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Grigori Jakowlewitsch Perelman

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Grigori Jakowlewitsch Perelman (russisch Григорий Яковлевич Перельман, wiss. Transliteration Grigorij Jakovlevič Perel'man; * 13. Juni 1966 in Leningrad, heute Sankt Petersburg) ist ein russischer Mathematiker und ein Experte auf dem Gebiet der mathematischen Topologie und Differentialgeometrie, insbesondere auf dem Gebiet des Ricci-Flusses. 2002 veröffentlichte er seinen Beweis der Poincaré-Vermutung, eines der großen, bis dahin ungelösten Probleme der Mathematik.

Leben

Perelman ist der Sohn jüdischer Eltern, sein Vater war Elektroingenieur, seine Mutter Mathematiklehrerin.[1] Er ging in Leningrad zur Schule und fiel schon früh durch sein mathematisches Talent auf. 1982 gewann er als Schüler eine Goldmedaille bei der Internationalen Mathematik-Olympiade (mit perfekter Punktzahl) und wurde deshalb ohne Aufnahmeprüfung zum Studium zugelassen. So war er von der Benachteiligung jüdischer Studienkandidaten bei der Benotung der Aufnahmetests, die es auch noch Ende der Breschnew-Zeit und während der Andropow-Zeit gab, nicht betroffen.[2] Nach dem Studium war er am Steklow-Institut für Mathematik in Leningrad bei Alexander Danilowitsch Alexandrow und Juri Dmitrijewitsch Burago tätig. Perelman promovierte um 1990 an der Fakultät für Mathematik und Mechanik an der Petersburger Universität (Sattelflächen in Euklidischen Räumen), das heißt er erlangte nach russischen Bezeichnungen den Kandidatenstatus (C.Sc.), was einer westeuropäischen Promotion entspricht.

1992 war Perelman Post-Doktorand in den USA an der State University of New York at Stony Brook und am Courant Institute of Mathematical Sciences of New York University. 1993/94 war er als Miller Research Fellow an der University of California, Berkeley und ging dann trotz Angeboten der Princeton University und Stanford University 1995 ans Steklow-Institut in Sankt Petersburg zurück. Nach Ludwig Faddejew[3] ließ man ihn, da man seine Fähigkeiten kannte, dort weitgehend ungestört arbeiten, obwohl er kaum publizierte und sich weigerte, seine Habilitation (in Russland Doktor genannt) zu verteidigen. Er hatte als einziger führender Wissenschaftler am Institut „nur“ einen Kandidatenstatus. Bis zum Herbst 2002 war Perelman hauptsächlich für seine Arbeit in Differentialgeometrie bekannt.

Den EMS-Preis der Europäischen Mathematischen Gesellschaft, den er 1996 erhielt, lehnte er ab.

Nachdem er eine Zeit lang in der Datscha eines Freundes völlig isoliert forschte, wohnt er nun wieder am Stadtrand von St. Petersburg bei seiner Mutter. Nachdem er seine Stellung beim Steklow-Institut 2003 gekündigt hat, ist Perelman derzeit arbeitslos.

Perelman spielt Geige und ist auch ein starker Tischtennisspieler. Seine jüngere Schwester Elena ist ebenfalls Mathematikerin. Sie promovierte am Weizmann-Institut und arbeitet am Karolinska-Institut in Stockholm als Biostatistikerin.

Werk

Perelman machte schon vor seiner Arbeit über die Poincaré-Vermutung durch Arbeiten in der Differentialgeometrie auf sich aufmerksam. Diese Arbeiten brachten ihm auch den Preis für junge Mathematiker der Europäischen Mathematischen Gesellschaft (EMS-Preis) 1996 ein.[4]

Perelman entwickelte die Theorie der Alexandrov-Räume (mit nach unten beschränkter Krümmung) inklusive einer Strukturtheorie und eines Stabilitätssatzes.[5] Alexandrov-Räume sind nach seinem Lehrer A. D. Alexandrov benannt und sind flexibler als Riemannsche Mannigfaltigkeiten.[6] Mit seinem Lehrer Burago und Michail Leonidowitsch Gromow veröffentlichte er auch einen Übersichtsartikel über diese Räume.[7]

1994 gab er einen neuen kurzen und eleganten Beweis des Seelen-Theorems (Soul Theorem), das zuerst von Jeff Cheeger und Detlef Gromoll 1972 bewiesen wurde.[8]

1994 war er Referent beim ICM in Zürich (Spaces with curvature bounded below).

Die Poincaré-Vermutung

Hauptartikel: Poincaré-Vermutung

Im November 2002 veröffentlichte er auf arXiv den ersten Artikel zu einer Reihe, die beabsichtigte, die Geometrisierungsvermutung von William Thurston zu beweisen. In diesem Beweis ist die Poincaré-Vermutung als Spezialfall enthalten.

Die Arbeit Perelmans wurde lange Zeit (2003–2006) von der mathematischen Fachwelt überprüft. Inzwischen haben drei Teams von Experten den Beweis geprüft (Gang Tian und John Morgan, Huai-Dong Cao und Xi-Ping Zhu, Bruce Kleiner und John Lott) und sich nach intensiver Auseinandersetzung mit dem Beweis positiv zu dessen Korrektheit geäußert. Auch Richard Hamilton, der mit seiner Theorie des Ricci-Flusses den Ausgangspunkt für den Beweis lieferte, überprüfte die Korrektheit unabhängig mit Tom Ilmanen und Gerhard Huisken. Der Beweis von Perelman enthielt zwar ein paar Ungenauigkeiten und kleine Fehler, die sich aber im Rahmen der Überprüfung des Beweises beheben ließen und keine wesentlichen Probleme darstellten. Perelman erhielt für den Beweis 2006 die Fields-Medaille, was allgemein als „offizielle“ Anerkennung des Beweises gilt. Die Fields-Medaille lehnte er, wie bereits den EMS-Preis, ab.

Im Jahr 2000 zählte das Clay Mathematics Institute die Poincaré-Vermutung unter die sieben bedeutendsten ungelösten mathematischen Probleme und lobte für die Lösung (unter der Bedingung ihrer Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift[9]) einen Preis von einer Million US-Dollar aus. Perelman, der seine Arbeit im Internet publizierte, zeigte bisher weder Interesse daran, seinen Beweis in einer Fachzeitschrift zu veröffentlichen, noch daran, den Preis für sich zu beanspruchen. Das Clay-Institut in Cambridge, Massachusetts, USA, sprach Perelman nach eingehenden Prüfungen am 18. März 2010 das Preisgeld für die erste Lösung eines der sieben Millenniums-Probleme zu. Dieser lehnte die Auszeichnung jedoch ab. Er begründete diese Entscheidung damit, dass der US-Amerikaner Richard Hamilton einen gleichwertigen Beitrag zur Lösung des Problems geleistet habe.[10]

Fields-Medaille

Die an Perelman verliehene Fields-Medaille

Für seine bahnbrechenden Arbeiten und die Lösung der Poincaré-Vermutung wurde Grigori Perelman 2006 die Fields-Medaille verliehen, die er jedoch, als erster Mathematiker der Geschichte, ablehnte.[11] Vergleichbares ereignete sich bislang nur mit Alexander Grothendieck, dem 1966 die Fields-Medaille zugesprochen wurde. Im Gegensatz zu Perelman akzeptierte Grothendieck die Auszeichnung, wenngleich er aus politischen Gründen ablehnte, zu der offiziellen Verleihung nach Moskau zu reisen. Zuvor hatte im Sommer 2006 sogar der Präsident der Internationalen Mathematischen Union (IMU), der Brite John M. Ball, vergeblich in Sankt Petersburg versucht, Perelman zur Annahme des Preises zu überreden.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Biographie von Perelman, englisch
  2. Deutschlandfunk: Der weiße Rabe vom 11.Mai 2008
  3. Ludwig Faddejew
  4. Laudatio zum EMS-Preis, Notices AMS 1997, pdf Datei
  5. Perelman: Alexandrov´s spaces with curvature bounded below II, Preprint, University of California 1991 (nicht publiziert), Spaces with curvature bounded below, Proc. ICM, Zürich 1994, Elements of Morse theory on Alexandrov spaces, St.Petersburg Mathematical Journal, Bd.5, 1994, S.205
  6. Sie sind definiert als vollständige Längenräume mit nach unten beschränkter Krümmung und endlicher (Hausdorff-) Dimension. Längenraum bedeutet dabei, dass der Abstand zweier Punkte durch das Infimum der Längen der Kurven gegeben ist, die diese Punkte verbinden.
  7. Perelman, Y. Burago, M. Gromov: Alexandrov spaces with curvature bounded from below, Uspekhi Math. Nauka, Bd.47, 1992, S.3-51, bzw. Russian Mathematical Surveys
  8. Perelman: Proof of the soul conjecture of Cheeger and Gromoll, Journal Differential Geometry Bd.40, 1994, S. 209-212
  9. NZZ-Online, "Genialer Einsiedler", 23. Juli 2006, [1]
  10. Handelsblatt: Auszeichnung abgelehnt: Mathe-Genie verzichtet auf eine Million Dollar, 1. Juli 2010
  11. Einsiedler verschmäht Mathe-Medaille auf Spiegel-Online vom 22. August 2006. Abgerufen am 17. Juni 2009