Europa (Tochter des Agenor)

(Terrakotta-Gruppe aus Athen, um 470 v. Chr., Staatliche Antikensammlungen in München)
Europa (griechisch Ευρώπη, Evrópe, altgriechische Aussprache Eurṓpē; Näheres zum Namen siehe unter Europa), eine Gestalt der griechischen Mythologie, ist die Tochter des phönizischen Königs Agenor und der Telephassa. Zeus verliebte sich in sie. Er verwandelte sich wegen seiner argwöhnischen Gattin Hera in einen Stier. Sein Bote Hermes trieb eine Kuhherde in die Nähe der am Strand von Sidon spielenden Europa, die der Zeus-Stier auf seinem Rücken entführte. Er schwamm mit ihr nach Matala auf der Insel Kreta, wo er sich zurückverwandelte. Der Verbindung mit dem Gott entsprangen drei Kinder: Minos, Rhadamanthys und Sarpedon. Auf Grund einer Verheißung der Aphrodite wurde der fremde Erdteil nach Europa benannt.
Erzählungen

(Fresko aus Pompeji, 1. Jahrhundert – etwa zur Zeit Ovids)
Die älteste literarische Referenz auf Europa ist in der Ilias von Homer zufinden, wo sie die Tochter des Phoinix ist[1]. Antike Erzählungen des Europa-Mythos finden sich in der „Europa“ des Moschos und in den „Metamorphosen“ des Ovid. Es gibt viele verschiedene Sagen von der Entführung Europas, hier wird eine erläutert:
„Europa war, wie immer, mit ihren Gefährtinnen aus dem Haus gegangen. An der Mündung des Flusses lief Europa mit ihrem goldenen Korb zwischen den Rosen umher. Plötzlich sahen sie sich von einer Herde von Stieren umzingelt, die von dem Boten Hermes angetrieben wurden. Darunter einer aus blendendem Weiß, mit kleinen Hörnern, die wie leuchtende Edelsteine aussahen. Nichts Drohendes ist in seinem Ausdruck. Dieser besondere Stier war Zeus, der sich unsterblich in Europa verliebt hatte. Er versuchte mit allen Tricks, seine Untreue vor seiner argwöhnischen Gattin Hera zu verbergen, so dass Europa, die am Anfang furchtsam war, diesem weißen Maul ihre Blumen hinstreckt. Der Stier stöhnt vor Lust, wirft sich wie ein Hündchen ins Gras und bietet seine kleinen Hörner den Kränzen dar. Die Prinzessin wagt es, auf seinen Rücken zu steigen, die Beine seitwärts gewendet. Nun bewegt die Herde sich unauffällig vom trockenen Flussbett zum Strand. Scheinbar unentschlossen nähert der Stier sich dem Wasser. Dann ist es zu spät: Schon stürzt sich das weiße Tier in die Wellen, mit Europa auf dem Rücken, sie wendet sich um: Mit der rechten Hand hält sie sich an einem Horn fest, mit der anderen stützt sie sich auf das Tier. Sie versuchte den Stier zurück zu treiben und rief um Hilfe, da sie nicht wusste, dass der weiße Stier Zeus war, doch es gelang ihr nicht. Der Luftzug ließ ihre Kleider flattern, und der Stier schwamm mit ihr auf die Insel Kreta, wo er sich in Zeus zurückverwandelte.“
Auund gebar drei Söhne. Anschließend wurde sie von Asterios, dem König von Kreta, geheiratet und wurde so zur Königin von Kreta. Asterios, der selbst keine Kinder hatte, adoptierte auch ihre drei Söhne.
Agenor sandte seine Söhne aus, ihre Schwester Europa zu suchen, doch die Nachforschungen blieben erfolglos. Schließlich befragte Kadmos das Orakel von Delphi und wurde von diesem angewiesen, die Suche nach seiner Schwester aufzugeben und stattdessen die böotische Stadt Theben zu gründen.
Darstellung

(Tizian, um 1560, Isabella Stewart Gardner Museum in Boston)
Die ältesten entdeckten Vasenmalereien, welche eindeutig Europa abbilden, stammen bereits aus dem 7. Jahrhundert vor Christus.[2] Spätere bildliche Darstellungen zeigen Europa meist, Ovids Beschreibung folgend, wie sie vom Zeus-Stier entführt wird. Sie ist meist nur leicht bekleidet oder ganz nackt, sitzt rittlings (in älteren Darstellungen), seitwärts oder halb-liegend (in jüngeren Darstellungen) auf dem Rücken des weißen Stieres, hält sich an ihm fest und zeigt dabei keine Zeichen von Furcht.
Nach Europa wurde ein Jupitermond benannt → Europa (Mond) .
Literatur
- Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz Kunstgewerbemuseum: Die Verführung der Europa. Propyläen Verlag, Berlin, 1988, ISBN 3-549-05872-1
- D'Europe à l'Europe, I. Le mythe d'Europe dans l'art et la culture de l'antiquité au XVIIIe s. (colloque de Paris, ENS – Ulm, 24. - 26. April 1997), éd. R. Poignault et O. Wattel - de Croizant, coll. Caesarodunum, n° XXXI bis, 1998
- II. Mythe et identité du XIXe s. à nos jours (colloque de Caen, 30. September - 2. Oktober 1999), éd. R. Poignault, F. Lecocq et O. Wattel – de Croizant, coll. Caesarodunum, n° XXXIII bis, 2000
- III. La dimension politique et religieuse du mythe d’Europe de l‘Antiquité à nos jours (colloque de Paris, ENS-Ulm, 29. - 30. November 2001), éd. O. Wattel - De Croizant, coll. Caesarodunum, n° hors-série, 2002
- IV. Entre Orient et Occident, du mythe à la géopolitique (colloque de Paris, ENS-Ulm, 18. - 20. Mai 2006), dir. O. Wattel - de Croizant & G. de Montifroy, Ed. de l’Age d’Homme, Lausanne 2007
- Almut-Barbara Renger Hg.: Mythos Europa. Texte von Ovid bis Heiner Müller. Reclam, Leipzig 2003 ISBN 3-379-20077-8 Inhaltsverzeichnis
- Günter Dietz: Europa und der Stier. Ein antiker Mythos für Europa? Kulturgeschichtliche Reihe, 4. Sonnenberg, Annweiler 2003 ISBN 3-933264-29-4
Einzelnachweise
- ↑ Homer, Ilias xiv.321-322
- ↑ Winfried Bühler, Europa: eine Sammlung der Zeugnisse des Mythos in der antiken Literatur und Kunst