Verantwortung
Verantwortung bedeutet die Möglichkeit, dass eine Person für die Folgen eigener oder fremder Handlungen Rechenschaft ablegen kann. Sie drückt sich darin aus, bereit und fähig zu sein, später Antwort auf mögliche Fragen zu deren Folgen zu geben. Eine Grundvoraussetzung hierfür ist die Fähigkeit zur bewussten Entscheidung. Eine Verantwortung zieht immer eine Verantwortlichkeit nach sich, d. h. dafür Sorge zu tragen, dass die Entwicklung des Verantwortungsbereichs im gewünschten Sinne verläuft.
Der Begriff ist das Substantiv zu „verantworten“ von mittelhochdeutsch „verantwürten“ mit der ursprünglichen Bedeutung „sich als Angeklagter vor Gericht verteidigen“[1].
Bedeutung
Verantwortung stellt das menschliche Handeln in kausale Zusammenhänge. Diese sind z. B. temporaler, sozialer oder religiöser Natur. Innerhalb eines Verantwortungsbereiches folgen aus dem Handeln Konsequenzen in Gestalt von Erfolg, Misserfolg, Ruhm, Schande, Verdienst oder Schuld. Verantwortung ist außerdem etwas Begleitendes, man spricht vom Verantwortungsgefühl, sowie etwas Vorauslaufendes - wer sich mit einer Aufgabe betrauen lässt, übernimmt die Verantwortung für eine absehbare Zukunft.
Aus der Soziologie kommt der Hinweis, dass Verantwortung nur im Rahmen einer Ungewissheit Sinn ergibt, wenn also künftige Entwicklungen oder Handlungsfolgen vorab nicht planbar sind. Erst in diesem Zustand von Kontingenz könne Verantwortung zur Geltung kommen.
Damit erweist sich die oft vorgenommene Vermischung der Begriffe Verantwortung und Schuld als inkorrekt, weil das Vorliegen von Schuld voraussetzt, dass die handelnde Person vorsätzlich oder fahrlässig gegen bestehende Normen verstößt, während Verantwortung auch dann geltend gemacht werden kann, wenn als korrekt angesehenes Handeln (ganz gleich, auf Grund welcher Umstände) negative Folgen nach sich zieht.
Bedingt durch die Kontingenz ist es einerseits möglich, mit verantwortungslosem Handeln Erfolg zu erzielen, andererseits kann verantwortungsvolles bzw. verantwortungsbewusstes Handeln auch zum Misserfolg führen. Daher ist allein am Resultat nicht zu erkennen, ob und inwieweit die betreffende Person verantwortungsvoll gehandelt hat.
Verantwortung wird häufig als moralisch positive Größe bewertet. Wer Verantwortung hat, soll sich dessen bewusst sein, da andere Menschen davon positiv und negativ beeinflusst werden. Wer dagegen verantwortungslos handelt, schadet seiner Umgebung, Gemeinschaft, Umwelt oder Zukunft bzw. bringt diese in Gefahr. Im Bereich der Umweltproblematik, aber auch von hier auf andere Themen ausstrahlend, wird die Verantwortung mit dem Konzept der Nachhaltigkeit verbunden. Die Frage, ob ein Mensch überhaupt eine direkte Verantwortlichkeit für sein Handeln besitzt, ist philosophisch zudem auch mit dem Freien Willen, dem Determinismus und der Prädestination verknüpft.
Als Verantwortungsdiffusion wird ein Zustand bezeichnet, bei dem die Zuordnung der Verantwortlichkeit auf einen Verantwortungsträger vermieden wird, indem alle dafür in Frage kommenden der Verantwortung ausweichen. Das aus der Physik entlehnte Wort Diffusion deutet an, dass dieses Vermeiden wiederum nicht gesteuert erfolgt, sondern in selbstähnlicher Weise ungeregelt ist.
Johannes Schwartländer
Nach Johannes Schwartländer[2] setzt Verantwortung einen Weltbezug des Menschen und seine Autonomie (Willensfreiheit) im kantischen Sinne voraus. Zudem müssen Situationen vorliegen, die der Mensch beeinflussen kann, und es muss Normen geben, die zu einer Abweichung von einem Sollen führen können. Schließlich muss überhaupt für ein Geschehen auch dem einzelnen Menschen eine schuldhafte Zurechnung möglich sein, bevor man ihn zur Verantwortung ziehen kann. Nur unter diesen Vorbedingungen lässt sich Verantwortung konkret festmachen. Dabei hat Verantwortung eine „dreistellige Beziehung“:
- Allein der Mensch trägt Verantwortung
- für sein Handeln sowie übernommene Aufgaben und Pflichten („die Verantwortung übernehmen“, „Verantwortungsbereich“, die Verantwortung für jemanden oder etwas haben)
- vor einer Instanz, die Rechenschaft fordert (z. B. Eltern, Freunde, der „Öffentlichkeit“, der „Geschichte“, einem Gericht, dem autonomen Sittengesetz, Gott als höchstem Richter)
Max Weber
In Politik als Beruf unterscheidet Max Weber das Spannungsfeld, in dem Politiker/innen handeln, durch den scheinbaren Widerspruch einer "Leidenschaft im Sinne von Sachlichkeit". Politiker/innen - zumindest solche, die den "Beruf" zur Politik haben - zeichnen sich durch "Hingabe an eine Sache" aus. Dazu bedarf es eines Mindestmaßes an Gesinnung (Gesinnungsethik) und dazu des nötigen Augenmaßes (Verantwortungsethik). Politiker dürfen aber auch nicht "steril aufgeregt" sein - die Gesinnung muss authentisch sein, muss durch die Verantwortungsethik jedoch eingezäumt werden. Insofern erscheint die Verantwortung als Widerspruch zu, aber auch als Voraussetzung für politische Gesinnungshaltungen.
Arten von Verantwortung
Juristische Verantwortungsarten
Juristisch wird Verantwortung als die Pflicht einer Person verstanden, für ihre Entscheidungen und Handlungen Rechenschaft abzulegen. Wird einer Person eine Aufgabe und die zugehörige Kompetenz zugewiesen, so muss sie diese ausführen und bei Fehlern für die Folgen einstehen. In der Wissenschaft wird hierfür zunehmend der englische Begriff accountability gebräuchlich.
Es werden unterschieden:
- Handlungsverantwortung: Rechenschaftspflicht hinsichtlich der Art der Aufgabendurchführung
- Ergebnisverantwortung: Rechenschaftspflicht hinsichtlich der Zielerreichung
- Führungsverantwortung: Rechenschaftspflicht hinsichtlich der wahrgenommenen Führungsaufgaben
Es existiert eine Kette zwischen Verantwortung – Aufgaben – Tätigkeiten. Aufgaben sind Arbeits- oder Handlungsoptionen, stellen zum Teil auf Zielsetzungen ab; Tätigkeiten sind demgegenüber untergeordnete Handlungen, die zur Erfüllung der Aufgaben dienen. Die Tätigkeiten lassen sich teilweise delegieren, die Aufgabe jedoch keinesfalls.
Juristisch haftet jedermann in bestimmten Fällen für die Folgen seines Tuns und Lassens (siehe [Haftung (Recht)]]: Übernahme eines Schadens durch einen anderen als den unmittelbar Betroffenen (= Verpflichtung zum Schadensersatz = Haftpflicht).
Politische Verantwortungsarten
In der Politik wird meist in zwei Verantwortungsarten unterschieden:
- Selbstverantwortung (Eigenverantwortung) bedeutet, für sich selbst sowie für das eigene Handeln, Reden und Unterlassen Verantwortung zu tragen.
- Mitverantwortung bedeutet, für andere (insbesondere diejenigen, die dies nur teilweise können) Verantwortung zu übernehmen.
Weder Mitverantwortung noch Selbstverantwortung sind höherwertige Verantwortungsarten; vielmehr ist beides oft in Kombination erforderlich. Im Hinblick auf die Aufgaben des Sozialstaats betonen Liberale eher die Selbstverantwortung, die sie als Grundlage für persönliche Freiheit betrachten. Nach liberaler Auffassung soll der Staat erst dann tätig werden, wenn der Einzelne, z. B. aufgrund von Krankheit oder Arbeitslosigkeit, mit der Selbstverantwortung überfordert ist. Staatliche Unterstützungsleistungen sollen hauptsächlich Hilfe zur Selbsthilfe sein (→Subsidiaritätsprinzip).
Sozialdemokraten dagegen betonen eher die Mitverantwortung, die sie als Grundlage für soziale Gerechtigkeit betrachten. Sie befürworten daher eine staatlich institutionalisierte Solidargemeinschaft (→Solidaritätsprinzip).
Neben den beiden klassischen Verantwortungsarten in der Politik gewinnt angesichts zunehmender Staatsverschuldung und Umweltverschmutzung die Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen immer mehr an Bedeutung (siehe Generationengerechtigkeit).
Siehe auch
- Ethik
- Haus der Verantwortung
- Produktverantwortung
- Verantwortungsethik
- Verliererspiel
- Völkerrechtliche Verantwortlichkeit
Literatur
- Kurt Bayertz (1995): Eine kurze Geschichte der Herkunft der Verantwortung. In: Bayertz, Kurt: Verantwortung. Prinzip oder Problem? Darmstadt:Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S.3-71.
- Holger Burckhart, Jürgen Sikora, Timo Hoyer: Sphären der Verantwortung. Prinzip oder Lebenspraxis? Münster 2005: LIT Verlag. ISBN 3-8258-8730-8
- Bodo von Greiff: Besichtigung eines Begriffs: „Verantwortung in der Wissenschaft“, in: Leviathan, 2/1998, S. 228-242.
- Ludger Honnefelder und Matthias C. Schmidt (Hrsg.): Was heißt Verantwortung heute?, Paderborn 2008, Verlag Schoeningh, ISBN 978-3-506-76318-0.
- Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung. Versuch einer Ethik für die technologische Zivilisation. Frankfurt/M., 1979, Neuauflage als Suhrkamp Taschenbuch, 1984. 425 S.
- Hans Lenk, Matthias Maring: Verantwortung. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Darmstadt 2001, Bd. 11, Sp. 569-575.
- Micha H. Werner: Verantwortung. In: Düwell, Marcus / Hübenthal, Christoph / Werner, Micha H. (Hg.): Handbuch Ethik. Stuttgart 2006: J. B. Metzler. ISBN 3-476-02124-6, S. 521-527.
- Mieg, H. A. (1994). Verantwortung: Moralische Motivation und die Bewältigung sozialer Komplexität. Opladen: Westdeutscher Verlag.
- Hans-Martin Schönherr-Mann: Die Macht der Verantwortung. Freiburg / München 2010: Verlag Karl Alber. ISBN 978-3-495-48399-2
- Alfred Schüler: Verantwortung. Vom Sein und Ethos der Person. Krailling vor München 1948: Erich Wewel Verlag
- Klement, Jan Henrik: Verantwortung. Funktion und Legitimation eines Begriffs im Öffentlichen Recht, Tübingen 2006
Zitate
- Unsere Würde unterscheidet uns von allen anderen innerweltlichen Wesen; in ihr erfahren wir unsere Verantwortung; wir tragen Verantwortung für uns selbst und für andere. - Deutsche Bischofskonferenz [3]
Referenzen
- ↑ Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 23. Auflage. De Gruyter, Berlin 1999, ISBN 3-11-016392-6 (Bearb. von Elmar Seebold).
- ↑ Johannes Schwartländer: Stichwort Verantwortung, in: Handbuch philosophischer Grundbegriffe, hrsg. von Hermann Krings, Hans Michael Baumgartner und Christoph Wild, Kösel, München 1974
- ↑ KEK Bd.2; vgl. dazu den Beitrag von Georg Kardinal Sterzinsky in: Was heißt Verantwortung heute? (hrsg. von Honnefelder und Schmidt), Paderborn 2008
Weblinks
- Garrath Williams: Eintrag in James Fieser, Bradley Dowden (Hrsg.): Internet Encyclopedia of Philosophy.
- Andrew Eshleman: Moral Responsibility. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.
- Marion Smiley: Collective Responsibility. In: Edward N. Zalta (Hrsg.): Stanford Encyclopedia of Philosophy.
- Micha H. Werner: Verantwortung. In: Düwell, Marcus / Hübenthal, Christoph / Werner, Micha H. (Hg.): Handbuch Ethik. Stuttgart; Weimar: J. B. Metzler 2006, S. 541-548 (Erstfassung 2002).