholischer Sozialpolitiker der den Forderungen nach einer Mitbestimmung der Arbeiter und sogar nach Einführung konfessionsloser Schule relativ unvoreingenommen bis positiv gegenüber stand. Der zum Bundeskanzler aufgestiegene Kölner Konrad Adenauer, der sich zur dominanten Größe in der CDU entwickelte, stellte sich gegen Arnold und wirkte massiv auf die Bildung einer Regierungskoalition ohne Beteiligung der SPD hin. Im Rahmen der Landtagswahl 1950 wurde ebenfalls über die Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen abgestimmt, die vom Landtag kurz zuvor beschlossen wurde mit 110 Stimmen von CDU und Zentrum gegen 97 von SPD, FDP und KPD. Am umstrittensten war die von CDU und Zentrum durchgesetzte Konfessionsschule. Bei der Volksabstimmung stimmten 57% mit Ja, 35,2% mit Nein, 7,8% der abgegebenen Stimmen waren ungültig. In den stark katholischen Gebieten ergab sich überall eine deutliche Mehrheit für die Verfassung, während in den mehrheitlich protestantischen Landesteilen sehr häufig, aber nicht durchgehend die Nein-Stimmen überwogen. Die stärkste Ablehnung gab es im ehemaligen Land Lippe (58,6% Nein, 31,6% Ja, 9,8% ungültig), im nördlichen Teil Ostwestfalens überwogen ebenfalls die Nein-Stimmen. Auch im östlichen Ruhrgebiet war der Anteil der Nein-Stimmen stark überdurchschnittlich. Die damit ausgedrückte kritische Haltung der Lipper zu ihrem neuen Land, veranlasste die Landesregierung wohl auch die eigentlich 1947 versprochene Volksabstimmung über den Beitritt nicht abzuhalten. Die Kreise Detmold und Lemgo, die gegen diese Behandlung vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, setzen sich dort am 28. Juli 1955 nicht durch. Arnold wirkte als Ministerpräsident in der ersten Legislaturperiode auf die Montanmitbestimmung hin, die 1951 im Montan-Mitbestimmungsgesetz verankert wurde und zum Vorbild für weitere Mitbestimmungsgesetze in der sozialen Marktwirtschaft der Bundesrepublik wurde. 1953 wurden Landesflagge und Landeswappen festgelegt. Das Wappen zeigte die Symbole der drei Landesteile Lippe, Westfalen und Rheinland. In der Landtagswahl 1954 erhielt die CDU mit deutlichem Anstand die meisten Stimmen. Die KPD verpasste erstmals den Einzug in den Landtag. Karl Arnold gelang es die FDP in eine Regierung einzubinden. In seinem Kabinett Arnold III war neben den FDP-Ministern weiterhin auch der ehemalige Ministerpräsident und erfahrene Landesminister Rudolf Amelunxen vertreten. 1956 zerbrach die CDU/FDP-Koalition, da die FDP aus Protest gegen eine von Bundeskanzler Konrad Adenauer angestrebte Wahlrechtsreform zu Lasten kleiner Parteien die Koalition aufkündigte. Im Landtag wählten FDP und SPD den ehemaligen Bergmann Fritz Steinhoff (SPD) zum neuen Ministerpräsidenten, der eine SPD-FDP-Regierung mit abermaliger Beteiligung Amelunxens vom Zentrum formte. Per deutsch-belgischen Grenzvertrag wurden 1956 die Grenzen zwischen Nordrhein-Westfalen und Belgien endgültig festgelegt. Die meisten von Belgien nach dem Weltkrieg besetzten Gebiete wurden wieder nordrhein-westfälisch. Die Landtagswahl 1958 beendet die sozialliberale Koalition nach nur rund zwei Jahren. Der 1956 aus dem Amt gedrängte und recht beliebte ehemalige Ministerpräsident Karl Arnold trat 1958 erneut als Spitzenkandidat der CDU an. Kurz vor der Landtagswahl starb Arnold aber unerwartet im Alter von nur 57 Jahren. Die CDU gewann die Landtagswahlen dennoch erstmals mit absoluter Mehrheit. Arnolds politischer Erbe wurde sein rheinischer Parteifreund Franz Meyers. Das Zentrum verpasste 1958 erstmals den Einzug in den Landtag.
1952 beschloss der Landtag eine von den Briten bereits 1945 per Beschluss in Grundzügen eingeführte Gemeindeordnung. Die neue Gemeindeordnung war nach den Prinzipien der Norddeutschen Ratsverfassung aufgebaut und wies dem Gemeinderat, das als einziges Organ direkt gewählt wurde, eine überragende Stellung zu. Diese Gemeindeordnung wurde erst 1994 grundlegend reformiert. Die Kommunen im Landesteil Rheinland sowie in Westfalen-Lippe erhielten 1953 zur besseren Erfüllung ihrer kommunalen Aufgaben Landschaftsverbände, die auch in besonderem Maße den kulturellen Eigenarten der Rheinländer und den Westfalen gerecht werden sollte.
1956 spaltete sich der Nordwestdeutsche Rundfunk in den Norddeutschen Rundfunk (NDR) und den Westdeutschen Rundfunk (WDR). Das Sendegebiet des WDR war das Land Nordrhein-Westfalen, während der NDR für die norddeutschen Länder produzierte. Seit 1955 durften die Bürger des Landes wieder Lotto spielen; 1957 wurde die landeseigene Westdeutsche Lotterie eigenständig. 1975 wurde in Köln die neue Oper eröffnet; die kriegszerstörten Reste der alten Oper wurden 1958 abgerissen. 1958 richtete die römisch-katholische mit dem Bistum Essen ein eigenes Bistum für das bevölkerungsreiche Ruhrgebiet ein.
1950 fand die erste photokina in Köln statt. 1950 wurde die Lebensmittel- und Kraftstoffrationierung aufgehoben - erste Anzeichen des beginnenden Wirtschaftswunders. 1952 wurde die Kontrollbehörde zum Ruhrstatut offiziell aufgelöst, so dass die Montanindustrie wieder ungebremst produzieren und exportieren konnte. An die Stelle des Ruhrstatuts traten die Vereinbarungen über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die auch als Montanunion bekannt ist und als einer der Wurzeln der späteren Europäischen Gemeinschaft und Union gilt. Alliierte Pläne zur Neuordnung der Besitzverhältnisse der deutschen Montanunternehmen und einer Kontrolle der gesamten Stahlindustrie, dem Ruhrstatut als Idee zugrunde liegend, wurden im Zuge der Gründung der Montanunion aufgegeben. Durch das Montan-Mitbestimmungsgesetz war die Gewerkschaftsbewegung ohnehin als Gegenpol zum Großkapital in den Montanunternehmen aufgestiegen. 1952 konnten die kriegszerstörten Westfalenhallen in Dortmund wiedereröffnet werden. 1955 wurde die Lufthansa mit Hauptsitz in Köln neugegründet, an der auch das Land Nordrhein-Westfalen direkte Kapitalbeteiligungen hielt. Infolge des 1955 geschlossenen Anwerbeabkommen mit Italien kamen viele Italiener ins Land, um den Arbeitskräftemangel in der nordrhein-westfälischen Industrie abzufedern. Bis heute stellen die Italiener die zweitgrößte Ausländergruppen im Land. 1958 gründete Klaus Steilmann sein Modeunternehmen, das er zu einem der größten der Branche ausbaute. 1959 wurde der Wiederaufbau der kriegszerstörten Hohenzollernbrücke in Köln abgeschlossen. Ende des Jahrzehnts geriet die Montanindustrie des Landes in ihre erste große Krise. Die Kohlekrise hat verschiedene technische, ökonomische und politische Ursachen und führte zum Ausfall von Schichten und zu Entlassungen. Eine der ersten Zechen im Revier, die wegen der Kohlekrise ihren Betrieb 1959/60 stilllegen musste, war die Zeche Prinz Regent in Bochum. Die Kumpel protestierten ab 1969 für staatliche Hilfen. Die Kohlekrise, die später auch auf die Stahlindustrie überschlug, läutete den bis heute andauernden Strukturwandel im Revier ein, der zum großen politischen Thema der kommenden Jahrzehnte aufrückte.
1960er-Jahre

1960 wird der Holland-Vertrag (Algemeen Verdrag) abgeschlossen. Er regelt die Rückgabe unter niederländischer Auftragsverwaltung stehenden Gebiete an Deutschland bis 1963. Gebiete wie das Selfkant werden August 1963 wieder voll nordrhein-westfälisch. Bei der Landtagswahl 1962 verlor die CDU ihre absolute Mehrheit. Ministerpräsident Franz Meyers (CDU) gelang aber die Bildung einer schwarz-gelben Koalition und konnte so Ministerpräsident bleiben. Auch nach der Landtagswahl 1966 kann sich die Koalition wenn auch nur knapp behaupten; nur hauchdünn verpasste die SPD eine absolute Mehrheit. Nach dem Vorbild Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger, der 1966 eine CDU/SPD-Regierung formte, entschied sich der zunächst im Amt bestätigte Franz Meyers (zunächst heimlich) eine große Koalition in Nordrhein-Westfalen anzustreben. Nachdem seine Pläne öffentlich wurden, entließ er seine FDP-Minister. Entgegen seiner Pläne bildete die SPD aber keine Regierung mit ihm, sondern formte mit der FDP eine Regierungskoalition, die den Rest der Legislaturperiode mit eigener Mehrheit aus den vorangegangenen Landtagswahlen regierte. SPD-Ministerpräsident wurde Heinz Kühn, der vom Landtag durch ein Misstrauensvotum rund fünf Monate nach der Landtagswahl zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. 1965 trat ab 1958 vorbereitete EUREGIO offiziell in Kraft. Die EUREGIO war die erste der Europaregionen mit nordrhein-westfälischer Beteiligung. In den 70-ern folgten die Euregio Rhein-Waal, die Euregio Rhein-Maas-Nord und die Euregio Maas-Rhein. 1969 begann die Landesregierung mit der Durchführung umfangreicher Gebietsreformen, die ihren Abschluss erst 1975 fanden. Gegen teils heftige Proteste wurden Großgemeinden und größere kreisfreie Städte geschaffen und der Zuschnitt der Kreise und kreisfreien Städte neu geordnet, um leistungsfähigere Kommunen zu schaffen.
1962 nimmt der Forschungsreaktor in Jülich seinen Betrieb auf. Damit ging eine Einrichtung in Betrieb, die heute eine der größten Forschungseinrichtungen des Landes ist und mittlerweile als Forschungszentrum Jülich bekannt ist. In den sechziger Jahren begann auch eine Periode des Hochschulneubaus in Nordrhein-Westfalen, das bisher über nur wenige Einrichtung dieser Art verfügte. 1961 wird der Bau der Ruhruni in Bochum beschlossen, deren erste Fachbereiche 1965 eröffnet werden konnten. Im selben Jahr wurde in Düsseldorf die Medizinische Akademie in die Universität Düsseldorf umgewandelt. 1968 eröffnete die Universität Dortmund, 1969 die Universität Bielefeld. Um den Lehrerbedarf an den Schulen des Landes zu decken wurden ab 1963 von Kultusminister Paul Mikat auch Seiteneinsteiger (sogenannte „Mikätzchen“) zum Lehramtsstudium zugelassen. In Marl wurde 1964 der Grimme-Preis erstmals vergeben. Die Volksschulen wurden Mitte der 1960er Jahre gemäß dem Hamburger Abkommen landesweit durch ein Schulsystem mit Grundschulen und Hauptschulen als Regelschulen ersetzt. Daneben existierten weiter die Gymnasien. 1968 verständigten sich SPD und CDU auf die Einführung der Gemeinschaftsschule als Regelschule. Eine Konfessionsschule (Haupt- oder Realschule) konnte in Nordrhein-Westfalen aber (und kann bis heute) auf Wunsch der Eltern und bei ausreichend gewährleisteter Schulgröße auch weiter in staatlicher Trägerschaft eingerichtet bzw. beibehalten werden. 1967 fand in Köln die erste Art Cologne statt.
1964 verübte Walter Seifert den in der Geschichte des Landes nach Anzahl der Opfer größten Amoklauf in Volkhoven. Neun Menschen starben, darunter acht Schüler.
Das 1961 geschlossene Anwerbeabkommen mit der Türkei führt beginnend in den 60-er Jahren zu einem Zuzug türkischer Arbeitskräfte für im Wirtschaftswunder nach neuen Arbeitnehmern händeringend suchenden Industrien im Raum Rhein-Ruhr. Heute stellt die Bevölkerungsgruppe mit türkischem Migrationshintergrund die größte Gruppe der Migranten im Land. Das „Wirtschaftswunderland Nordrhein-Westfalen“ hat aber durch die Schwerindustrie im Land massive Umweltprobleme. 1961 wird die starke Umweltbelastung im Ruhrgebiet bereits eines der Themen im Bundestagswahlkampf Willy Brandts. 1962 eröffnet in Essen die erste Aldi-Filiale, die als typischer Discounter gestaltet wurden und den Grundstein für das spätere Einzelhandelsimperium der Essener Abrecht-Brüder legte. Anfang der 1960er Jahre gelang in Bochum die Ansiedelung eines Opel-Werkes in dem ab 1962 der Kadett gefertigt wurde und das neben den Ford-Werken in Köln das zweite große Automobilwerk im Land wurde. Das Zechensterben weitete sich 1966 mit der Stilllegung der Zeche Graf Bismarck auch auf bisher für rentabel gehaltene Zechen aus. Die Stilllegung aus mutmaßlich hauptsächlich rein politisch-ökonomischen Gründen um hohe Stilllegungsprämien zu erhalten, war eine der am umstrittensten Zechenaufgaben überhaupt. Die Bundesregierung und Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller griffen 1967 in die Krise des Bergbaus ein und initiierten eine konzertierte Aktion. Die Regierung drohte mit Streichung der Subventionen falls sich die Tarifpartner und Regierung nicht auf ein neues Kohlegesetz hätten einigen können, das dann aber 1968 in Kraft trat. Auf den Druck der Bundesregierung hin, schlossen sich die meisten der Bergbauunternehmen zur Ruhrkohle AG zusammen, die im Wettbewerb mit ausländischer Kohle schlagkräftiger sein sollte, das Zechensterben letztlich aber auch nur verzögern konnte. In Köln erschien erstmals 1964 der Express als Konkurrenz zur BILD-Zeitung und behauptete sich bis heute im Rheinland gegen die BILD im Marktsegment der Boulevardzeitungen.
1970er-Jahre

Die Landtagswahl 1970 ermöglicht SPD-Ministerpräsident Heinz Kühn die Fortsetzung seiner Regierung. Sein Koalitionspartner FDP schafft aber nur knapp den Einzug in den Landtag und die CDU wurde stärkste Partei nach Anteil der Stimmen. Die Wahl war die erste Landtagswahl nach Senkung des Wahlalters von 21 auf 18 Jahre. Die SPD gründete 1970 als erste der großen Volksparteien einen Landesverband, der das ganze Nordrhein-Westfalen umfasste. 1974 scheiterte ein Volksbegehren gegen die heftig umstrittene kommunale Gebietsreform. Damit konnte auch die letzte Stufe der Gebietsreform 1975 wie geplant in Kraft treten. Aus über 2300 kreisangehörigen Gemeinden wurden rund 373 Gemeinden. Aus 57 (Land-) Kreisen im Jahr 1966 wurden bis 1975 31 Kreise. Die Anzahl der kreisfreien Städte wurde von 38 im Jahr 1966 auf 23 in 1975 reduziert. Nordrhein-Westfalen ordnete damit in nur wenigen Jahren wie kein zweites Land seine Gemeindezuschnitte radikal neu. Im Bundesvergleich hat bis heute kein anderes Flächenland ähnlich bevölkerungsreiche Gemeinden. 1972 wurde auch der Regierungsbezirk Aachen aufgelöst und sein Gebiet dem Regierungsbezirk Köln zugeschlagen. Bei der Landtagswahl 1975 trat Ministerpräsident Kühn erneut als Spitzenkandidat der SPD an und konnte erneut eine SPD/FDP-Regierung formen. Stärkste Kraft wurde aber erneut die CDU. Die Regierung kündigte 1976 die Einführung der kooperativen Schule an und stieß damit auf großen Widerspruch in der Bevölkerung. Ein Volksbegehren gegen die Einführung wurde organisiert und erhielt die nötige Unterstützung der Bürger. Die Einführung der neuen Schulform wurde 1978 daraufhin gestoppt. Es sollte das einzige erfolgreiche Volksbegehren im Land bis heute bleiben. Der deutsche Herbst beginnt mit der Entführung Hanns-Martin Schleyers in Köln und erschüttert das deutsche und auch das nordrhein-westfälische Justiz- und Politiksystem. Wegen der WestLB-Affäre trat Heinz Kühn 1978 zurück. Kühns Nachfolger wurde Johannes Rau.
Beginnend 1971 wurden die Fachschulen in Nordrhein-Westfalen in 15 Fachhochschulen umgewandelt; 1972 folgten fünf Gesamthochschulen. 1975 wurde die in Deutschland einzigartige Fernuni Hagen gegründet. Ausgerechnet in der ehemaligen Landeshauptstadt Lippes wurde 1971 das Westfälische Freilichtmuseum eingeweiht. 1972 erhält der Kölner Heinrich Böll den Nobelpreis für Literatur. 1972 entließ Johannes Rau, damals Bildungsminister, den weltberühmten Joseph Beuys, aus seiner Anstellung an der Kunstakademie Düsseldorf wegen einer Kunst- und Protestaktion, die Rau missfiel, und provozierte damit einen von vielen Künstlern unterstützten Protest gegen die Entlassung. 1974 gründete Pina Bausch ihr Tanztheater in Wuppertal und entwickelte sich zur Ikone der internationalen Tanzszene.
Zur Fußball-Weltmeisterschaft 1974 wurden in den nordrhein-westfälischen Spielorten Düsseldorf (Rheinstadion), Dortmund (Westfalenstadion) und Gelsenkirchen (Parkstadion) „moderne“ Multifunktionsstadien mit Spielfeld und Leichtathletikbahn neu errichtet bzw. modernisiert. Das zunächst auch als Austragungsort in Betracht gezogene Müngersdorfer Stadion in Köln wurde bis 1974 neu errichtet. Im nicht modernisierten Bökelberg dominierte Borussia Mönchengladbach den Profifußball der 70-er Jahre. Zwischen 1970 und 1979 wurde die Mannschaft fünfmal deutscher Meister, gewann zweimal den UEFA-Cup und je einmal den DFB-Pokal und den Supercup. 1976 wurde das Spielcasino Aachen als erstes Spielcasino im Land eröffnet. Bis 2007 folgten drei weitere.
Der Prozess um das Verstümmelungen an ungeborenen Kindern verursachende Schlafmittel Contergan, das das nordrhein-westfälischen Unternehmen Grünenthal produzierte, wurde 1970 durch einen Vergleich beendet. 1971 wurde Bertelsmann in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Dem zügigen Aufstieg zu einem der größten Medienunternehmen der Welt wurde damit ein Grundstein gelegt. 1977 bringt der Bertelsmann-Hauptaktionär Reinhard Mohn seine Anteile in die Bertelsmann Stiftung ein, die sich zu einer der größten deutschen Stiftungen entwickelt. 1974 führten Spekulationsgeschäfte zur Pleite der Kölner Herstatt-Bank. Die Insolvenz war bis zu diesem Zeitpunkt die größte Bankenpleite der Nachkriegsgeschichte. Bis Mitte der 1970er Jahre war die Stahlindustrie konkurrenzfähig und erzielte 1974 einen Rekordausstoß, geriet dann aber zunehmend wie zuvor schon der Steinkohlenbergbau in eine große Stahlkrise, die teils der aufkommenden ausländischen Konkurrenz teils auch durch die Ölkrise, die zu hohen Energiepreisen führte, geschuldet war. Die Milderung der Auswirkungen dieser Strukturkrise und die Gestaltung des Strukturwandels wurden ein zentrales Thema aller Landesregierungen. 1979 startete die Landesregierung das Aktionsprogramm Ruhr. Das Ruhrgebiet sollte sauberer werden und die Bewohner sollten durch Bildung in die Lage versetzt werden, Tätigkeiten jenseits der Montanindustrie auszuüben. Die Landesregierung verwandte dafür große Teile des Haushaltes und verschuldete sich auch dafür immer stärker. Die Ertragskraft des Landes war Ende der 1970er Jahre durch Stahl- und Kohlenkrise soweit gefallen, dass das Land 1979 erstmals kein Geberland mehr im Länderfinanzausgleich war und auch im folgenden Jahrzehnt über den gesamten Zeitraum unter den Nettoempfängern im Finanzausgleich bleiben sollte. Ihren Höhepunkt erreichte die Stahlkrise rund ein Jahrzehnt später, als die Proteste gegen die Schließung des Rheinhausener Stahlwerks gewaltige Ausmaße annahmen. Ende der 1980er Jahre arbeiteten aber nur noch rund 4 % in der Montanindustrie.
1980er-Jahre

Die Landtagswahl 1980 führte zu einem Landtag der ausschließlich aus den Fraktionen CDU und SPD bestand. Als größere Fraktion hatte die SPD zwangsläufig eine absolute Mehrheit im Landtag. Zum Ministerpräsidenten wählte die SPD-Fraktion Johannes Rau, der bereits seit 1978 Ministerpräsident war und es bis 1998 bleiben sollte. Seine Beliebtheit sicherte der NRW-SPD für insgesamt drei Legislaturperioden die absolute Mehrheit. Das Land wurde in der Folge von politischen Kommentatoren als „Herzkammer der Sozialdemokratie“ oder als „Stammland der SPD“ tituliert, deren Basis die Arbeitermilieus des Ruhrgebietes bildeten. 1988 wurde der neue Landtag des Landes am Rheinufer in Düsseldorf eingeweiht. Knapp 42 Jahre nach Gründung des Landes erhielt das Landesparlament ein erstmals für seine Bedürfnisse konzipiertes Gebäude. 1986 fusionierten die beiden CDU-Parteiverbände für das Rheinland und für Westfalen-Lippe 40 Jahre nach Gründung des Landes zur CDU Nordrhein-Westfalen. 1987 stimmte der Landtag dem Kauf von 37000 Wohnungen aus dem nordrhein-westfälischen Bestand der überschuldeten Neuen Heimat zu. 1984 gründete Cemaleddin Kaplan in Köln eine radikale fundamentalistische Bewegung. Der selbst ernannte Kalif von Köln starb 1995 und sein Sohn Metin Kaplan folgte ihm als „Kalif“. Der deutsche Rechtsstaat verbot erst 2001 den Kalifatstaat und schob Kaplan nach langer juristischer Auseinandersetzung in die Türkei ab.
1981 wurden die Gesamtschulen nach ausgiebiger Testphase endgültig ins nordrhein-westfälische Schulsystem integriert. 1983 eröffnete die erste Privatuniversität des Landes. Bald schon war die Universität Witten-Herdecke aber auf bis 2007 gewährte Staatszuschüsse angewiesen.
1986 wurde in Köln das Museum Ludwig eingeweiht. Seit 1988 sendet RTL aus Köln und entwickelt sich im Folgenden zu einem der größten privaten Rundfunkunternehmen des Landes. 1989 fand in Köln die erste popkomm statt.
1985 wurde erstmals Smog-Alarmstufe III in Teilen des Ruhrgebietes ausgerufen. Der PKW-Verkehr und die Industrieproduktion wurden eingeschränkt; die Umweltbelastung im Ruhrgebiet hatte eine neue Qualität erreicht. Der 1980 unterzeichnete Jahrhundertvertrag sollte die heimische Steinkohle gegenüber importierter Steinkohle zur Verstromung bevorteilen. Der 1980 eingeführte Kohlepfennig diente der Finanzierung dieser Subvention heimischer Steinkohle. 1986 wird der Kohlepfennig wegen verfassungsrechtlicher Bedenken wieder abgeschafft; die nordrhein-westfälischen Zechen werden seitdem durch direkte staatliche Subventionen in die Lage versetzt, ihren Betrieb aufrechtzuerhalten. 1982 erreichte die Stahlkrise ihren symbolischen Höhepunkt. Die Krupp Stahl AG kündigte die Schließung des Stahlwerkes in Rheinhausen an, weil die heimische Stahlproduktion gegenüber ausländischer Importware nicht konkurrenzfähig sei. Anvisiert wurde eine Schließung für das Jahr 1988. Durch massive Proteste und Arbeitskämpfe im Jahr 1987 wurde das Überleben des Werkes verlängert, dann aber 1993 letztlich doch stillgelegt. 1989 wurden die Kernreaktoren in Jülich und der schnelle Brüter in THTR 300 in Hamm stillgelegt. Bei letzterem Reaktor kam es zu erheblichen Problemen im Betrieb bis hin zum Austritt von Radioaktivität im Jahr 1986.
1990er-Jahre

Die Landtagswahl 1990 brachte der SPD und ihrem Spitzenkandidaten Johannes Rau erneut - bereits zum dritten Mal in Folge - eine absolute Mehrheit. Die Grünen schafften erstmals den Einzug in das Landesparlament. 1991 beschloss der Bundestag den Umzug der Regierung und des Parlaments nach Berlin, das das „Provisorium“ als neue Bundeshauptstadt ablöste. Dennoch verbleiben Teile der Regierung und andere Bundeseinrichtungen in Bonn. Als Standort wichtiger (ehemaliger) Staatsunternehmen wie die Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost und durch den Zuzug wichtiger UN-Einrichtungen kann der Wegzug der Regierung und des Parlaments weitgehend kompensiert werden. Neubauten bedeutender staatlicher Museen, schaffen zusätzlich im alten Regierungsviertel die landesweit einzigartige Museumsmeile. 1995 verfehlt die SPD erstmals seit 1980 die absolute Mehrheit. Johannes Rau konnte Ministerpräsident bleiben, war aber auf eine Koalition der Fraktionen SPD und Grüne angewiesen. Die Genehmigung des Tagebaus Garzweiler II führte die rot-grüne Koalition bereits 1996 an den Rand des Scheiterns. 1998 tritt Johannes Rau als einer der am längsten amtierenden Ministerpräsidenten Deutschlands zurück. 1999 wählte ihn die Bundesversammlung zum Bundespräsidenten. Rau war nach Gustav Heinemann, Heinrich Lübke und Walter Scheel bereits der vierte Nordrhein-Westfale in diesem Amt. Nachfolger als Ministerpräsident wurde Wolfgang Clement. Er verlegte die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen in das Bürohochhaus Stadttor. Die Entscheidung Clements das Justiz- und Innenministerium zusammenzulegen provoziert großen Widerspruch, hat aber nur ein Jahr bestand; 1999 beendet der Verfassungsgerichtshof die Fusion. Die Kommunalwahlen 1999 brachten gleich mehrere Neuerungen mit sich: Das Wahlalter sank auf 16 Jahre. Die 5-Prozent-Hürde wurde für ungültig erklärt. Die Doppelspitze wurde abgeschafft und die nun hauptamtlichen (Ober-) Bürgermeister und Landräte damit erstmals direkt gewählt.
1992 ereignete sich das schwerste Erdbeben im nordrhein-westfälischen Rheingraben seit 1756. Das Erdbeben mit dem Epizentrum im niederländischen Grenzort Roermond verursachte in Nordrhein-Westfalen Schäden in Höhe von etwa 150 Millionen Euro. 1993 starben bei einem rechtsextremistischen Brandanschlag in Solingen fünf Menschen. Der Anschlag löst bundesweite Empörung aus. Bereits 1992 hatten rund 100.000 Menschen unter dem Motto Arsch huh, Zäng ussenander in Köln gegen rechtsextreme Gewalt demonstriert. 1994 wurde die Britische Rheinarmee aus dem Land abgezogen: offiziell endet damit die britische Besatzung des Landes. Nur wenige Truppen verblieben unter der Bezeichnung „Britische Streitkräfte in Deutschland“ im Land, vor allem in Ostwestfalen, wurden aber im Folgenden immer weiter reduziert.
1990 starteten die ersten lokalen Radioprogramme. Die meisten davon hatten sich im Verbund Radio NRW zusammengeschlossen. 1991 wurde die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen gegründet. In den folgenden Jahren unterstützte die Filmstiftung zahlreiche erfolgreiche Filmproduktionen. In Köln wird 1993 eines der beliebtesten Museen des Landes eröffnet: das Schokoladenmuseum. 1993 starteten in Köln mit VIVA und VOX zwei weitere Fernsehsender, 1997 startete in Köln Phoenix. 1998 wurde mit der Kölnarena die bisher größte Multifunktionshalle Deutschlands eröffnet. 1994 gewann der Rheinländer Michael Schumacher seine erste Weltmeisterschaft und begann damit eine der erfolgreichsten Karrieren eines nordrhein-westfälischen Sportlers. 1997 gewann mit Borussia Dortmund einer der Traditionsvereine des Ruhrgebiets die Champions League und den Weltpokal. 1999 endet die 1989 gestartete Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA), die vor allem die Bewältigung des Strukturwandels im Ruhrgebiet in städtebaulicher und kultureller Hinsicht zum Thema hatte.
1990 geriet Nixdorf Computer, bislang eines der innovativsten IT-Unternehmen des Landes, in wirtschaftliche Probleme und musste mit Hilfe der Siemens AG zum Nachfolgeunternehmen Siemens Nixdorf umgeformt werden um die meisten Arbeitsplätze zu erhalten. Das bereits 1985 eigentlich komplett fertiggestellte Kernkraftwerk Kalkar wurde nicht in Betrieb genommen und das Projekt 1991 endgültig aufgegeben. 1994 wurde mit dem Kernkraftwerk Würgassen auch das letzte nordrhein-westfälische Kernkraftwerk stillgelegt. Die von der anhaltenden Stahlkrise schwer angeschlagenen Stahlkonzerne des Landes konsolidierten in den 90-er Jahren ihre Unternehmen. Zunächst wurde aus der Hoesch AG und Krupp 1992 die Friedrich Krupp AG Hoesch-Krupp geformt, die ihrerseits 1997 mit Thyssen in der ThyssenKrupp AG aufging. Düsseldorf begann Ende des Jahrzehnts mit der Entwicklung des futuristisch anmutenden Medienhafens, der vor allem Dienstleistungs- und Medienunternehmen auf das ehemalige Industrieareal locken sollte. In Oberhausen wurde 1996 ein ehemaliges Hüttengelände zur Neuen Mitte umgeformt, dessen Zentrum das Einkaufszentrum CentrO bildete. Die Projekte in Düsseldorf und Oberhausen stehen exemplarisch für weitere Projekte zur Gestaltung des Strukturwandels wie der Mediapark und der Rheinauhafen in Köln oder der Innenhafen Duisburg, der wiederum im Rahmen der IBA initiiert wurde.
2000er-Jahre

Die Landtagswahl 2000 führte zu einer Bestätigung Wolfgang Clements im Amt des Ministerpräsidenten, der die rot-grüne Koalition für eine weitere Legislaturperiode anführen kann. Bereits 2001 geriet seine Regierung unter Kritik im Zusammenhang mit dem Verkauf des Trickfilmstudios Oberhausen (HDO). Kern der Vorwürfe war eine Täuschung des Käufers durch geschönte Bilanzen des Studios und eine verfehlte Subventionspolitik der Landesregierung. 2002 wird Wolfgang Clement nach der Bundestagswahl Minister der Bundesregierung. Der Landtag wählte den bisherigen Landesfinanzminister Peer Steinbrück zu seinem Nachfolger als Ministerpräsident. Zur Landtagswahl 2005 trat Steinbrück erstmals als SPD-Spitzenkandidat an. Die Landtagswahl löste ein politisches „Erdbeben“ aus. Die Wähler ermöglichten ein schwarz-gelbes Bündnis und die Wahl Jürgen Rüttgers (CDU) zum Ministerpräsidenten. Damit war die SPD in ihrem bis dahin als Stammland angesehenen Nordrhein-Westfalen erstmals seit fast 40 Jahren nicht mehr an der Regierung beteiligt. Die rot-grüne Bundesregierung unter dem Lipper Gerhard Schröder entschloss sich aufgrund dieser Wahlschlappe noch im Herbst 2005 Neuwahlen im Bund anzustreben, was schließlich auch zu deren Abwahl führte.
2003 wurden die Gesamthochschulen in reguläre Universitäten überführt. 2006 ermöglichte die neugewählte CDU-/FDP-Regierung den Hochschulen des Landes die Erhebung von Studiengebühren. In mehreren ländervergleichenden PISA-Studien belegte Nordrhein-Westfalens Schulsystem in vielen Fächern nur hintere Plätze im Bundesvergleich, was hitzige Diskussionen um die Qualität des nordrhein-westfälischen Schulsystems auslöste. 2007 führte die Landesregierung erstmals das Zentralabitur im Land ein. 2009 wurde erstmals seit den 1970er Jahren wieder eine Kreisreform im Land durchgeführt. Die Stadt Aachen und der Kreis Aachen wurden in der Städteregion Aachen zusammengefasst und damit erstmals ein Regionsmodell in Nordrhein-Westfalen erprobt.
2001 ernannte die UNESCO die 1986 stillgelegte Zeche Zollverein nach dem Aachener Dom, den Schlössern Augustusburg und Falkenlust und dem Kölner Dom zur vierten Weltkulturerbestätte des Landes. Der Industriekomplex, einst eine der größten Zechen der Welt, ist einzigartiges Zeugnis der Montanindustrie im Ruhrgebiet. Die Zeche und die Kokerei Zollverein wurden nach der Stilllegung als Industriedenkmal erhalten und als Kultur- und Museumsstandort nutzbar gemacht. 2001 fand die erste lit.Cologne statt und entwickelte sich in den Folgejahren zum größten Literaturfestival in Nordrhein-Westfalen. 2001 erhielt das Wallraf-Richartz-Museum und seine überregional bedeutende Kunstsammlung in Köln einen neuen Museumsbau. Die zeitgenössische Sammlung des Kunsthauses war seit 2002 im ehemaligen Landtagsgebäude der Öffentlichkeit zugänglich. 2004 fand in Köln erstmals die c/o pop statt, die auch als Reaktion auf die Abwanderung der bis dahin größten Musikmesse des Landes Popkomm nach Berlin ins Leben gerufen wurde. Im Gegensatz zur Popkomm in Berlin konnte sich die c/o pop seit 2004 einer steigenden Beliebtheit erfreuen. 2007 erfolgte in Köln die Eröffnung des Neubaus für das Museum Kolumba. Die mittlerweile in Nordrhein-Westfalen heimisch gewordenen muslimischen Bürger planten ab etwa 2000 zunehmend an vielen Orten im Land repräsentative Moscheen. Einige der Bauvorhaben in Nordrhein-Westfalen stießen dabei auf heftige Proteste. Vor allem gegen die DITIB-Zentralmoschee Köln wurde massiv protestiert. Im von Migranten geprägten Duisburg-Marxloh verlief der Bau der 2008 Mekrez-Moschee dagegen weitgehend reibungslos.
Bis Mitte des Jahrzehnts gaben die belgischen Streitkräfte ihre letzte Garnison im Land auf. 2004 wurde dadurch die Gründung des Nationalparks Eifel möglich. Der Nationalpark umfasst auch Teile eines bis dahin vom belgischen Militär genutzten Geländes und ist der erste Nationalpark des Landes. 2009 stürzte das Kölner Stadtarchiv in Folge von Bauarbeiten an der U-Bahn ein und begräbt unschätzbar kostbare Dokumente der Regional- und Landesgeschichte in den Trümmern.
2001 wird mit der Arena AufSchalke das bis dahin modernste Stadion des Landes in Gelsenkirchen gleich neben dem traditionsreichen Parkstadion eingeweiht. Im selben Jahr beschließen auch die Düsseldorfer Ratsherren den Bau eine Multifunktionsarena (LTU-Arena), die das traditionsreiche Rheinstadion ersetzen sollte, und als Spielstätte für die Fußball-WM angedacht war. Als Spielstätten der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wurden in Nordrhein-Westfalen dann aber das bis 2003 grunderneuerte Müngersdorfer Stadion, die Arena in Gelsenkirchen und das bis 2003 ständig erweiterte Westfalenstadion in Dortmund als größtes Stadion des Landes ausgewählt.
Der Telekommunikationskonzern Vodafone übernahm im Jahr 2000 die Mannesmann AG in einer der bis heute größten und umstrittensten Fusionen der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Mit der Übernahme verlor eines der ehemals größten Unternehmen der nordrhein-westfälischen Montanindustrie seine Unabhängigkeit. Die Abfindungszahlungen für den damaligen Vorstandsvorsitzenden Klaus Esser lösen bundesweite Empörung aus und führen zu einem der größten Wirtschaftsprozesse Deutschlands. 2003 wurden bei der sich weitgehend im Kommunal- und Landesbesitz befindlichen WestLB finanzielle Probleme offenkundig, die sich in den Folgejahren aus verschiedenen Gründen fortsetzten. Die Folgen der Finanzkrise verstärkten die finanzielle Schieflage der größten Bank des Landes. Die Landesregierung erwägte spätestens seit der Finanzkrise eine Fusion mit einer weiteren Landesbank oder einen Verkauf der Bank. In der Finanzkrise geriet auch mit der im Kern Kölner Sal. Oppenheim eine der wohl traditionsreichsten und größten deutschen Privatbanken in erhebliche Schieflage und musste 2009 von der Deutschen Bank übernommen werden. Teilweise dazu beigetragen hat auch die Insolvenz von Arcandor, einem der größten nordrhein-westfälischen Handelsunternehmen. 2008 entschloss sich der finnische Nokia-Konzern zur Schließung des Werkes in Bochum und zu einer Verlagerung der Produktion in ein osteuropäisches Land. Empörung und Proteste provozierte die Entscheidung einerseits weil das Werk in Bochum keine Verluste schrieb, andererseits das Nokia-Werk als Vorzeigeobjekt einer krisensicheren Nachfolgeindustrie für die Montanindustrie im Ruhrgebiet galt. Für Bochum bedeuteten die Probleme des 2009 insolventen GM-Konzerns gegen Ende des Jahrzehnts eine weitere Bedrohung, weil dadurch auch dem Opel-Werk in Bochum das Aus drohte. Der 2007 vereinbarte Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau bzw. dessen Subvention bedeutet wohl nach heutigem Ermessen zum Jahr 2018 die Schließung der wenigen noch im Land bestehenden Zechen, die sich alle im Besitz der RAG Deutsche Steinkohle AG befinden. Die neu gegründete RAG-Stiftung als Besitzer der Deutschen Steinkohle soll die Begleichung der Ewigkeitskosten sichern. Der „weiße Bereich“ der bisherigen RAG wurde als Evonik Industries ausgegliedert. Evonik, ebenfalls im Besitz der RAG-Stiftung, ist seit der Gründung an eines der größten Unternehmen des Landes und soll durch seine Erträge die Stiftungsaufgaben stützen. Voraussichtlich wirtschaftlich weiter betrieben werden kann der Braunkohlenabbau im Tagebauverfahren im Rheinischen Braunkohlerevier. 2006 wurde mit der Förderung im jahrelang stark umstrittenen Revier Garzweiler II begonnen.
2010er-Jahre

Im Mai 2010 wurde der nordrhein-westfälische Landtag gewählt. Die bisherige CDU/FDP-Regierung erhielt keine neue Mehrheit. Grüne und SPD bildeten unter Hannelore Kraft (SPD) eine Minderheitsregierung.
Das Ruhrgebiet wird 2010 Kulturhauptstadt Europas. Unter dem Motto RUHR.2010 – Kulturhauptstadt Europas steht die Entwicklung einer der größten Industrieregionen der Welt zu einer kulturell lebendigen Metropolregion im Vordergrund. Der Kulturhauptstadttitel wurde erstmals nach Nordrhein-Westfalen vergeben. Im Zusammenhang erhielt das Museum Folkwang einen Neubau. Das völlig neu konzipierte Ruhrlandmuseum zog auf das Gelände von Zollverein. Im Zusammenhang mit der RUHR.2010 wurden 60 km der Bundesautobahn A40 von Dortmund bis Duisburg gesperrt und kulturell genutzt. Bei der an die RUHR.2010 angelehnten Loveparade in Duisburg wurden bei einem Unglück ausgelöst durch die drangvolle Enge 21 Besucher getötet und Hunderte teils schwer verletzt.
Bis 2018 ist voraussichtlich die Schließung der Zechen der RAG Deutsche Steinkohle AG vorgesehen. Damit wird die Ära des Steinkohlenbergbaus im Land enden.
Chronik
21. Juni 1946 | Britisches Kabinett beschließt in Whitehall in London die Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen |
17. Juli 1946 | Auf einer Pressekonferenz beim Alliierten Kontrollrat in Berlin wird die Zusammenlegung des nördlichen Rheinlands mit Westfalen bekannt gegeben. |
24. Juli 1946 | Ernennung von Rudolf Amelunxen zum Ministerpräsidenten durch die britische Besatzungsbehörde |
23. August 1946 | Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen durch die Verordnung Nr. 46 der britischen Militärregierung |
2. Oktober 1946 | Konstituierende Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen |
21. Januar 1947 | Verordnung Nr. 77 der britischen Militärverwaltung zur Eingliederung des Landes Lippe nach Nordrhein-Westfalen tritt vorläufig in Kraft. |
20. April 1947 | Erste Landtagswahl |
5. November 1948 | Der Landtag in Düsseldorf beschließt das „Gesetz über die Vereinigung des Landes Lippe-Detmold mit dem Land Nordrhein-Westfalen“, Gründung des Landesverbandes Lippe |
23. Mai 1949 | Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland tritt in Kraft. Nordrhein-Westfalen wird ein Land der Bundesrepublik Deutschland. |
10. Mai 1949 | Der Parlamentarische Rat bestimmt Bonn zur vorläufigen Bundeshauptstadt. |
18. Juni 1950 | Annahme der Landesverfassung durch Volksentscheid |
10. März 1953 | Das Landesgesetz über die Landesfarben, -flagge und -wappen wird verabschiedet. |
12. Mai 1953 | Die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen-Lippe werden gegründet. |
11. Mai 1954 | Die Gründung des Westdeutschen Rundfunks in Köln wird beschlossen. |
30. Juni 1965 | Die Landesregierung eröffnet die Ruhr-Universität in Bochum. |
12. Dezember 1968 | Die Landesregierung eröffnet die Universität Dortmund. |
1. Juli 1969 | Die erste Stufe der Neugliederung der Gemeinden und Kreise tritt in Kraft. Hierdurch wird zunächst die Zahl der Gemeinden im Land reduziert. |
1. August 1971 | Das Bildungsangebot in Nordrhein-Westfalen wird um 15 Fachhochschulen in Aachen, Bielefeld, Bochum, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Hagen, Köln, Krefeld, Lemgo, Münster, Paderborn, Siegen und Wuppertal erweitert. |
16. Mai 1972 | Es folgen die Gesamthochschulen in Duisburg, Essen, Paderborn, Siegen und Wuppertal sowie 1975 die einzige deutsche Fernuniversität in Hagen. |
1. Januar 1975 | Die zweite Stufe der Neugliederung der Gemeinden und Kreise tritt in Kraft. Hierdurch wird nochmals die Zahl der Gemeinden reduziert und alle Kreise im Lande werden neu geordnet. |
17. Oktober 1994 | Die neue Kreisordnung und die neue Gemeindeordnung treten in Kraft, nach der die kommunale Doppelspitze abgeschafft wird. Gleichzeitig wird die Direktwahl der Landräte und der Oberbürgermeister bzw. Bürgermeister eingeführt. |
6. Juli 1999 | Der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen erklärt die Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen für verfassungswidrig. Die Klausel wird daraufhin im Kommunalwahlgesetz gestrichen. |
1. Januar 2003 | Alle Gesamthochschulen werden in Universitäten überführt. |
22. Mai 2005 | Die SPD verliert bei der Wahl des 14. Landtages nach 25 Jahren den Status als stärkste Fraktion und wird nach 39-jähriger Regierung (seit 1995 mit den Grünen) von den Wählern in die Opposition geschickt. Die bisherige Opposition aus CDU und FDP tritt in Koalitionsverhandlungen ein. |
22. Juni 2005 | Knapp 39 Jahre nach dem Sturz von Franz Meyers durch ein konstruktives Misstrauensvotum am 8. Dezember 1966 wird mit Jürgen Rüttgers erstmals wieder ein CDU-Politiker zum Ministerpräsidenten gewählt. |
1. November 2009 | Durch Staatsvertrag mit Hessen wächst Nordrhein-Westfalen um 14 ha und 22 Einwohner, die kulturell ohnehin seit Jahrzehnten nach Brilon-Bontkirchen ausgerichtet waren. |
Nordrhein-Westfalen-Tag
Bis 2006 feierte das Land seine runden Geburtstage mit Veranstaltungen in der Landeshauptstadt Düsseldorf. Ab 2007 finden diese Nordrhein-Westfalen-Tage jährlich in wechselnden Städten des Landes statt.[5] 2007 fand der Nordrhein-Westfalen-Tag in Paderborn, 2008 in Wuppertal und 2009 in Hamm statt.[6] Veranstaltungsorte werden 2010 die Stadt Siegen und 2011 die Stadt Bonn sein.[7]
Siehe auch
- Zu Aspekten der Geschichte der Politik und der politischen Kultur in Nordrhein-Westfalen, siehe auch Politisches System Nordrhein-Westfalens
- Demographische Entwicklung im Land, siehe Demographie Nordrhein-Westfalens
- Zu Aspekten der Wirtschaftsgeschichte, siehe auch Wirtschaft Nordrhein-Westfalens
- Zur Geschichte der Religionslandschaft, siehe Religionen in Nordrhein-Westfalen
- Zur Geschichte Westfalens, siehe Geschichte Westfalens
- Zur Geschichte Lippes, siehe Geschichte Lippes
- Zur Geschichte des Ruhrgebiets, siehe Geschichte des Ruhrgebiets
Literatur
- Landschaftsverband Rheinland, Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.): Handbuch der Historischen Stätten Nordrhein-Westfalen. 3., völlig neu bearbeitete Auflage. Alfred Kröner, Stuttgart 2006, ISBN 3-520-27303-9.
- Hein Günter Horn (Hrsg.): Die Römer in Nordrhein-Westfalen. Konrad Theiss, Stuttgart 1987, ISBN 3-8062-0312-1 (718 Seiten mit 559 Abbildungen im Text und 24 Farbtafeln).
- Jörg Engelbrecht: Nordrhein-Westfalen in historischer Perspektive. In: Werner Künzel, Werner Relleke (Hrsg.): Geschichte der deutschen Länder. Entwicklungen und Traditionen vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Münster 2005, S. 255–278.
- Christoph Nonn: Geschichte Nordrhein-Westfalens. C.H.Beck, 2009, ISBN 978-3-406-58343-8 (128 Seiten mit 2 Karten).
- Nordrhein-Westfalen Jahrbuch 2007. 8. Jahrgang. K. G. Saur Verlag, München 2006, ISBN 3-598-23954-8, S. 508 (mit allen wichtigen Adressen und Personen des öffentlichen Lebens, auch als CD-ROM, ISBN 3-598-23955-6).
- Ruhruniversität Bochum (Hrsg.): Literaturliste zur Geschichte Nordrhein-Westfalens
Weblinks
- Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): geschichte.nrw.de
- Institut für empirische Sozial- und Kommunikationsforschung (IESK) (Hrsg.): NRW 2000. Nordrhein-Westfalen. Eine Zeitreise.
- Thomas Höckmann: Nordrhein-Westfalen - Geschichte
- Landesregierung Nordrhein-Westfalen: Geschichte
- Landesverband Westfalen-Lippe (Hrsg:): Internet-Portal „Westfaelische Geschichte“ – Informationen und Ressourcen zur Westfälischen Geschichte
Einzelnachweise
- ↑ [1] Veit Veltzke: Das Preußen-Museum Nordrhein-Westfalen in Minden und Wesel; in: AHF-Information, 2004, Nr. 003 vom 14. Januar 2004; abgerufen am 20. August 2010
- ↑ hinzu kamen 1724 Hildesheim und 1728 Osnabrück, letzteres ebenfalls im niederrheinisch-westfälischen Kreis
- ↑ Prof. Dr. Kurt Düwell: "Operation Marriage", Die britische Geburtshilfe bei der Gründung Nordrhein-Westfalens, Redemanuskript vom 14. September 2006, Düsseldorf, abgefragt am 6 Mai 2010 [2]
- ↑ Verordnung Nr. 46 – Auflösung der Provinzen des ehemaligen Landes Preußen in der Britischen Zone und ihre Neubildung als selbständige Länder.
- ↑ Rheinische Post vom 17.Dezember 2005, abgerufen am 28. November 2009 Rüttgers will Jährlichen Nordrhein-Westfalen-Tag
- ↑ NRW-Tag 2009 in Hamm – Elephantastisch
- ↑ www.energieland.nrw.de: Nordrhein-Westfalen-Tag in Paderborn – Landesregierung beteiligt sich mit einem umfassenden Angebot
Koordinaten: 51° 29′ N, 7° 33′ O